Der Turm des Necrarch: Eine Kampagne nach Mordheim-Regeln in Sylvania

Der Hof der Schädel: Spiel 5
Straßenkampf


Für das zweite Spiel am Samstag hatten wir uns ein besonderes Szenario überlegt. Wir wollten vermeiden, dass es noch einmal zu einer Massenschlacht wie beim letzten Mal kommen würde. Deshalb vereinbarten wir folgende strategisch reizvolle Ausgangslage:

Nach den letzten Geschehnissen in den Katakomben ist der irre Nefsokar überzeugt, dass sich nicht nur eine kleine Gruppe seiner „Untertanen“, sondern die gesamte Stadt zu einem Aufstand erhoben hat. Deshalb ergreift er nun die Initiative und schickt seine Schergen bei Nacht in die Stadt hinaus, um die verweigerten „Abgaben“ mit Gewalt einzuziehen. Konkret bedeutet das, dass die Ghoule jeden Stadtbewohner, den sie erwischen können, auf den Friedhof verschleppen und als Futter verwerten.

Die nächtlichen Überfälle werden rasch bemerkt, und die ganze Stadt ist in Panik. Immer mehr Menschen verschwinden spurlos. Der Bürgermeister erscheint bei Ansgar und bittet ihn, mit seinen Leuten in den Straßen zu patrouillieren, um die Bevölkerung zu beschützen. Natürlich nimmt der Inquisitor diesen Auftrag an.

Wir bauen deshalb ein Stadtgelände auf, wobei auf einer Seite des Spielfelds der Friedhofseingang liegt, von wo die Ghoule ins Spiel starten. Auf der anderen Seite liegt das Gasthaus, das zur Zeit quasi das Hauptquartier der Hexenjäger ist. In den Straßen stellen wir 16 neutrale Modelle als Stadtbewohner auf.

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Aufgabe der Ghoule ist es, möglichst viele Stadtbewohner zu überwältigen (was bei einem Nahkampf-Angriff automatisch geschieht) und auf den Friedhof zu verschleppen. Ein überwältigter Stadtbewohner muss von mindestens einem Ghoul dorthin gebracht werden. Solange ein Ghoul einen Stadtbewohner verschleppt, ist er ganz damit beschäftigt und darf keine weiteren Angriffe durchführen. Er kann aber von den Hexenjägern angegriffen werden, die auf diese Weise versuchen dürfen, dem Ghoul seine Beute abzujagen und den Stadtbewohner zu retten.

Aufgabe der Hexenjäger ist es, möglichst viele Stadtbewohner in die Sicherheit des Gasthauses zu bringen, bevor die Ghoule sie erwischen können. Dazu genügt es, wenn ein Hexenjäger sich in Kontakt mit einem Stadtbewohner bewegt, der ihm daraufhin in Basekontakt folgt. Der Hexenjäger darf dann keine Angriffe mehr durchführen, weil er ganz darauf konzentriert ist, den Stadtbewohner in Sicherheit zu bringen. Er kann aber von Ghoulen angegriffen werden, die auf diese Weise versuchen dürfen, ihm seinen Begleiter abzujagen.

Letztlich läuft es also auf eine „Jagd“ nach den Stadtbewohnern hinaus. Jeder verschleppte bzw. gerettete Stadtbewohner ist am Ende des Spiels 10 Punkte für die jeweilige Seite wert.
 
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Sobald die Nacht hereingebrochen war, schwärmten die Hexenjäger aus. Anfangs hielten sie ihre Aufgabe für relativ leicht, da sich wegen der allgemein bekannten Gefahr nur wenige Stadtbewohner im Freien aufhielten, und weil das Gasthaus relativ zentral im Ortskern lag. Die Ghoule allerdings hatten den Vorteil ihrer zahlenmäßigen Überlegenheit. Das nutzten sie aus, indem sie sich in viele kleine Gruppen teilten, die in der Dunkelheit um die Häuser schlichen und diverse Ziele zugleich anpeilen konnten.

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Den Hexenjägern gelang es schon nach wenigen Zügen, zwei Stadtbewohner in Sicherheit zu bringen. Die Ghoul-Bande allerdings schickte ihre schnellsten Modelle vor, um taktisch wichtige Straßenkreuzungen zu sichern: Vampir Asmotep und der Gruftschrecken konnten 10 Zoll weit sprinten, die Strigoi-Bestie sogar 12 Zoll. So kam es, dass die Hexenjäger an mehreren Stellen aufgehalten und in Nahkämpfe verwickelt wurden, während die gewöhnlichen Ghoule die Stadtbewohner bequem „aufsammeln“ konnten. Zudem wurden zwei Zeloten, die bereits Stadtbewohner bei sich hatten, von Ghoulen überfallen und niedergemacht, sodass die vermeintlich Geretteten doch noch zur Beute der Leichenfresser wurden.

Ich spare mir diesmal dramatische Einzelheiten zugunsten einiger Szenenbilder.

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Ein Flagellant überzeugt den Nachtwächter, sich lieber in die Sicherheit des Gasthauses zu begeben.


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Dariya auf Schützenposition


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Die Strigoi-Bestie greift sich eine Stadtbewohnerin.

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Wesir Asmotep überwältigt einen wehrlosen Zivilisten, dem auch der Hund nicht helfen kann.

Letztlich verloren die Hexenjäger vier Zeloten, einen ihrer Kampfhunde und zudem einen Flagellanten, der es heldenmütig gewagt hatte, sich in einem engen Torweg der Strigoi-Bestie entgegenzustellen. Sein Tod war allerdings nicht umsonst, denn er hinderte das Monster daran, zum Marktplatz vorzudringen und in einen Nahkampf zwischen Ansgar, Odo und dem Gruftschrecken einzugreifen. Dennoch verloren die Hexenjäger das Gefecht, denn ihre Verluste waren schon wieder so hoch, dass sie den Rückzugstest verpatzten.

Ergebnis: Sieg der Ghoule. Sie hatten 7 Stadtbewohner in ihrer Gewalt, als die Hexenjäger die Flucht ergriffen. Dem standen nur 5 Gerettete im Gasthaus gegenüber:

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Nach alldem ist nun die Ghoul-Bande bedeutend im Vorteil: Sie hat keine Verluste, erhält 70 Punkte, kann zwei weitere Ghasts aufstellen und hat damit 23 Modelle. Zudem steigert sie gut: Die Strigoi-Bestie erhält Widerstand 5; ein Ghoul-Held mit Zweihandwaffe bekommt eine zweite Attacke, und der Gruftschrecken erhält einen weiteren Nahkampf-Skill („Zäh wie Leder“: Die Stärke gegnerischer Attacken wird um -1 modifiziert).

Die Hexenjäger verloren zwar nur eines von 6 ausgeschalteten Modellen, doch ihre Kopfstärke sinkt auf 12 (gegen 23), womit sie beinahe schon im Verhältnis 1:2 unterlegen sind.

Nun mussten wir uns etwas einfallen lassen, um das Kräfteverhältnis wieder ausgewogener zu machen. Darum haben wir uns auf Folgendes geeinigt: Von den erfolgreich geretteten Stadtbewohnern schließen sich einige den Hexenjägern als Zeloten an, und zwar W6 von ihnen. Es fiel eine 4; daher haben sie nun vier neue Zeloten und müssen lediglich deren Ausrüstung mit den erworbenen Punkten bezahlen – was zum Glück gut hinkommt. Auch inhaltlich fanden wir das passend, denn die Geretteten haben ja allen Grund, den Hexenjägern dankbar zu sein und sie zu unterstützen.
 
Puuuh... ich möchte mich noch mal bei euch Lesern und Likern bedanken, und speziell bei dir, @Wardemon. 🤗 Das motiviert so dermaßen. Ich hatte immer Zweifel, ob so ein ungewöhnlicher Thread überhaupt irgendjemanden interessiert, zumal Mortheim als System ja eher weniger bekannt ist und man zudem in einem Forum auch nicht unbedingt lange Texte lesen will. Grüße und Dank auch von meinem Mitspieler. Wir ziehen es jetzt durch und haben auch schon eine Idee, um die Hexenjäger wieder etwas aufzupeppen. Zurück können wir jetzt ohnehin nicht mehr; die Sache muss bis zum bitteren Ende ausgefochten werden. 😁
 
Haha, bitte bitte! 🥳 Du versorgst uns ja auch mit einer spannenden, kreativen Story, tollen Bildern und detaillierten Schlachtberichten. Das ist doch die beste Art, wie man das Hobby darstellen kann. Von daher wäre es schade, wenn es gar keine Reaktionen darauf geben würde.
Und Grüße zurück an deinen Mitspieler. Weiter so. 😉👍
 
Das verhält sich bei mir ähnlich.

Ich muss gestehen, dass ich diesen Teil des Tabletops immer vernachlässigt habe, da ich für mich "Tabletop" eigentlich immer mit einer größeren Schlacht gleichgesetzt habe. Aber diese Kampagne vereint die schönsten Aspekte des Hobbys, so dass ich nicht umhin komme, sie in allen Facetten großartig zu finden 😃. Angefangen bei dem Ideenreichtum im Hinblick auf Modus und Ausführung, über das Gelände kann ich immer wieder nur staunen und dazu die toll erzählten Hintergrundgeschichten mit bildlicher Untermalung 👍.

Daher sehr gerne mehr davon.
 
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Reaktionen: Wardemon und Zanko
Ich muss gestehen, dass ich diesen Teil des Tabletops immer vernachlässigt habe, da ich für mich "Tabletop" eigentlich immer mit einer größeren Schlacht gleichgesetzt habe.
Vielen Dank. 😊 Dazu muss ich sagen, dass wir beide auch passionierte MMORPG-Spieler sind und sehr den Rollenspiel-Aspekt mit Charakterentwicklung schätzen. Dem kommt Mordheim als System entgegen, weil es lange Kampagnen erlaubt, viele Steigerungen ermöglicht und auch ein Loot-System hat. Das bindet Aufmerksamkeit und Spannung für Wochen bis Monate, und man lernt auch die eigenen Charaktere immer besser kennen und identifiziert sich stärker. Natürlich handhaben wir die Regeln oft sehr lax und fügen viele Aspekte hinzu, z.B. Neben-Quests, Überraschungs-Charaktere, Anpassungen der Spieldynamik zum Erhalt des Gleichgewichts etc. Im Mittelpunkt steht der Fortgang der Story, und was dazu nötig ist, richten wir entsprechend zu. Ein gewisser Motivator ist wohl auch meine Geländesammlung, weil sie sehr diverse Szenarien mit skirmish-typisch dichtem Aufbau ermöglicht. Klar spielen wir auch die klassischen großen Schlachten; das wechselt immer so phasenweise.
 
Neue Schwierigkeiten und Verdachtsmomente


„Die Füße weiter auseinander! Nimm festeren Stand! Gut so.“

Dariya begutachtete die Versuche des neuen Zeloten im Schwertfechten. Sie standen im Innenhof des Gasthauses unter freiem Himmel und trainierten bereits seit über einer Stunde. Der Rekrut war zwar nicht sehr kräftig, aber er besaß ein gewisses Talent. Dariya parierte seine Schläge geduldig, ließ ihm Zeit, forderte ihn gelegentlich mit einem unerwarteten Angriff heraus und sparte nicht mit Lob. Der junge Mann war der Vielversprechendste der vier Neuen, unter denen sich diesmal auch zwei Frauen befanden. Sie übten einige Schritte entfernt mit Martin und Odo. Helmuth hatte sich an eine Mauer gelehnt und sah nur zu, wobei er über diese oder jene Ungeschicklichkeit den Kopf schüttelte.

„Viel werden die Neuen uns nicht nützen“, meinte er. „Den Schwertkampf kann man nun einmal nicht an einem Tag erlernen.“

„Ihr Eifer wird mangelnde Künste ausgleichen“, sagte Ansgar, der gleichfalls zusah. „Unterschätze nicht die Kraft eines einfachen Mannes, der weiß, dass er Haus und Hof und das Leben seiner Lieben verteidigt.“

Die Trainingsstunde wurde unterbrochen, als der Bürgermeister in den Hof trat. Ansgar, der annahm, dass ihm eine Nachricht überbracht werden sollte, gab das Zeichen zum Ausruhen. Die Rekruten ließen ihre Waffen sinken und verschnauften.

„Was gibt es Neues, Bürgermeister?“, fragte Ansgar. „Bringt ihr weitere Männer?“

Der Bürgermeister wirkte ungewohnt betreten. Er musterte die Rekruten und holte tief Luft, als schickte er sich an, etwas Unangenehmes in Worte zu fassen.

„Herr Inquisitor“, begann er, „ich bedaure Euch mitteilen zu müssen, dass ich Eure Bemühungen nicht länger unterstützen kann. Ich hatte angenommen…“ Er zögerte sichtlich. „…dass ein erfahrener Hexenjäger wie Ihr diese Angelegenheit in kürzester Zeit erledigt haben würde. Nun aber fallen die Feinde erneut über unsere Stadt her, verschleppen unschuldige Bürger und fordern einen höheren Blutzoll denn je. Weder ist es Euch gelungen, die Leichenfresser auszurotten, noch konntet ihr die Menschen in der Stadt vor ihnen beschützen. Ein ums andere Mal stellen sie Euch neue Rekruten, doch die meisten von ihnen sterben. Viele Angehörige wurden bei mir vorstellig und erhoben Klage. Sie wollen wissen, wofür ihre Ehemänner, Brüder und Söhne sich abschlachten lassen. Am Ende werden sie ja doch von den Ghoulen gefressen; ob sie nun im Kampf fallen oder wie früher einfach auf dem Friedhof abgelegt werden. Als Bürgermeister kann ich das nicht länger dulden.“

Ansgar zog eine Augenbraue hoch. „Was wollt Ihr damit sagen?“

„Dass ich den Auftrag, den ich Euch gab, hiermit zurückziehe“, sagte der Bürgermeister, wobei er sich nicht ganz überzeugend um einen selbstbewussten Ton bemühte. „Ich bitte Euch, von allen weiteren Bemühungen abzusehen und diese Stadt zu verlassen.“

Die Hexenjäger tauschten ungläubige Blicke. Selbst Ansgar brauchte einen Moment, um sich wieder zu fassen. Dann aber trat er auf den Bürgermeister zu, und seine Stimme wurde streng.

„Bürgermeister, Ihr mögt zur Verwaltung dieser Stadt berufen sein, doch habt Ihr nicht die Befugnis, mir Aufträge zu erteilen oder zu entziehen. Ich bin ein Inquisitor und handle im Namen der Kirche Sigmars, der jede weltliche Autorität sich unterzuordnen hat. Ihr habt mich von den Umtrieben der Ghoule in Eurer Stadt unterrichtet, und ich habe entschieden, diese Angelegenheit zu untersuchen. Das tue ich, solange es mir notwendig erscheint, und mit allen von mir für notwendig gehaltenen Mitteln.“

„Das heißt, Ihr werdet auch diese vier Bürger meiner Stadt in den Tod schicken?“, erregte sich der Bürgermeister und wies auf die Rekruten. „Zwei von ihnen sind Frauen! Wie könnt Ihr das mit Eurem Gewissen vereinbaren?“

„Wir wollen kämpfen!“, sagte eine der Frauen, eine etwa vierzigjährige, kräftig gebaute Matrone. „Eins meiner Kinder wurde vor Jahren zur Beute der Leichenfresser. Sie drangen durch den Kamin ins Haus ein und stahlen es aus seiner Wiege.“

„Und ich will meinen Ehemann rächen“, bekräftigte die andere, die jünger und zarter, aber nicht weniger entschlossen wirkte.

„Da hört Ihr es“, sagte Ansgar. „Seid stolz darauf, Bürgermeister, dass Eure Stadt solche Männer und Frauen hervorbringt! Und wenn Ihr Euch weigert, neue Rekruten für uns zu werben, dann werden wir es selbst tun. Versucht nicht, uns daran zu hindern! Ein solcher Versuch könnte als Ketzerei betrachtet werden, denn jeder weltliche Würdenträger ist verpflichtet, die Unternehmungen der Kirche entweder zu unterstützen oder zumindest nicht zu unterlaufen.“

Der Bürgermeister war rot geworden vor Ärger, wagte aber offensichtlich nicht zu widersprechen.

„Dann tut, was Ihr für richtig haltet“, sagte er schließlich, „aber wundert Euch nicht, wenn Ihr keine Freiwilligen mehr findet! Zu viele Leben habt Ihr diese Stadt bereits gekostet. Und was Eure göttliche Berufung betrifft, so gibt es manche, die daran zweifeln – und zwar, weil Ihr diese Mutter Ivana in Eure Reihen aufgenommen habt. Viele halten sie für eine Hexe.“

„Mutter Ivana ist eine begabte Heilerin“, sagte Ansgar. „Und wer eine Hexe ist oder nicht, das entscheide ganz allein ich.“

„Sie stammt von Fahrendem Volk ab!“, ereiferte sich der Bürgermeister. „Und sie steht im Ruf, alle möglichen Tränke zu brauen, wer weiß für welche zwielichtigen Zwecke! Ein Bekannter von mir nahm einst einen Trank gegen Gliederschmerzen von ihr an, und er hat mir versichert, dass er kurz darauf ein bösartiges Furunkel bekam, das bis heute nicht wieder verschwunden ist. Mutter Ivanas nächste Nachbarn behaupten sogar, dass ihre Katze ein zweiköpfiges Junges geworfen hat, nachdem die Alte sie einmal durch den Gartenzaun hindurch gefüttert hat.“

„Ich nehme diese Anzeigen zur Kenntnis“, sagte Ansgar. „Doch was ich daraus mache, habt Ihr mir zu überlassen. Geht jetzt, Bürgermeister, und mischt Euch nicht länger in meine Angelegenheiten. Ihr könnt von Glück sagen, wenn Euch nicht selbst eine Anklage wegen Verunglimpfung der heiligen Inquisition droht.“

Einen Moment lang verharrte der Bürgermeister, als verbisse er sich eine ähnlich harsche Antwort. Doch am Ende schien er einzusehen, dass seine Autorität nicht ausreichte, um weiteren Widerspruch vorzubringen. Stattdessen machte er auf dem Absatz kehrt und rauschte wütend davon.

Nachdem er verschwunden war, winkte Ansgar seine engste Gefolgschaft zu einer Beratung zusammen. Alle hatten ernste Mienen, besonders Helmuth und Dariya.

„Das klingt gar nicht gut“, meinte Dariya. „Er könnte die Leute gegen uns aufbringen. Vielleicht haben die Angehörigen der Getöteten ihn so unter Druck gesetzt, dass er sich dazu verpflichtet fühlt.“

„Das will ich für ihn hoffen“, sagte Ansgar. „Denn wenn er aus eigenem Entschluss so handelt, müsste ich sein Verhalten als ketzerisch verfolgen.“

„In einem Punkt allerdings kann ich ihn verstehen“, meldete sich Helmuth zu Wort, „und zwar, was diese Ivana betrifft. Ich traue ihr nicht.“

„Aber sie hat meine Bisswunde geheilt“, warf Martin ein und streckte den verletzten Arm vor, an dem nur noch eine Narbe zu erkennen war. „Und Dariyas Schulter.“

„Und woher wissen wir, dass sie dafür keine unheiligen Kräfte gebraucht hat?“, gab Helmuth zu bedenken. Er blickte Ansgar an. „Ihr wisst, Herr, dass ich mich nie vermessen würde, an Eurem gerechten Urteil zu zweifeln. Aber ich habe Gründe für meinen Verdacht.“

Ansgar verschränkte die Arme. „Dann lass sie mich hören.“

„Herr, habt Ihr nicht selbst seinerzeit aus einem Buch zitiert, das Ihr einmal gelesen habt?“, erinnerte ihn Helmuth. „Ihr sagtet, dass der Autor die Herkunft der sogenannten Ghoulkönige aus einem südländischen Königreich vermutet, das schon vor langer Zeit unterging – einem Reich namens Strigos.“

„Und weiter?“

„Ivana, so sagt man, stammt vom Fahrenden Volk ab. Nennt man diese Leute nicht Strigani? Und heißt es nicht in manchen Sagen, dass sie Nachfahren der Menschen von Strigos sein sollen? Ich erinnere mich an Geschichten, die man im Reikland über die Strigani erzählt. Da heißt es, ihre Vorfahren seien von unsterblichen Fürsten beherrscht worden, die niemals alterten – und dass die Strigani diese Unsterblichen bis heute heimlich verehren und auf ihre Wiederkunft hoffen. Manche behaupten sogar, dass sie diese unheiligen Geschöpfe in ihren Planwagen verstecken und von Ort zu Ort bringen, damit sie sich vom Blut der Unschuldigen nähren und ihre einstige Stärke zurückgewinnen können.“

Ansgar nickte, offenbar keineswegs überrascht. „Daran habe ich auch schon gedacht, glaub mir. In der Tat gibt es solche Legenden über die Strigani und das alte Strigos. Doch es sind Legenden, weiter nichts. Die Strigani werden vieler ketzerischer Praktiken beschuldigt, einschließlich verbotener Magie und Wahrsagerei, und die Kirche hat diesbezüglich diverse Untersuchungen angestellt. Das Ergebnis aber bestand regelmäßig darin, dass die Anschuldigungen unbegründet waren.“

„Aber stellt Euch doch nur einmal vor“, beharrte Helmuth, „Ivana wäre eine Hexe und mit den Ghoulkönigen im Bunde! Ihre wahre Absicht könnte darin bestehen, einem der unsterblichen Strigoi wieder zu seiner einstigen Macht zu verhelfen – vielleicht eben jenem Unwesen, das wir mit eigenen Augen gesehen haben, und das aussieht wie eine Mischung aus Ghoul und Vampir.“

Diese Vorstellung schien Eindruck zu machen – auch auf Dariya und Martin, die besorgte Blicke tauschten.

„Aber warum hilft Ivana uns dann?“, fragte Odo.

„Vielleicht nur vorübergehend“, mutmaßte Helmuth düster. „Im entscheidenden Augenblick könnte sie sich gegen uns wenden. Und wer sagt, dass ihre Heilkünste nicht in Wahrheit dazu dienen, den Behandelten irgendeine langsam wirkende Vergiftung zuzufügen, die sich vielleicht erst Tage oder Wochen später bemerkbar macht?“

„All das habe ich auch schon erwogen“, sagte Ansgar. „Und seid versichert, dass meine Wachsamkeit nicht nachlässt. Ich lauere auf das geringste Zeichen, dass unsere Heilerin ein falsches Spiel treiben könnte. Bisher allerdings habe ich nichts bemerkt – und wenn wir ihre Künste nicht in Anspruch genommen hätten, wären mindestens zwei von euch mittlerweile kampfunfähig. Wir können auf diese alte Frau nicht verzichten, zumindest vorläufig nicht.“ Er fasste Helmuth ins Auge. „Kannst du dich einstweilen damit abfinden und auf meine Wachsamkeit vertrauen?“

Helmuth seufzte. „Natürlich, Herr.“

* * *

[Wer steht auf wessen Seite? Wer treibt ein falsches Spiel? Wir werden in Kürze die Würfel darüber entscheiden lassen, vermutlich nach Spiel 6.]
 
Spiel 6:
Die Kathedrale


Wir haben etwas ausgetüftelt, das die Chancen der Hexenjäger wieder erhöhen wird. Und zwar werden sie diesmal eine Position beziehen, die sich gut verteidigen lässt und es ihnen erlaubt, die zahlenmäßige Überlegenheit ihrer Gegner auszugleichen.

Auf dem Friedhofsgelände befindet sich eine Kathedrale, die einst Sigmar geweiht war. Sie ist beschädigt und vom Zahn der Zeit angegriffen, weil sich schon seit Generationen niemand mehr auf den Friedhof wagt, um sie instandzuhalten. Die Mauern aber stehen noch, und der Innenraum ist allseitig umschlossen.

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Diese Kathedrale werden die Hexenjäger nun besetzen. Wenn es Nacht wird und die Ghoule herauskommen, wird Dariya sie von einem der Türme herab mit gezielten Schüssen zum Angriff reizen. Die Hexenjäger hoffen, dass ihre Gegner sich im Ansturm auf das gut verteidigte Gebäude erschöpfen und erhebliche Verluste einstecken werden. (Riskante Kehrseite der Sache ist natürlich, dass sie dort auch in der Falle sitzen könnten.)

Die Kathedrale ist nur auf drei Wegen für die Ghoule zugänglich:

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1. Das Portal steht offen, da die hölzernen Türen völlig verrottet sind und nicht mehr sicher verschlossen werden können. Hier können die Ghoule angreifen, müssen es aber auf sehr engem Raum tun, sodass ihre zahlenmäßige Überlegenheit ihnen wenig nützt. Maximal zwei Modelle passen nebeneinander in den Durchgang, und die stärksten Nahkämpfer der Hexenjäger werden ihn verteidigen.

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2. Die Fenster sind noch intakt und besitzen gitterförmige Einfassungen aus Metall. Die Ghoule dürfen versuchen, sie zu durchbrechen, was aber nicht leicht ist. Ein Ghoul, der sich in Kontakt mit einem Fenster bewegt, muss eine 6 würfeln, um es zu durchbrechen, wobei er pro Spielzug nur einen Versuch hat (unabhängig von seiner Attackenzahl). Andere Ghoule, die ein bereits durchbrochenes Fenster durchqueren wollen, müssen ebenfalls eine 6 würfeln, da die Glassplitter und verbogenen Metallstangen immer noch ein gefährliches Hindernis darstellen. Nur menschengroße Modelle dürfen Fenster durchbrechen; große Monster wie die Strigoi-Bestie oder der Gruftschrecken passen nicht hindurch.

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3. Eine dritte Möglichkeit besteht (theoretisch) darin, die Fassade zu erklettern und über das Dach ins Gebäude einzudringen. Das ist allerdings sehr schwierig, denn die Kathedrale ist 12 Zoll hoch. Nach Mordheim-Regeln darf ein Modell so hoch klettern, wie seine Bewegungsreichweite beträgt, braucht dazu aber einen Initiative-Test. Dementsprechend dürfen Ghoule (mit Bewegung 4) nur auf das Dach klettern, wenn sie dreimal in Folge (3x4=12) einen Initiative-Test bestehen. Misslingt der erste Test, bleibt der Ghoul am Fuß der Mauer stehen. Misslingt der zweite oder dritte, stürzt der Ghoul ab und erhält einen automatischen Treffer mit einer Stärke gleich der Fallhöhe in Zoll (also Stärke 4 beim zweiten Test bzw. Stärke 8 beim dritten Test). Modelle mit Bewegung 6 benötigen nur zwei Tests. Mal sehen, ob irgendein Ghoul wahnsinnig genug ist, um ein derartiges Risiko einzugehen…
 
Sobald es dunkel geworden war, kamen die Ghoule aus ihren Schlupfwinkeln. Dariya stand allein auf dem Dach der Kathedrale und verschoss einen Bolzen nach dem anderen, um sie auf die Verteidigungsposition aufmerksam zu machen und zum Angriff zu reizen. Allerdings traf sie in der Dunkelheit nur ein einziges Mal, und der getroffene Ghoul war nicht ernsthaft verletzt.

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Dennoch schluckten die Ghoule den Köder und strömten von drei Seiten auf die Kathedrale zu. Ansgar feuerte aus dem offenen Portal, traf aber nicht. Die Ghoule bemerkten den Mündungsblitz der Pistole und gingen auf das Portal los, wobei sie erwartungsgemäß ihre stärksten Modelle vorschickten: Den Gruftschrecken und den Vampir („Wesir“) Asmotep.

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Die kleineren Ghoule verteilten sich an den Seiten der Kathedrale und versuchten, durch die Fenster einzudringen.

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Als das Portal gestürmt wurde, wichen die Hexenjäger zurück und bildeten einen Halbkreis. Das war beabsichtigt, denn sie wollten die großen Monster hereinlocken und dann jedes mit mehreren Modellen umringen, um den Vorteil einer höheren Attackenzahl zu haben.

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Das gelang auch – aber es machte die Sache trotzdem nicht einfach. Der Gruftschrecken war inzwischen dank reichlichem Leichenfutter zu einer gewaltigen Bestie herangewachsen (Steigerungen: Stärke 5, 3 Lebenspunkte, 3 Attacken) und fiel wie ein rasender Sturm über die Verteidiger her. Er tötete einen Zeloten, schlug einen Flagellanten bewusstlos und stürzte sich auf Ansgar und Helmuth, die ihn aufzuhalten versuchten. Direkt daneben ging Vampir Asmotep mit wirbelnden Klauen auf Martin und Odo los.

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Die Ghoule, die währenddessen durch die Fenster einzudringen versuchten, hatten wenig Glück. Nur drei schafften es nach mehreren Versuchen ins Innere der Kathedrale, wurden aber von Zeloten und Flagellanten erfolgreich abgewehrt. Einer versuchte sogar, die Fassade zu erklettern, und schaffte es bis zur Mitte, stürzte dann aber ab.

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Mit dem gefährlichsten Coup meines Gegners hatte ich allerdings nicht gerechnet: Er entschied nämlich, auch die Strigoi-Bestie (=Kufati) klettern zu lassen. Sie hatte Bewegung 6 und brauchte daher nur zwei Initiative-Tests; zudem hatte sie Initiative 4 und Widerstand 5, sodass ein Absturz ihr wenig ausmachen würde. So kletterte dieses Monstrum nun wie eine groteske Riesenspinne die Mauer hinauf und schaffte es tatsächlich, das Dach zu erreichen. Dort stand Dariya mit ihrer Armbrust – und zwar ganz alleine!

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Einen Fluchtweg gab es nicht, denn die Bestie blockierte die Treppe. An diesem Punkt hatte ich wirklich Angst, denn Dariya war (trotz einiger Steigerungen) eben doch nur ein Mensch mit Widerstand 3 und einem Lebenspunkt, während das Monster 3 Lebenspunkte und 3 Attacken hatte, zuzüglich Rüstungs- und Rettungswurf.

Auch im Innern der Kathedrale wurde es nun dramatisch: Der Gruftschrecken hieb mit seiner Knochenkeule drauflos und schaffte es, Ansgar auszuschalten – der Inquisitor ging bewusstlos zu Boden und war für dieses Spiel verloren. Ein Flagellant sprang todesmutig an seine Stelle, und gemeinsam mit Helmuth schlug er auf die tobende Bestie ein. Am Ende war es Helmuth, der den Tag rettete: Mit seiner Zweihandaxt gelang es ihm, das Monster schwer zu verwunden und schließlich auszuschalten.

Der zweite Siegeslorbeer ging an Martin: Dank seiner inzwischen gesteigerten Stärke und des Skills Schmetterschlag konnte er den Vampir Asmotep niederschlagen. Damit waren zwei der stärksten Modelle der Ghoul-Bande aus dem Spiel, und die nachdrängenden Feinde waren nur noch gewöhnliche Ghoule.

Währenddessen verteidigte sich Dariya auf dem Dach verzweifelt gegen die Strigoi-Bestie. Das Vampir-Monster, das dreimal so groß war wie sie und schon fast einem Varghulf glich, fiel mit Zähnen und Klauen über sie her – doch sie schaffte es volle drei Runden lang, auf den Füßen zu bleiben. Der Grund dafür war vor allem ihre Gewandtheit im Ausweichen (Skill Wegducken: 5+ Rettungswurf im Nahkampf). Dennoch konnte sie dieses ungleiche Duell nicht gewinnen, soviel war klar.

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Die Rettung kam, als die Ghoul-Bande ihren Rückzugstest verriss: Sie hatten mittlerweile 7 Verluste, und die Anführer mit den höchsten Moralwerten waren ausgeschaltet. Unvermutet ergriffen sie die Flucht, was ihren Gegner den Sieg einbrachte und Dariyas Leben rettete.

Ergebnis: Sieg der Hexenjäger. Ihre ausgeschalteten Modelle erholen sich alle bis auf einen einzelnen Zeloten. Zum Glück ist vor allem Ansgar nicht schwer verletzt.

Auf Seiten der Ghoule sieht es diesmal weniger gut aus: Der Gruftschrecken nämlich, eins ihrer stärksten Modelle, würfelt eine 14 auf der Tabelle für Schwere Verletzungen – und ist damit endgültig tot. Helmuth hat dieser Bestie den Rest gegeben. 😎 Auch ein Ghast und zwei gewöhnliche Ghoule kommen nicht wieder.

Damit hat sich die Stärke beider Banden tatsächlich wieder aneinander angeglichen. Das besagt aber noch nicht viel, denn wir haben einige Würfe für den Fortgang der Geschichte durchgeführt – und die versprechen eine unerwartete Wendung der Ereignisse.
 
Ein schlimmer Verlust

N
ach dem glorreichen Gefecht in der Kathedrale hatten sich die Hexenjäger in ihr Hauptquartier im Gasthaus zurückgezogen. Diesmal war Ansgar sehr zufrieden: Nur ein einziger Zelot war gestorben; die übrigen hatten sich gut bewährt, unter ihnen auch die beiden Frauen. Dariya hatte die Strigoi-Bestie abgewehrt und nur einige oberflächliche Kratzer zurückbehalten. Helmuth und Martin wiederum waren die Helden des Tages. Alle klopften ihnen auf die Schultern und lobten ihre Kampfkunst in den höchsten Tönen.

Dementsprechend fand Mutter Ivana wenig zu tun, als sie an diesem Tag die Verletzten aufsuchte. Hier und dort strich sie ein wenig Salbe auf und murmelte ihre Gebete, ohne Komplizierteres vorzufinden als einige Fleischwunden. Dennoch wirkte die alte Frau an diesem Tag anders als sonst. Sie schien innerlich abwesend und fast ein wenig besorgt, soweit man das an ihrem stets zur Hälfte verhüllten Gesicht ablesen konnte. Nachdem sie ihre Runde gemacht hatte, sprach sie den Inquisitor an und bat um eine Unterredung unter vier Augen.

„Es gibt etwas, das ich euch zeigen muss“, raunte sie ihm zu. „Etwas sehr Beunruhigendes.“

„Sprich!“, forderte Ansgar sie auf.

Die alte Frau jedoch schüttelte den Kopf. „Ihr würdet mir nicht glauben, Herr, wenn ich es Euch sagte. Ihr müsst es mit eigenen Augen sehen. Kommt am Abend zu der Gasse, die vom Marktplatz Richtung Friedhof führt. Am Ende der Straße steht eine alte Eiche, dort werde ich Euch erwarten. Kommt allein.“

„Allein?“, fragte der Inquisitor erstaunt.

„Wir dürfen keine Aufmerksamkeit erregen“, erklärte Mutter Ivana. „Man könnte uns bemerken. Wir werden uns hinter dem Baum verstecken – und dann werdet Ihr etwas sehr Aufschlussreiches zu sehen bekommen. Kommt bei Sonnenuntergang! Ich werde dort sein und auf Euch warten.“

Die alte Frau huschte davon, und Ansgar blieb mit nachdenklicher Miene zurück. Eine zeitlang erwog er das seltsame Ansinnen; dann winkte er Dariya und Helmuth zu sich und erzählte ihnen davon.

„Sehr verdächtig!“, meinte Helmuth sofort. „Warum sagt sie nicht, worum es geht?“

„Sie meinte, ich würde ihr nicht glauben“, erklärte Ansgar. „Aber merkwürdig ist es schon.“

„Ich habe auch kein gutes Gefühl dabei“, sagte Dariya. „Sollten wir nicht gemeinsam hingehen?“

„Sie sagte ausdrücklich, ich solle allein kommen.“

„Geht nicht hin, Herr – oder lasst mich an Eurer Stelle gehen!“, schlug Helmuth vor. „Was immer sie Euch zeigen will, kann sie auch mir zeigen – vorausgesetzt, sie spricht die Wahrheit. Und wenn es eine Falle sein sollte, kann ich mich besser verteidigen.“

Der Inquisitor zog eine Augenbraue hoch.

„Nichts für ungut, Herr“, erklärte Helmuth, „aber beim letzten Kampf wurdet Ihr verletzt, und Ihr tragt nur Leder und keine schwere Rüstung wie ich. Ich möchte nicht unbescheiden klingen, aber… Denkt an den Gruftschrecken! Euch konnte er niederschlagen, doch an mir fand er seinen Meister.“

Ansgar schmunzelte. „Unbestritten. Ich wäre der Letzte, der deine Fähigkeiten unterschätzt.“

„Dann lasst mich gehen, Herr! Eure Sicherheit darf nicht gefährdet werden. Und wenn diese Hexe irgendein falsches Spiel treibt, werde ich sie Euch gefesselt zurückbringen, bereit für den Scheiterhaufen.“

„Ich gehe auch mit!“, entschied Dariya. „Ich werde Abstand halten und dafür sorgen, dass sie mich nicht sieht. Nur zur Sicherheit.“

„Also gut“, stimmte Ansgar zu. „Erstattet mir Bericht, wenn ihr zurück seid.“

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Die Sonne war eben untergegangen, als die beiden sich in Marsch setzten. Wie verabredet ging Helmuth voraus, während Dariya fünfzig Schritte hinter ihm von Haus zu Haus huschte und sich im Schatten hielt. Eigentlich glaubte sie nicht, dass eine Gefahr drohte, denn sie hielt Mutter Ivana noch immer für vertrauenswürdig – anders als Helmuth, der seine Waffe griffbereit hatte und misstrauisch um sich spähte.

Sie folgten der Gasse, die vom Marktplatz zum Friedhof führte. Die nächtliche Stadt war wie ausgestorben: Niemand wagte sich mehr nach Sonnenuntergang aus dem Haus. Selbst die Fenster waren dunkel, als fürchteten die Bewohner, jede brennende Kerze könnte die Geschöpfe der Nacht anlocken.

Helmuth ging bis zum Ende der Straße, wo tatsächlich eine mächtige, weitverzweigte Eiche auftauchte. Die Häuserzeile endete hier, während die Straße in einen selten benutzten Kiesweg überging, der in Richtung des Friedhofs führte. In einiger Entfernung von dem Baum blieb Helmuth stehen und sah sich um. Dann blickte er kurz zu Dariya zurück, um ihr unauffällig ein Zeichen zu geben: Alles in Ordnung. Dariya blieb im Schatten eines Vordachs stehen und beobachtete, wie er auf den Baum zuging. Von Mutter Ivana konnte sie keine Spur entdecken; allerdings war sie auch zu weit entfernt, und der Mond gab wenig Licht. Anscheinend verbarg sich die alte Frau hinter dem Baum, wie sie angekündigt hatte.

Was dann geschah, ging so schnell, dass Dariya kaum Zeit zum Reagieren hatte. Im selben Moment, als Helmuth in den Schatten des Baums trat, ließ sich eine dunkle Gestalt aus der Baumkrone herabfallen und landete unmittelbar auf seiner Schulter. Der Angreifer, größer als ein Mensch, riss den Hexenjäger glatt zu Boden, bevor er auch nur nach seiner Waffe greifen konnte.

Dariya sprang das Herz in die Kehle. „Helmuth!“, schrie sie, verließ ihre Deckung und rannte mit gezücktem Schwert drauflos. Dem Angreifer jedoch schien es gelungen zu sein, Helmuth bewusstlos zu schlagen, und nun zerrte er den Wehrlosen mit sich fort. Er musste ungeheure Körperkräfte besitzen, weshalb eigentlich nur der Vampir in Frage kam.

Dariya erkannte, dass sie die beiden nicht einholen konnte. Sie ließ das Schwert fallen, zog mit fliegenden Fingern ihre Armbrust vom Rücken und legte einen Bolzen auf. Einen Moment lang versuchte sie zu zielen, wagte aber nicht zu schießen, denn sie fürchtete Helmuth zu treffen. Währenddessen hatte der schattenhafte Entführer mit seiner Beute das Friedhofstor erreicht, wo er sofort von weiteren dunklen Gestalten umringt wurde. Dariya hörte ihr triumphierendes Fauchen und Zischen. Allein hatte sie keine Chance, die gierige Meute und ihren vampirischen Anführer herauszufordern. So blieb ihr nur, sich umzuwenden und schnellstmöglich zum Gasthaus zurückzukehren.

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Ich wollte es nicht glauben“, sagte Ansgar kopfschüttelnd, als Dariya außer Atem von dem Geschehnis berichtete. „Ich habe dieser alten Frau vertraut…“

„Sie haben ihn davongeschleppt“, sagte Dariya, die kaum die Tränen zurückhalten konnte. „Vor meinen Augen! Ich konnte nichts tun, um ihm zu helfen.“

Martin war an ihre Seite getreten und legte tröstend einen Arm um ihre Schulter. Auch Odo und einer der Flagellanten waren anwesend.

„Dich trifft keine Schuld“, sagte Ansgar. „Aber mich. Wir haben unseren stärksten Krieger verloren, und zwar durch meine Unvorsichtigkeit. Möge Sigmar mich für mein mangelndes Urteilsvermögen strafen.“

„Glaubt Ihr, dass er schon tot ist?“, fragte Martin beklommen. „Oder haben wir noch eine Chance, ihn zu retten?“

„Mit Verlaub, Herr Inquisitor“, schaltete Odo sich ein, „ich glaube, dass er noch lebt. Dieser Hinterhalt war sorgfältig geplant, und das lässt darauf schließen, dass es den Ghoulen nicht bloß darum ging, ihre hungrigen Bäuche zu füllen. Es steckt Überlegung dahinter. Wahrscheinlich war es der Vampir, der diese List ausgeheckt hat.“

„Das könnte tatsächlich sein“, meinte Dariya. „Denk daran, Vater, dass ursprünglich du zu Ivana gehen wolltest, nicht Helmuth! Sie hofften, dich gefangenzunehmen - unseren Anführer. Vielleicht dachten sie, dass wir dann aufgeben und sie in Ruhe lassen würden. Immerhin haben sie das letzte Gefecht verloren und sind sich ihrer Überlegenheit nicht mehr sicher.“

„Oder sie wollen uns zu sich locken“, ergänzte Odo. „Sie könnten es darauf anlegen, dass wir Helmuth zu befreien versuchen und uns ein weiteres Mal in die Katakomben wagen.“

„Etwas anderes wird uns auch nicht übrig bleiben“, sagte Ansgar schweren Herzens. „Wenn auch nur die leiseste Hoffnung besteht, dass Helmuth noch am Leben ist, müssen wir diese Herausforderung annehmen.“ Er wandte sich an den Flagellanten. „Sag allen bescheid, dass wir sofort aufbrechen müssen! Und schick jemanden hinüber zum Bürgermeister. Er soll Mutter Ivana suchen lassen und sie festnehmen, sobald sie sich blicken lässt – auf Befehl der heiligen Inquisition.“


* * *


[Im letzten Spiel verloren die Ghoule mit dem Gruftschrecken einen ihrer stärksten Kämpfer. Wir gleichen dies durch die Entführung von Helmuth aus. Die Würfel haben gesprochen…]
 
In den Katakomben…

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Prinz Nefsokar rieb sich freudig die Hände, als seine Getreuen zurückkehrten. Sein Plan war aufgegangen: Tatsächlich schleppten sie einen der Bauern herbei, und noch dazu einen, der auffällig saubere Gewänder und eine Rüstung trug. Asmotep, der Wesir, trat mit einer Verbeugung vor und wies auf den Bewusstlosen, der von zwei Soldaten hereingeschleift wurde.

„Hier ist er, Herr.“

„Gute Arbeit!“ Nefsokar erhob sich von seinem Thron und trat näher, um den Sterblichen genauer in Augenschein zu nehmen. „Unser Verbündeter hat sich also als zuverlässig erwiesen.“

„Ja, Herr“, bestätigte Asmotep.

„Und dies ist der Anführer der Aufständischen?“

„Ich glaube schon, Herr. Jedenfalls ist es derjenige, der gestern Euren besten Krieger erschlagen hat.“

„Oh, erinnere Uns nicht daran…“ Nefsokars Gesicht verzog sich vor Trauer. „Unser Herz blutet noch immer.“

Sein bester Krieger war auf einer steinernen Bank aufgebahrt worden, die sich an einer Wand des Raums befand. Die Höflinge hatten den mächtigen Körper mit Blumen bekränzt und waren bereits damit beschäftigt, die traditionelle Balsamierung vorzubereiten. Nefsokar hatte den Tod dieses Getreuen kaum fassen können. Er war zwar nicht von großer Geisteskraft gewesen, doch ein allgemein respektierter Krieger von riesenhafter Erscheinung – ein herber Verlust.

„Was soll nun mit dem Kerl geschehen?“, fragte Asmotep und wies auf den Gefangenen. „Soll er gekeltert werden?“

„Nicht augenblicklich“, entschied Nefsokar. „Er könnte uns nützlicher sein, wenn er noch ein wenig lebt. Schließlich besteht der Zweck der ganzen Angelegenheit darin, seine irregeleiteten Kumpane hierher zu locken. – Er lebt doch, oder?“ Der Prinz streckte eine Hand aus und hob den Kopf des Unglücklichen an.

Dieser schien eben wieder zu Bewusstsein zu kommen. Er blinzelte, sah auf – und blinzelte nochmals, als könne er nicht glauben, was seine Augen erblickten. Fassungsloser Schrecken malte sich auf seinem Gesicht.

„Du brauchst nicht zu erschrecken, Mensch“, sagte Nefsokar begütigend. Es machte ihm immer Freude, sich von seiner milden Seite zu zeigen. Er fühlte sich dann besonders hoheitsvoll. „Zwar hast du Uns durch deine Renitenz aufs Empfindlichste gekränkt, doch Wir sind ein weiser und gnädiger Herrscher. Wir gewähren dir noch eine kurze Lebensspanne, und dein Tod, der sich leider nicht vermeiden lässt, soll rasch und schmerzlos sein.“

Der Gefangene schien seinen Schrecken bemerkenswert schnell zu überwinden. „Für ein halb verfaultes Scheusal kannst du erstaunlich schöne Worte machen“, gab er grob zurück. „Was bist du gewesen, als du noch gelebt hast? Hofdichter – oder Hofnarr?

„Nein, wie ordinär!“ Nefsokar schnippte missbilligend mit den Fingern. „Wir erweisen dir Gnade, und du dankst es Uns mit so unflätigen Worten! Nun, von einem Bauern ist wohl nichts anderes zu erwarten.“

„Ich bin kein Bauer!“, stieß der Gefangene hervor. „Ich bin ein Hexenjäger! Es ist mein Beruf, Scheusale wie dich zur Strecke zu bringen.“

„A-haha!“, lachte Nefsokar geziert. „Nun hört ihn euch an! Ein Jäger will er also sein. Ist er nicht heute vielmehr selbst das Jagdwild gewesen?“

Die Soldaten, einschließlich Asmotep, lachten wie über einen gelungenen Scherz. Auch die Höflinge stimmten pflichtschuldig ein.

„Wenn du schon zu Verrat greifen musst, um deine Zwecke zu erreichen“, warf der Gefangene dazwischen, „dann kann es mit deiner Macht nicht weit her sein. Du musstest dir einen Agenten verschaffen, der deine schmutzigen Pläne ausführte – wahrscheinlich, weil du einen ehrlichen Kampf scheutest.“

„Armer Mann.“ Nefsokar schüttelte mitleidig den Kopf. „Ein Aufschneider und Grobian ist er, und seine Umgangsformen sind höchst unziemlich. - Was meinst du dazu, Asmotep?“

„Wenn Ihr mich fragt, Herr, sollte man ihn für seine Frechheit züchtigen“, sagte der Wesir. „Wie wäre es, wenn wir ihm die Haut abziehen? Daran stirbt man nicht sofort.“

„Nein nein“, wehrte Nefsokar ab. „Das hieße nur, guten Wein zu verschwenden.“

Der Gefangene runzelte die Brauen und blickte vom einen zum anderen.

„Kann es sein“, wandte er sich wieder an den Prinzen, „dass du nicht ganz richtig in deinem hässlichen Kopf bist? Du redest, als wäre das Gegrunze deines Schergen dort so etwas wie eine Antwort gewesen.“

„Beleidigst du auch noch meinen Wesir?“, empörte sich Nefsokar.

„Deinen was?“ Der Gefangene lachte spöttisch. „Dieses Ding sieht aus, als hätte man einen Oger mit einer Kanalratte gekreuzt! Und was dich selbst betrifft: Wann hast du zum letzten Mal in einen Spiegel geblickt?“

„Nun wird es aber wirklich unschön“, sagte Nefsokar und wandte sich ab. „Asmotep? Wir überlassen einstweilen dir den Umgang mit diesem unhöflichen Menschen. Leg ihn in Ketten und sorg dafür, dass er den Mund hält.“

„Ja, Herr.“

„Meine Freunde werden kommen!“, rief der Gefangene. „Sie werden mich nicht im Stich lassen! Schon bald werden sie hier sein, und dann wirst du…“

Seine Worte brachen ab, denn Asmotep hatte einen Ballen verrotteten Stoffs ergriffen und als Knebel in seinen Mund gezwängt.
 
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Spiel 7:
Rettungsmission


Diesmal drangen die Hexenjäger ohne weiteres Zögern in die Katakomben ein. Das Leben ihres Kameraden Helmuth stand auf dem Spiel, und weder für Strategie noch für Vorsicht blieb viel Zeit.

Für dieses Spiel vereinbarten wir folgende besondere Regeln:

Die Ghoule rechneten natürlich mit dem Kommen der Hexenjäger und legten einen Hinterhalt. Sie mussten sich daher nicht offen aufstellen. Stattdessen legten wir eine Skizze des Spielfelds an, und mein Gegner verzeichnete darauf die Positionen seiner Modelle. Ein Modell der Ghoul-Bande musste erst dann enthüllt werden, wenn es sich in Sichtlinie eines Modells der Hexenjäger befand. Jedes Versteck war erlaubt: Hinter Säulen, hinter Sarkophagen, hinter Ecken etc., solange das Modell für die Hexenjäger nicht zu sehen war. Mein Gegner wiederum konnte seine Modelle jederzeit nach eigenem Wunsch enthüllen, wenn er sie bewegen oder mit ihnen angreifen wollte.

Der größte Teil des Spiels fand in diesem Raum statt, der ein kleines Mausoleum und eine Vielzahl von Grabstätten enthielt.

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Die Hexenjäger betraten ihn im Pulk und blieben nah zusammen, da sie mit bösen Überraschungen rechneten.

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Tatsächlich schnappte die Falle zu – aber anders als erwartet. Mein Gegner nämlich hatte die Szenarienregeln ganz wörtlich genommen und diverse Ghoule in den Sarkophagen versteckt, aus denen sie nun plötzlich hervorbrachen. Die Modelle passten zwar wegen ihrer Bases nicht hinein, aber die Sarkophage hatten abnehmbare Deckel und konnten daher als legitime Verstecke gelten. So wurden nun überall im Raum die Sargdeckel aufgestoßen und polterten zu Boden, teilweise wenige Zoll neben den Hexenjägern.

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Selbst im zentralen Mausoleum war ein Ghoul-Held mit Zweihandwaffe versteckt…

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…und aus einem anderen erhob sich der Vampir Asmotep.

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Weitere Ghoule strömten aus einem benachbarten Raum, und im Rücken der Hexenjäger tauchte auch die Strigoi-Bestie auf.

Das hätte nun ein echtes Debakel für meine Truppe werden können. Doch es kam ganz anders.
Die Hexenjäger drängten sich im Pulk zusammen wie eine Phalanx, die verletzlichsten Modelle in der Mitte und die Waffen nach außen gerichtet. Eine Welle von Ghoulen prallte auf sie – und schaffte es nicht, auch nur einen einzigen von ihnen zu Boden zu ringen. Ansgar feuerte seine Pistolen ab. Dariya schoss mit ihrer Armbrust, wechselte zum Schwert und ging in den Nahkampf. Die Zeloten, die nach dem letzten Spiel eine hervorragende Steigerung erhalten hatten – nämlich eine zusätzliche Attacke pro Modell – teilten tapfer aus, und die Flagellanten ließen ihre Flegel kreisen. Die beiden Kampfhunde schwärmten aus und fingen einzelne Gegner ab, bevor sie sich nähern konnten.

Zwar fehlte den Hexenjägern mit Helmuth ihr stärkster Nahkämpfer, doch seine Rolle wurde von Martin und Odo mit Bravour übernommen. Ein Ghoul nach dem anderen wurde zurückgeschlagen, und die furchtbare Strigoi-Bestie wurde mitten im Ansturm gestoppt und verlor zwei ihrer Lebenspunkte. Als die Hälfte der Ghoule ausgeschaltet waren, verpatzte Anführer Asmotep seinen Rückzugswurf, doch wir entschieden, ihm noch einen Bonus-Zug zu gewähren. Das nützte ihm allerdings nichts; stattdessen fielen noch zwei weitere seiner Schergen. Im folgenden Zug ergriff er mit dem kläglichen Rest seiner Truppe die Flucht.


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Momentaufnahme: Ein wütender Kampfhund bringt den Ghoul-Helden zu Fall...

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Die Strigoi-Bestie wird abgefangen und umzingelt...

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Ansgar und Dariya fällen ihre Gegner.

Ergebnis: Glorreicher Sieg der Hexenjäger.
Sie verloren nur einen einzigen Zeloten, während ihre Gegner zu nahezu 50% dezimiert wurden. Sämtliche fünf Ghasts, zwei Ghoul-Helden und vier gewöhnliche Ghoule waren ausgeschaltet worden, und die Würfe auf der Tabelle für Schwere Verletzungen nach dem Spiel bestimmten, dass vier dieser elf Toten nicht wiederkehren würden.

Wir entschieden, dass keine Punkte verteilt und keine verlorenen Modelle zurückgekauft werden sollten. Beide Banden würden in ihrem jetzigen Zustand bleiben, sodass die Hexenjäger nun mit 16 Modellen gegen 18 Modelle der Ghoul-Bande standen. Das passte auch inhaltlich, denn es sollte keine Sammlungs- und Rekreationsphase geben. Stattdessen würden die Hexenjäger ihre fliehenden Feinde ohne Zögern verfolgen, um ihren Schlupfwinkel aufzustöbern und nach Helmuth zu suchen.
 
Hinterher!“, rief Ansgar und winkte seine Kämpfer zu sich. „Das ist unsere Chance! Wir müssen sie verfolgen.“

Die Truppe sammelte sich. Es gab nur wenige leicht Verletzte, und alle waren noch kampffähig. Den einzigen Toten ließen sie notgedrungen zurück.

„Dort sind sie verschwunden!“, sagte Odo und wies auf einen Spalt in der Wand. Das Mauerwerk war an dieser Stelle eingebrochen und bildete den Einstieg zu einem Tunnel, der offensichtlich nicht von den Erbauern der Katakomben, sondern von wühlenden Klauen gegraben worden war.

„Ein Geheimgang.“ Ansgar nickte. „Irgendwo dort unten muss sich ihr Schlupfwinkel befinden. Hinein – aber vorsichtig! Dieser Gang wurde nicht für Menschen geschlagen.“

Tatsächlich stellte sich heraus, dass der Tunnel niedrig und uneben war, gerade groß genug für die gebückt laufenden Ghoule. Die Hexenjäger mussten sich notgedrungen einer hinter dem anderen hineinzwängen. Ihre Fackeln erhellten feuchtes Erdreich, und ein modriger Geruch erfüllte die abgestandene Luft. Eine zeitlang ging es geradlinig bergab, dann um mehrere Kurven, und schließlich erweiterte sich der Tunnel zu einem offenen Gewölbe.

Der Raum war so groß wie eine Kathedrale – ein riesiger Saal, versenkt in den Tiefen der Erde. Einst mochte er eine natürliche Höhle gewesen sein, erkennbar an einigen senkrechten Pfeilern aus Tropfstein, die wie Säulen die Decke trugen. An sämtlichen Wänden jedoch waren Schädel und Knochen aufgeschichtet wie groteske Wandverkleidungen. Auch der Boden lag voller Knochen, und dazwischen verteilten sich Brocken von halb verwestem Fleisch – Überreste von Hunderten kannibalischer Mahlzeiten, die in dieser Höllengrotte stattgefunden haben mussten.

An einer der Säulen, drei Ellen über dem Boden, hing Helmuth – mit ausgebreiteten Armen festgebunden wie ein Gekreuzigter. Er lebte und schien unversehrt, sah man einmal davon ab, dass Dutzende schmutziger Klauenhände ihre Abdrücke auf seinem Körper hinterlassen hatten. Wahrscheinlich war er geknebelt gewesen, doch es musste ihm gelungen sein, den Knebel auszuspucken, denn als er seine Verbündeten erblickte, schrie er drauflos.

„Vorsicht! Bleibt zurück! Ihr Anführer ist hier!“

Die Warnung war eigentlich überflüssig, denn im Licht ihrer Fackeln hatten die Hexenjäger ihre Gegner bereits erblickt.

Der gesamte Raum war voller Ghoule. Sie hockten am Boden, an den Wänden, auf Steinen oder Knochenhaufen. Einige waren gewöhnliche Exemplare von menschlicher Größe, andere übergroß und missgestaltet, mit klobigen, kahlen Köpfen, Stacheln auf Schultern und Rücken oder dolchartigen Klauen mit mehr als fünf Fingern. Fast jeder trug irgendeine Waffe, meist primitive Keulen aus Knochen. Hunderte rotglühender Augen starrten die Hexenjäger an.

Doch das war noch nicht der Gipfel des Schreckens. Im hintersten Teil des Raums nämlich erhob sich ein riesiger, aus Schädeln aufgetürmter Hügel wie ein Thron – und darauf hockte ein Monstrum von der vierfachen Größe eines Menschen wie ein gestaltgewordener Alptraum. Ein mächtiger Buckel schmutziggrauen Fells türmte sich über einem tiefsitzenden Schädel mit eingesunkenen, unmenschlichen Augen und einem triefenden Maul voller kreuz und quer stehender Fangzähne. Ein knöcherner Stachelkranz spross aus der Stirn des Unwesens wie eine missgestaltete Krone. Die monströsen Arme und Beine, überspannt von rissiger Totenhaut, waren mit verrosteten Rüstungsteilen und grünfleckigen Schmuckreifen bedeckt. Ein zerlumpter Umhang hing von den Schultern der Gestalt herab, einst vielleicht von königlicher Purpurfarbe, nun aber löchrig, vergilbt und voller Schimmelflecken. In einer Hand trug das Monstrum eine Art Zepter, dessen klobiger Kopf mit rissigem Goldblech beschlagen war, während am Griff zahlreiche schwarz angelaufene Edelsteine schimmerten. Zu Füßen der Gestalt lag wie ein Wachhund die Strigoi-Bestie, von der die Hexenjäger schon geglaubt hatten, sie stelle den Gipfel des Schreckens dar. Offenbar jedoch war sie nichts weiter als ein vernunftloser Diener, ebenso wie all die anderen mehr oder minder abstoßenden Kreaturen, die den Thron wie groteske Höflinge umlagerten.

Die Hexenjäger standen für einen Moment unter Schock. Nicht wenige der Zeloten schlugen die Hände vors Gesicht, und einer der jüngeren schien einer Ohnmacht nahe. Ansgar jedoch behielt die Nerven. Er winkte Dariya, Martin und Odo zu sich, und zu viert bildeten sie eine schützende Front vor ihrer ängstlich zusammengedrängten Gruppe.

„Was in Sigmars Namen ist das?“, flüsterte einer der Männer.

„Ein Strigoi-Vampir“, gab Ansgar leise zurück. „Größer und furchterregender, als ich je erwartet hätte.“

Die Ghoule ihrerseits verharrten. Keiner ging zum Angriff über. Offenbar warteten sie auf ein Zeichen ihres Anführers. Dieser erhob sich nun von seinem Thron, stützte sich auf sein Zepter und kam den Besuchern einige Schritte näher. Ein unbeschreiblicher Gestank wehte ihnen entgegen, als das Monstrum sein Maul auftat und – unglaublicherweise – verständliche Worte an sie richtete.

„Da seid ihr ja!“, sagte es mit einer knirschenden Stimme, die klang wie ein mahlendes Mühlrad. „Wir haben Euch erwartet. Willkommen in Unserer königlichen Halle.“

Ansgar trat furchtlos vor. „Königliche Halle?“ Er blickte sich um. „Ich sehe nur eine feuchte Höhle, einige Dutzend schmutziger Leichenfresser – und eine gestaltgewordene Sünde gegen den Willen unseres Herrn Sigmar. Wer bist du, Vampir?“

Das Monstrum warf sich in eine absurde Pose, die offenbar herrschaftlich wirken sollte.

„Wir sind Nefsokar, Prinz von Mourkain und Herrscher dieser prächtigen Stadt.“

„Er ist verrückt!“, rief Helmuth seinen Kameraden zu. „Total durchgeknallt! Redet nicht mit ihm, kämpft!“

Das Monstrum lachte, was sich bei ihm wie ein Gepolter fallender Steine anhörte. „Ihr wollt kämpfen?“

„Das werden wir“, versicherte Ansgar, „es sei denn, du gibst deinen Gefangenen freiwillig heraus. Bedenke, dass deine Diener sich zuletzt nicht sonderlich gut geschlagen haben. Sie sind hierher geflüchtet, nachdem wir die Hälfte von ihnen niedergemacht hatten.“

„Oh ja“, gab das Monstrum zurück. „Und ihr habt Uns damit sehr betrübt. So sehr, dass Wir uns nicht so gnädig zeigen werden, wie es gewöhnlich Unsere Art ist.“ Er wandte den hässlichen Kopf in Richtung jenes Vampirs, der Helmuth entführt hatte. „Asmotep? Führe den Angriff!“

Und während der Koloss sich umwandte und zu seinem Thron zurückschritt, sprang der Vampir-Wesir auf und stieß einen kehligen Schrei aus, woraufhin sämtliche Ghoule im Saal den Hexenjägern entgegenstürmten...


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Prinz Nefsokar
(…wie der Rest der Welt ihn sieht...)

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B
KG
BF
S
W
LP
I
A
MW
Nefsokar
6​
5​
5​
5​
5​
7​
5​
W6+1​
10​


Sonderregeln:

Strigoi-Erzvampir:
Nefsokar ist ein aufgeblähtes Scheusal mit vernarbter Haut und besitzt einen natürlichen 3+ Rüstungswurf sowie 7 (!) Lebenspunkte. Er ignoriert zudem das Verletzungs-Ergebnis „zu Boden gegangen“.

Erbe des Ushoran: Nefsokar ist zwar kein Zauberer, besitzt aber als Angehöriger der Blutlinie Ushorans einen magischen Schutz, der als 4+ Rettungswurf behandelt wird.

Umnachtet: Nefsokar lebt in einer Traumwelt und nimmt andere Geschöpfe nur durch einen Schleier wahr. Er kann weder ihre Stärke noch ihre Gefährlichkeit realistisch einschätzen. In Nahkämpfen mit mehreren Gegnern richtet er seine Attacken daher gegen ein zufällig ausgewähltes Modell. Konkret: Die Gegner werden durchnummeriert, und das Modell, das von Nefsokar attackiert werden soll, wird in jedem Zug durch einen Würfelwurf bestimmt. Auch die Anzahl seiner Attacken ist zufällig und beträgt W6+1, wobei diese Anzahl in jedem Zug erneut bestimmt wird.
 
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Der Kampf tobte. Die Hexenjäger hatten sich zu einem Haufen zusammengedrängt und fochten verzweifelt, doch noch immer waren die Feinde in der Überzahl. Ein Zelot ging schreiend zu Boden, begraben unter mehreren Ghoulen. Asmotep, der Vampir, fuhr mit seinen Krallen durch die Luft und schlitzte einem Flagellanten, der sich ihm todesmutig in den Weg geworfen hatte, die Kehle auf. Die Strigoi-Bestie hatte Ansgar ins Visier genommen und deckte ihn mit einem Hagel furchtbarer Hiebe ein, die er nur mit Odos Hilfe abwehren konnte. Immer mehr Ghoule fluteten heran, und immer schwieriger wurde es, ihren wirbelnden Klauen auszuweichen. Es sah schlecht aus für die Hexenjäger. Viele waren bereits verletzt, und bisher war erst ein einziger Ghoul unter ihren Klingen gefallen. Die Nähe ihres Anführers schien die Scheusale mit wahnwitzigem Mut zu erfüllen, obwohl der kolossale Vampir selbst gar nicht in den Kampf eingegriffen hatte. Er saß reglos auf seinem Thron und sah zu.

„Zurückfallen!“, schrie Ansgar über den Tumult hinweg, und die Gruppe wich an eine der Wände zurück und scharte sich um ihren Anführer. Einen Moment lang trat Stille ein, während ihre Gegner sich gleichfalls zusammenrotteten und sie mit gierigen Glutaugen musterten. Offenbar sahen sie bereits die Mahlzeit, die ihnen ihr Sieg einbringen würde. Sie wollten sich eben wieder auf ihre Herausforderer stürzen, als Asmotep innehielt und zur Öffnung des Tunnels hinüberblickte, der in den Raum führte. Dort war eine Gestalt aufgetaucht: Klein, gebeugt, gehüllt in einen weiten Umhang aus grobem Leinen mit Kapuze. Einzelne Strähnen weißen Haars züngelten unter dem Saum hervor.

„Da ist die Hexe!“, rief Helmuth von der Säule herab, an die er gefesselt war. „Seht! Sie kommt, um sich an unserem Untergang zu weiden! Habe ich nicht von Anfang an gesagt, dass sie eine Verräterin ist?“

Die Hexenjäger tuschelten und reckend wütend ihre Waffen in Richtung der alten Frau. Die Ghoule dagegen schienen verwirrt. Sie blickten auf Asmotep, offenbar in der Erwartung eines Befehls. Der Wesir jedoch sah zu seinem Herrn hinüber - und der riesige Vampir, der sich als Prinz Nefsokar vorgestellt hatte, erhob sich von seinem Thron. Er musterte die gebeugte Gestalt mit einem Ausdruck milden Staunens.

„Noch ein Bauer“, sagte er mit seiner knirschenden Stimme. „Ein Mann ohne Waffe, und noch schäbiger gekleidet als die anderen. Kommst du, um gemeinsam mit ihnen zu sterben?“

„Du irrst dich“, entgegnete eine leise Stimme aus dem Schatten der Kapuze. „Ich bin kein Bauer. Ich bin auch kein Mann. Und erst recht bin ich nicht unbewaffnet.“

Die Gestalt streckte sich plötzlich zu erstaunlicher Höhe, als hätte sie ihre Statur bislang verborgen, indem sie absichtlich gebeugt ging. Dann fasste sie mit einer ihrer kräftigen, alterslosen Hände nach der Kapuze und schlug sie zurück. Ein dichter Schopf weißen Haars quoll hervor, keineswegs gebleicht vom Alter, sondern offenbar von natürlicher weißblonder Farbe. Als nächstes ergriff die Hand etwas, das auf ihrem Gesicht klebte: Eine dünne, durchsichtige Folie aus geronnenem Gelee, die eine Maske voller künstlicher Falten bildete. Die Maske fiel zu Boden, und zum Vorschein kam ein junges Gesicht, nicht älter als dreißig, von herber Schönheit und mit blitzenden hellblauen Augen.

Nefsokar starrte die Erscheinung verwirrt an. „Wer bist du?“

„Mein Name ist Ivana“, sagte die Unbekannte, und nun war ihre Stimme klar und kraftvoll. „Schwester Ivana, vom heiligen Orden der Schwestern des Sigmar.“

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Sie warf auch den Umhang ab, und ein muskulöser Körper wurde sichtbar, von einer prächtigen Schuppenrüstung umhüllt. Ein breiter Gürtel umschloss die Taille, in der zwei Kampfhämmer steckten.

„Das ist unmöglich!“, rief Helmuth, der die Erscheinung wie alle anderen ungläubig anstarrte. „Dieser Orden wurde aufgelöst – vor zweihundert Jahren schon!“

Ivana blickte zu ihm hinauf. „Er existiert weiter – im Geheimen. Ich konnte mich euch nicht offenbaren, weil die Inquisition den Orden als ketzerisch ansieht. Zuerst musste ich herausfinden, ob ich eurem Inquisitor trauen konnte.“

„Was redet sie?“, stammelte Nefsokar, der offenbar kein Wort verstand und ratlos zu seinem Wesir hinüberblickte. „Was will sie?“

Dich!“, entgegnete die weißhaarige Frau. „Ich wusste immer, dass du zur verderblichen Brut der Strigoi gehören musstest. Meine Großmutter war eine Strigana, und sie erzählte mir alle Sagen und Geschichten über euer verfluchtes Geschlecht. Kein anderes Unwesen wäre in der Lage gewesen, so viele Ghoule zu beherrschen. Das war der Grund, warum ich mich in dieser Stadt niederließ. Allein jedoch konnte ich deiner Meute bisher nicht die Stirn bieten.“ Sie zog ihre Kampfhämmer. „Nun aber bin ich nicht mehr allein - und deine Stunde schlägt, Abscheulichkeit aus den finsteren Grüften Nehekharas! Wer bist du - oder, wer warst du? Ein Hofbeamter deines verfluchten Meisters? Sein Leibwächter? Oder sein Schoßhund?“

Nefsokar plusterte sich förmlich auf. „Wir sind Prinz Nefsokar, angenommener Sohn und Erbe Unseres seligen Herrn, Statthalter und edler Herrscher von Mourkain!“

Die Frau mit dem weißen Haar starrte ihn einen Moment lang an. Dann stemmte sie beide Hände in die Seiten und lachte schallend.

„Mourkain ist vor tausend Jahren untergegangen!“, rief sie dem Vampir zu. „Über den Ruinen wächst Gras – und auch über deinen toten Knochen sollte es längst wachsen, wenn dir Gerechtigkeit widerfahren wäre. Glücklicherweise ist es dafür noch nicht zu spät.“

Sie ging hinüber zu den Hexenjägern und stellte sich neben Ansgar, der sie immer noch betrachtete wie eine übernatürliche Erscheinung.

Nefsokars Gesicht verzog sich zu einer grotesken Grimasse des Zorns. Es war offensichtlich, dass er nicht verstand, was vor sich ging; doch ebenso offensichtlich, dass er genug vom Parlieren hatte. Er hob sein Zepter und deutete mit der Spitze auf seine Feinde.

„Tötet sie alle!“
 
Die Würfel haben gesprochen. Sie bestimmten, dass Helmuth – der stärkste Nahkämpfer der Hexenjäger – entführt werden sollte. Ausgleichshalber erhalten die Hexenjäger eine unerwartete Unterstützung, die es (hoffentlich) mit einem Monster wie Nefsokar aufnehmen kann.

Schwester Ivana

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Schwester Ivana45544252/310


Ausrüstung: 2 Kriegshämmer des Sigmar (+1 Stärke, +1 Attacke) [Referenz: Mordheim-Regelbuch, Schwesternschaft des Sigmar, Ausrüstung]
Rüstung des Glaubens: 4+ Rüstungswurf; 3+ gegen Attacken untoter Kreaturen
Heilige Reliquie: 4+ Rettungswurf
Hass auf Untote: darf Trefferwürfe gegen Untote wiederholen. Als Untote gelten Asmotep, die Strigoi-Bestie und Nefsokar.


Auf zum Endspiel…