Spiel 8:
Entscheidung
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Out-Time. Ein ehrliches Geständnis vorweg: Dieses letzte Spiel mussten wir mehrfach testen, bis wir die Balance heraus hatten. In Spiel 7 hatten die Hexenjäger einen relativ leichten Sieg gehabt, was uns zu der – falschen – Annahme verführte, sie seien überlegen. Tatsächlich aber war das mehr Zufall bzw Würfelglück gewesen, denn in mehreren Testanläufen für Spiel 8 zeigte sich, dass sie in einer offenen Massenschlacht praktisch chancenlos waren. Deshalb bestimmten wir, dass Ivana nicht erst am Ende, sondern bereits nach W6 Zügen (faktisch: 3 Zügen) ins Spiel kommen sollte. Nefsokar wiederum würde abwarten und erst eingreifen, sobald es ernst wurde – der edle Prinz würde sich nicht ohne Not die manikürten Hände schmutzig machen. ]
Diesmal blieb kein Raum für taktische Finessen. Als die Ghoul-Meute herangestürmt kam, drängten die Hexenjäger sich eng zusammen und standen buchstäblich mit dem Rücken zur Wand. Die Strigoi-Bestie stürzte sich erneut auf Ansgar, doch diesmal wurde der Inquisitor von zwei unerschrockenen Frauen flankiert: rechts von seiner Tochter und links von Schwester Ivana. Das Erscheinen der unerwarteten Helferin hatte allen Mut gemacht, und „Sigmar!“ war der Schlachtruf, mit dem sie sich ihren Feinden entgegenstellten.
Dennoch war es ein verzweifeltes Gefecht, und schnell wurde klar, dass weder Stahl noch Glaube einen leichten Sieg versprachen. Zwei Zeloten fielen, als sie sich gegen doppelt so viele Ghoule zu verteidigen versuchten, und wurden von den hungrigen Leichenfressern in Stücke gerissen. Kampfhund Fido hatte sich an Asmotep gehängt, wurde von diesem jedoch niedergetreten und floh jaulend. Odo, der sich in den vergangenen Wochen zu einem so starken und treuen Gefährten entwickelt hatte, wurde von mehreren Ghoulen zu Boden gerungen und schwer verletzt. Die zwei verbliebenen Flagellanten fochten tapfer, doch rasch starb einer der beiden den Märtyrertod.
Am schlimmsten wütete die Strigoi-Bestie. Sie hatte es immer noch auf den Inquisitor abgesehen und ignorierte alle Schläge und Stiche, die von der Seite her auf sie einprasselten. Sie warf Ansgar zu Boden, versenkte die Fangzähne in seiner Schulter und durchdrang dabei mühelos die Rüstung. Während der Inquisitor sich hilflos unter dem Berg aus Klauen und schmutzigem Fell wand, droschen Ivana und Dariya auf die Bestie ein, bis sie endlich von ihm abließ und sich fauchend gegen die Kriegernonne wandte.
„Hammer des Sigmar!“, rief Ivana, und unglaublicherweise begannen die Köpfe ihrer beiden Kriegshämmer plötzlich zu leuchten. Beidhändig schlug sie zu, und wer sie in diesem Moment erblickte, konnte kaum glauben, dass sie sich einst als gebrechliche alte Frau getarnt hatte. Ihr erster Schlag traf die gebleckten Kiefer der Bestie und schlug ihr mehrere Fangzähne aus. Der zweite traf eines der glühenden Augen und ließ es verlöschen wie eine ausgeblasene Kerzenflamme. Beim dritten Schlag knickte der hässliche Schädel um, und die Vampirbestie sank mit gebrochenem Genick in den Staub.
„Vater!“, schrie Dariya und warf sich über Ansgar, der immer noch am Boden lag. Er blinzelte schwach, und Blut stand auf seinen Lippen. „Geh!“, raunte er ihr zu. „Lass mich. Kämpfe!“
In der Zwischenzeit war Martin, der jüngste der Hexenjäger, in ein tödliches Duell mit dem Vampir Asmotep geraten. Mehrere Ghoule unterstützten ihren Anführer, dessen wirbelnde Klauen Striemen und Kratzer über Martins Rüstung zogen. Mit Mühe konnte er sich verteidigen, blutete jedoch aus mehreren Wunden. Dariya und der letzte Flagellant sprangen ihm bei. Ivana konnte nicht zu ihnen durchdringen, denn Ghoul-Hauptmann Urgar war ihr in den Weg gesprungen und packte mit beiden Pranken ihre Arme, um sie am Einsatz ihrer Hämmer zu hindern.
Der letzte Flagellant stürzte sich mit hoch erhobenem Flegel auf Asmotep, eine Hymne auf den Lippen. Singend schlug er zu – und singend starb er, als der Vampir ihn an der Kehle packte, vom Boden hob und gegen eine Wand schleuderte. Eine Lawine aufgeschichteter Schädel prasselte herab und begrub den Körper des Fanatikers unter sich.
„Stirb endlich!“, schrie Martin, der die Gelegenheit nutzte und dem abgelenkten Vampir sein Schwert in die Seite bohrte. Dariya stach von der anderen Seite zu, und dann war endlich auch Ivana zur Stelle und zerschmetterte den unförmigen Kopf des Unholds.
Als die letzten Ghoule flohen, war der Boden mit toten und sterbenden Körpern übersät. Von sechzehn Hexenjägern standen nur noch sechs: Dariya, Martin, drei Zeloten und Ivana.
„Holt mich runter! Schnell!“ Das war Helmuth der von seiner Säule herab rief.
Dies war ein schrecklicher Moment für Dariya. Ihr erster Impuls war, sich um ihren Vater zu kümmern, der schwer verletzt am Boden lag. Doch auch Helmuth musste befreit werden – und dann war da noch der Strigoi-König, der den Kampf bisher nur beobachtet hatte, ohne einzugreifen. Nun aber, da seine Schergen gefallen oder geflohen waren, erhob er sich von seinem Thron. Offenbar begriff selbst sein umnachteter Geist, dass es an der Zeit war, seine vornehme Zurückhaltung aufzugeben und sich selbst zum Kampf zu stellen.
„Eure Renitenz betrübt uns sehr!“, knirschte er, als er näher kam und sein klobiges Zepter hob. „Ihr habt Unseren Wesir erschlagen – und Unsere geliebte Kufati! Wir fürchten, dass Wir euch alle keltern müssen, auf dass euer Wein Unsere prinzliche Hoheit für den Verlust entschädige!“
„Sieh nach meinem Vater, schnell!“, rief Dariya der Kriegernonne zu, die bekanntlich über Heilkräfte verfügte. Dann rannte sie kurzentschlossen los und peilte die Säule an, an der Helmuth drei Ellen über dem Boden hing. Dabei konnte es nicht ausbleiben, dass sie dem Strigoi-König in den Weg lief, der sein Zepter wie eine monströse Keule hob und nach ihr hieb, als wollte er eine Fliege erschlagen. Dariya wich aus, und der Kopf des Zepters knallte hinter ihr auf den Boden, wo er eine Fontäne aus Erde aufspritzen ließ.
Die Tropfsteinsäule war uneben genug, um daran hinaufzuklettern. Dariya zögerte nicht, ergriff einen Vorsprung und zog sich in die Höhe.
„Schnell!“, rief Helmuth, denn Nefsokar schien Dariyas Absicht begriffen zu haben und kam ihr nach. Erneut holte er mit seiner Zepter-Keule aus, und mit seiner ungeheuren Kraft wäre es ihm wahrscheinlich gelungen, sowohl die Säule als auch die beiden Menschen daran zu zerschmettern.
„He!“ Ein Ruf ließ den Strigoi-König herumfahren. Es war Ivana, die die verbliebenen Hexenjäger um sich geschart hatte und sich ihm von hinten näherte. „Würde Eure prinzliche Abscheulichkeit uns vielleicht kurz ihre Aufmerksamkeit schenken?“
Nefsokar starrte sie wütend an. „Freches Menschenweib! Wir werden deinen Wein schlürfen und dein Fleisch essen.“
„Sieh dich vor!“, warnte Ivana und hob ihre Kampfhämmer. „Ich habe die Angewohnheit, solchen wie dir im Hals steckenzubleiben.“
Die Ablenkung war gelungen. Dariya sah nicht hin, als der Koloss auf ihre verbliebenen Mitstreiter losging. Sie konzentrierte sich darauf, die Säule zu erklettern. Mehrmals rutschten ihre Füße auf dem glatten Tropfstein ab; schließlich aber erreichte sie Helmuth und zog ihr Schwert, um die Stricke durchzuschneiden.
„Vorsicht!“, raunte Helmuth. „Wir könnten abstürzen!“
„Ich weiß.“ Bedachtsam schnitt Dariya alle Stricke bis auf einen durch, den sie wie ein Kletterseil zum Fuß der Säule hinabfallen ließ. „Lass dich daran hinunter. Ich helfe dir.“
Hinter ihnen ertönten dumpfe Schläge und wütendes Fauchen. Die Hexenjäger hatten Nefsokar umringt und spielten ihre überlegene Beweglichkeit aus, um ihn zum Angriff zu reizen und Mal um Mal den schwerfälligen Schwingern seiner Keule auszuweichen. Ivana wagte sich immer wieder vor und schlug mit ihren Hämmern zu, doch der haarige Koloss, gehüllt in Reste uralter Rüstung, schien nahezu unverwundbar.
Inzwischen war Helmuth am Boden angekommen. Er mochte stundenlang in unnatürlicher Stellung an der Säule gehangen haben; dennoch schienen weder seine Muskeln noch sein Kampfgeist gelitten zu haben. Rasch suchte er unter den Gefallenen nach einer Waffe und ergriff eine angespitzte Knochenkeule, die dem Ghoul-Hauptmann gehört hatte. Dann stürmte er ohne Zögern drauflos, um sich seinen Kameraden anzuschließen. Dariya folgte ihm mit gezogenem Schwert.