Der Turm des Necrarch: Eine Kampagne nach Mordheim-Regeln in Sylvania

Staffel IV: Herdenherz
Bewährungsmission

Dariya fühlte sich recht beklommen, als sie den Palast von Wurtbad betrat. Ein Diener führte sie zum Amtszimmer des Kurfürsten, klopfte und meldete den Besuch.

„Nur herein!“, rief eine freundliche Stimme.

Der Diener verschwand und bedeutete Dariya, einzutreten. Sie tat es und fand sich in einem großen, überraschend einladenden Raum mit holzgetäfelten Wänden und schweren Samtvorhängen vor den Fenstern. Kerzen verbreiteten ein heimeliges Licht. Kurfürst Alberich Haupt-Anderssen, ein Mann um die Sechzig mit üppigem Bart und kaum gelichtetem Haar, erhob sich aus einem reich geschnitzten Stuhl und kam der Besucherin entgegen. Dariya wollte sich verbeugen, doch er hinderte sie daran, indem er mit beiden Händen ihre rechte umschloss.

„Da seid Ihr ja, meine liebe! Ich freue mich, Euch endlich persönlich kennenzulernen. Euer Vater hat mir viel von Euch erzählt. Bitte lasst mich sagen, dass ich sein trauriges Schicksal von ganzem Herzen bedaure. Ich habe ihn sehr geschätzt.“

Dariya staunte. Sie hatte bereits gehört, dass der Kurfürst als Kavalier alter Schule galt, aber mit einem derartig warmen Empfang hatte sie nicht gerechnet. Verlegen murmelte sie ihren Dank.

„Vor allem betrübt mich“, fuhr der Kurfürst fort, „dass es mein Auftrag war, der zu dieser Tragödie führte. Allerdings habt Ihr Euch auch in Abenteuer gestürzt, die ich mir nicht träumen lassen konnte. Mir hätte es vollauf genügt, wenn Ihr nach der Vernichtung jenes Necrarch-Vampirs sogleich zurückgekommen wärt.“

„Das wollten wir auch“, sagte Dariya, „aber dann verirrten wir uns im Nebel und gerieten mitten in die Spukhügel.“

„Ich weiß, ich weiß. Ich hörte bereits das Meiste. Eure Abenteuer sind ja zum Stadtgespräch geworden. - Bitte setzt Euch doch.“

Sie nahmen zu beiden Seiten des Tisches Platz, auf dem eine Landkarte ausgebreitet war.

„Ich hatte gehofft“, sagte Dariya zögerlich, „vielleicht etwas über meine Bewerbung zu erfahren.“

„Natürlich“, sagte Haupt-Anderssen. „Ein hochrangiger Vertreter der Inquisition ist gestern angereist. Ich habe bereits mit ihm gesprochen, denn die Kirche wünschte eine Stellungnahme von mir. Man weiß, dass ich mit Eurem Vater gut bekannt war, und dass es mein Auftrag war, der Euch nach Sylvania führte. Seid versichert, dass ich Euch für die angestrebte Position wärmstens empfohlen habe.“

„Ich bin gar nicht sicher, ob das in meinem Sinne ist“, gab Dariya zu. „Ich versprach meinem Vater, sein Lebenswerk fortzusetzen. Doch ob ich dazu wirklich bereit bin, kann ich selbst noch nicht sagen. Wer ist denn der Bote, mit dem Ihr gesprochen habt?“

„Er… ist hier“, sagte der Kurfürst etwas verlegen und wies in eine Ecke des Raums.

Dariya erschrak. Aus dem Schatten hinter einem Wandschrank trat ein Mann, der offenbar schon die ganze Zeit über dort gestanden hatte, ohne seine Anwesenheit zu verraten. Er war eine beeindruckende Erscheinung: Ganz in Schwarz gekleidet, mit brokatbesetztem Wams und geschlitzten Puffärmeln, die Brust mit mehreren Orden behängt, das hagere Gesicht von priesterlicher Strenge. Er trug einen schwarzen Spitzbart mit grauen Strähnen darin und einen Hut, wie er bei Inquisitoren üblich war, jedoch mit goldener Quaste und einem aufgestickten Totenschädel – Symbol für die heilige Pflicht der Inquisition, allen Unbußfertigen den Tod zu bringen.

„Darf ich vorstellen…“ Der Kurfürst wies auf den Fremden. „Seine Exzellenz Thietmar von Holst, Ordenssekretär der Templer des Sigmar und Bevollmächtigter des Großtheogonisten.“

Der Mann nahm sich keine Zeit für eine Grußformel. Stattdessen hob er ein gesiegeltes Schriftstück und senkte den Blick auf die Zeilen.
„Jungfer Dariya von Hornberg?“, fragte er mit einer scharfen Stimme, der man eine jahrzehntelange Praxis in peinlichen Verhören anmerkte.

Dariya fuhr von ihrem Stuhl hoch. Einem so hohen Würdenträger hatte sie noch nie gegenübergestanden. In ihrer Aufregung versuchte sie, sich auf die korrekte Anrede zu besinnen. „Zu Euren Diensten, Exzellenz.“

„Das Heilige Offizium hat Eure Bewerbung zur Kenntnis genommen“, sagte von Holst und sah von dem Pergament auf. Er musterte Dariya von Kopf bis Fuß mit kritischem Blick. Offensichtlich war er kein Mann, der sich mit langen Einleitungen oder gar mit Höflichkeiten aufhielt.
„Wie Ihr Euch vielleicht denken könnt, gibt es gewisse Vorbehalte gegen Eure Ernennung – vor allem Eure Unerfahrenheit. Im ganzen Imperium gibt es derzeit nur vier weibliche Inquisitorinnen, und alle haben zuvor mindestens zehn Jahre lang bei anderen Inquisitoren Dienst getan. Die jüngste war bei ihrer Ernennung sechsunddreißig. Und Ihr seid…“

„Neunzehn seit Kurzem“, sagte Dariya beschämt. „Exzellenz, es ist mir klar, dass mein Ansinnen ungewöhnlich erscheinen muss. Doch ich erfülle damit den Wunsch meines Vaters. Er nahm mir in seiner Todesstunde das Versprechen ab, seine Nachfolge anzutreten; also musste ich es versuchen. Ob ich wirklich dazu geeignet bin… und ob ich es wirklich will…“ Sie verstummte.

„Ihr seid Euch also nicht sicher“, folgerte von Holst. Sein Gesichtsausdruck blieb unergründlich. „Schade! Andererseits nämlich brauchen wir dringend neue Inquisitoren. Zu viele sterben in Ausübung ihres Dienstes – wie Euer Vater.“

„Das heißt“, fragte der Kurfürst, „Ihr würdet eine Ernennung in Erwägung ziehen?“

„Unter gewissen Bedingungen“, schränkte der Ordenssekretär ein. „Bisher hat Frau von Hornberg noch keinen Einsatz in Eigenverantwortung geleitet. Das Heilige Offizium schlägt daher eine Bewährungsmission vor: eine besondere Aufgabe, von deren Erfüllung die Entscheidung abhängig gemacht werden soll.“

Der Kurfürst blickte Dariya an. „Was haltet Ihr davon, meine liebe?“

Dariya besann sich. „Nun… vielleicht ist das wirklich eine gute Idee“, meinte sie. „Es könnte auch mir bei der Entscheidung helfen. Irgendwie muss ich mir ja darüber klarwerden, ob ich mir diese Verantwortung wirklich zutraue.“

„Na wunderbar“, sagte der Kurfürst zufrieden und wandte sich wieder an den Ordensmann. „Was für eine Aufgabe wäre es denn?“

„Das steht noch nicht fest“, sagte von Holst. „Es wird sich gewiss etwas finden.“

„Mit Verlaub, Exzellenz – ich wüsste da etwas“, hakte der Kurfürst ein. „Es ist eine Angelegenheit, in der ich ohnehin die Hilfe der Inquisition erbitten wollte.“

Von Holst verschränkte die Arme. „Sprecht.“

„Es handelt sich um einen Wachturm“, erklärte der Kurfürst und tippte auf einen Punkt jener Landkarte, die stets einen Teil seines Schreibtischs bedeckte. „Ganz an der südlichen Grenze meines Landes. Ihr wisst sicher, dass solche Wachtürme überall an den Grenzen stehen und meist eine nahe Ortschaft beschützen. Sie sind nicht nur die erste Verteidigungslinie im Kriegsfall, sondern dienen auch zur Abschreckung gegen Goblinbanden, Tiermenschen-Plünderer und ähnliche Störenfriede. Die Wachmannschaften sind klein, in der Regel nur ein Dutzend Männer. Sie leben für ein ganzes Jahr in ihrem Turm; erst zu Neujahr kommt eine Ablösung. Ein Versorgungswagen bringt ihnen monatlich Nahrungsvorräte.“

Von Holst nickte. Auch Dariya waren diese Tatsachen im Wesentlichen bekannt.

„Dieser Turm nun“, fuhr der Kurfürst fort, „liegt nahe einem Dorf namens Hunewald. Bislang war das eine eher ruhige Gegend. Kürzlich aber gab es einen Angriff von Tiermenschen, bei dem mehrere Dörfler getötet wurden. Die Überlebenden gingen zum Turm, um die Soldaten zu benachrichtigen und Hilfe zu erbitten. Doch es stellte sich heraus, dass der Turm verlassen war. Alle zwölf Mann der Besatzung waren spurlos verschwunden.“

Dariya runzelte die Stirn. „Offenbar wurde keine Kampfspuren gefunden“, mutmaßte sie. „Denn wenn es ein Überfall gewesen wäre, hättet Ihr doch sicher Staatstruppen geschickt.“

„Ihr denkt bereits wie eine Inquisitorin – ausgezeichnet“, lobte der Kurfürst. „In der Tat gab es keine Spuren eines Kampfes. Gerade Tiermenschen hinterlassen in der Regel deutliche Spuren: Hufabdrücke, Haare, verwüstetes Mobiliar, beschmierte Wände. Doch es fand sich nichts dergleichen. Zudem waren alle Fenster und Türen des Turms unversehrt. Nichts ließ auf ein gewaltsames Eindringen schließen.“

„Die Männer haben den Turm also aus eigenem Antrieb verlassen“, folgerte Dariya. „Vielleicht, weil sie die Gefahr ahnten und das Dorf beschützen wollten?“

Doch der Kurfürst schüttelte den Kopf. „Das Unheimlichste habe ich noch gar nicht erwähnt. Im Turm befanden sich nämlich auch noch sämtliche Waffen, Uniformen und sonstige Ausrüstung der Wachmannschaft. Wenn sie den Turm verlassen hätten, müssten sie es quasi nackt getan haben. Im Übrigen gibt es eine strenge Dienstvorschrift, wonach auch im äußersten Notfall mindestens drei Mann im Turm zurückbleiben müssen.“

„Das ist in der Tat sehr verdächtig“, meinte der Ordenssekretär. „Gut möglich, dass verbotene Magie im Spiel ist.“

„Das glaube ich auch“, sagte der Kurfürst. „Und mir liegt persönlich viel an der Aufklärung dieses Vorfalls. Es untergräbt die Moral der Truppe, wenn solche Dinge passieren und die Quelle des Übels nicht gefunden wird. Was meint Ihr, Exzellenz – wäre das eine geeignete Aufgabe für Frau von Hornberg?“

Von Holst überlegte nicht lange. „Einverstanden“, sagte er, zog ein weiteres Pergament hervor und legte es auf den Tisch. Offenbar war es ein vorbereitetes Dekret, denn er griff – ohne um Erlaubnis zu fragen - nach einer Feder des Kurfürsten, um es schwungvoll zu unterschreiben. Dann überreichte er das Schriftstück an Dariya.

„Dieses Edikt ermächtigt Euch, den Titel Beauftragte der Inquisition zu führen“, sagte er. „Auf Widerruf, wie sich versteht! Noch seid Ihr keine Inquisitorin, und Eure Vollmachten sind beschränkt.“

„Ich danke Euch, Exzellenz“, sagte Dariya, die das Pergament ehrfürchtig entgegennahm.

„Eine endgültige Entscheidung wird getroffen, wenn Ihr zurück seid – und wenn alle ketzerischen Elemente, die in diese Angelegenheit verwickelt sein mögen, restlos vernichtet sind. Habt Ihr verstanden?“

Dariya nickte.

„Das wäre dann wohl alles“, sagte von Holst, verbeugte sich knapp in Richtung des Kurfürsten und wandte sich um. Ohne ein Abschiedswort verließ er den Raum und schloss die Tür hinter sich.

Der Kurfürst atmete hörbar aus. „Puh… das ist doch recht glimpflich abgelaufen. Ich hatte schon schwierigere Verhandlungen mit den hohen Herren. Deshalb wollte ich auch, dass dieses Treffen in meiner Gegenwart stattfindet. Ich hoffte, Ihr würdet Euch dann nicht allzu eingeschüchtert fühlen.“

„Ich danke Euch“, sagte Dariya. „Das war sehr zuvorkommend.“

„Fühlt Ihr Euch dem Auftrag gewachsen?“

„Ich denke schon… ich hoffe es wenigstens.“

„Was mich betrifft; ich habe volles Vertrauen in Euch“, sagte der Kurfürst. „Euer Vater hat oft von Euch erzählt, und er war sehr stolz auf Euch.“

Dariya unterdrückte eine Träne. Die Trauer war noch allzu frisch.

„Seid guten Mutes“, sagte Haupt-Anderssen. „Fahrt nach Hardenburg und lasst Euch von dort den Weg zum Dörfchen Hunewald weisen. Die Reise dürfte eine ganze Woche dauern, aber Ihr könnt das Fuhrwerk nehmen, das ich Euch für den Einsatz in Sylvania gab. Am besten richtet Ihr Euch in dem Wachturm ein, der jetzt leer steht; dann könnt Ihr gleich vor Ort nach Spuren suchen. Befragt auch die Leute im Dorf! Vielleicht hat jemand etwas Aufschlussreiches gesehen.“

„Werde ich tun“, versprach Dariya.

„Nun denn…“ Der Kurfürst lehnte sich zurück und lächelte aufmunternd. „Viel Erfolg!“
 
Da kommt unsere frischgebackene Inquisitorin!“, rief Helmuth übermütig. „Haltung, Leute! Wahrscheinlich müssen wir sie jetzt mit ehrwürdige Herrin anreden.“

Die Gruppe saß im Gasthaus „Zur Greifenfeder“ und hatte sich über mehrere Tische verteilt, um auf ihre Anführerin zu warten. Alle waren bester Laune, nachdem sie vor zwei Wochen endlich nach Stirland zurückgekehrt waren und sich von den Strapazen der Reise erholt hatten. Helmuth, Martin und Odo hatten Unmengen des guten Wurtbader Biers bestellt und teilten es großzügig mit den Zeloten. Selbst die beiden Flagellanten hatten ihre Weltuntergangsstimmung vergessen und krähten mit ausgelassenen Stimmen eine ihrer Hymnen – sehr zum Missfallen des Gastwirts, der sie mit säuerlicher Miene vom Tresen aus taxierte.

„Ach, hör auf!“ Dariya lachte verlegen und knuffte Helmuth in die Seite. „Ich bin noch nicht ernannt, und ich weiß auch nicht, ob es jemals dazu kommt. Aber ich habe einen Auftrag.“

„Einen Auftrag?“

Dariya setzte sich und erzählte von ihrer ‚Bewährungsmission‘. Alle sammelten sich um den Tisch und lauschten gespannt – bis auf Schwester Ivana, die keine Miene verzog. Sie war auch die einzige, die kein Bier vor sich stehen hatte. Feuchtfröhliche Geselligkeit lag nicht in ihrer Natur. Wahrscheinlich hatte sie an diesem Tag, gedrängt von den anderen, zum ersten Mal in ihrem Leben ein Gasthaus betreten.

„Verschwundene Soldaten…“ Helmuth verzog den Mund. „Klingt nicht sehr aufregend. Vielleicht sind sie einfach desertiert. So etwas soll auf einsamen Außenposten schon mal vorkommen.“

„Ohne ihre Kleider?“ Dariya schüttelte den Kopf. „Unmöglich. Da steckt mehr dahinter. So wie der Kurfürst es beschrieben hat, klang es fast… wie soll ich sagen… als hätte man die Männer mitten im Schlaf aus ihren Betten herausgezaubert.“

„Schon merkwürdig“, meinte Odo. „Aber wenigstens scheinen diesmal keine Untoten im Spiel zu sein. Das ist immerhin ein Lichtblick.“

„Dafür war von Tiermenschen die Rede“, sagte Martin. „Über diese Wesen weiß ich kaum etwas. Bei uns in Sylvania waren die Wälder so voller Geister, dass sich kaum lebende Geschöpfe dort einnisten konnten.“

„Man nennt sie auch Kinder des Chaos“, erklärte Dariya. „Viele glauben, dass sie entstanden sind, als das Chaos erstmals über die Welt hereinbrach. Es sind mutierte Mischwesen aus Tier und Mensch, oft mit den Hörnern und Hufen von Ziegen.“

„Kaum ernstzunehmende Gegner für uns“, meinte Helmuth. „Wir haben schon viel Schlimmeres bewältigt – nicht wahr, Ivana?“

Die Kriegernonne antwortete nicht; ihr Gesicht wirkte wie eingefroren. Nicht zum ersten Mal fiel Dariya auf, dass zwischen Ivana und Helmuth eine merkwürdige Beziehung herrschte. Seit Ivana sich entschieden hatte, bei der Gruppe zu bleiben, war Helmuth ungewöhnlich fröhlich und oft zu Scherzen aufgelegt. Offenbar genoss er ihre Gesellschaft, während sie fest entschlossen schien, ihn keines Blickes zu würdigen. Es schien ihn überhaupt nicht zu verdrießen, dass seine plumpen Vertraulichkeiten an ihr abprallten wie Pfeile an einer Plattenrüstung.

„Das hast du schon mal behauptet, als wir uns mit den Ghoulen anlegten“, erinnerte ihn Dariya. „Lasst uns lieber vorsichtig sein und mit dem Schlimmsten rechnen. Vergesst nicht, dass uns jetzt ein erfahrener Anführer fehlt. Ich kann meinen Vater noch lange nicht ersetzen.“

„Vielleicht ja doch“, ermunterte Martin sie und hob seinen Bierkrug. „Trinken wir auf unsere neue Anführerin?“

„Ich bin dabei!“, sagte Odo, und die ganze Gesellschaft schloss sich mit Hochrufen an.
 
Tatsächlich dauerte die Reise eine ganze Woche. Allerdings war sie viel angenehmer als selbst die kürzeste Strecke in Sylvania. Stirland war ein idyllisches Land, voller Wiesen und Felder, kleiner Dörfer und verstreuter Gehöfte. Auch war der Himmel klar, und die Sonne schien. Selbst die Straße war bedeutend besser, und wenn sie einmal in größere Waldstücke eintauchte, war sie leidlich gebahnt und weitgehend frei von Gestrüpp. An vielen Wegkreuzungen standen Schreine, meist mit einem geschnitzten Bild des zweischweifigen Kometen, manchmal aber auch mit Ikonen für Taal, Myrmidia oder kleinere lokale Gottheiten. Nur ein einziges Mal passierte das Fuhrwerk ein Warnschild, das an einen Baum genagelt war und die grob gepinselte Figur eines grünen Männchens mit spitzen Ohren zeigte. Das war ein allgemein bekanntes Zeichen und bedeutete: Achtung, Waldgoblins. Sie sahen jedoch keinen einzigen Goblin und durchquerten das betreffende Waldstück ohne Zwischenfälle.

Wie üblich lenkte Helmuth das Fuhrwerk mit den acht Pferden. Es war so groß wie ein kleines Haus und mit seinen zinnengekrönten Seitenwänden gut geschützt, ähnlich wie ein Kampfwagen. Man fuhr in gemächlichem Tempo, und die Stimmung der Gruppe war gut, fast wie auf einer Erholungsreise. Sie hatten reichlich Vorräte geladen, darunter ein ganzes Fass von dem guten Wurtbader Bier. Die meisten der Männer plauderten, dösten oder blickten in die Landschaft hinaus. Allein Schwester Ivana behielt stets ihren finsteren Gesichtsausdruck, spähte wachsam umher und ließ sich von keiner Naturschönheit rühren.

Dariya saß an einer der Seitenwände und hatte sich an Martin gekuschelt, der sie im Arm hielt. Die beiden hatten es längst aufgegeben, ihre Zuneigung vor den anderen schamhaft zu verbergen. Die Hexenjäger waren kein zölibatärer Orden – anders als die Schwestern des Sigmar – und so bestand kein Anlass für Heimlichkeiten.

„Ich habe nie geahnt, wie schön die Welt sein kann“, sagte Martin, als sie eine weite Ebene mit hohem Gras überquerten. „Ich kannte immer nur den bedeckten Himmel und die finsteren Wälder von Sylvania. Hier ist alles so hell und friedlich. Wenn mir früher jemand diesen Teil der Welt beschrieben hätte, würde ich nie geglaubt haben, dass die Wiesen hier so grün sein können… die Wälder so licht…“ Er lächelte sie an. „…und die Frauen so schön.“

„Schmeichler!“, lachte Dariya verlegen. „Vergiss nicht, dass wir auf einer Mission sind. Auch in Stirland gibt es manche Gefahren. Das Böse lauert überall, und hin und wieder trägt es ein täuschend harmloses Antlitz. Mein Vater und ich haben selbst in den verschlafensten Dörfern schon Hexenkulte und ähnliche Bedrohungen aufgespürt.“

„Das glaube ich gerne“, sagte Martin. „Du bist wohl wirklich zur Inquisitorin berufen.“

Dariya seufzte. „Ach, ich weiß es nicht… ich zweifle. Ich kann kämpfen, ja – wenn ich muss, weil ich bedroht werde oder das Leben anderer in Gefahr ist. Aber mir graut davor, Prozesse führen und Urteile vollstrecken zu müssen. Es ist eine Sache, sich gegen einen Angreifer zu verteidigen – aber eine ganz andere, einen wehrlosen Gefangenen an einen Pfahl binden und verbrennen zu lassen. Mein Vater musste solche Dinge tun.“

„Aber es waren doch sicher Übeltäter, deren Schuld bewiesen war.“

„Meistens schon. Aber das Schlimme ist, dass ein Inquisitor manchmal auch Menschen töten muss, die ohne Schuld mit dem Bösen in Kontakt gekommen sind. Wenn zum Beispiel ein Mensch vom Chaos berührt wird, hat er vielleicht nichts weiter getan, als sich ahnungslos mit zweifelhaften Leuten einzulassen, ein gefährliches Buch in die Hände zu bekommen oder über einen verfluchten Gegenstand zu stolpern. Ein solcher Mensch hat gar nichts Böses getan; er war einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort – oder in der falschen Gesellschaft. Trotzdem kann es nötig sein, ihn auszuschalten, wenn Dämonen von ihm Besitz ergreifen oder er zu einer tobenden Bestie mutiert. Das ist es, wovor ich mich fürchte: Unschuldige töten zu müssen, einfach weil sie zu gefährlich sind, um am Leben zu bleiben. Ich weiß nicht, ob ich das könnte.“

„Wenn es wirklich unvermeidlich wäre, könntest du es bestimmt“, meinte Martin.

„Ich bin nicht sicher. Wirklich nicht. Vielleicht müsste so etwas einmal geschehen, damit ich es herausfinde." Dariya seufzte abermals. "Aber wenn ich ehrlich bin, wünsche ich mir eher, dass das nie passiert.“

Sie schwiegen lange und blickten in die Landschaft hinaus, über der allmählich die Sonne sank.
 
Am Abend des sechsten Tags erreichte die Gruppe Hardenburg, eine Kleinstadt mit knapp tausend Einwohnern. Hier wies man ihnen den Weg zum Dorf Hunewald, das noch ein gutes Stück weiter südlich lag. Der Wald wurde dichter und schloss die selten benutzte Straße nun dauerhaft ein. Die Hexenjäger übernachteten notgedrungen mitten in der Wildnis, konnten wegen der Dichte der Bäume nur mit Mühe ein Lagerfeuer unterhalten und stellten Wachen auf.

Am folgenden Morgen kamen sie im Dorf an, das auf einer weitläufigen Lichtung lag und aus einem Dutzend Höfen mit Feldern und Weiden bestand. Ihre Ankunft erregte einiges Aufsehen, aber auch Beklemmung und sogar Misstrauen. Wie es schien, hatten die Einwohner zwar auf Hilfe gehofft, aber mit Staatstruppen und nicht mit der Inquisition gerechnet. So standen die Menschen stumm in ihren Gärten, hinter Fenstern oder am Rand der Felder und beobachteten angespannt, wie das Fuhrwerk zum Dorfplatz rumpelte und anhielt. Es dauerte eine Weile, bis ein älterer Mann erschien und den Besuchern entgegentrat, wobei er sich ehrerbietig verbeugte. Er hatte einen weißen Bart und lahmte auf einem Bein.

„Ich grüße Euch, hohe Herren – und edle Dame“, fügte er hinzu, als er mit sichtlichem Erstaunen bemerkte, dass der auffällige Inquisitorenhut von einer Frau getragen wurde. „Ich bin Karl Katner, der Dorfälteste.“

Dariya stellte sich gleichfalls vor und verzichtete darauf, das Edikt vorzuzeigen, das sie als Beauftragte der Inquisition auswies. Offenbar war es nicht nötig. Kleidung und Schildzeichen ihrer Truppe genügten den Dörflern vollauf, um die Profession der Besucher zu erkennen.

„Was ist hier vorgefallen?“, fragte sie. „Wie hörten von einem Angriff durch Tiermenschen.“

„In der Tat, ehrwürdige Herrin“, bestätigte der Dorfälteste. „Zwei Männer wurden getötet und mehrere Stück Vieh geraubt. Das Schlimmste aber war, dass niemand uns zur Hilfe kommen konnte. Es stellte sich heraus, dass die Besatzung des Wachturms verschwunden war.“ Er wies nach Süden, wo sich in einiger Entfernung über den Baumwipfeln die schlanke Spitze eines Turms ausmachen ließ.

„Wir werden die Angelegenheit untersuchen und Euer Dorf gegen weitere Attacken schützen“, versprach Dariya. „Kanntet Ihr die Wachturmbesatzung? Ich meine: Waren die Männer jemals bei Euch im Dorf?“

„Nur selten, Herrin. Es bestand kaum Anlass dazu. Der Hauptmann der Soldaten kam einmal zu uns, um Korn und einige Hühner für die Versorgung seiner Männer zu kaufen. Ansonsten haben wir sie nur gesehen, wenn sie auf Patrouille ausgingen. Es war sehr ruhig in den vergangenen Monaten… bis zu dem Angriff vor zwei Wochen.“

„Und Ihr habt nichts gesehen, was das Verschwinden der Männer erklären könnte?“

„Nein, Herrin. Offenbar war kein Kampf der Grund. Ich selbst ging mit mehreren Begleitern zum Turm, und wir fanden ihn völlig unversehrt. Wir riefen und klopften an die Tür – bis wir bemerkten, dass sie unverschlossen war und man sie einfach aufstoßen konnte. Der Schlüssel steckte von innen und war nicht umgedreht. Kein Mensch war dort; nur die Uniformen der Soldaten lagen sauber gefaltet neben ihren Betten.“

Dariya nickte. Das hatte sie bereits aus dem Mund des Kurfürsten gehört. „Wir werden uns selbst überzeugen. Zeigt uns dem Weg zu diesem Turm!“

„Dort entlang, Herrin“, sagte der Dorfälteste und wies auf einen Kiesweg, der vom Dorfplatz abzweigte.

Die Hexenjäger wollten eben wieder ihr Fuhrwerk besteigen, als ein Mann an der Gruppe vorbeiging. Er sah nicht aus wie ein Bauer, auch wenn er zweifellos zu den Dorfbewohnern gehörte. Er war vielleicht fünfzig Jahre alt, kahlköpfig und ging mit nacktem Oberkörper, der außergewöhnlich muskulös war. Im Gegensatz zu den anderen Dörflern wirkte er nicht im geringsten eingeschüchtert von der Ankunft der Besucher. Stattdessen knurrte er hörbar in sich hinein:

„Sieh an, die Inquisition! Zehn Jahre zu spät.“

Und damit ging er weiter, ohne sie eines Blickes zu würdigen.

„Was war das denn?“, fragte Helmuth, der seine Zweihandaxt geschultert hatte und dem Mann mit gerunzelten Brauen nachblickte.

„Ich bitte Euch, edle Herren und edle Dame“, sagte der Dorfälteste, „beachtet ihn nicht! Das war Roban, unser Schmied. Er ist… ein wenig ungehobelt. Ich bitte um Entschuldigung für sein rüdes Betragen.“

„Schon gut“, sagte Dariya. „Bemüht Euch nicht weiter; wir finden den Weg.“

Der Dorfälteste machte eine Verbeugung und entfernte sich eilig.

„Was meinte der Kerl damit: zehn Jahre zu spät?“, raunte Helmuth Dariya zu.

„Das wüsste ich auch gerne“, sagte sie und blickte dem Schmied nach, der im Eingang eines Hauses am Waldrand verschwand. „Vielleicht ist es an der Zeit, das zu tun, was die hauptsächliche Aufgabe eines Inquisitors ist: Fragen zu stellen. Kommt!“
 
Dariya nahm Helmuth, Martin und Odo mit. Sie gingen zum Haus des Schmieds, das einen Anbau mit Erdofen und Kamin hatte. Schon von draußen hörten sie Hammerschläge; der Mann hatte offenbar ohne weiteres seine Arbeit aufgenommen. Dariya musste mehrfach rufen, bis die Schläge verklangen und der Hausherr in der Tür erschien.

„Kommt nur herein!“, sagte er. „Ich habe keine Angst vor Euch. Ich bin ein frommer Mann und treuer Diener unseres Herrn Sigmar.“

Er trat beiseite und ließ die Besucher ein. Sie fanden sich in einem niedrigen Langhaus, das offenbar nur von einer einzigen Person bewohnt wurde, schlicht und ohne jeden Komfort eingerichtet. An der Hinterwand öffnete sich eine Klappe zum Erdofen, aus der Feuer gleißte. Rund um einen schweren Amboss türmten sich Werkzeuge und halbfertige Schmiedestücke.

Roban, der Schmied, stellte sich nicht vor. Stattdessen ging er seelenruhig zum Amboss und nahm einen Rohling zur Hand, der offenbar ein Sensenblatt werden sollte. Erneut ergriff er den Hammer.

Die Besucher staunten. Noch nie hatten sie erlebt, dass jemand sich der Inquisition gegenüber so wenig ehrerbietig zeigte. Viele Menschen zitterten vor Angst, wenn sie das Siegel mit dem silbernen Hammer sahen, und alle erwiesen den Templern des Sigmar zumindest Respekt. Roban jedoch schien ganz allgemein ein furchtloser Mann zu sein. Das erkannte Dariya an dem Schädel eines Tiermenschen, der an einen Stützbalken des Hauses genagelt war, offenbar vom Hausherrn persönlich zur Strecke gebracht. Der Schädel mit den gewundenen Hörnern war sorgfältig von allem Fleisch befreit, und auf seine Stirn war ein Amulett in Form des zweischweifigen Kometen genagelt – wahrscheinlich, um die bösen Kräfte zu bannen, die selbst der nackten Trophäe noch innewohnen mochten.

Dariya beschloss, sich ebenso wenig mit Förmlichkeiten aufzuhalten wie ihr rüder Gastgeber.

„Was habt Ihr gemeint“, fragte sie, „als Ihr sagtet, wir kämen zehn Jahre zu spät?“

Der Schmied ließ sich Zeit mit der Antwort. Er hämmerte ein wenig an seinem Sensenblatt, betrachtete es mit kritischem Blick und legte es schließlich beiseite. Dann erst ließ er sich zu einer Erklärung herbei.

„Dieses Dorf hat schon einmal um einen Besuch der Inquisition gebeten“, sagte er. „Aber damals wurden wir ignoriert. Der Dorfälteste ging zum Bezirkskommandanten in Hardenburg und ließ ein Gesuch aufsetzen. Eine Antwort erhielten wir nie.“

„Worum ging es denn?“, fragte Dariya.

„Um ein Kind“, sagte der Schmied und griff nach einem Tuch, um sich Schweiß von seinen mächtigen Brustmuskeln zu wischen. „Ein dämonisches Kind.“

„Könntet ihr Euch etwas genauer erklären?“, verlangte Helmuth, dem die provozierende Selbstsicherheit dieses Menschen spürbar gegen den Strich ging.

„Es wurde in diesem Haus geboren“, sagte der Schmied unbeeindruckt. „Von meiner Frau. Aber es war nicht unser Kind. Es war ein Wechselbalg oder etwas Ähnliches. Irgendein übelwollender Dämon muss es meiner armen Karina in den Leib gehext haben. Sie starb bei der Geburt.“

„Ein Wechselbalg?“, fragte Dariya. „Woher wisst Ihr das?“

„Es war offensichtlich. Das Kind war schwächlich und viel zu klein. Es hatte weder meine robuste Statur noch die Schönheit seiner Mutter. Seine Augen waren von unterschiedlicher Farbe: das eine war blau und das andere grün. Jeder weiß, dass das ein böses Omen ist.“

Die Hexenjäger tauschten Blicke. In der Tat galten solche Äußerlichkeiten als verdächtig, allerdings nur im bäuerlichen Aberglauben. Dariya hatte ihren Vater oft sagen hören, dass die Landbevölkerung allzu leicht geneigt war, sich auf solche Bauernweisheiten zu verlassen.

„Doch das Kind wurde in meinem Haus geboren“, fuhr der Schmied fort, während er seelenruhig mit verschiedenen Werkzeugen hantierte. „Also musste ich mich darum kümmern. Der Dorfälteste hatte Bedenken, es einfach auszusetzen, was mir das Liebste gewesen wäre. Stattdessen schickte er eine Amme, um es mit Ziegenmilch zu füttern. Der kleine Mickerling überlebte… zu meinem Verdruss. Als er heranwuchs, hielt ich ihn in einem Verschlag hinter dem Haus, denn ich wollte ihn nicht hier drinnen haben. Ich versuchte sogar, einen anständigen Menschen aus ihm zu machen. Ich prügelte ihn ordentlich, um ihn Benehmen zu lehren. Doch es war alles sinnlos. Er blieb ein schmächtiges, stummes, vernunftloses Balg und konnte nie irgendeine nützliche Arbeit tun. Die ganze Dorfgemeinschaft zeigte mit Fingern auf ihn… und auf mich“, fügte der Schmied erbittert hinzu. „Manchmal kamen die Kinder aus der Nachbarschaft, sammelten sich vor seinem Verschlag und spotteten über ihn. Sie bewarfen ihn mit faulem Gemüse, knufften und hänselten ihn, und der kleine Gnom hatte nicht einmal den Mut, sich zu wehren. Als er zwölf Jahre alt war, ging ich zum Dorfältesten und überzeugte ihn, dass wir irgendetwas unternehmen mussten. Er wanderte nach Hardenburg und bat um einen Besuch der Inquisition…“

Er nahm das Sensenblatt wieder auf und begann die Schneide zu schleifen.

„Aber unser kleines Dorf war wohl zu unwichtig für die hohen Herren. Es kam nie eine Antwort. Also beschlossen wir, die Sache selbst in die Hand zu nehmen.“

„Was meint Ihr damit?“, fragte Dariya. „Was habt Ihr getan?“

„Wir banden den Jungen an Händen und Füßen“, erklärte der Schmied, „brachten ihn zu einer tiefen Schlucht im Wald und stießen ihn hinab.“

„Ihr habt Euer eigenes Kind getötet?“, fragte Martin fassungslos.

„Er war nicht mein Kind, das sagte ich doch schon!“, rechtfertigte sich der Schmied. „Er war ein Wechselbalg. Erzählt mir nicht, dass ich mich gegen den Willen unseres Herrn Sigmar versündigt hätte! Es wäre eine Sünde gewesen, diesen Unhold am Leben zu lassen. Wenn die Inquisition das anders sieht, hätte sie sich der Sache vor zehn Jahren selbst annehmen können. Nun ist es zu spät. Urteilt, wie Ihr wollt; mir soll es gleich sein. Aber bedenkt gut, ob Ihr einen rechtschaffenen Mann bestrafen wollt, der dieses Dorf stets nach Kräften beschützt hat! Wenn ich nicht gewesen wäre, dann hätte es bei dem Überfall vor zwei Wochen viel mehr Tote gegeben. Seht dort, diese Lästerung unseres Herrn…“ Er wies auf den Schädel des Tiermenschen. „Mit bloßen Händen habe ich dieses Biest erwürgt – und ich bin dreiundfünfzig Jahre alt! Zeigt mir einen Mann, der treuer zu unserem Herrn Sigmar steht.“

„Ich zweifle nicht an Eurer Frömmigkeit“, sagte Dariya. „Und was das Schicksal jenes Kindes betrifft, werde ich mich eines Urteils enthalten, da ich die Sache nicht mehr aus erster Hand untersuchen kann. Jedenfalls kann ich Euch versichern, dass Ihr bei der Verteidigung dieses Dorfes nicht mehr allein steht. Ich werde mit meinen Leuten im Turm Quartier nehmen, und wenn es zu einem erneuten Angriff kommt, könnt Ihr unserer Unterstützung sicher sein.“

Der Schmied warf ihr einen Blick zu, der deutlich seine Gedanken verriet: Eine Frau und eine Handvoll Grünschnäbel? Es war leicht zu erraten, was er von der Schlagkraft dieser Schutztruppe hielt.

„Gebt nur Acht!“, warnte er. „Die letzten zwölf Mann, die auf diese Aufgabe eingeschworen waren, sind spurlos verschwunden.“

„Ich weiß“, sagte Dariya. „Eben deshalb sind wir hier. Wir sind vielleicht keine Soldaten, aber der Schutz unseres Herrn Sigmar ist mit uns.“

„Hoffen wir’s“, knurrte der Schmied und wandte sich wieder seinem Werkstück zu.
 
Die Gruppe verließ das Haus schweigend und ohne Abschiedsgruß. Erst draußen wagten sie ihren Gefühlen Luft zu machen.

„Ein unangenehmer Mensch“, meinte Martin. „Sein Glaubenseifer in allen Ehren – aber wer bereit ist, ein Kind zu töten, muss schon ziemlich skrupellos sein.“

„Das kommt gar nicht selten vor“, warf Helmuth ein. „In ländlichen Gegenden werden Kinder, die Missbildungen aufweisen, oft einfach im Wald ausgesetzt. Kein Wunder, dass die Inquisition damals nicht reagiert hat. Vermutlich hielt man die Sache für allzu alltäglich und hat sich darauf verlassen, dass die Dorfbewohner das Problem selbst lösen – was sie ja auch getan haben.“

„Aber dieser Junge hat doch offenbar niemandem Schaden zugefügt“, sagte Odo. „Wie kam der Schmied darauf, dass es ein Hexenkind sei? Nur wegen der verschiedenfarbigen Augen?“

„Das ist ein verbreiteter Glaube“, sagte Dariya nachdenklich. „Allerdings hat mein Vater an solchen Zeichen stets gezweifelt. Er pflegte zu sagen, die wahrhaft gefährlichen Mutationen beträfen den Geist und seien nicht äußerlich sichtbar.“

„Wie auch immer“, sagte Helmuth, „diese Geschichte ist lange her und hat vermutlich nichts mit unserem Auftrag zu tun. Wir sollten uns den Turm ansehen, meinst du nicht?“

Dariya nickte.
 
[Outtime.] Ich hab erst mal neue Modelle gebastelt, alles aus Resten und Bits. Die alten Modelle waren der Entwicklung der Charaktere nicht mehr angemessen.

Dariya, neu mit Hut, Schwert, Pistole, Armbrust

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Hier ist der Plan für das Spielfeld mit dem Turm in der Mitte und dem Dorf rechts

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Es war eine Wegstrecke von etwa einer halben Stunde bis zu dem Turm, der mitten im Wald auf einer Anhöhe stand. Er war solide gemauert, hatte fünf Stockwerke und eine umlaufende Brüstung, von der man weit ins Land hinausblicken konnte. Wie der Dorfälteste angekündigt hatte, fanden die Hexenjäger die Tür unverschlossen vor. So stellten sie das Fuhrwerk ab und bezogen den Stützpunkt, der für die nächste Zeit ihr Quartier sein sollte.

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Auch im Innern zeigte sich alles so, wie es ihnen beschrieben worden war: Die Etagenbetten der Mannschaft waren unversehrt; Waffen und Uniformen lagen an ihrem Platz, und nichts deutete auf einen Kampf oder auch nur auf eine Meuterei hin. Im obersten Turmzimmer, wo sich die Stube des Kommandanten befand, lagen sogar noch Landkarten, ein Fernrohr und eine gestopfte Pfeife auf dem Tisch.

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Schwester Ivana bestand darauf, das Gebäude vorsichtshalber gegen dunkle Magie zu schützen. Sie ging von Raum zu Raum und murmelte Gebete an Sigmar, während sie jedes Fenster und jede Tür mit ihrer heiligen Reliquie berührte. Dabei handelte es sich um eine Schatulle von der Größe eines Pistolengriffs, die sie stets am Gürtel trug. Darin befand sich, wie sie den anderen erklärt hatte, ein Fingerknochen der heiligen Bertha, der letzten offiziellen Matriarchin der Schwesternschaft des Sigmar.

Die Nacht brach herein, und Dariya schickte den größten Teil der Mannschaft in die Betten, während Helmuth, Odo und einer der Flagellanten Wache hielten. Sie selbst ging zu ihnen auf die Brüstung hinaus, wo sich die vier verteilten und in alle Himmelsrichtungen in den nächtlichen Wald hinausspähten.

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Helmuth schien es nicht gut zu gehen. Er presste eine Faust gegen die Stirn und atmete schwer.

„Was ist los?“, fragte ihn Dariya.

„Ich weiß nicht“, sagte er gepresst. „Ich habe Kopfschmerzen. Irgendetwas rumort in meinem Schädel wie ein Mühlrad.“

Wie sich rasch herausstellte, hatten auch die anderen Beschwerden. Odo war übel, und der Flagellant klagte über Schwindel. Dariya selbst begann, eine gewisse Unruhe zu spüren, als zerrte irgendetwas Unsichtbares an ihren Nerven. Gegen Mitternacht kam Ivana zu ihnen ins Freie.

„Ich kann nicht schlafen“, sagte sie grimmig. „Irgendetwas geschieht hier. Ein fremder Wille versucht auf diesen Turm zu wirken; ich kann es spüren. Hoffentlich halten meine Gebete ihn in Schach.“

„Da unten bewegt sich etwas!“, rief Odo im selben Moment und winkte Dariya zu sich. „Dort zwischen den Bäumen!“
 
Spiel 1: Angriff der Gehörnten


Da unten bewegt sich etwas!“, rief Odo. „Dort zwischen den Bäumen!“

Sie standen zu fünft auf der umlaufenden Balustrade des Turms und blickten auf den nächtlichen Wald hinab: Odo, Dariya, Helmuth, Ivana und einer der Flagellanten. Dariya griff nach ihrer Armbrust. Auch sie hatte die Schatten zwischen den Bäumen bemerkt: Irgendetwas pirschte dort heran, aus mehreren Richtungen zugleich. Laubwerk raschelte, und an einer Stelle blinkte eine Speerspitze im Mondlicht.

„Weckt alle auf, schnell!“, sagte Dariya und legte einen Bolzen auf.

„Was sollen wir tun?“, fragte Odo. „Sollen wir ausschwärmen?“

Dariya wurde bewusst, dass man Befehle von ihr erwartete. Die Entscheidungen, die einst ihr Vater getroffen hatte, oblagen nun ihr.

„Lieber nicht“, sagte sie. „Ich will keine Leben riskieren. Hier im Turm sind wir sicher… hoffe ich zumindest.“

„Sind wir nicht!“, sagte Ivana grimmig und zog ihre Kampfhämmer. „Wer immer die Angreifer sind; sie haben zuerst versucht, uns mit Magie zu attackieren. Wir haben es alle gespürt. Und nachdem das nicht geklappt hat, versuchen sie es nun mit roher Gewalt. Ich jedenfalls werde hinausgehen und mich ihnen stellen.“

„Gelobt sei Sigmar!“, rief der Flagellant begeistert. „Ich bin dabei! Wenn ich darf…“ Er warf Dariya einen fragenden Blick zu.

„Na gut“, sagte Dariya. „Geht hinaus, wenn ihr wollt. Ich komme gleich nach.“

„Nein!“, sagte Helmuth. „Bleib du hier und gib uns Deckung. Von hier oben kannst du alles überblicken und in Ruhe zielen. Überlass uns den Nahkampf.“

Dariya fühlte sich nicht recht wohl dabei, entschied aber, Helmuths Rat zu folgen. So blieb sie auf der Brüstung, fünf Mannslängen über dem Erdboden, und zielte mit ihrer Armbrust. Hinter sich hörte sie, wie die anderen die Treppe hinabpolterten und ihre Gefährten aus dem Schlaf rissen. Es dauerte nicht lange, bis die Tür des Turms aufgestoßen wurde und ihre Mitstreiter ins Freie strömten. Ivana und der Flagellant waren die vordersten; ihnen folgten Helmuth, Odo und der Rest der Truppe.

Die Schatten zwischen den Bäumen waren nähergekommen. Hier und dort huschten Gestalten durch das Mondlicht, und Dariya erkannte entfernt menschenähnliche Umrisse. Die Körper waren von dunkler Hautfarbe und erschienen im Dunkeln nahezu schwarz – mit Ausnahme paariger Gebilde auf ihren Köpfen, die schwach im Mondlicht schimmerten. Hörner.

„Tiermenschen!“, rief Helmuth.

Dariya zog den Abzug durch und schoss. Doch es war dunkel und die Entfernung groß. Der Bolzen zischte schräg durch einen Baumwipfel und schlug, dem Geräusch nach zu urteilen, in den Stamm.

Dann brachen die ersten Angreifer aus dem Wald und stürmten den Hexenjägern entgegen: Hässliche, gebückt laufende Ungors mit Ziegenköpfen und primitiven Speeren. Hinter ihnen erschien ein mächtiger Gor, der sie um zwei Kopflängen überragte und einen Angriffsschrei blökte.

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Dariya legte eben einen neuen Bolzen auf, als etwas noch Größeres an einer anderen Stelle auftauchte. Auch diese Kreatur hatte Hörner, war jedoch viel massiger und mit dem Schädel eines Stiers gekrönt – ein Minotaurus. Er fuchtelte mit zwei riesigen Äxten und walzte auf die Verteidiger zu, die sich hinter Ivana zu einer Linie gesammelt hatten. Schreie gellten, als einige der Zeloten vor Schrecken zurückwichen.

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Dariya schoss. Der Bolzen blieb in der Schulter des Minotauren stecken, doch er schien es nicht einmal zu bemerken.

Ein weiteres Geschöpf von ähnlicher Größe erschien fast gleichzeitig auf der anderen Seite des Turms. Es war menschenähnlicher, doch zugleich plumper und langsamer; wahrscheinlich ein Oger. Mit schweren Schritten stapfte er auf den Kampfplatz zu und schwang eine hölzerne Keule.

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Die Kampflinie der Hexenjäger zerfiel in zwei Teile: Ivana, ein Flagellant und mehrere Zeloten wandten sich dem Minotaurus zu, die übrigen dem Oger.

Als das Handgemenge ausbrach, konnte Dariya wenig mehr tun, als mit klopfendem Herzen zuzusehen und auf die Gelegenheit für einen halbwegs sicheren Schuss zu hoffen. Sie sah, wie der Minotaurus einen Zeloten glatt über den Haufen rannte, der mit verdrehten Gliedmaßen im Gras liegenblieb. Schon fürchtete sie, dass Ivana das gleiche Schicksal ereilen würde – doch die Kriegernonne war weit geschickter. Im letzten Moment wich sie dem tobenden Stierwesen aus, warf sich zur Seite und attackierte ihn in der Flanke. Brüllend warf der Koloss sich herum und ging mit beiden Äxten auf sie los.

Währenddessen war der Oger mit mehreren Ungors im Gefolge auf Martin und Helmuth getroffen. Auch ihnen standen ein Flagellant und mehrere Zeloten zur Seite. Der plumpe Menschenfresser hieb mit seiner Keule drauflos, doch den beiden gut gerüsteten Helden konnte er kaum etwas anhaben. Schon nach wenigen Schlägen verwundete Martin ihn am Schenkel, und Helmuth schlug ihm die Keule entzwei.

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Dariya wandte sich den übrigen Tiermenschen zu, die nach und nach aus dem Wald strömten. Bolzen um Bolzen verschoss sie, traf aber nur einen von ihnen tödlich. Einen weiteren brachte Frado, der Kampfhund, zu Fall.

Wenn sich jemand in diesem Gefecht auszeichnete, dann war es Ivana. Sie drosch furchtlos auf den Minotaurus ein, der doppelt so groß war wie sie, und schaffte es dank ihrer überlegenen Beweglichkeit, ihm mehrere Wunden zu schlagen. Das Monster war mittlerweile derart auf sie fixiert, dass der Flagellant die Gelegenheit nutzen konnte, um ihm seinen Flegel wie eine Peitsche über den Rücken zu ziehen. Das Monster fuhr wütend herum – und dies wiederum nutzte Ivana, um ihm mit einem mächtigen Schlag die linke Schulter zu brechen. Der Minotaurus brüllte vor Schmerz, und eine seiner Äxte landete im Gras. Unversehens ergriff er die Flucht und galoppierte davon.

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Auf der anderen Seite des Schlachtfeldes war soeben der Oger zu Boden gegangen. Helmuth hob seine Zweihandaxt, um ihm den Rest zu geben – als er plötzlich taumelte und wie von einem unsichtbaren Schlag getroffen hinfiel. Offenbar war er bewusstlos. Der Oger kam wieder auf die Beine und hätte ihn ohne weiteres zermalmen können, wäre nicht Martin zur Stelle gewesen, um ihn mit einem Hagel schneller Schwertschläge abzulenken.

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Dariya glaubte, ein Gebüsch in der Nähe schwanken zu sehen. Rasch zielte sie mit der Armbrust. Irgendetwas verbarg sich dort, und ein sicheres Gefühl sagte ihr, dass es mit Helmuths plötzlicher Ohnmacht zu tun hatte. Sie schoss – und sah, wie etwas hinter dem Gebüsch hervorhuschte und sich hinter dem nächsten Baum verbarg.

Martin hatte es auch bemerkt. Er stürmte drauflos, um den Unbekannten zu stellen. Dieser jedoch ergriff ein weiteres Mal die Flucht, ohne den geringsten Versuch zur Gegenwehr zu machen. Martin jagte ihm nach und hieb mit dem Schwert aus, doch der Flüchtling entkam und verschwand im Unterholz.

Dies war der Moment, als die verbliebenen Tiermenschen sich plötzlich zurückzogen. Sie tauchten wieder im Wald unter, und wenige Momente später senkte sich Stille über den Kampfplatz.
 
Ergebnis: Klarer Sieg der Hexenjäger. Ihre Gegner griffen den Turm von zwei Seiten an, unterlagen aber im Nahkampf, obwohl beide Abteilungen von Monstern angeführt wurden (eine vom Minotaurus und eine vom Oger). Ivana schaltete den Minotaurus und dazu noch mehrere Ungors aus. Sie erhält 4 Erfahrungspunkte und steigert – ausgerechnet – ihre Lebenspunkte von 2 auf 3. Damit ist sie nun ein regelrechter „Tank“ und mit ihrem 4+ Rettungswurf (dank Heiliger Reliquie) die zäheste Kämpferin der Gruppe.

Martin besiegte den Oger und verfolgte zum Schluss eine dunkle Gestalt, die vor ihm floh. Der Unbekannte machte nicht den geringsten Versuch, sich zu verteidigen… seltsam.

Helmuth verlor mitten im Kampf aus heiterem Himmel das Bewusstsein und wurde nur durch Martins beherztes Eingreifen vor dem Tod bewahrt. Ebenfalls… sehr seltsam.

Dariya blieb – als beste Schützin – während des gesamten Kampfes auf der Balustrade und verlangsamte die Angreifer durch gezielte Schüsse. Allerdings war nur einer ihrer Treffer tödlich. Die Gegner waren zäh und standen immer wieder auf, um trotz schwerer Verletzungen weiterzukämpfen.

Die Hexenjäger verlieren einen Zeloten – denjenigen, der vom Minotaurus totgetrampelt wurde. Ansonsten haben sie keine Verluste.
 
Nach dem Kampf

H
elmuth blinzelte, als Dariya ihm die Wange klopfte, um ihn wieder zu Bewusstsein zu bringen. Sobald die Angreifer verschwunden waren, war sie die Treppe des Turms hinabgestürmt, um nach ihm zu sehen. Von oben hatte es so gewirkt, als wäre er schwer verwundet. Nun jedoch stellte sich heraus, dass er lediglich bewusstlos gewesen war.

„Was… was ist?“, lallte er und setzte sich auf. „Wo sind die Tiermenschen?“

„Fort“, sagte Dariya. „Was war mit dir los? Du bist plötzlich einfach umgefallen.“

„Ich weiß nicht.“ Helmuth erhob sich mühsam. „Da war plötzlich… irgendetwas in meinem Kopf. Eine Vision oder so etwas. Es war schrecklich. Ich sah euch alle tot am Boden liegen. Dich… Odo… Ivana…“

„Chaosmagie“, sagte Ivana, die ihn besorgt musterte. „Unter den Feinden muss ein mächtiger Zauberer sein. Allerdings habe ich ihn nirgends gesehen.“

„Vielleicht war es derjenige, der sich im Gebüsch versteckte“, sagte Martin. „Er ergriff die Flucht, als ich näherkam.“

„War es ein Tiermensch?“, fragte Dariya.

„Ich glaube nicht“, sagte Martin. „Genaues konnte ich nicht erkennen, aber er war klein von Gestalt – viel kleiner als die Gors. Außerdem war er von Kopf bis Fuß verhüllt. Es sah aus, als hätte er sich einen Sack über den Kopf gestülpt.“

„Das muss er sein“, sagte Ivana. „Der Zauberer. Er scheint einem offenen Kampf aus dem Weg zu gehen. Den Angriff hat er wahrscheinlich nur befohlen, weil seine magischen Kräfte nicht ausreichten, um den Schutzbann des Turms zu durchbrechen.“

„Den Schutzbann? Was meinst du?“

„Als wir hier ankamen, habe ich jeden Raum, jedes Fenster und jede Tür des Turms mit einem Schutzgebet belegt“, erklärte Ivana. „Erinnert ihr euch? Das war vermutlich der Grund, warum der Zauberer uns im Innern des Turms nichts anhaben konnte. Aber er hat es versucht: Wir spürten es, als wir draußen auf der Balustrade standen.“

„Die Kopfschmerzen“, erinnerte sich Helmuth. „Natürlich! Allen war übel oder schwindlig.“

Ivana nickte grimmig. „Er versuchte in unseren Geist einzudringen. Der Schutzbann aber schwächte seinen Einfluss, und so kam nur ein leichtes Unwohlsein dabei heraus. Als er merkte, dass sein Zauber abgeblockt wurde, schickte er die Tiermenschen, um uns aus dem Turm herauszulocken – und bei der ersten günstigen Gelegenheit im Kampf…“

„…belegte er mich mit diesem Zauber“, begriff Helmuth. „So also war das.“

„Heißt das, dieser Zauberer kann einem Menschen einfach das Bewusstsein rauben?“, fragte Martin beklommen. „Von einem Moment zum anderen?“

„So scheint es“, sagte Ivana. „Und das bedeutet, dass wir extrem vorsichtig sein müssen – vor allem, wenn wir den Turm verlassen. Im Innern dürften wir einigermaßen sicher sein.“

„Haben denn die Tiermenschen Zauberer?“, staunte Odo.

Dariya nickte. „Sie haben Schamanen. Und einige von ihnen schließen Pakte mit den dunklen Göttern, um mächtige Magie zu wirken. Allerdings sagte Martin, dass der Flüchtende sehr klein war…“

„Selbst für einen Menschen wäre er nicht groß gewesen“, bestätigte Martin.

„Vielleicht ist er ein Mensch“, überlegte Dariya. „Aber wie könnte ein Mensch eine Tiermenschenhorde befehligen – und sogar Kreaturen wie diesen Minotaurus?“

Darauf wusste niemand eine Antwort.

* * *


[Zur Erklärung: Der Zauber, der auf Helmuth ausgeübt wurde, heißt „Vision der Schrecken“ und gehört zu den Ritualen des Chaos im Mordheim-Regelbuch. Der Zauber gelingt auf 10+ und kann auf ein gegnerisches Modell in 6 Zoll Entfernung ausgesprochen werden, das dadurch automatisch betäubt wird.]
 
Wow, es geht weiter und direkt gut zur Sache. Die lange Einleitung hat mir sehr gut gefallen und reißt einen direkt wieder mit und erzeugt die nötige Spannung. Dass es diesmal gegen Tiermenschen geht finde ich auch sehr erfrischend. Auch wenn das bei solchen Gegnern wahrscheinlich das falsche Wort ist. Aber eine schöne Abwechslung zum untoten Abschaum. 😁
 
Spiel 2
Sturmglocken


Dieses zweite Spiel werde ich nicht erzählerisch dramatisieren; das würde zu lang werden.

Die Situation: Es ist der zweite Tag nach der Ankunft der Hexenjäger, als im nahen Dorf plötzlich die Sturmglocken geläutet werden. Überfall! Dariya lässt ihre Truppe ausschwärmen, um den Dörflern beizustehen.

Wir platzieren 10 Modelle als Dorfbewohner, davon 6 in den Häusern und 4 auf dem Dorfplatz. Sobald Tiermenschen in Sicht kommen, werden die Dorfbewohner im Freien versuchen, ihre Häuser zu erreichen, um sich in Sicherheit zu bringen. Eine Ausnahme ist Roban, der Schmied, den wir bereits kennengelernt haben: Er ist der Einzige, der sein Haus verlässt, um gegen die Tiermenschen zu kämpfen. Zu diesem Zweck besitzt er ein Profil mit KG 4, Stärke/Widerstand 4 und 2 Lebenspunkten.

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Ziel des Spiels für die Tiermenschen ist, möglichst viele Dorfbewohner zu überwältigen und zu verschleppen. Ziel der Hexenjäger ist, möglichst viele vor diesem Schicksal zu bewahren.

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Der Angriff auf das Dorf erfolgte von mehreren Seiten. Offenbar hatten die Tiermenschen den Wachturm bewusst umgangen, da sie inzwischen gelernt hatten, dass sie mit den Hexenjägern nicht so leicht fertig wurden. Stattdessen hatten sie es nun auf die weitgehend wehrlose Dorfbevölkerung abgesehen.

Zu den Angreifern gehörten diesmal nicht nur Tiermenschen. Vielmehr bestand die erste Welle – zum Entsetzen der Dorfleute – aus halbnackten Menschen, die Kapuzen und primitive Waffen trugen. Viele hatten deutlich sichtbare Mutationen. Offenbar handelte es sich um Chaos-Kultisten, die mit den Tiermenschen gemeinsame Sache machten. Hinter ihnen tauchten mehrere Gors und Ungors, schließlich auch der Minotaurus und der Oger auf.

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Die Truppe mit dem Oger erreichte als erste den Rand des Dorfs. Ein verzweifelter Dorfbewohner versuchte zu fliehen, wurde aber vom Oger mit der Keule niedergeschlagen. Ein Gor drang in das nächste Haus ein und stellte auch dort einen Bewohner. Dann erreichte die zweite Truppe das Dorf von der anderen Seite und fing eine Bäuerin direkt vor ihrer Haustür ab, kurz bevor sie sich in Sicherheit bringen konnte.

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Als die Hexenjäger das Dorf erreichten, waren bereits drei Bewohner in der Gewalt der Angreifer. Angesichts dieser bedrohlichen Lage hielt sich Dariya nicht mit taktischen Erwägungen auf, sondern schickte ihre Leute direkt in den Kampf. Es galt, die Angreifer in Gefechte zu verwickeln, bevor sie weitere Häuser stürmen konnten.

Das gelang auch, und zwar in erster Linie dank der Unerschrockenheit der Flagellanten und Zeloten. Sie stürmten voraus und fingen die Gegner ab, um sie solange festzuhalten, bis die schwer gerüsteten Helden hinzukamen. Den größten Eifer bewies erneut Ivana: Sie stellte sich gegen den Oger und nahm dabei in Kauf, dass sie gleichzeitig von mehreren Kultisten umzingelt wurde. Die furchtlose Kriegernonne schaffte es, sämtliche Angreifer abzuwehren und zwei von ihnen zu töten. Der Oger ging lediglich zu Boden, doch die Zeloten gaben ihm den Rest.

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Mitten im Kampf allerdings geschah etwas Schockierendes: Helmuth erstarrte plötzlich mit leerem Blick – und begann, auf die Zeloten an seiner Seite einzuschlagen. Dabei hätte er die leicht gerüsteten Kämpfer mit seiner Zweihandaxt womöglich getötet, hätte er nicht (zum Glück) seine Trefferwürfe verpatzt. Zwei Spielzüge lang attackierte Helmuth die eigenen Leute – bis ihm endlich ein Moralwerttest gelang und er wieder zur Vernunft kam.

Die Quelle des Bösen war diesmal klar: Der verhüllte Anführer der Feinde hatte sich in 10 Zoll Abstand hinter einer Hausecke verborgen und wirkte von dort seinen Zauber. Dabei handelte es sich um die „Verlockung des Chaos“: Der Zauberer und das Zielmodell addieren jeweils W6 auf ihren Moralwert, und wenn der Zauberer das höhere Ergebnis hat, übernimmt er die Kontrolle über den gegnerischen Kämpfer, bis diesem ein Moralwerttest gelingt. Besonders prekär war das, weil Helmuth direkt neben Ivana stand. Der Zauberer entschied aber, Helmuths Attacken nicht auf sie, sondern auf die Zeloten zu lenken, weil diese den schwächeren Rüstungswurf hatten.

Während des Kampfes war Schmied Roban aus seinem Haus gekommen, bewaffnet mit seinem Schmiedehammer. Drei Ungors stürzten sich auf ihn, doch der bärenstarke Mann schaffte es, zwei von ihnen zu Boden zu schicken, ohne mehr als ein paar oberflächliche Kratzer einzustecken.

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Auch Dariya ging diesmal mit voller Energie in den Nahkampf und schaltete zwei Ungors und schließlich sogar einen Helden-Gor aus.

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Nachdem die Tiermenschen 6 Modelle verloren hatten, entschied sich ihr Anführer für den Rückzug. Allerdings waren sie keineswegs erfolglos gewesen, denn sie hatten insgesamt 4 von 10 Dorfbewohnern in ihre Gewalt gebracht.


Ergebnis: Knapper Sieg der Hexenjäger. Sie retteten 6 Dorfbewohner – eigentlich sogar nur 5, denn Schmied Roban rettete sich selbst. Eine böse Überraschung war allerdings die plötzliche Verwandlung Helmuths. Das hätte leicht einige Leben kosten können.