Nicht, das mir das Forum einschläft.^^
Kapitel XXXI: Die Furcht vor dem Menschen
Etwas klapperte, Stimmen ertönten und dann... Flügelschlagen... Langsam öffnete er Augen und Ohren, doch es dauerte noch eine Weile bis er wieder vollkommen bei Sinnen war. Albrecht fasste sich verwirrt an seinen schmerzenden Kopf und versuchte sich aufzurichten. Verwundert bemerkte er, dass er mit mehreren schweren Decken bedeckt war und nicht wie erwartet, mit einer dicken Schicht aus Schnee. Verwundert schob er sie von sich hinunter, setzte sich auf und sah sich um. Wo war er? Er sah sich um und ihm fiel auf, dass er in einem Zelt lag... einem imperialen Zelt. Von dem zentralen Stützpfeiler aus war ein Seil zu einem der äußeren gespannt und bildete so eine Wäscheleine, auf der seine Kleider hingen, neben seinem Lager stand eine Schüssel mit Wasser und ein Teller mit Brot und kaltem Pökelfleisch. Misstrauisch verengte er die Augen und stand auf, wie kam er hierher? Er bemerkte beiläufig, dass sein Bein sich seltsam anfühlte, doch als er es gerade betrachten wollte erklang eine Stimme neben ihm:
"Du solltest liegen bleiben, dein Körper ist noch sehr kalt."
Verblüfft drehte er sich um und sah, wie eine schlanke Gestalt sich aus den Schatten löste. Er seufzte... er war wieder Opfer eines verrückten Vampirs geworden...
"Wo bin ich?", wollte er von Schneider wissen.
Sein alter Freund wirkte ein wenig enttäuscht über diese grobe Reaktion, doch es war schwer seine Gefühle einzuschätzen, sein Gesicht war eine kreidebleiche Maske, in der sich kaum Rührungen zeigten. Mit einer ziemlich verspannten Bewegung zeigte Schneider auf den Teller mit dem Essen und umging Albrechts Frage, indem er sagte:
"Du solltest liegen bleiben und essen, ansonsten wird es umsonst gewesen sein, dich aus dem Schnee gezogen zu haben."
Albrecht verstummte, als er den scharfen Blick der roten Augen sah, nachdenklich senkte er den Kopf... sie waren einst blau gewesen. Er setzte sich zurück aufs Bett und wollte soeben die Decken wieder auf sich hinauf hieven, als sein Blick auf sein linkes Bein fiel und er stockte. Es war mit schwarzen Flecken überzogen: Erfrierungen, er musste fast das gesamte Gefühl in seinem Fuß eingebüßt haben.
"Mein Bein...", stammelte er.
"Ich fürchte, es wird nicht wieder verheilen."
"Mein Bein..."
Schneider wandte sich seufzend zum Gehen, maß Albrecht aber noch mit ein paar abfälligen Blicken und Worten:
"Klage nicht. Dein Bein ist noch dran, du kannst noch gehen und stehen. Es gibt andere, die Schlimmeres erleiden mussten als du."
Er hatte es nicht hart gesagt, aber so verachtend, dass es heißen Zorn in dem jungen Mann aufbrodeln ließ.
"So wie die Menschen in der Schenke?", kam die wütende Reaktion.
Sein alter Freund hielt inne, kurz bevor er hinaus in die kühle Nachtluft trat... lange herrschte Schweigen, endlose Augenblicke vergingen und kalter Wind zog durch die geöffnete Luke. Still wandte Schneider sich wieder zu ihm und für einen winzigen Augenblick hätte Albrecht geschworen, ein Zucken in den seinen Zügen gesehen zu haben, ehe sein Gesicht wieder zu einer starren Fassade wurde. Schließlich wurde die Stille zerrissen:
"Nein... nicht wie die in Haselbrühl... andere... solche wie ich."
Dann verließ er das Zelt.
Gorr'bak hatte noch die Kraft gehabt zwei seiner Kundschafter zu erschlagen, ehe er ihnen befahl, ihn zum Waaagh zurück zu führen. Er hatte wirklich Glück gehabt, auf den Spähtrupp von Wildorks zu stoßen, vielleicht hätte er es ansonsten nicht geschafft. Nun saß er auf einer Schicht aus löchrigen Tierhäuten und strich sich über seine verfluchte Hand, die so lange geschwiegen hatte, nur um ihn jetzt mit noch größeren Schmerzen zu strafen. Das Schlimmste war, dass die entzündeten Stellen sich nun auch an seinem Unterarm empor gefressen hatten und stark bluteten und eiterten. Fluchend ertrug er, wie ein Schamane eine gelbe Paste auf seinen Arm auftrug und schließlich noch ein paar Blätter mit einem Sud getränkten Tuch daran band und dann alles mit einem sauberen, kochend heißem Verband umwickelte. Grorr'bak konnte diesen Schamanen verhältnismäßig gut leiden, denn er war keiner dieser Dummschwätzer, die wirres Zeug plapperten, das letztendlich doch nichts brachte. Er hätte gleich zu ihm gehen sollen und sich nicht mit Narren und Scharlatanen aufhalten sollen. Als der sehr viel kleinere Ork fertig war, fühlte der Arm sich gleich viel besser an, die Schmerzen gingen ein wenig zurück und die Salbe war angenehm kühl. Mit einer kaum wahrnehmbaren Kopfbewegung erlaubte Grorr'bak ihm zu gehen, die erfolgreiche Behandlung seiner Wunden hatte ihn milde gestimmt. Abgesehen von dem Fluch auf seinem Arm hatte der Schamane alle Verletzungen problemlos heilen können, lediglich der klaffende Riss auf seiner Brust hatte ausgebrannt und genäht werden müssen. Man hatte ihm gesagt es sei sehr weise gewesen, die Kräuter auf die Wunde zu pressen, weil er sonst vermutlich verendet wäre, allerdings hätte eine andere Auskunft auch den Tod bedeutet und das wusste jeder in seinem Waaagh! Was ihn auch schon wieder zu einem leidigen Thema brachte... während seiner Abwesenheit waren tausende Grünhäute verhungert oder verdurstet, seine Streitmacht hatte dadurch nicht unerheblich an Truppenstärke verloren. Er musste den Waaagh! wieder in Bewegung setzen und Menschendörfer überfallen, denn ein deratig großes Heer musste versorgt werden. Sicherlich waren die Orks und Goblins nicht kleinlich, was die Wahl ihrer Nahrung anging, doch Wasser wurde schnell knapp und abgesehen davon war das Menschengebräu, das sie Bier und Schnaps nannten war wirklich gut. Grorr'bak brummte enttäuscht, als der Arm schon wieder zu kribbeln anfing und klopfte sacht auf den feuchten Verband. Der Waaagh! würde wieder aufbrechen und neue Seen und Flüsse suchen, die sein immer noch gewaltiges Heer leer trinken würde...
Markus schleppte sich mit schwindender Kraft ans rettende Ufer... wie durch ein Wunder hatte er den Sturz überlebt und auch sein Fuß war schon wieder nachgewachsen, auch wenn er momentan noch nicht vollständig kuriert war... noch immer schmerzte die Verletzung ungeheuerlich. Er zog sich in den Schatten eines knorrigen Baumes und verwandelte sich vollständig in einen Menschen zurück. Es schien sinnlos zu sein, erneut mit dem Ork verhandeln zu wollen, allerdings war das vielleicht auch gar nicht mehr nötig. Er war mit gewaltiger Kraft gesegnet worden, wozu also sollte er diese einsetzen, wenn nicht um seinen Vater zu rächen und das Imperium zu vernichten? Es war möglich geworden, es alleine zu schaffen. Er hatte schon wieder einen bösen Plan entworfen, ehe er einschlief um sich vollständig zu erholen.
...
Der Vampir ängstigte jeden im Heer, auch wenn er geschworen hatte, allein dem Imperator zu dienen. Doch er hatte sich dem Befehl widersetzt, bei den untoten Truppen Kasimirs zu lagern, also duldete man ihn und ohnehin konnte es nicht schaden einen weiteren, mächtigen Verbündeten zu haben. Schneider stand mit einem ausdruckslosen Gesicht in einer dunklen Ecke des Kommandozeltes und beobachte, wie der Imperator zusammen mit den Kurfürsten Schlachtpläne entwarf. Nur abundzu grinste er überheblich, wenn er einer der Kurfürsten im einen furchtsamen Blick zu warf. Nur der Imperator selbst schien keine Furcht zu verspüren und maß ihn lediglich mit zornigen Blicken, wenn er zu weit ging. Durch den Stoff des Zeltes hindurch konnte Schneider spüren, wie die Sonne erneut hinter dem Horizont versank und das Land in Dunkelheit getaucht wurde...
Albrecht war nun seit drei Tagen im Lager und bislang hatte sich noch nichts getan. Gelangweilt spielte er mit vier weiteren Soldaten Karten am Feuer. Als Wetteinsatz nahmen sie kleine Steine, denn Glücksspiel im Lager war verboten.
Stumm spielte er eine Runde und gewann vier Steinchen, während die anderen Männer zu reden anfingen.
"Sag mal, dieser Vampir, der neuerdings mit im Lager weilt, habt ihr ihn schon gesehen?"
"Nein, du etwa?"
"Ich auch nicht, aber ich hab von Willfred erfahren, dass er gigantisch sein soll, so groß wie ein Ork mindestens."
"Ja, er soll drei dutzend Soldaten getötet haben, ehe der Imperator ihn besiegen und unterwerfen konnte."
"Schrecklich, so was."
"Aber bedenkt, mit so einer Bestie besiegen wir die Orks ohne Probleme."
"Mir wär's lieber, er wär nicht dabei..."
Albrecht schwieg und lauschte nur.
Er spielte eine weitere Runde und gewann zwölf Steinchen. Mit einem Grinsen zog er sie zu sich und gab seinem fluchenden Nachbarn mit einer Handbewegung zu verstehen, dass er weiter spielen sollte.
"Mir ist nicht wohl bei dem Gedanken, dass er nachts umher schleicht... ein Vampir braucht doch Blut oder nicht? Wo nimmt er das her? Sicher reißt er den Männern nachts die Kehlen auf und schlürft sie leer. Wenn wir nicht aufpassen, sind wir auch dran."
"Kann gut sein, aber wer weiß, bestimmt sorgt der Imperator dafür, dass diese Bestie nur Ratten zu fressen bekommt."
Albrecht setzte übermütig zwanzig Steinchen und verlor die Runde. Ärgerlich schob er sie seinem schadenfrohen Mitspieler zu.
"Ich würde ihn gerne mal sehen."
"Ich kann drauf verzichten, ich will mich nicht noch unsicherer fühlen, wenn ich das Biest erst gesehen hab."
"Ist er wirklich so gewaltig?"
Albrecht verlor schon wieder und unterbrach die redenden Männer genervt:
"Er sieht aus wie ein gewöhnlicher Mensch, er ist sogar eher ein wenig schmächtig und es gibt keinen Grund sich vor ihm zu fürchten."
Er stand auf legte seine Karten weg und gab seine Steine dem Soldaten, der kurz davor stand, keine mehr zu haben.
"Woher willst du das wissen?", kam die ungehaltene Frage. Albrecht seufzte, wenn man die Alpträume von Menschen zerstört waren sie genauso ungehalten, wie wenn man ihre schönen Träume platzen lässt.
"Hast du ihn etwa gesehen?", wollte ein Weiterer wissen.
"Ja, ich habe ihn gesehen."
Allmählich nervte es ihn... diese ständigen Klatschereien.
"Und woher willst du dann wissen, dass er nicht gefährlich ist... ein Kind der Nacht ist immer von betäubender Schönheit sagt man, das täuscht über die Gefahr, die von ihnen ausgeht hinweg."
"Das mag sein", antwortete er, "aber ich kenne ihn seit fast dreißig Jahren."
Die verdutzten Soldaten machten große Augen und schwiegen verdutzt. Albrecht nutzte diese Gelegenheit, wünschte noch viel Spaß beim Spiel und machte sich davon. Diese ständigen Gerüchte gingen ihm ungeheuer auf die Nerven. Warum überhaupt hatten alle eine solche Furcht vor ihm? War das gewaltige Heer aus Untoten nicht viel schrecklicher? Was verflucht fanden die Soldaten denn so unheimlich an ihm?
"Es ist die Ausstrahlung."
Albrecht stockte... hatte er etwa...?
"Ja, du hast laut gedacht, mein Junge."
Etwas dümmlich grinsend drehte er sich um und betrachtete den Mann, der ihn angesprochen hatte. Es war ein alter Krieger, der bestimmt schon fünfzig Winter zählte. Er trug fransige Kleidung und ein altes Lederwams. Aber die Art wie er seine Waffe am Gürtel festgemacht hatte, wie er seine Rüstung angeschnallt hatte...
"Ihr seid kein Soldat..."
Der Alte lächelte. "Nein, mein Sohn, das bin ich nicht."
"Warum sind sie dann hier? Sie sind doch zu alt, um einberufen zu werden."
Kurz herrschte Schweigen, dann antwortete der Mann.
"Sicher, ich könnte mein Leben leben und darauf vertrauen, dass der Imperator die grüne Flut zurück schlägt, aber wozu? Die Orks haben mir alles genommen, meine Frau, meine Kinder, mein Heim... ich hab nichts mehr für das es sich zu leben lohnt."
"Aber doch auch nichts mehr, wofür es sich zu kämpfen lohnt."
"Doch mein Junge. Es lohnt sich dafür zu kämpfen, dass andere nicht so enden wie ich. Es lohnt sich dafür zu kämpfen, dass andere im Imperium eine Zukunft haben. Auch du musst das erkennen."
Albrecht zog eine Augenbraue hoch und setzte kurz eine missbilligende Mine auf. Er beschloss, die Unterhaltung in eine andere Richtung zu lenken:
"Wie meint ihr das? Was ist mit seiner Ausstrahlung?"
Der Alte nickte, erkennend, dass der junge Mann jetzt die Informationen haben wollte, die er von ihm zu bekommen hoffte.
"Weißt du, dein Freund..."
"Er ist nicht mein Freund."
"Nein, sicher, nicht mehr. Aber bitte unterbrich mich nicht mehr."
Ein selbstsicheres Funkeln trat in die alten Augen und Albrecht hielt es für besser nicht mehr zu widersprechen.
"Du kannst es vielleicht nicht sehen, weil du mit ihm abgeschlossen hast, du siehst nur noch das Monster in seinem Inneren. Für dich ist der Mensch schon gestorben, doch er lebt noch. Die anderen Krieger sehen den Menschen in ihm, der Mensch der so war wie sie jetzt, der nur noch gepeinigt im Dunkeln schleichen kann und dessen Seele anfängt zu verkommen."
"Sie ist verkommen."
"Sie haben Angst, dass sie genauso werden könnten.", sagte der Alte und ignorierte Albrechts zynische Reaktion.
Albrecht wollte wieder eine ironische Antwort geben, aber er stockte und hörte weiter zu.
"Die wenigsten Menschen haben je einen richtigen Vampir gesehen. In den Geschichten sind es Bestien, hinter einer Fassade unglaublicher Schönheit verborgen und nun sehen sie einen und er ist kaum anders wie sie. Sicher, er könnte ein wenig Sonne vertragen, aber auch wenn es inzwischen der Vampir ist, der mit uns spricht, so sehen sie noch immer den Menschen leiden. Sie wollen nicht so sein, deshalb fürchten sie sich so sehr. Er ist ihnen so ähnlich, dass sie fürchten, sie könnten über Nacht ebenfalls zu einem Vampir werden und es nicht einmal merken, bis sie in die Sonne treten."
"Und woher kommen die Gerüchte, von seiner Übermenschlichkeit, von seiner Monstrosität.? Ich glaube du beurteilst die Krieger falsch, Väterchen."
"Nein, ich glaube du tust das. Es liegt doch auf der Hand: Sie wollen nicht wahrhaben, dass er ist wie er ist, sie würden lieber ein Monster wie aus den Legenden sehen."
Albrecht wehrte sich dagegen, das was der Alte erzählte als vernünftig zu empfinden. Er würde diese Unterhaltung schnell beenden müssen, sonst würde er das was der Mann redete noch glauben. Er würde falsche Dinge glauben, denn Klaus Peter war tot, einer Bestie gewichen, deren Blutgier alle anderen Gefühle erstickt.
"Ich muss los, Väterchen. Ich danke dir dafür, dass du versucht hast mir alles zu erklären."
Ohne eine Reaktion abzuwarten, drehte er sich um und lief davon. Er hörte noch, wie der alte Mann ihm etwas hinterher rief:
"Dein Freund ist noch nicht verloren."