WHFB Erwählte des Khaine - PDF komplett online

Hi,
ich find die Kampfbeschreibung auch besser als vorher. Find sie Klasse 🙂

Nur eines:
Der andere Krieger wich dem Geschoss aus, war jedoch zu langsam, sodass sich das Messer in seiner Schulter bohrte.

Nur ein Vorschlag:
Der andere Krieger versuchte dem Geschoss aus zu weichen, war jedoch zu langsam, so dass sich das Messer in seine Schulter bohrte.

Ansonsten Top wie immer *Daumen*

Grüße,
Armin
 
vielen Dank euch beiden. Nun: man muss schon aufpassen, das gebe ich zu. Nicht jeder, von dem Sisrall sich abwendet bzw. ihn verwundet ist auch gleich tot.

Ansonsten zu deiner Anmerkung Armin: du hasst ja recht, aber es nervt mich "versuchte dies, versuchte jenes" zu schreiben und ich habe dann stets den Eindruck, den Leser zu langweilen. Aber ich werd in Zukunft dran denken.

Also, wenn ich wieder zu Hause bin, wird es auch wieder eine Fortsetzung geben. Ich hoffe, ihr verzeiht mir die Pause. Wird wahrscheinlich am Donnerstag weiter gehen.
 
Dann will ich euch nicht länger warten lassen. Hier kommt die lang erwartete Szene. ich will wissen, wie sie euch gefällt. ist das erste Mal, dass ich sowas schreibe.

Im Rausch der Liebe

Hag Graef; Naggaroth
2567 IC; 8.zunehmender Mond

Nerglot ließ den Blick über die Stadt schweifen. Er stand am Eingang zum Tal der Schatten, in dem Hag Graef lag, und wartete. Er hatte die Lebenslichter einiger versprengter Orks gesehen und seine Krieger nach ihnen ausgesandt. Nun wartete er darauf, dass sie zurückkehrten. Dann würde er damit beginnen, die tausenden Leichen, die nach der Schlacht zweifellos in Hag Graef zurück geblieben sein musste, zum Unleben zu erwecken. Danach würde er über eine gewaltige Streitmacht verfügen und endlich genug Macht hinter sich haben, um alles, was seiner Rache im Weg stehe könnte, hinwegzufegen. Er sog tief Luft in seine verkümmerten Lungen. Obwohl er schon seit tausenden von Jahren nicht mehr atmen brauchte, erfüllte ihn das Strömen der Luft durch seinen Körper stets mit einer gewissen Befriedigung.
Die Orks hatten ganze Arbeit geleistet, musste er feststellen. In der mächtigen, äußeren Mauer klafften dicke Breschen und dahinter zeigten sich zusammengefallene Gebäude, die vereinzelt immer noch brannten und den klaren, morgendlichen Himmel mit ihrem Rauch verpesteten. Nur die hohen, geradezu grazilen Türme der inneren Festung ragten noch stolz in die Höhe, als wollen sie beweisen, dass die Baukünste der Dunkelelfen dauerhaft genug war, um einem Orkangriff standzuhalten.
Doch die Ruinen der restlichen Stadt und dünnen Qualmwolken, die auch von den Türmen aufstiegen, straften diese Behauptung Lügen. Nerglot schätzte, dass die finsteren, durch schmale, elegante Brücken miteinander verbundenen Türme nur durch die Magie aufrecht gehalten wurden, die bei ihrem Bau zweifellos verwendet wurde.
Ein Knacken ertönte hinter dem Nekromanten und die einhundert Skelettkrieger, die er zur Jagt der Orks ausgeschickt hatte, traten zwischen den Nadelbäumen hervor, deren Zweige tiefer im Wald nur Dunkelheit erkennen ließen. Zwanzig Orks waren ihnen zum Opfer gefallen, die nun aus zahlreichen Wunden bluteten. Die Skelette legten die Leichen vor ihrem Meister ab und reihten sich zwischen ihren Mitstreitern ein. Nerglot besah sich die Orks. Diese hier waren ziemlich kräftige und große Exemplare. Einige hatten ihre Hauer mit Ringen geschmückt und der Magier schätzte, dass es ziemlich erfahrene Krieger gewesen waren, die es leid waren, sich einem anderen unterzuordnen und sich deshalb davongemacht hatten. Etwas erheitert stellte er fest, dass sie alle ihre eigenen Waffen durch die Brust gerammt bekommen hatten. Zweifellos waren die Skelettkrieger auf die Idee gekommen, es sei der beste Weg, sie mit Waffen abzuliefern.
Da es nicht sonderlich viele waren, würde es einfach sein, ihnen neues Leben in seinem Dienste zu schenken und Nerglot begann ein einfaches Ritual. Hätte er noch Augenlider gehabt, hätte er sie nun geschlossen, aber so musste er darauf verzichten. Er hob die Hände, von denen eine seinen Kampfstab hielt, und konzentrierte sich auf die Winde der Magie. Er sammelte sie und sandte sie durch die Zeit. Sich seinem Willen beugend, schossen sie in die Vergangenheit und packten die Seelen der Gefallenen in dem Augenblick, da sie die Körper verließen. Sie nahmen die Energie der leuchtenden Geister auf und trugen sie zurück zu ihrem Meister, der sie bereits erwartete. Er befahl ihnen, sie ihren Besitzern zurück zu geben und zeigte nacheinander mit der freien Hand auf jeden der Orks.
Jedes Mal löste sich ein Speer aus grauem Licht von seiner Handfläche und drang in den Toten ein. Als dem letzten seine Lebensenergie zurück gegeben worden war, hatte sich der erste bereits schwerfällig erhoben. Etwas wackelig, da der Körper überrascht war, plötzlich wieder zu funktionieren, stand er auf den Beinen. Dann hob er die Hände, packte den Griff des Schwertes in seiner Brust und riss es mit einem schmatzenden Geräusch heraus. Blut schoss aus der Wunde, da der Körper nicht lange genug tot gewesen war, um es vollkommen gerinnen zu lassen, doch der untote Ork störte sich nicht daran, sondern trottete zwischen die anderen Krieger, während sein Meister noch einige Augenblicke wartete, bis sich auch die anderen erhoben hatten.
Sie verfügten kaum noch über Intelligenz. Gerade genug, um ihre Körper den geistigen Befehlen des Beschwörers folgen zu lassen. Wenn die Winde der Magie eine Seele packten und durch die Zeit rissen, brachten sie meist nur noch einen Hauch des Verstandes mit, den der Geist einst besessen hatte. Für die Nekromanten zählte ohnehin nur die Kraft der Seele, die benötigt wurde, um den Körper zu lenken. So hatte es ihm einst vor unzähligen Jahren und Jahrtausenden sein Lehrmeister Nagash erklärt.
Als auch die letzten beiden Orks ihren Platz zwischen den anderen untoten Dienern eingenommen hatten, begann Nerglot, auf die zerstörte Stadt zuzuschreiten. Seine Krieger folgten ihm und er konnte das Klappern einzelner Knochen und das Knirschen von Fleisch hören, dem noch die Leichenstarre innewohnte. Dieser Zauber, die Wiederbelebung von zwanzig Orks, hatte Nerglot kaum Kraft gekostet, doch vor ihm lagen die Ruinen einer ganzen Stadt und er wusste, das die Orks gründlich waren, wenn es darum ging, Leben auszulöschen. Und er kannte die Kampfkünste der Druchii. Sie mussten tausende Grünhäute niedergemacht haben, ehe sie besiegt wurden. Und all diese Leichen würden bald ihm dienen. Doch es würde ihn viel Kraft kosten. Vor allem musste er darauf achten, niemals so viel Kraft in einen Zauber zu stecken, dass er die Macht verlor, seine jetzigen Krieger am Unleben zu erhalten. Sonst müsste er sie noch einmal wiederbeleben und dann…
Nein, er entschloss sich, etappenweise vorzugehen. Immer eine Gruppe nach der anderen. Die Leichen würden ihm ja nicht weglaufen. Und innerhalb von maximal zwei Tagen würde er ein Heer besitzen, das alles und jeden in Schrecken versetzen würde.
„Nimm dich in Acht, Ephingis! Wo auch immer du bist, ich werde dich finden. Wie stark auch immer du dich schützen magst, ich werde deine Armeen zerschmettern. Und dann … dann ist die Zeit meiner Rache gekommen! Du kannst mir nicht entkommen!“

Altar der absoluten Dunkelheit; westliches Naggaroth
2567 IC; 7.Abnehmender Mond

Edit: Die Liebesszene hab ich rausgeschnitten, weil sie mir doch etwas zu "unromantisch" ist.
 
Zuletzt bearbeitet:
Da wir so lange Pause hatten, mach ich mal weiter. Es wäre schön, wenn sich auch die anderen Leser mal wieder mit konstruktiver Kritik melden würden. Oder sich überhaupt melden würden, das reicht schon.

Der Altar

Altar der Absoluten Dunkelheit; westliches Naggaroth
2567 IC; 7. Abnehmender Mond

Sisrall hatte Kopfschmerzen, als er am nächsten Morgen langsam wieder zu sich kam. Die Sonne des Frostlands schien ausnahmsweise einmal warm vom Himmel herab und wärmte seinen Körper in der schwarzen Rüstung. Doch die Wärme machte ihn träge und er blieb liegen. Voller Wonne dachte er an die Ereignisse der Nacht. Es war wundervoll mit Viverla’atar gewesen. Doch etwas störte ihn, aber er konnte nicht genau sagen, was. Vielleicht, überlegte er, war es diese Passivität seiner Geliebten. Sie hatte sich von ihm liebkosen lassen und dann hatte er die ganze Zeit oben gelegen. Es hatte Spaß gemacht, aber ihm fehlte irgendetwas bei ihrem Liebesspiel. Er nahm sich vor, mit ihr darüber zu reden. Aber vorerst, so musste er sich eingestehen, brannte seine Liebe für Viverla’atar nicht ganz so heiß, wie noch am vergangenen Tag.
Trotzdem entlockte ihm der Gedanke an ihrem warmen Körper unter ihm ein zufriedenes Grinsen. Sie war wirklich wärmer gewesen, als es die Sonne je sein würde. Plötzlich war er hellwach. Die Sonne? Ich liege doch in einem Zelt, oder nicht?
Er schlug die Augen auf und musste feststellen, dass er genau das nicht tat. Die kleinen Steine unter seinem Rücken, die ihm erst jetzt auffielen, verrieten, dass er sich wohl irgendwo im Gebirge befand, aber nicht mehr im Lager des Stammes. Er versuchte, sich aufzusetzen, bis ihm klar wurde, dass seine Hände über dem Bauch gefesselt und an seinen Körper gebunden worden waren.
„Ah, er ist wach. Das ist gut, wir haben noch einen weiten Weg vor uns.“, sprach eine Stimme neben ihm, dann wurde er von kräftigen Händen gepackt und auf die Füße gestellt. Nun bemerkte er auch seinen Helm, den er trug. Noch merkwürdiger war die Tatsache, dass er voll bewaffnet war. An der Hüfte baumelten die Schwerter, die er am vergangenen Tag von Viverla’atar erhalten hatte und in seinen Armschienen steckte Wurfmesser. Sogar der schwarze Umhang mit den blutroten Verzierungen hing von seinen Schultern.
Jemand musste seine Blicke bemerkt haben, denn eine Gestalt trat in sein Blickfeld. Es war Tar’atris und seine Miene war dunkel vor Zorn. Aber er sprach beherrscht. „Ihr wundert Euch, dass Ihr Eure Waffen tragt, nicht wahr? Nun es ist Tradition und Brauch, den Opfern für den Altar der Absoluten Dunkelheit bewaffnet ihren letzten Weg antreten zu lassen. Und nun setzt Euch in Bewegung.“
Sisrall bekam einen Stoß in den Rücken und taumelte vorwärts. Er konnte eine Schwertspitze in seinem Rücken fühlen und gehorchte wiederstrebend. Dabei musste er feststellen, dass er nur kleine Schritte machen konnte, da seine Beine durch ein kurzes Seil verbunden waren. So wurde wirkungsvoll verhindert, dass er einfach wegrannte. Mit diesen kurzen Schritten würde keinem Verfolger entkommen.
„Warum wollt Ihr mich opfern? Ich habe getan, was Ihr von mir verlangt habt. Der andere Stamm ist ausgelöscht, oder nicht?“
„Ruhe!“, klang eine Stimme von hinten und er bekam einen Schlag auf den Hinterkopf, doch Tar’atris wollte offenbar reden. Vielleicht, überlegte Sisrall, um ihm seine Überlegenheit zu demonstrieren.
„Ja, Blutklinge, Ihr habt getan, was ich verlangte. Doch das Wie ist entscheidend. Von den einhundert Kämpfern, die wir aussandten, kamen gerade einmal zwanzig zurück.“
„Das gehört zum Krieg dazu. Es war Euer Konflikt. Ich habe…“
„Ja, ich weiß!“ Er klang erbost. „Aber das ist nicht alles. Tut nicht so unschuldig! Ich habe nur noch einen Erben. Ihr habt meine beiden Söhne getötet und auch Grumir erschlagen. Damit habt Ihr dem Stamm drei seiner besten Krieger genommen. Und zu guter Letzt habt Ihr auch noch meine Tochter verführt. Wollt Ihr meinen Platz, als Häuptling?“
„Was sollte ich mit eurem Stuhl? Warum sollte mir etwas an der Herrschaft über diesen dreckigen Stamm liegen? Ich werde mich vor Euch nicht rechtfertigen, Tar’atris. Denn keines meiner Worte würde Euch überzeugen, dass mich keine Schuld trifft. Ihr seid ein alter, sturer Bock, zu verklemmt mit Euren Traditionen und Regeln. Sind diese Kinder, von denen ich zwei erschlagen habe, auch aus einer Beziehung entstanden, die von Eurem Vater beschlossen wurde? Ihr versteht nichts von Liebe, Häuptling!“ Sisrall spukte ihm das letzte Wort förmlich entgegen. Er war wirklich wütend. Was bildet sich dieser Waschlappen eigentlich ein? Ich habe diesen Stamm für ihn bekämpft und wir haben gewonnen. Das wollte er doch. Was kann ich dafür, wenn seine Söhne meinen, sie müssten mich angreifen?
Der Häuptling sah aus, als wolle er ihn jeden Moment schlagen, hielt sich dann aber zurück und drehte sich schnaufend um. Sie setzten den Weg fort. Um seinen Zorn zu verdrängen und sich die Zeit zu vertreiben, genoss Sisrall die Landschaft, durch die sie ihn führten. Sie marschierten über einen ausgetretenen Steinweg, der sich deutlich sichtbar durch die Eisenberge schlängelte. Er verlief an den Flanken mächtiger Berge entlang und über hohe Kämme. Oftmals gab es nicht viel zu sehen. Die Bergwände raubten ihm die Sicht und die meiste Zeit befanden sie sich in deren Schatten. Ab und an jedoch, meist, wenn sie über einen Kamm marschierten, bot sich dem Tempelkrieger eine wundervolle Aussicht. Die grau-schwarzen Rücken der mächtigen Eisenberge schrumpften nach Osten langsam und gaben den Blick frei auf weite Wälder und Ebenen. Sisrall glaubte sogar, weit am Horizont das Glitzern des Trügerischen Meeres auszumachen. Dort war der Himmel mit dicken Wolken behängt und er war froh, hier die Sonne zu spüren. Im Westen erkannte er den mächtigen Stahlfrostgletscher, eine gigantische Eisschichte, die sich unaufhaltsam über die Berge schob.
Sisrall bemerkte zahlreiche Tiere, meist Gebirgsbewohner und Vögel, die ihnen scheu Platz machten, ab und an aber auch einige kleinere Lebewesen, die sie aus den Schatten der kleinen Dornenpflanzen, die den Wegesrand säumten, beobachteten. Beim Anblick ihrer neugierigen und gleichzeitig ängstlichen Gesichter fragte er sich, warum er keine Angst empfand. Und das stimmte. Weder Furcht noch Trauer beschlichen ihn. Er wusste, dass Widerstand zwecklos war und dennoch hatte er noch nicht mit dem Leben abgeschlossen. Seltsam distanziert stellte er fest, dass er momentan überhaupt nichts empfand. Er machte sich nicht einmal Sorgen um Viverla’atar. Auch sein Hass und sein Zorn waren verraucht.
Doch er hatte nicht viel Zeit, sich darüber zu wundern, denn sie erreichten offenbar ihr Ziel. Zwei mächtige grauschwarze Obelisken, die einst natürliche Felsen gewesen sein mochten, erhoben sich beiderseits des Weges und bildeten so eine Art Tor. Auf ihnen waren zahllose Zeichen eingeritzt, die anscheinend Namen bildeten. Vielleicht die Namen derer, die auf dem Altar geopfert worden waren. Weiter oben waren Bilder zu sehen, die anscheinend Rituale oder Zeremonien zeigten. Sisrall bekam keine Zeit, die näher in Augenschein zu nehmen, denn die Prozession setzte ihren Weg durch das Tor ohne ein Zögern fort.
Dahinter bot sich dem Assassinen ein beeindruckender Anblick. Hatte das Heiligtum des anderen Stammes trotz seiner Schlichtheit oder vielleicht gerade dadurch mächtig und bedeutend gewirkt, so verblasste all das zur Primitivität. Sisrall fand sich in einem vollständigen Kreis wieder. Einem Kreis aus mächtigen, unnatürlich glatten Berghängen, die finster und uralt diesen Ort bewachten. Er bemerkte noch zwei weitere Obelisken-Tore, die dem ähnelten, welches er soeben durchschritten hatte. Ihm fielen auch die elf Statuen auf, die in einem kleineren Kreis standen. Sie waren kaum größer als lebende Druchii und wohl mit einer Liebe zur Naturnähe gefertigt worden. Sie alle trugen weite Umhänge, die im nichtvorhandenen Wind zu wehen schienen, und dicke Kettenhemden oder Plattenrüstungen, deren Details atemberaubend waren. Wäre da nicht die steinerne Farbe gewesen, hätte man die Kettenhemden für echte halten können, so genau waren die Glieder gearbeitet. Und ihre Gesichter. Sie alle waren schön anzusehen mit harten und kraftvollen Zügen, die aber keineswegs überheblich wirkten. Es waren die Gesichter von sechs Frauen und fünf Männern, die ein hartes Leben geführt und es mehr als einmal mit der Waffe verteidigt hatten. Irgendwas in diesen Gesichtern verursachte eine unnatürliche Anziehungskraft in Sisrall. Er wollte zu ihnen gehören und einer von ihnen werden. Keine von den Statuen, sondern einer jener Druchii, die sie einst gewesen waren.
Doch dazu musste er erst einmal seine derzeitige Lage überwinden. Denn das Bedeutendste in diesem Kreis innerhalb der Berge lag im Zentrum. Die Blicke aller elf Statuen lagen darauf. Es war der Altar der Absoluten Dunkelheit. Und er machte seinem Namen alle Ehre. Undurchdringliche Schatten wirbelten um die acht Krallenfüße, die offenbar denen mächtiger Tiere nachempfunden waren. Er erkannte die Pranken von Nauglir und von Hydren sowie die Krallen von Adlern und Mantikoren. Einens schien auch der Fuß eines Pegasus zu sein. Sie alle stützten eine achteckige Platte, die blutverkrustet, ansonsten aber bemerkenswert schlicht war. Vom Rand der Platte gingen vier schwarze Halbbögen aus, die an ihrer höchsten Stelle in spitze Dornen übergingen.
Nun zwangen die Krieger Sisrall, zu der Plattform zu gehen. Er widersetzte sich nicht. Er wusste, dass Widerstand keinen Sinn hatte, weil es einfach zu viele waren. Als sie sich nun um die Platte innerhalb des Kreises aus Statuen formierten, sah der Assassine, dass es beinahe dreißig waren, die sich hier versammelt hatten. Einige wenige erkannte er als diejenigen, die ihm zum Lager des anderen Stammes gefolgt waren und offensichtlich auch überlebt hatten. Vier von ihnen trugen Armbrüste in den Händen. Aber auch ohne die Schützen und ohne Fesseln hätte Sisrall keine Chance in einem Kampf gehabt. So gut er auch war, es waren zu viele. Er bemerkte, dass auch Viverla’atars Schwester und ihr Partner anwesend waren und ihn mit steinerner Miene ansahen.
Er selbst ließ sich keine Regung anmerken und stieg erhobenen Hauptes auf die Platte. Er würde weder um sein Leben betteln, noch einen entwürdigenden, zwecklosen Fluchtversuch unternehmen. Er würde sterben, aber aufrecht.
Als er seinen Platz in der Mitte der Platte, den Kopf zwischen den Spitzen der Halbbögen, eingenommen hatte, trat Tar’atris vor. „Es wird hier keine Prozedur geben, Blutklinge. Ihr werdet sterben und damit gut. Der Weg hier hoch war schon mehr, als Ihr verdient habt, aber es war der letzte Wunsch meiner Tochter.“
Er redete noch eine Weile, aber die Worte drangen nur noch als inhaltloses Rauschen an Sisralls Ohren. Auf einmal waren seine Emotionen wieder da und er wäre am liebsten auf die Knie gesunken. Viverla’atar war also tot! Seine Geliebte, einfach getötet, aus seinem Leben gerissen, bevor er selbst sterben sollte. Und sie hatte gewollt, dass er hier starb. Er redete sich ein, dass sie nur die beste, ehrenvollste Todesart für ihn wollte und er so oder so gestorben wäre, doch es half nicht. Auf einmal, von einem Harzschlag auf den anderen war seine Liebe zerstört. Zerstört wahrscheinlich nur durch die schlechte Ausdrucksweise eines alten Schwätzers. Und Sisrall spürte Hass. Hass auf den Mann, der seine Liebe zerstört hatte und sie nun beide getötet hatte. Er wollte nichts mehr, als Tar’atris an seinem Schicksal teilhaben zu lassen, und seine Hände zitterten vor Wut.
Er zwang sich, ruhig zu atmen und sein Ende nicht auch noch durch eine zorngeleitete Tat zu entwürdigen. Doch eigentlich war es ihm egal. Obwohl seine warmen Gefühle für Viverla’atar verschwunden waren, sehnte er sich nach ihrer Liebe und fühlte sich unvollständig ohne sie.
Offenbar war Tar’atris zum Schluss gekommen und Sisrall wartete. Er stand aufrecht und ohne Furcht auf der Plattform. Für ihn hatte der Tod keinen Schrecken. Er war so erzogen worden und selbst die grässliche Erfahrung, die er nach dem Duell mit Drrochaal gemacht hatte, erzeugte keine Angst vor dem Kommenden in ihm.
Tar’atris hob nun den Stab, den Sisrall als den Schlüssel zu den beiden Heiligtümern erkannte, und schlug mit ihm gegen jede der acht Kanten der Plattform. Es geschah zuerst nichts. Dann verspürte Sisrall die Kraft der Magie, die sich in dem Ring sammelte. Sie flog um ihn herum und ließ die Schatten zwischen Füßen der Platte wirbeln. Sie verdichteten sich und breitete sich aus. Einige berührten zaghaft seine Füße und er spürte die beißende Kälte. Die meisten der pechschwarzen, undurchdringlichen Wolken strebten auf die vier Halbbögen zu und kletterten an diesen empor.
Als sie schließlich die dornartigen Spitzen erreichten, passierte alles innerhalb eines Augenblickes. Tar’atris stieß mit dem Stab nach Sisralls Brust und die Schatten schossen aus den Dornen, die nur wenige Handbreit von Sisralls Kopf entfernt hingen. Sie bildeten einen Wirbel aus Dunkelheit und Kälte. Sie krochen durch seine Rüstung und flossen durch seine Adern. Sie ließen sein Blut erstarren und verwandelten seinen Körper in lebloses Fleisch. Dann waren sie in seinem Kopf und bevor Sisrall wusste, was geschah, bevor er auch nur die alles verzehrende Kälte spürte, war es auch schon vorbei.

Ich bin tot. Tot wie meine Geliebte. Trotz der entsetzlichen Botschaft seiner Gedanken fühlte Sisrall keine Regung. Er war so kalt wie die Schatten des Altars geworden. Doch da war eine Flamme in ihm. Ein Feuer des Lebens. Er konzentrierte sich auf die kleine Flamme und nährte sie mit seiner Kraft. Angenehme Wärme durchströmte ihn und er erkannte sie als das Geschenk des Flammenbrunnens. Die Schatten zuckten vor dem Licht der Flammen zurück, doch sie ließen sich nicht vertreiben. Er gehörte ihnen und sie würden ihn nicht mehr hergeben. Die Kälte kehrte in ihn zurück, doch sein Herz blieb warm. Dort brannte das Feuer seiner Kraft, die Flamme seines Lebens.
Es war wie ein Kampf. Feuer gegen Kälte. Licht gegen Schatten. Tod gegen Leben. Wenn die Flamme verlosch, würde er in die Finsternis fallen und seine Seele würde verloren gehen. Während in ihm ein Kampf tobte, war es um ihn herum friedlich. Dort gab es nur Schatten und Kälte. Oder? Nein, dort war auch Leben. Er konnte sie spüren. Dreizehn Gestalten beobachteten ihn. Er glaubte, Gesichter zu erahnen. Die Gesichter der Statuen, die um den Altar gestanden hatten. Sie hingen dort in der Dunkelheit, von einem inneren, schwachen Schein erleuchtet. Sie verschwammen und verblassten, kehrten wieder und wurden undeutlich, doch nie verschwanden sie. Immer waren sie bei ihm und beobachteten seinen Kampf. Zwei der Gesichter blieben ihm verborgen, aber wusste, dass sie da waren, vertraut und doch unbekannt, voller Liebe und doch distanziert, nah an seinem Herzen und doch weit entfernt. Über alledem war eine andere Identität. Ohne Gesicht und ohne Stimme. Sie war wie ein Vater, der seine Kinder beim Spielen beobachtet. So mächtig und fremdartig, dass Sisrall sie nicht verstehen konnte. Er konnte ihre Wärme spüren, die ihm und den anderen Gesichtern galt und den Hass, den Hass gegen alles, das ihnen schaden könnte.
Er fragte sich, ob diese Gesichter Gestalten der Finsternis gehörten, die seine Seele fressen würden, doch der Gedanke verflog schnell wieder. Sie waren seinetwegen hier. Sie waren hier, um ihm zu helfen. Sie würden ihm Rat geben. Doch diesen Kampf musste er allein bestehen. Sein Herz brannte hell und heiß und sein Geist war kalt und dunkel. Um zu überleben musste er die Schatten besiegen, der Kälte entkommen, denn nichts konnte dort leben.
Die Gesichter lächelten ihn an. Sie hingen in der Dunkelheit, deren Kälte ihn zu verzehren drohte. Sie lebten. Es waren keine seelenlosen Gesichter. Ihre Augen leuchteten voller Kraft und Vitalität. Sie waren hier im Reich des Todes und lebten. Das bedeutete, dass die Schatten nicht zwangsläufig der Tod waren.
Wäre er nicht im Reich der Schatten gewesen, hätte Sisrall nun wohl Luft geholt, bevor er den entscheidenden Schritt tat. Er wehrte sich nicht länger und ließ dich Schatten in sich ein. Sie kamen diesmal zaghafter, fast vorsichtig. Sie hatten das Licht und die Hitze seines Herzens, seiner Kraft gespürt und zu fürchten gelernt. Sie hatten Respekt gelernt. Sie streichelten ihn mit angenehmer Kühle, nicht mit verzehrender Kälte. Sie strichen um die Flamme in ihm, kamen ihr aber nicht zu nahe und glichen ihre Hitze mit ihrer kühlen Berührung aus. Nun begriff Sisrall, dass der Kampf ein Fehler war. Er wäre in jeden Fall gestorben. Hätte er die Kälte der Schatten zurück gedrängt, hätte ihn das Feuer verzehrt. Das hatte er schon vorher gespürt. Damals, als er Grumir in Asche verwandelt hatte, hatte das Geschenk es Flammenbrunnens ihn beinahe verbraucht. Er hatte seine gesamten Kräfte erschöpft, um es zu verhindern.
Aber nun war er in Sicherheit. Die Schatten glichen die Hitze und das blendende Licht der Flammen aus und wurden ihrerseits vom Feuer in Schach gehalten. Keine der beiden Kräfte würde die Überhand gewinnen und ihn verzehren können. Sie hatten ein Gleichgewicht gefunden. Sein Herz brannte hell und warm, doch sein Geist war von Kälte erfüllt.
Da der Kampf vorbei war, regten sich die Gesichter. Sie lächelten und nickten ihm zu. Sie wurden klarer und die Schatten fielen von ihnen, wie Wasser von der Haut perlt. Und noch mehr tauchte aus der Finsternis auf. Erst die Körper der Gesichter. Sie trugen allesamt Rüstung. Sisrall erkannte die elf als die Statuen, die um den Altar standen. Sie streckten die Arme aus und berührten ihn freundlich. Dann löste sich die Umgebung aus den Schatten.
Der Assassine fand sich in einer Halle aus schwarzem Marmor wieder. Elegante Säulen schienen eine unsichtbare Decke zu tragen, doch sie schwebten selbst einige Handbreit über dem spiegelglatten Boden. Dieser zeigte grässliche Szenen, riesige, blutige Schlachten und Folterungen von verschiedensten Lebewesen. Einige schienen sogar dämonisch zu sein. Und es waren keine Bilder! Die Abbildungen waren lebendig, bewegt, aber stumm. Es war wie ein Blick durch dickes Glas. Dann stellte Sisrall fest, dass es keine Wände gab. Zuerst hatte er vermutet, sie wären noch nicht aus dem Dunkel aufgetaucht, doch inzwischen war schon eine große Fläche Marmorboden mit den Säulen enthüllt worden und von Wänden gab es keine Spuren. Aber es gab Feuer. Zwischen den Pfeilern schwebten Kohlebecken und einzelne Fackeln über ihren Köpfen. Doch die Kohlebecken hingen auf dem Kopf und die Flammen züngelten nach unten.
Insgesamt erinnerte es Sisrall an ihn selbst, wie er nun war. Im Herzen Feuer, Wärme und Licht und darum Schatten, Dunkelheit und Kälte. Vielleicht fühlte er sich deshalb so wohl hier, obgleich es offensichtlich kein Ort für Sterbliche war. Natürlich stellt sich immer noch die Frage, wo hier ist. Und was ich hier soll.
Die Druchii, deren Gesichter ihn vorhin beobachtet hatten, führten ihn nun ins Zentrum dieses seltsamen Ortes. Dort, in einem Kreis aus Blut, das sich offenbar aus dem Nichts von oben ergoss, stand ein Thron aus Knochen auf einem Podest aus Schädeln. Die Knochen waren rußgeschwärzt und in den Augenhöhlen der Schädel brannten blaue und rote Flammen. Es war der Schädelthron, den er schon damals in der Dunkelheit vor dem Erwachen in Viverla’atars Zelt gesehen hatte. Doch dieses Mal war er nicht leer. Eine Frau saß darauf. Sie war klein und zierlich, wirkte nicht sonderlich kräftig und wies auch keinerlei Zeichen eines harten Lebens auf. Doch sie war unwiderstehlich schön. Durch das Gewand, das, wie es schien, aus Schatten bestand, die über ihren Körper glitten, schimmerte ihre violett-blasse Haut hindurch. Ihr Haar wallte in schwarzen Wogen auf ihre Schultern und in ihren orangeroten Augen lag ein Feuer, wie Sisrall es noch nie zuvor gesehen hatte. Ihre sinnlichen Lippen verzogen sich zu einem warmen Lächeln. Auch sie schien Feuer und Schatten zu vereinen.
Zuerst merkte Sisrall überhaupt nicht, dass sich die anderen vor ihr verneigte hatten, und als er ihrem Beispiel folgte und sich auf die Knie niederließ, konnte er kaum den Blick von ihr wenden. Ihr Anblick ließ die Erinnerung an Viverla’atar verblassen. Als er wieder stand, fielen ihm die beiden Elfen links des Throns auf. Es waren ein Mann in der Robe eines Assassinen und eine Frau in einem roten Umhang. Sie wirkte auf den ersten Blick wie eine mächtige Zauberin. Von diesen beiden ging das Gefühl der Vertrautheit und der Liebe aus, das er sich nicht erklären konnte. Doch nun war die Ahnung einer väterlichen und wohlwollenden, schützenden Macht stärker als zuvor. Und ihre Quelle war eindeutig die Frau auf dem Thron.
Sie lächelte ihn an und er fühlte eine angenehme Wärme. Doch es war weder Liebe noch Begierde. Er fühlte sich sicher und geborgen. So etwas hatte er noch nie empfunden. Nicht einmal, als er in Viverla’atars Armen gelegen hatte. Er wusste nicht, was er sagen sollte, schließlich war er ja eher unfreiwillig hierher gekommen.
Die Frau musterte ihn und Sisrall genoss ihre Aufmerksamkeit. Dann nickte sie. Sie sprach leise und war doch unüberhörbar. Sisrall wollte sich keines ihrer Worte entgehen lassen. „Nun bist du also hier, Blutklinge. Ich freue mich, dir endlich zu begegnen. Lange Zeit habe ich dich beobachtet und mir hat gefallen, was ich sah.“ Sie wies auf eine Stelle im Boden und Sisrall sah dorthin. Er erkannte den Altar der Absoluten Dunkelheit. Die Statuen bildeten einen Kreis und zwischen ihnen standen die Krieger Tar’atris‘. Auf der Platte erhob sich ein schwarzer Wirbel, in dem er seinen eigenen Körper erahnte. Offenbar war die Zeit eingefroren, denn nichts bewegte sich.
Da die Frau schwieg, war es nun an Sisrall, zu sprechen. „Wer seid Ihr? Und was mache ich hier?“
Sie blickte ihn an und legte den Kopf schief. „Ich glaube, du weißt schon, wer ich bin.“
Das stimmte, obwohl sich der Tempelkrieger nicht wirklich sicher war. „Khaine?“
Sie lachte, als sie seine Unsicherheit bemerkte. „Ja, ich bin Khaine, blutiger Gott des Mordes. Du bist überrascht. Ich weiß, ihr, die ihr meine Kinder seid, stellt euch mich als Mann, als Krieger oder Attentäter vor. Doch warum sollte ich nicht die Gestalt einer Frau annehmen? Bin ich denn als unwiderstehliche Verführerin weniger gefährlich als in der Erscheinung eines Kriegers?“
Sisrall musste sich eingestehen, noch nie so darüber nachgedacht zu haben. Doch sie sprach schon weiter. „Nun du bist hier in meinem Reich. Der Altar, auf dem man dich geopfert hat, verbannt die Seele eines jeden hierher. Du hast Glück, denn das Geschenk des Flammenbrunnens hat dich gerettet. Du hast inzwischen begriffen, dass du nur überleben kannst, wenn du das Gleichgewicht zwischen Feuer und Schatten hältst.“
„Ich lebe also noch?“, fragte Sisrall erleichtert.
„Ja du lebst noch. Deine Seele, hierher geschleudert, kann in deinen Körper zurückkehren. Doch bis dahin sei mein Gast, Sisrall Blutklinge.“
 
Dies war wieder ein sehr guter geschichtlicher Teil mit schönen Details wie zb den Stahlfrostgletscher😀

Endlich, Endlich. Ich dachte schon, hier wäre gar nichts mehr los. Ja auf solche Details achte ich gerne mal, soweit sich da was rausfinden lässt. Ich weiß nicht, inwiefern die Beschreibung des ALtars den Fluff trifft, aber es interessiert mich eigentlich auch nicht.

Na dann muss ich wohl mal weiterschreiben, wie?
 
So, es geht weiter. und es wäre schön, wenn sich hier nicht immer nur Flix melden würde.
Sturm und Offenbarung

Das Trügerische Meer; Naggaroth
2567 IC; 8. Neumond

Yetail stand noch immer am Bug des überladenen Schiffes und starrte ins Wasser. Doch in den stahlgrauen Fluten, die in rauen Wellen gegen die ächzenden Planken klatschten, ließ sich nichts erkennen. Sie steuerten durch den schmalen Ausläufer des Trügerischen Meeres, der an Naggarond, der Hauptstadt und Festung des Hexenkönigs, vorbeiführte. Steuerbord, im Norden, ragten riesige, steile Felswände in den sturmgrauen Himmel. Und es herrschte Sturm. Wind, wie Yetail ihn noch nie gekannt hatte, fegte durch die Wandten und riss ihr beinahe den Umhang von den Schultern. Sie wickelte den Stoff enger um ihren Leib und hielt ihn fest. Doch ihre Blicke blieben auf die Wasseroberfläche voraus geheftet. Man hatte sie ausgewählt, weil ihr das kalte Wasser, das am Bug hochsprühte, am wenigsten ausmachte und sie die besten Augen hatte. Nun sollte sie die Wasseroberfläche nach Klippen oder Riffen absuchen. Das war eine mühsame Aufgabe, da die Wellen die Sicht erschwerten und das stahlgraue Wasser jeden Blick unter seine Oberfläche verhinderte. Jeden Moment rechnete Yetail damit, dass sie eine Felsspitze übersah und das Schiff aufriss. Dann würden hundert Druchii ihretwegen ertrinken oder vielmehr erfrieren, denn das Wasser war trotz der Jahreszeit eiskalt.
Doch bisher war alles gut gegangen. Schon dreimal hatte sie rechtzeitig reagiert und dem Steuermann per Handzeichen Meldung gemacht. Denn an Schreien war nicht zu denken. Sie hatte nie eine sonderlich kräftige Stimme besessen und in dem Sturm konnte sich niemand über eine Entfernung von mehr als einem Meter verständigen. Das Letzte, was man von Ausguck gehört hatte, war der Ruf gewesen, mehrere Schiffe würden sie von achtern verfolgen. Dann war der Sturm um sie herum richtig in Fahrt gekommen und hatte die Schiffe wie Nussschalen auf dem Meer hin und her geworfen. Obwohl sie schon etliche Segel eingeholt hatte, rasten sie durch den starken Rückenwind noch immer mit viel zu hoher Geschwindigkeit über das Meer. Der Kapitän hatte beschlossen, den unbekannten Verfolgern nicht zu nahe zu kommen. Das hatte sich als gute Entscheidung herausgestellt, obwohl die Gefahr einer Kollision mit einer Unterwasserklippe nun viel größer war. Denn die Verfolger, die mit geballten Segeln immer näher kamen, waren vor mehr als drei Stunden als Khainler, die Piraten des Trügerischen Meeres, identifiziert worden. Über diese Gruppierung gab es unzählige Geschichten und Legenden. Es hieß, sie würden immer unvorhersehbar zuschlagen. Weder Sturm noch Stahl könne sie aufhalten. Tatsächlich schien der Sturm ihnen zu folgen. Sie galten als so gute Seefahrer, dass ihre Schiffe trotz mörderischem Wellengang und Orkanwinden niemals kenterten oder zerbrachen. Die geballten Segel hinter ihnen waren eindeutige Beweise. Niemand hätte es für möglich gehalten, dass der Stoff solchen Belastungen standhielt. Und tatsächlich war der Sturm hereingebrochen, als auch die Schiffe aufgetaucht waren. Sie müssen mächtige Magier haben, die genau jene Kontrolle über Wind und Wellen erlangt haben, die mir stets verwehrt blieb.
Yetails Blicke huschten immer noch über die unruhige Oberfläche des Wassers, doch sie bemerkte keine Hindernisse. Allerdings fiel ihr auf, dass die steilen Felsklippen am Nordufer inzwischen deutlich näher gekommen waren. Durch den Dunst des umher sprühenden Wassers waren die rauen Felsen und Klippen deutlich zu sehen. Sie blickte zur anderen Seite und stellte fest, dass auch das Südufer näher gekommen war. Das ließ nur einen Schluss zu. Sie näherten sich dem Ende des schmalen Seitenarms. Er wurde hier immer schmaler und floss dann schließlich in das Unterweltmeer. Sie hatten inzwischen die Hoffnung aufgegeben, an Land zu gehen. Der Sturm und ihre Verfolger machten das unmöglich. Ihnen blieb nur, zu hoffen, dass der Hexenkönig auf anderem Wege vom Untergang Hag Graefs erfuhr.
Erlais trat neben Yetail und blickte mit ihr voraus. Doch keiner der beiden Frauen fiel irgendetwas auf und sie fuhren zwei weitere Stunden nach Westen, ohne dass sie einen Felsen oder eine Klippe rammten. Doch die Khainler kamen unaufhörlich näher. Inzwischen konnten sie schon die vermummten Piraten erkennen, die in der Takelage herum kletterten und zu Yetails Erstaunen sogar über die Rahen marschierten, als wäre es eine feste Straße. Diese Piraten mussten wirklich an ein Leben auf dem Meer gewöhnt sein, dachte sie.
Die Erzzauberin neben ihr deutete plötzlich nach vorn. „Siehst du dort, Yetail? Das Tor zur Unterwelt.“
Und sie sah es. Erst war es nur ein dunkler Schatten durch den Nebel der Gischt, aber schon nach wenigen Minuten schälten sich zwei massive Pfeiler aus dem Dunst. Sie waren in einem undefinierbaren Farbton zwischen Schwarz und Blau gehalten und hatten die Form zweier Seedrachenschwänze, die aus dem aufgepeitschten Meer ragten. Ihre Spitzen trafen sich und schufen so ein ovales Tor, hinter dem Dunkelheit herrschte. Während sie noch staunend dastand, fielen Yetail die vielen Edelsteine auf, die in den Stein eingearbeitet worden waren.
„Opfer an die Drachen der Tiefe“, erklärte Erlais ohne eine Frage. „Seeleute, die das Tor passieren, beten oft zu den Seedrachen und bitten sie um eine ruhige Fahrt in der Unterwelt. Einige, die es sich leisten können, kommen später hierher und opfern ihnen. Entweder, um ihnen nachträglich zu danken, oder damit sie auch weiterhin ruhig über das Meer reisen können.“
Yetail blickte ihre ehemalige Meisterin an. „Glaubt Ihr an solche Dinge, Erlais?“
Ohne den Blick von der Wasseroberfläche zu lösen, antwortete Erlais. „Die Seedrachen existieren, Yetail. Ob sie durch Gebete und Opfer friedlich zu stimmen sind, weiß ich nicht. Es gibt auch nur wenige belegte Berichte von Angriffen auf Druchii-Schiffe. Die eigentliche Gefahr für uns geht wohl von den Khainlern hinter uns aus. “
Dann umhüllte sie plötzliche Dunkelheit, die selbst den sturmgrauen Himmel von eben noch grell erschienen ließ. Sie waren in die Unterwelt eingetreten. Auch der Sturm hatte sich gelegt. Hier drin hatte selbst die Magie der Piraten nur wenig Einfluss. Während die Magierinnen Lichtkugeln schufen und Fackeln entzündet wurden, bemannten die Matrosen die Ruder. Aber es ging nur langsam voran. Im Licht der spärlichen Beleuchtung zog das Wasser unter ihnen dahin, eine glatte Fläche in einer Grotte der Ruhe. Niemand redete und nach dem Heulen des Sturms war es eine fast schmerzhafte Stille. Yetail glaubte, dunkle Schemen im Wasser zu sehen, aber das konnten auch Täuschungen durch die Reflektionen des Lichts sein. Ab und an bildete sie sich ein, ein Grollen aus der Tiefe zu vernehmen, das für ihr Ohr nicht hörbar war, aber ihren Körper vibrieren ließ.
Achtern verblasste der schmale Lichtfleck langsam. Die junge Zauberin konnte eine Bahn aus glitzerndem Licht sehen, das sich, vom Tor ausgehend, auf dem Wasser spiegelte. Während sie noch das ferne Licht beobachtete, wurde es plötzlich verdunkelt. Ein Schatten, klar umrissen vom Licht, schob sich durch die Öffnung und weitere folgten. Die Khainler waren noch immer hinter ihnen. Und sie waren schnell. Yetail wusste, dass sie ihnen nicht entkommen würden. Sie waren überladen und hatten zu wenige Ruder. Außerdem schienen die Piraten kein Licht zu brauchen. Ihre Schiffe verschmolzen rasch mit der Dunkelheit der riesigen Höhle.
Das flackernde Licht der Fackeln enthüllte ab und an dicke Felssäulen, die sich aus dem Wasser erhoben, um eine ferne Decke zu stützen. Yetail musste sich immer wieder in Erinnerung rufen, dass dies eine gigantische Höhle war und weit über ihnen eine massive Felsschicht hing. Die Lichter der anderen beiden Schiffe, die noch immer parallel zu ihnen fuhren, wirkten beinahe gespenstisch. Doch es war das Beruhigteste in der unheimlichen Stille. Yetail musste sich schon sehr konzentrieren, um das leise Plätschern der Wellen an ihrem Bug wahrzunehmen. Denn abgesehen von einem fernen Plätschern und dem regelmäßigen Tropen von Wasser, Geräusche, die man leicht ausblendete, war alles totenstill.
Umso überraschter war Yetail, als Erlais plötzlich leise neben ihr flüsterte. „Bald ist es soweit. Was geschehen muss, wird geschehen.“
Die junge Magierin wandte sich um. Die Erzzauberin schien mit sich selbst gesprochen zu haben. Im grünlichen Schein der Hexenlichtkugel hatte sie die Augen geschlossen und hielt das Amulett in der Faust. „Erzzauberin?“
Es war, als kehre Erlais aus einem Traum zurück. „Ja?“
„Es ist so vieles geschehen in letzter Zeit“, begann Yetail vorsichtig, da sich nicht wusste, was sie eigentlich wollte. „Ich bin inzwischen keine Novizin mehr. Ich habe verbotene Blutmagie erlernt; Hag Graef ist gefallen und nun haben uns die Khainler in die Unterwelt verfolgt. Es sieht so aus, als würden sie uns bald einholen. Gestattet Ihr mir einige Fragen?“
Erlais betrachtete sie beinahe mit einer Art neuem Respekt. Offenbar hatte sie noch gar nicht darüber nachgedacht, was inzwischen aus ihrem Schützling geworden war. „Ja natürlich, Yetail. Ich sollte dich wohl langsam wie eine richtige Magierin behandeln. Was möchtest du wissen?“
Wo sollte sie anfangen? „Dieses Amulett.“ Überrascht blickte Erlais auf ihre Hand. Anscheinend war ihr gar nicht bewusst geworden, dass sie es schon wieder zwischen den Fingern hielt.
„Ihr habt es vor vielen Jahren mit meinem Blut gefertigt. Ich habe Euch schon oft gefragt, welchen Zweck es erfüllt und warum Ihr gerade mein Blut wolltet. Ihr habt mir stets gesagt, ich würde es erfahren, wenn die richtige Zeit gekommen ist. Nun sieht es so aus, als würden wir nicht mehr lange leben. Oder bald in Gefangenschaft geraten. Verratet Ihr mir nun diese Antworten?“
Erlais holte tief Luft und schien sich ihre Worte zu Recht zu legen. „Ja, Yetail. Ich denke, die Zeit ist gekommen. Nun es gab mehrere Gründe, dein Blut zu nehmen. Du hast Macht. Mehr Macht, als ich je besitzen werde. Ja, schau nicht so überrascht. Mein Einfluss basiert auf der Gabe der Voraussicht und auf Wissen. Ich bin nicht schwach, aber deine Kraft ist mir weit überlegen. Durch dein Blut konnte ich mich stärken. Es gab mir die Kraft, die ich brauchte, um dir die Zauber zu lehren, die du beherrscht. Und es hat verborgen, wie schwach ich bin. Ich wollte nicht, dass du das bei unseren Übungen bemerkst. Außerdem fiel es mit so leichtet, dich zu beobachten. Du bist nicht irgendeine Hexe. Du hast eine wichtige Rolle zu spielen, aber mehr kann ich dir nicht sagen. Und das Blut hatte noch eine Funktion. Es hatte mir einen Teil deiner Macht geschenkt. Gleichzeitig sammelt es aber auch die meinige. Wenn ich sterbe, musst du das Amulett an dich nehmen. Denn dann ist die Verbindung gerissen. Es kann mir keine Kraft mehr geben und ich kann deine Schritte nicht mehr verfolgen. Aber die Kraft, die in diesen Jahren angesammelt wurde, gehört dann dir. Und diese Kraft kann sich regenerieren. Wenn deine eigene Macht nicht reichen sollte, denk an mich und nutze die Kraft des Amulettes.“
Yetail nickte. „Also habt Ihr das Amulett geschaffen, um es mir eines Tages zu überlassen.“ Es war eine Feststellung, aber Erlais nickte. „Ich habe noch eine Frage, Erlais. Stimmt es, was ich schon lange vermutet habe? Dass Ihr mir einige Zauber beigebracht habt, die andere Novizinnen nicht kennen?“
Dieses Mal seufzte Erlais. „Du bist viel zu schlau, Yetail.“ Aber sie lächelte bei diesen Worten. „Ja es stimmt. Deshalb brauchte ich das Amulett ja. Die Zauber, die alle Novizinnen von mir lernen, liegen innerhalb meiner Fähigkeiten. Du hast aber noch andere Sprüche gelernt. Sprüche, die ich seit langer Zeit kenne, die ich aber nie anwenden konnte.“
„Der Schwebezauber. Ich dachte immer, es wäre eine gewöhnliche Leistung.“
„Nein, das war es nicht. Es gibt Magie, die erfüllt keine großen Zwecke und sieht einfach aus, ist aber komplizierter als die Beschwörung eines Dämons. Der Schwebezauber ist einer davon. Und er kostet auch dich schon gewaltige Kraft, nicht wahr? Ja, das hast du in der Bibliothek gespürt. Etwas anderes ist die Selbstheilung. Für dich als Blutmagierin natürlich unerlässlich. Aber obgleich es dir nicht mehr Kraft kosten mag als ein einfacher Schattenzauber, ist die Beherrschung an sich doch ein Hindernis, das nur die wenigsten überwinden. Ich selbst musste es unzählige Male probieren, bis ich es erlernt hatte. Und ich wäre dabei fast verblutet.“
Das überraschte Yetail. Sie hatte den Selbstheilungszauber innerhalb einer Nacht gelernt. Nach zwei oder drei Versuchen. Als sie sich nun an den verblüfften Gesichtsausdruck ihrer Meisterin erinnerte, musste sie schmunzeln. Sie hatte sich nie als sonderlich mächtig oder begabt angesehen, doch offenbar hatte sie sich unterschätzt. Sie blickte auf ihren Stab, den sie in der linken Hand hielt. Er war mit mehreren Rubinen besetzt, die in der Dunkelheit leuchteten. In ihren wohnte eine eigene Kraft. Yetail hatte den Zauberstab unter Erlais‘ Anleitung geschaffen. Nun fragte sie sich, ob es wohl Absicht gewesen war, nur Rubine zu verwenden.
Sie wirkten wie erstarrte Blutstropfen. Hatte Erlais schon damals gewusst, dass sie Blutmagierin werden würde? Würde ihr der Stab dabei helfen? Andere Novizinnen hatten schwarze Edelsteine oder Blaue. Sie war mit ihren Rubinen eine Einzelgängerin gewesen. Doch hatte sie nie etwas Anderes gewollt. In diesen Edelsteinen steckte ihre Kraft. Während der Herstellung hatte sie sich die Hände wund gescheuert und das Holz hatte sich mit ihrem Schweiß vollgesogen. Er war ihr Werk. Und die Bluttropfen, die in der Dunkelheit nicht zu sehen waren, bezeugte, dass er auch bei ihrem Kampf als Blutmagierin gegen den Orkschamanen dabei gewesen war.
„Meisterin?“
Erlais blickte sie lächelnd an. Es war ein warmes Lächeln, wie Yetail es noch nie zuvor gesehen hatte. Vieles schien heute zu geschehen, das neu war. „Hast du noch eine Frage, Yetail?“
„Ja. Es geht um vieles. Ihr seid nicht meine einzige Lehrmeisterin gewesen und ich nicht Eure einzige Novizin. Aber Ihr habt mehr für mich getan, als für andere, wie ich inzwischen erfahren habe. Ihr habt das Amulett geschaffen, obgleich es noch Eures ist. Ihr habt mir Zauber beigebracht, die Eure eigene Kraft überschreiten, sodass Ihr keinerlei Kontrolle über mich habt. Und Ihr habt mir bei der Fertigung meines Stabs geholfen. Ihr habt mir gezeigt, wie ich meine Kräfte auf ihn übertragen und bündeln kann. Auch habt Ihr mich nicht bestraft, als ich verbotene Blutmagie erlernte. Warum das alles?“
Dieses Mal dauerte es lange, bevor Erlais antwortete. „Ich habe all dies aus einem bestimmten Grund für dich getan. Khaine gab mir zwei Dinge. Eines davon war die Gabe der Voraussicht, die mich zu der Erzmagierin von Clar Karond gemacht hat. Und ich habe vieles gesehen. Naggaroth steht am Rande des Abgrunds. Hag Graef war nur ein Vorspiel. Die Orks sind nicht der einzige Feind. Doch Khaine lässt seine Kinder nicht im Stich. Er hilft uns. Er hat dafür gesorgt, dass wir eine Chance haben. Aber wir müssen sie ergreifen und es selbst schaffen. Du bist eine der Personen, die hierbei eine wichtige Rolle spielen. Wie wichtig, weiß ich nicht. Vielleicht besteht deine Aufgabe nur darin, diesen Orkschamanen zu töten. Vielleicht hast du aber noch andere Rollen. Wer weiß das schon? Jedenfalls habe ich dich, so gut es geht, vorbereitet.“
Yetail nickte. Sie machte sich nicht so viel aus Voraussagen. Jeder musste eine Rolle spielen. Vielleicht war ihre im Nachhinein wichtiger als die anderer, doch schließlich war auch sie nur eine von vielen. Doch noch immer hatte sie Fragen. „Aber was soll ich tun? Was genau ist meine Aufgabe. Ich will den Schamanen töten, wenn ich stark genug bin. Aber welchen Weg hat Khaine bis dahin für mich vorgesehen?“
„Khaine plant nicht. Wir müssen es selbst schaffen. Denke nicht an deine Aufgabe. Geh deinen Weg und tue, was du tun musst. Töte den Schamanen und erfülle die Aufgaben, die bis dahin und anschließend vor dir liegen. Nicht einmal ich kenne den Weg, den du eingeschlagen hast.“
Dann ist alles klar. Der Drachenstein. Ich muss mir einen erschaffen. Nur damit kann ich den Ork besiegen. Und er ist mein Ziel.
„Verzeiht mir meine Fragen, Erlais, aber eines lässt mir keine Ruhe. Ihr sagtet oft, Khaine hätte Euch die Gabe der Voraussicht geschenkt. Doch was war das andere?“
Zuerst bekam sie keine Antwort. Sie überlegte, ob die Erlais beleidigt hatte mit ihrer Aufdringlichkeit. Im grünlichen Hexenlicht blickte die Erzzauberin auf Wasser und schien zu grübeln. Als Yetail schon dachte, sie würde nicht mehr sprechen, drehte Erlais sich zu ihr um. Sie legte ihre Hände auf Yetails Schultern und blickte ihr in die Augen. Offenbar nervös, ließ sie erst die Hände fallen und senkte dann den Blick. Ihre Stimme verklang beinahe in der gewaltigen Höhle.
„Dich.“ Yetail hatte sie kaum verstanden, so leise hatte sie gesprochen. „Wie meint Ihr?“
Erlais holte noch einmal tief Luft und sprach dann kräftiger. „Es ist an der Zeit, dass du es erfährst. Du bist das andere Geschenk. Und die andere Aufgabe. Khaine sorgte dafür, dass ich einem Mann begegnete. Einem Fremden aus einer anderen Stadt. Mehr weiß ich nicht. Wir haben fast eine Woche zusammen verbracht. Es war Liebe. Ich hätte es nicht für möglich gehalten. Als ich schwanger wurde, fürchtete ich die Strafe Khaines, denn wir sollen den Hexenkönig als unseren einzigen Gemahl ansehen, wie du weißt. Doch Khaine verzieh mir. Und er gab uns eine Aufgabe. Ich kehre nicht in das Kloster zurück, sondern wanderte mit ihm durch das Land. Es war eine Erfahrung, die uns beiden viel Wissen beigebracht hat. Der blutige Gott schenkte mir die Gabe der Voraussicht und das Wissen, dass nötig war, um unsere Aufgabe zu beenden.
Dann war es soweit. Ich gebar zwei Kinder. Ein Junge und ein Mädchen. Es war die Stunde des Abschieds. Niemand durfte von unserer Liebe erfahren. Wir kehrten beide in unsere Städte zurück. Doch wir schwörten uns, einander nicht zu vergessen und in Khaines Hallen wieder vereint zu werden. Jeder von uns nahm eines der Kinder mit, um unsere Aufgabe zu erfüllen.“ Sie holte abermals tief Luft. „Ich bin deine Mutter, Yetail. Deshalb habe ich all das für dich getan und dich in Khaines Namen ausgebildet.“
Die Offenbarung traf die junge Hexe wie ein Schlag. Und danach brach die Hölle über sie herein.
 
Zuletzt bearbeitet:
ich finde die geschichte jetzt schon super, obwohl ich nur das erste (das mit der rüstung, die sisrall auf die haut geschmiedet wird!) kapitel gelesen habe. es kann deswegen sein, dass meine kritik unbegründet ist, dennoch
gibt es 2 sachen, die mir etwas negativ auffallen:
- ich finde es sind zu viele wichtige charaktere, für nur eine geschichte. ich würde dabei den überblick verlieren.

-sisrall hat mMn ZU VIEL drauf (zaubern, "henkern", meucheln). ein bisschen weniger elitär fände ich in ordnung.

trotzdem ein sehr gelungenes werk. du hast echt talent!
 
ich finde die geschichte jetzt schon super, obwohl ich nur das erste (das mit der rüstung, die sisrall auf die haut geschmiedet wird!) kapitel gelesen habe.

freut mich, dass es noch einen neuen Leser gibt. Lies ruhig mal weiter.

ich finde es sind zu viele wichtige charaktere, für nur eine geschichte. ich würde dabei den überblick verlieren.
das sieht nur so aus. Es kommen ja nicht alle aktiv vor. Also ich schreibe nur aus der Sicht einiger weniger und meist so, dass man weiß, wer das war. Die anderen werden nur aus der Sicht dieser Chars beschrieben. Deshalb geht es eigentlich. (achja: manche sterben auch)
sisrall hat mMn ZU VIEL drauf (zaubern, "henkern", meucheln). ein bisschen weniger elitär fände ich in ordnung.
vielleicht hab ich das am Anfang wirklich etwas übertrieben dargestellt. Wenn du weiter liest, wirst du merken, dass er nur wirklicht ganz selten mal zaubert und ansonsten ist er halt ein guter Kämpfer und Schleicher, aber das wars auch schon. Es ist nun nicht so, dass er da laufend irgendwelche Leute totzaubert. Aber ich würd sagen: lies weiter und entscheide selbst.
Ich bin immer offen für Kritik.
 
Einen kritickpunkt hätt ich noch und zwar die Anrede "Mylady“. Das hört sich so bretonisch an, ich finde Meisterin irgendwie besser.

Ja du hast Recht, aber Erlais wollte ja nicht mehr mit "Meisterin" angesprochen werden, weil Yetail ja keine Novizin mehr ist. Deshalb dachte ich an Mylady. Ich werd ganz einfach Erlais draus machen. Danke für den Hinweis.

Es wird dann hoffentlich auch bald weitergehen.
 
So es geht weiter. Kommentare sind gern gesehen.

Beobachtungen

Ghrond; Naggaroth
2567 IC; 8.Neumond

Die mächtigen, klauenbesetzten Pranken der Kampfechse rutschten über den feuchten Boden, als sie schlitternd zum Stillstand kam. Ohne über die Schulter zu blicken, wusste Riflis, dass es ihm die übrigen Reiter gleichtaten. Der Anblick war einfach erschlagend. Der Schwarze Gardist war vor vielen Jahren einmal in Ghrond gewesen. Er erinnerte sich an eine lebendige, gut verteidigte Stadt im eisigen Norden des Frostlandes. Sie lag noch weit südlich der Grenze zur ewigen Eiswüste, aber selbst hier lag manchmal schon im Herbst Schnee. Zurzeit allerdings waren die Temperaturen ganz angenehm. In der Nacht hatte es stark geregnet, doch den Reitern waren Niederschläge im Moment egal. Alle Blicke galten der Ruine vor ihnen. Von Ghrond, dem mächtigen Nordturm, war nicht mehr viel übrig. Die weite Mauer lag in Trümmern und selbst nach zwei Wochen stiegen noch schwächliche Rauchfahnen zwischen den Steinen empor, die einst Häuser gebildet hatten. Von den mächtigen Türmen, die das Bild der Stadt geprägt hatten, ragten nur noch geschwärzte und gesplitterte Stümpfe in den wolkenbehangenen Himmel.
Und dann waren da die Leichen. Riflis hatte schon auf mehreren Schlachtfeldern gestanden; er hatte Freunde und Kameraden verloren und mehr als nur einmal war er knapp mit dem Leben davon gekommen. Er war an den Anblick von Leichen gewöhnt. Doch dem Chaos gelang es, den Gardisten zu entsetzen. Sie hatten die Zeit, die seit der Schlacht vergangen war, genutzt. In drei Kreisen, deren Regelmäßigkeit allein schon angsteinflößend war, waren die Leichen tausender Druchii aufgestellt worden. Die Chaosdiener hatten Stöcke, vielleicht auch Waffen, in die Erde gerammt und dann die Leichen daran aufgehängt. Sie hatten die Köpfe auf die Spitzen der Ständer gespießt, sodass die Körper im Wind schaukelten. Oftmals sah Riflis, dass den Toten ihre Gliedmaßen zu Füßen gelegt worden waren.
Anhand der Kleidung erkannte der Gardist sie als Stadtwachen, Tempelkrieger und vereinzelt Magierinnen, die bei den arkanen Auseinandersetzungen nicht zerrissen worden waren. Zivilisten sah er kaum. Entweder hatten die Chaoskrieger beschlossen, sie seien die Mühe nicht wert, oder die Stadtwache, die nach Naggarond gekommen war, hatte Recht gehabt. Riflis atmete tief durch. Ganz schwach konnte er den Gestank der Verwesung wahrnehmen und er war dankbar für die große Entfernung zu den Kreisen der Toten.
Sie hatten eine Aufgabe. Sie sollten herausfinden, was das Chaosheer trieb und was mit den Fliehenden geschehen war. Die erste Frage war recht leicht zu beantworten. Durch die gigantischen Lücken, die in der Außenmauer Ghronds klafften, warn deutlich Chaoskrieger und Dämonen zu sehen, die sich dort bewegten. Auch auf den Überresten des Wehrgangs hielten sie Wache. Es sah so aus, als hätten sie den Nordturm noch nicht verlassen. Sie würden rausfinden müssen, weshalb und wie lange noch. Doch erst einmal gab es wichtigeres.
Er wendete seinen Nauglir mit Tritten in die Flanken. Seine Begleiter lösten ihren Blick ebenfalls von der Stadt und blickten ihn erwartungsvoll an. Es waren sieben gute Krieger. Jeder von ihnen war mit einer Armbrust und zwei Schwertern bewaffnet. Ihre Rüstung bestand aus dünnen Platten, die durch ein Kettenhemd darunter verstärkt wurden. Wenn sie sich gut machten, würden sie eines Tages in die Schwarze Garde aufgenommen werden. Doch bis dahin dienten sie ihm.
„So Männer. Wir haben einen ersten Blick auf die Stadt geworfen. Wie es aussieht, sind diese Ketzer noch immer hier und vertreiben sich die Zeit, indem sie die Stadt demolieren und die Leichen unserer Leute schänden. Glaubt mir; ich will nichts mehr, als dort hinunter und jedem von ihnen den Hals umdrehen. Aber wir haben andere Aufgaben. Wir werden uns einen Platz suchen, wo wir die nächsten Tage ausharren können. Aber wenn wir dort ein paar einzelne Chaosdiener finden…“
Er musste nicht zu Ende sprechen. Die Krieger waren genauso begierig darauf, Ketzer zu töten, wie er. Er war schon immer sehr eifrig gewesen, wenn es ums Kämpfen ging. Und er musste sich zwingen, nachzudenken, statt einfach drauf los zu stürmen. Dafür beneidete er seinen Bruder Korlif. Der war schon immer der ruhigere von ihnen gewesen. Er dachte sorgfältig nach, bevor er etwas tat, das er hinterher bereuen könnte. Sein Kampfstil war ruhiger und eleganter als der Riflis‘, konnte sich mit dessen Leistungen aber nicht ganz messen. Riflis war einfach der bessere Kämpfer, obwohl er nicht den Fehler machen würde, seinen Bruder zu unterschätzen. Zusammen waren sie wirklich gut und der Gardist wünschte sich, Korlif hier zu haben. Doch er musste allein zu Recht kommen. Es konnte ja wohl nicht so schwer werden und vielleicht würde es sogar eine Gelegenheit zum Kampf geben.
Riflis achtete sorgfältig darauf, von der Stadt aus nicht gesehen zu werden, während er die Reiter nach Westen führte. Dort gab es einen dichten Wald, in dem sie würden lagern können. Die mächtigen Pranken der Nauglir trommelten über den Boden und er konnte ihre Muskeln, fest wie Stahlseile, an seinen Beinen fühlen. Er hoffte, die Kampfechsen würden nicht zu viel Lärm erzeugen, doch offenbar blieben sie unentdeckt.
Als sie den Waldrand erreichten, stoppten die Reiter ihre Echsen und stiegen mehr oder weniger elegant von den Rücken der großen Tiere. Im Wald war es besser, die Nauglir am Zügel zu führen, obwohl kein Elf die Kraft hatte, die Nauglir wirklich durch Ziehen zu kontrollieren. Aber gewöhnlich ließen sich die stupiden Kampfechsen leicht führen. Also ging Riflis mit einigen raschen Schritten vor die Schnauze des Tieres und blickte ihm in die rubinroten Augen. Dabei legte er ihm die Hand auf die geschuppte Stirn. Nach ein paar Augenblicken bangen Wartens schloss der Nauglir die Augen und akzeptierte ihn somit.
Riflis atmete auf. Es war immer ein Risiko, mit den Kampfechsen zu ziehen. Sie waren kräftig und ausdauert, aber dumm. Im Kampf waren sie gefährliche Gegner, aber wenn ihre kleinen Gehirne zu dem Schluss kamen, der Druchii auf ihrem Rücken könnte schmackhaft sein, wurden sie auch schon mal zu Feinden ihrer Reiter. Deshalb reiben sich die Nauglir-Reiter seit Jahrtausenden mit dem Schleim der Bestien ein, um durch den Geruch als einer des Rudels aufzutreten. Doch wenn man sie am Zügel führte, waren manchmal Prüfungen angebracht, ob das Tier den Reiter akzeptierte. Sonst könnte es feststellen, dass der Führer zwar wie einer der seinen roch, aber ganz anders aussah. Auf dem Rücken der Tiere machte das nichts, weil sie dort nicht hinsehen konnten, aber um sie am Zügel zu führen, mussten die Krieger in den Sichtbereich der Echsen.
Als alle Ritter von ihren Tieren akzeptiert worden waren, packten sie die dicken Lederriemen und schritten ins Dickicht der Bäume. Die Nauglir folgten ihnen und bahnten sich gewalttätig ihren Weg durch Gestrüpp und kleine Büsche. Einer der anderen Reiter hatte einen schmalen Pfad entdeckt, der auch von Tieren stammen konnte und sie folgten ihm. Während die Schatten um sie herum dichter wurden, hatte Riflis das Gefühl, beobachtet zu werden.
Und tatsächlich dauerte es nicht einmal fünf Minuten, bevor der vorderste Reiter stehen blieb und sein Schwert zog. Riflis drückte die Zügel seines Nauglir einen anderen Mann in die Hand und stürmte zur Spitze der kleinen Schar. Er wollte wissen, was los war. Im Lauf zog er beide Schwerter, die im düsteren Licht, das durch das Blätterdach fiel, matt glänzten. Der erste Krieger stand noch immer an seinem Platz, das Schwert in der Hand. Riflis blieb neben ihm stehen und sah, was den Mann beunruhigt hatte.
Vor ihnen auf dem schmalen Pfad stand eine Gestalt in schwarzgrünem Umhang, das Gesicht unter der Kapuze verborgen und zielte mit einer Armbrust auf sie. Riflis wäre am liebsten losgestürmt und hätte den Angreifer zerhackt, doch er wusste, dass es Wahnsinn war. Er überlegte, was Korlif in dieser Situation getan hätte. Er steckte seine Schwerter zurück in die Scheiden und drückte dann auch das des Kriegers neben ihm nach unten. Die fremde Gestalt senkte ebenfalls die Waffe, war aber nicht bereit, sie aus der Hand zu nehmen. Als Riflis einen Schritt vortrat, kam die Armbrust wieder in die Höhe und zeigte direkt auf sein Herz.
Er blieb stehen und zeigte seine leeren Handflächen als Zeichen friedlicher Absicht. Er hasste so etwas. Ein Gardist war ausgebildet, zu kämpfen, nicht zu verhandeln. Aber er bemühte sich, freundlich zu klingen. „Wir wollen Euch nichts tun. Wir kommen aus Naggarond, um zu überprüfen, was das Chaosheer tut.“
Die Gestalt zeigte keine Regung. „Warum schickt der Hexenkönig sieben Echsenreiter gegen eine ganze besetzte Stadt? Was wollt ihr hier?“
„Die Heere des Frostlandes sammeln sich, aber sie brauchen Zeit. Wir sollen den Feind beobachten und herausfinden, was mit den Zivilisten geschah.“ Er hoffte, nicht zu viel preisgegeben zu haben. Wenn das dort ein Chaosspitzel war, dann würden ihre Feinde die Zeit nutzen, solange sich die Heere noch sammelten. Ein tiefes Seufzen, das nach Erschöpfung klang, drang aus den Tiefen der Kapuze. Die Armbrust deutete wieder zu Boden.
„Ich gehe das Risiko ein. Ihr tragt die Rüstung der schwarzen Garde und reitet auf Nauglir. Beides könnt Ihr nicht aus Ghrond bekommen haben. Ich glaube Euch.“ Er warf die Kapuze zurück. Darunter kam ein ausgemerkeltes, von tiefen Falten durchzogenes Gesicht zum Vorschein. Vor der Schlacht mochte dieser Mann ein bedeutender Krieger gewesen sein, jetzt verreiten nur noch die hellblauen Augen seine Kraft. „Ich bin Merlan. Noch vor zwei Wochen war ich Assassine des Khainetempels. Ich bin einer der Wächter hier, die das Chaosheer beobachten und darauf warten, den Zivilisten die Nachricht zu bringen, dass Ghrond wieder besetzt werden kann. Doch nun kommt, ich werde Euch zu den anderen bringen und dann erfahrt Ihr, was in den letzten zwei Wochen geschehen ist.“
Er drehte sich um und ging, die Armbrust noch immer in der Hand, den Weg entlang. Riflis nahm die Zügel seines Nauglir wieder selbst und ließ den kleinen Trupp dem erschöpften Assassinen folgen. Es sah so aus, als wären sie hier nicht ganz allein.

Hag Graef; Naggaroth
2567 IC; 8. Zunehmender Mond

Nerglot war zufrieden. Die Größe der der Streitmacht aus Untoten, die ihm folgte, hatte sich fast verdreifacht. Obwohl es fast die Grenzen seiner Kraft erreichte, die ganzen Diener am Unleben zu erhalten, war er Asaph dankbar für dieses Geschenk. Er kannte die Macht des Chaoshexers und wusste, dass er sich ganz bestimmt einer riesigen Armee angeschlossen hatte. Er würde sich also den Weg frei kämpfen müssen, um seinen Feind zu erreichen. Da war jede Unterstützung recht. Mit dieser Streitmacht würde er es schaffen. Doch es wurde Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen. Zwar war die Sonne hinter dicken Wolken verschwunden, die er beschworen hatte, doch seine Haut reagierte langsam empfindlich auf das Licht und die Wärme. Auch kostete ihn jeder Skelettkrieger und jeder Zombie, den er wiederbelebt hatte, zusätzlich Kraft. Desto schneller er es vollbrachte, desto besser. Sonst wäre er am Ende noch zu geschwächt, um gegen Ephingis zu bestehen.
Also riss der Schüler des Nagash seinen Klingenstab in die Luft und befahl den Aufbruch. Die Untoten sammelten sich und schritten langsam nach Westen. Sie waren nicht schnell, doch unermüdlich und nach mehreren Stunden war Hag Graef hinter ihnen nicht mehr zu sehen. Während sich die Untoten mühsam einen Weg durch einen dichten Wald bahnten, war Nerglot ein Stück voraus gegangen. Er stand auf einem Hügel und blickte nach Nordwesten. Dort in der Ferne konnte er fünf Reiter ausmachen, die sich auf Kampfechsen näherten. Sie waren noch weit entfernt, doch die roten Augen des Nekromanten konnten erkennen, dass der vorderste die typische Rüstung der Schwarzen Garde trug. Sie kamen also aus Naggarond. Wahrscheinlich, um herauszufinden, was mit Hag Graef geschehen war. Der Untote fasste einen Entschluss, mit dem er seine Pläne vereinfachen konnte.
Während seine Diener aus dem Wald traten und sich um ihn formierten, überdachte Nerglot seine nächsten Schritte. Zuerst würde er auf die Ankunft der Reiter warten.
 
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Beobachtungen

Ghrond; Naggaroth
2567 IC; 8.Neumond

Die mächtigen, klauenbesetzten Pranken der Kampfechse rutschten über den feuchten Boden, als sie schlitternd zum Stillstand kam. Ohne über die Schulter zu blicken, wusste Riflis, dass es ihm die übrigen Reiter gleichtaten. Der Anblick war einfach erschlagend. Der Schwarze Gardist war vor vielen Jahren einmal in Ghrond gewesen. Er erinnerte sich an eine lebendige, gut verteidigte Stadt im eisigen Norden des Frostlandes. Sie lag noch weit südlich der Grenze zur ewigen Eiswüste, aber selbst hier lag manchmal schon im Herbst Schnee. Zurzeit allerdings waren die Temperaturen ganz angenehm. In der Nacht hatte es stark geregnet, doch den Reitern waren Niederschläge im Moment egal. Alle Blicke galten der Ruine vor ihnen. Von Ghrond, dem mächtigen Nordturm, war nicht mehr viel übrig. Die weite Mauer lag in Trümmern und selbst nach zwei Wochen stiegen noch schwächliche Rauchfahnen zwischen den Steinen empor, die einst Häuser gebildet hatten. Von den mächtigen Türmen, die das Bild der Stadt geprägt hatten, ragten nur noch geschwärzte und gesplitterte Stümpfe in den wolkenbehangenen Himmel.
Und dann waren da die Leichen. Riflis hatte schon auf mehreren Schlachtfeldern gestanden; er hatte Freunde und Kameraden verloren und mehr als nur einmal war er knapp mit dem Leben davon gekommen. Er war an den Anblick von Leichen gewöhnt. Doch dem Chaos gelang es, den Gardisten zu entsetzen. Sie hatten die Zeit, die seit der Schlacht vergangen war, genutzt. In drei Kreisen, deren Regelmäßigkeit allein schon angsteinflößend war, waren die Leichen tausender Druchii aufgestellt worden. Die Chaosdiener hatten Stöcke, vielleicht auch Waffen, in die Erde gerammt und dann die Leichen daran aufgehängt. Sie hatten die Köpfe auf die Spitzen der Ständer gespießt, sodass die Körper im Wind schaukelten. Oftmals sah Riflis, dass den Toten ihre Gliedmaßen zu Füßen gelegt worden waren.
Anhand der Kleidung erkannte der Gardist sie als Stadtwachen, Tempelkrieger und vereinzelt Magierinnen, die bei den arkanen Auseinandersetzungen nicht zerrissen worden waren. Zivilisten sah er kaum. Entweder hatten die Chaoskrieger beschlossen, sie seien die Mühe nicht wert, oder die Stadtwache, die nach Naggarond gekommen war, hatte Recht gehabt. Riflis atmete tief durch. Ganz schwach konnte er den Gestank der Verwesung wahrnehmen und er war dankbar für die große Entfernung zu den Kreisen der Toten.
Sie hatten eine Aufgabe. Sie sollten herausfinden, was das Chaosheer trieb und was mit den Fliehenden geschehen war. Die erste Frage war recht leicht zu beantworten. Durch die gigantischen Lücken, die in der Außenmauer Ghronds klafften, warn deutlich Chaoskrieger und Dämonen zu sehen, die sich dort bewegten. Auch auf den Überresten des Wehrgangs hielten sie Wache. Es sah so aus, als hätten sie den Nordturm noch nicht verlassen. Sie würden rausfinden müssen, weshalb und wie lange noch. Doch erst einmal gab es wichtigeres.
Er wendete seinen Nauglir mit Tritten in die Flanken. Seine Begleiter lösten ihren Blick ebenfalls von der Stadt und blickten ihn erwartungsvoll an. Es waren sieben gute Krieger. Jeder von ihnen war mit einer Armbrust und zwei Schwertern bewaffnet. Ihre Rüstung bestand aus dünnen Platten, die durch ein Kettenhemd darunter verstärkt wurden. Wenn sie sich gut machten, würden sie eines Tages in die Schwarze Garde aufgenommen werden. Doch bis dahin dienten sie ihm.
„So Männer. Wir haben einen ersten Blick auf die Stadt geworfen. Wie es aussieht, sind diese Ketzer noch immer hier und vertreiben sich die Zeit, indem sie die Stadt demolieren und die Leichen unserer Leute schänden. Glaubt mir; ich will nichts mehr, als dort hinunter und jedem von ihnen den Hals umdrehen. Aber wir haben andere Aufgaben. Wir werden uns einen Platz suchen, wo wir die nächsten Tage ausharren können. Aber wenn wir dort ein paar einzelne Chaosdiener finden…“
Er musste nicht zu Ende sprechen. Die Krieger waren genauso begierig darauf, Ketzer zu töten, wie er. Er war schon immer sehr eifrig gewesen, wenn es ums Kämpfen ging. Und er musste sich zwingen, nachzudenken, statt einfach drauf los zu stürmen. Dafür beneidete er seinen Bruder Korlif. Der war schon immer der ruhigere von ihnen gewesen. Er dachte sorgfältig nach, bevor er etwas tat, das er hinterher bereuen könnte. Sein Kampfstil war ruhiger und eleganter als der Riflis‘, konnte sich mit dessen Leistungen aber nicht ganz messen. Riflis war einfach der bessere Kämpfer, obwohl er nicht den Fehler machen würde, seinen Bruder zu unterschätzen. Zusammen waren sie wirklich gut und der Gardist wünschte sich, Korlif hier zu haben. Doch er musste allein zu Recht kommen. Es konnte ja wohl nicht so schwer werden und vielleicht würde es sogar eine Gelegenheit zum Kampf geben.
Riflis achtete sorgfältig darauf, von der Stadt aus nicht gesehen zu werden, während er die Reiter nach Westen führte. Dort gab es einen dichten Wald, in dem sie würden lagern können. Die mächtigen Pranken der Nauglir trommelten über den Boden und er konnte ihre Muskeln, fest wie Stahlseile, an seinen Beinen fühlen. Er hoffte, die Kampfechsen würden nicht zu viel Lärm erzeugen, doch offenbar blieben sie unentdeckt.
Als sie den Waldrand erreichten, stoppten die Reiter ihre Echsen und stiegen mehr oder weniger elegant von den Rücken der großen Tiere. Im Wald war es besser, die Nauglir am Zügel zu führen, obwohl kein Elf die Kraft hatte, die Nauglir wirklich durch Ziehen zu kontrollieren. Aber gewöhnlich ließen sich die stupiden Kampfechsen leicht führen. Also ging Riflis mit einigen raschen Schritten vor die Schnauze des Tieres und blickte ihm in die rubinroten Augen. Dabei legte er ihm die Hand auf die geschuppte Stirn. Nach ein paar Augenblicken bangen Wartens schloss der Nauglir die Augen und akzeptierte ihn somit.
Riflis atmete auf. Es war immer ein Risiko, mit den Kampfechsen zu ziehen. Sie waren kräftig und ausdauert, aber dumm. Im Kampf waren sie gefährliche Gegner, aber wenn ihre kleinen Gehirne zu dem Schluss kamen, der Druchii auf ihrem Rücken könnte schmackhaft sein, wurden sie auch schon mal zu Feinden ihrer Reiter. Deshalb reiben sich die Nauglir-Reiter seit Jahrtausenden mit dem Schleim der Bestien ein, um durch den Geruch als einer des Rudels aufzutreten. Doch wenn man sie am Zügel führte, waren manchmal Prüfungen angebracht, ob das Tier den Reiter akzeptierte. Sonst könnte es feststellen, dass der Führer zwar wie einer der seinen roch, aber ganz anders aussah. Auf dem Rücken der Tiere machte das nichts, weil sie dort nicht hinsehen konnten, aber um sie am Zügel zu führen, mussten die Krieger in den Sichtbereich der Echsen.
Als alle Ritter von ihren Tieren akzeptiert worden waren, packten sie die dicken Lederriemen und schritten ins Dickicht der Bäume. Die Nauglir folgten ihnen und bahnten sich gewalttätig ihren Weg durch Gestrüpp und kleine Büsche. Einer der anderen Reiter hatte einen schmalen Pfad entdeckt, der auch von Tieren stammen konnte und sie folgten ihm. Während die Schatten um sie herum dichter wurden, hatte Riflis das Gefühl, beobachtet zu werden.
Und tatsächlich dauerte es nicht einmal fünf Minuten, bevor der vorderste Reiter stehen blieb und sein Schwert zog. Riflis drückte die Zügel seines Nauglir einen anderen Mann in die Hand und stürmte zur Spitze der kleinen Schar. Er wollte wissen, was los war. Im Lauf zog er beide Schwerter, die im düsteren Licht, das durch das Blätterdach fiel, matt glänzten. Der erste Krieger stand noch immer an seinem Platz, das Schwert in der Hand. Riflis blieb neben ihm stehen und sah, was den Mann beunruhigt hatte.
Vor ihnen auf dem schmalen Pfad stand eine Gestalt in schwarzgrünem Umhang, das Gesicht unter der Kapuze verborgen und zielte mit einer Armbrust auf sie. Riflis wäre am liebsten losgestürmt und hätte den Angreifer zerhackt, doch er wusste, dass es Wahnsinn war. Er überlegte, was Korlif in dieser Situation getan hätte. Er steckte seine Schwerter zurück in die Scheiden und drückte dann auch das des Kriegers neben ihm nach unten. Die fremde Gestalt senkte ebenfalls die Waffe, war aber nicht bereit, sie aus der Hand zu nehmen. Als Riflis einen Schritt vortrat, kam die Armbrust wieder in die Höhe und zeigte direkt auf sein Herz.
Er blieb stehen und zeigte seine leeren Handflächen als Zeichen friedlicher Absicht. Er hasste so etwas. Ein Gardist war ausgebildet, zu kämpfen, nicht zu verhandeln. Aber er bemühte sich, freundlich zu klingen. „Wir wollen Euch nichts tun. Wir kommen aus Naggarond, um zu überprüfen, was das Chaosheer tut.“
Die Gestalt zeigte keine Regung. „Warum schickt der Hexenkönig sieben Echsenreiter gegen eine ganze besetzte Stadt? Was wollt ihr hier?“
„Die Heere des Frostlandes sammeln sich, aber sie brauchen Zeit. Wir sollen den Feind beobachten und herausfinden, was mit den Zivilisten geschah.“ Er hoffte, nicht zu viel preisgegeben zu haben. Wenn das dort ein Chaosspitzel war, dann würden ihre Feinde die Zeit nutzen, solange sich die Heere noch sammelten. Ein tiefes Seufzen, das nach Erschöpfung klang, drang aus den Tiefen der Kapuze. Die Armbrust deutete wieder zu Boden.
„Ich gehe das Risiko ein. Ihr tragt die Rüstung der schwarzen Garde und reitet auf Nauglir. Beides könnt Ihr nicht aus Ghrond bekommen haben. Ich glaube Euch.“ Er warf die Kapuze zurück. Darunter kam ein ausgemerkeltes, von tiefen Falten durchzogenes Gesicht zum Vorschein. Vor der Schlacht mochte dieser Mann ein bedeutender Krieger gewesen sein, jetzt verreiten nur noch die hellblauen Augen seine Kraft. „Ich bin Merlan. Noch vor zwei Wochen war ich Assassine des Khainetempels. Ich bin einer der Wächter hier, die das Chaosheer beobachten und darauf warten, den Zivilisten die Nachricht zu bringen, dass Ghrond wieder besetzt werden kann. Doch nun kommt, ich werde Euch zu den anderen bringen und dann erfahrt Ihr, was in den letzten zwei Wochen geschehen ist.“
Er drehte sich um und ging, die Armbrust noch immer in der Hand, den Weg entlang. Riflis nahm die Zügel seines Nauglir wieder selbst und ließ den kleinen Trupp dem erschöpften Assassinen folgen. Es sah so aus, als wären sie hier nicht ganz allein.

Hag Graef; Naggaroth
2567 IC; 8. Zunehmender Mond

Nerglot war zufrieden. Die Größe der der Streitmacht aus Untoten, die ihm folgte, hatte sich fast verdreifacht. Obwohl es fast die Grenzen seiner Kraft erreichte, die ganzen Diener am Unleben zu erhalten, war er Asaph dankbar für dieses Geschenk. Er kannte die Macht des Chaoshexers und wusste, dass er sich ganz bestimmt einer riesigen Armee angeschlossen hatte. Er würde sich also den Weg frei kämpfen müssen, um seinen Feind zu erreichen. Da war jede Unterstützung recht. Mit dieser Streitmacht würde er es schaffen. Doch es wurde Zeit, sich wieder auf den Weg zu machen. Zwar war die Sonne hinter dicken Wolken verschwunden, die er beschworen hatte, doch seine Haut reagierte langsam empfindlich auf das Licht und die Wärme. Auch kostete ihn jeder Skelettkrieger und jeder Zombie, den er wiederbelebt hatte, zusätzlich Kraft. Desto schneller er es vollbrachte, desto besser. Sonst wäre er am Ende noch zu geschwächt, um gegen Ephingis zu bestehen.
Also riss der Schüler des Nagash seinen Klingenstab in die Luft und befahl den Aufbruch. Die Untoten sammelten sich und schritten langsam nach Westen. Sie waren nicht schnell, doch unermüdlich und nach mehreren Stunden war Hag Graef hinter ihnen nicht mehr zu sehen. Während sich die Untoten mühsam einen Weg durch einen dichten Wald bahnten, war Nerglot ein Stück voraus gegangen. Er stand auf einem Hügel und blickte nach Nordwesten. Dort in der Ferne konnte er fünf Reiter ausmachen, die sich auf Kampfechsen näherten. Sie waren noch weit entfernt, doch die roten Augen des Nekromanten konnten erkennen, dass der vorderste die typische Rüstung der Schwarzen Garde trug. Sie kamen also aus Naggarond. Wahrscheinlich, um herauszufinden, was mit Hag Graef geschehen war. Der Untote fasste einen Entschluss, mit dem er seine Pläne vereinfachen konnte.
Während seine Diener aus dem Wald traten und sich um ihn formierten, überdachte Nerglot seine nächsten Schritte. Zuerst würde er auf die Ankunft der Reiter warten.
 
Jo stimmt. Naja.

Ja, ich versuche, schneller zu posten, aber bei so wenig Resonanz... eigentlich wollte ich immer warten, bis ein paar Antworten kommen, aber irgendwie bist du der einzige, der regelmäßig liest und schreibt.

Ich hoffe, m.Calgar kommt bald mal wieder mit seinem Rechner zu Rande, damit er wieder antworten kann. und yinx wollte doch eigentlich auch regelmäßig lesen. Wo ist der eigentlich!?

So es geht bald weiter. Ich muss mir nur mal überlegen, was im nächsten Teil eigentlich passieren soll😛

Edit: es ist schön, dass du regelmäßig und schnell antwortest flix, aber ich würde mich freuen, wenn du wenigstens ein bisschen mehr sagen würdest. Was dir besonders gut gefällt, oder was dir nicht gefällt. Es ist zwar schön, zu hören, dass die Geschichte schön ist, aber so richtig konstrucktiv ist das nicht. Aber besser als gar nichts, ne?