Kriegsrat
Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8. Zunehmender Mond
Riflis konnte nicht verhindern, dass ihn Erleichterung durchströmte, als hinter einigen Hügeln die mächtigen, schwarzen Türme von Naggarond auftauchten. Noch immer quälten ihn gelegentlich die Eindrücke des Traums, der sie alle vor dem Aufbrechen des Chaosheeres heimgesucht hatte. Doch nun endlich sahen er und seine Begleiter die mächtige Festung des Hexenkönigs vor sich liegen, unversehrt und stolz.
In drei Stunden könnten wir dort sein, schätzte der Gardist die Entfernung und trieb seine Echse zu höherem Tempo an. Seine Begleiter taten es ihm gleich und bald flogen die unermüdlichen Kampfechsen geradezu über die Ebenen. Riflis blickte über die Schulter, doch selbst am Horizont gab es noch keine Spur vom Chaosheer. Obwohl Pferde wesentlich schneller gewesen wären als die Kampfechsen, hatte deren Ausdauer es dem Gardist und seinen Kriegern gestattet, fast pausenlos zu reiten und so einen großen Vorsprung zu gewinnen. Dennoch würde es nicht mehr lange dauern, bis das Chaos Naggarond erreichen würde.
Während sie ritten, kamen sie immer mehr unter die dicken, schwarzen Wolken, die über Naggarond hingen, und bald setzte ein leichter Nieselregen ein, der aber nach einer halben Stunde wieder nachließ, kurz bevor sie die Stadt erreichten. Sie näherten sich von Norden aus und hier war das Armeelager, das die Stadt beinahe wie ein Ring umschloss, am breitesten. Der Anblick der vielen tausend Krieger und Zelte machte Riflis neuen Mut, den er beim Anblick des geschändeten Ghronds verloren hatte.
Sie begegnetem einem Späher, der auf einem nahen Hügel stand und nach Norden blickte. Als der Mann den Gardisten erkannte, neigte er den Oberkörper.
„Seid Ihr diejenigen, die nach Norden aufgebrochen sind?“, fragte er. Eigentlich war es eine Respektlosigkeit für einen einfachen Krieger, einen Höhergestellten wie ein Mitglied der Schwarzen Garde derart direkt anzusprechen. Aber seine Funktion als Späher erlaubte es ihm, Fragen zu stellen, wenn sie Neuankömmlinge näherten.
„Das sind wir.“, bestätigte Riflis naher einfach nur. „Sagt mir, wo ich Silberstich finden kann!“
Der Soldat zeigte auf den Ostrand des Lagers, zuckte dann aber mit den Schultern. „Da war sie zuletzt, allerdings stehe ich schon eine Weile hier. Sucht sie lieber selbst.“
Soll ich ihm Respekt einprügeln?, fragte sich der Gardist, bevor er den Gedanken beiseite schob und seinen Nauglir in die angezeigte Richtung lenkte. Seinen Begleitern befahl er, sich bei einem Offizier zu melden und sich einteilen zu lassen. Er brauchte sie hier nicht mehr.
Kurz innerhalb der Stadtmauern fand er schließlich ein Zelt, in dem offenbar Kriegsrat gehalten wurde. Er brauchte mehrere Drohungen und Schmeicheleien, bis ihm endlich der Weg zu Silberstich gewiesen wurde, aber dann war das Zelt unübersehbar. Die Wächter vor dem Eingang nickten nur, offenbar hatten Schwarze Gardisten das Recht, den Rat zu besuchen, wenn sie es wünschten.
Riflis entgingen die zweifelnden Blicke nicht, die seiner abgestumpften Rüstung galten, beschloss aber, darüber hinwegzusehen. Um seine Ausrüstung würde er sich kümmern, sobald er Zeit dafür fand.
Also schlug der den Stoff beiseite und trag ein. Das Zelt war recht geräumig, an den Wänden standen leere Feuerschalen, zweifellos für den Einsatz nach Sonnenuntergang gedacht. Dazwischen hielten Schwarze Gardisten Wache, während Sklaven im hinteren Teil warteten und sowohl Getränke als auch Schriftrollen bereithielten. Wahrscheinlich Karten und Listen über die Armee, vermutete Riflis.
Viel interessanter aber war der zentrale Tisch, auf dem ein halbes Dutzend Karten und Pergamentblätter ausgebreitet waren. Darum standen Hochgeborene, Offiziere und auch zwei Gardisten. Den einen erkannte er als Silberstich, während der andere unter seinem Helm nicht zu erkennen war.
„Was stört Ihr den Kriegsrat? Wer seid Ihr?“, blaffte ihn einer der Hochgeborenen an. Riflis nahm seinen Helm ab, langsam, sodass sich der Adlige in Geduld üben musste. Dann blickte er in die Runde, überging dabei aber den Hochgeborenen.
„Ich bin Riflis, vor zwei Wochen vom Hexenkönig nach Ghrond gesandt, um das Chaosheer zu beobachten und Neuigkeiten über die Flüchtlinge zu sammeln.“ Nun galten ihm alle Blicke und er wandte sich an Silberstich.
„Ich bringe Nachricht aus dem Norden. Wir haben Ghrond gesehen. Es sind kaum mehr als Ruinen. Das Chaos hat die Leichen der Erschlagenen in mehreren Kreisen um die Stadt herum aufgehängt. Doch es gab noch Druchii dort. Eine kleine Gruppe Überlebender hat das Chaos beobachtet, um die Flüchtlinge zu benachrichtigen, sobald Ghrond wieder frei war. Die Zivilisten sind in acht Zügen in verschiedene Richtungen aufgebrochen.
Wir haben dort gewartet, bis das Chaosheer aufbrach und sind dann schnellstmöglich hierher geritten.“
Kurz breitete sich Stille aus, bevor Fragen auf ihn einprasselten, bis Silberstich auf den Tisch schlug.
„Ruhe! Riflis: Wer ist ihr Anführer?“
„Laut den Überlebenden ein Mann namens Drrochaal. Es ist derselbe, der während der Belagerung fast getötet wurde, aber seine perversen Götter haben ihn völlig geheilt.“
„Könnt Ihr sagen, wie viele es sind?“
„Nein. Wir haben uns auf den Weg gemacht, während sie noch aus der Stadt auszogen. Aber es müssen mindestens fünfzehntausend sein.“
„Mit einer solchen Zahl haben wir gerechnet, das ist auch nötig, um Ghrond einfach zu überrennen. Wann werden sie hier sein?“
Riflis dachte nach. Es war schwierig, das Marschtempo des Chaos abzuschätzen und in Relation mit ihrem eigenen zu setzen.
„In zwei oder drei Tagen.“, antwortete er anschließend.
„Das wäre alles. Bleibt noch, vielleicht könnt Ihr noch etwas zum Rat beitragen, das wir bisher nicht beachtet haben.“ Und dann zu allen: „Wir sollten mit dieser Zeit rechnen. Am besten mit zwei Tagen. Also: Was können wir in zwei Tagen alles aufbieten?“
Während die Hochgeborenen und die Generäle der anderen Städte ihre Truppenzahlen zusammentrugen und abschätzten, wie viele möglicherweise noch kommen würden, versuchte Riflis, zu schätzen, wie gut ihre Chancen standen.
Schließlich zog Silberstich Bilanz: „Wir haben etwa fünfunddreißigtausend Krieger, dazu viertausend Pferde und fast ebenso viele Nauglir. Es kämpfen sechs Kriegshydren und zwei Drachen für plus Malekith‘ schwarzem Drachen. Das ist alles, was Naggarond, Clar Karond, Har Ganeth und Karond Kar in der Zeit aufbieten konnten. Wir haben außerdem noch eine Flotte, aber die ist derzeit ziemlich klein, da zu viele Hochgeborene auf Plünderfahrt sind. Außerdem würde sie uns nichts nützen, da unsere Feinde über Land kommen.
Wir schätzen, dass das Chaos über etwa dreißigtausend Soldaten verfügt, vielleicht weniger. Sie werden vermutlich von Dämonen begleitet, die den Vorteil unserer Bestien ausgleichen können. Auch müssen wir davon ausgehen, dass ihre Schamanen unseren Magierinnen mehr oder weniger ebenbürtig sein dürften. Stimmen Eure Beobachtungen damit überein?“, fragte sie an Riflis gewandt. Der nickte. Das sieht doch wirklich gut aus. Wir haben vermutlich mehr Krieger und außerdem noch die Stadt.
„Damit stehen wir unserem nördlichen Feind ganz gut gegenüber.“, fuhr Silberstich fort und etwas in Riflis verkrampfte sich. Unserem nördlichen Feind? Gibt es denn noch einen? Und weshalb schickt Hag Graef keine Truppen?
„Seit die Orks Hag Graef verlassen haben, fehlt jede Spur von ihnen, aber es wurde uns berichtet, dass sie nach Südwesten gezogen sind. Wir erwarten ihren Angriff daher von Süden. Wann, das können wir nicht sagen. Vermutlich verfügen sie nur über wenige Hexer und auch wenige Tiere, sie haben also nur ihre schiere Anzahl als Vorteil. Ihre Stärke können wir nur schätzen. Wir haben uns ja bereits darauf geeinigt, mit fünfzigtausend zu rechnen.“
Riflis schluckte. So viele. Und sie kommen ebenfalls bald. Das wird ein harter Schlag.
„Wir haben abgesehen von unseren Truppen nur noch wenige Vorteile, die wir möglichst gut ausspielen müssen. Wir haben die Stadt. Wenn es zum Schlimmsten kommt, können wir uns zurückziehen und verschanzen. Außerdem können wir dort Speerschleudern und Magierinnen platzieren, sodass sie die Krieger decken können. Und wir haben einen Verbündeten, mit dem sie hoffentlich nicht rechnen, der uns aber weitere zehntausend Soldaten liefert.“
Damit deutete sie auf die schwarzgewandte Gestalt neben dem anderen Gardisten am Tisch. Bisher hatte Riflis diese Person übersehen, doch jetzt weiteten sich seine Augen vor Überraschung. Die farblose, graue Haut und der fleischlose Körper ließen nur einen Schluss zu: das dort war ein Untoter!
Einige Hochgeborene grinsten angesichts von Riflis entsetzter Miene, also beherrschte er sich schnell wieder.
„Die einzige Ungewissheit ist das Eintreffen und das Verhalten der Orks.“, fuhr Silberstich fort. „Wenn sie nur über uns herfallen, steht uns der Untergang bevor, besonders, wenn sie gleichzeitig mit dem Chaos eintreffen. Sollten sie aber uns und das Chaosheer angreifen, dann haben wir eine reale Chance.
Damit wären wir für heute fertig. Wir haben die Aufstellung bereits besprochen, sorgt dafür, dass diese auch schnell umgesetzt werden kann und Eure Krieger bereit sind.“, schärfte sie den Generälen und Hochgeborenen noch ein, bevor sie die Versammlung auflöste.
Der Gardist neben dem Untoten kam auf Riflis zu und nahm den Helm ab. Es war Korlif. Riflis blickte seinen Bruder verwirrt an.
„Was ist geschehen, seit wir aufgebrochen sind? Und was macht ein Untoter in unserer Armee?“
Sie verließen das Zelt, wobei ihnen der Beschwörer folgte. Sofort scharrten sich drei Gardisten um ihn und geleiteten ihn aus der Stadt.
„Uns erreichte die Nachricht eines Orkangriffs auf Hag Graef. Die Stadt war gefallen. Also sandte man mich mit einigen Kriegern aus, um die Orks zu beobachten. Doch wir kamen gar nicht bis nach Hag Graef. Unterwegs begegnete uns Nerglot und schlug mir einen Pakt vor: Er würde uns seine untoten Soldaten zur Seite stellen, wenn wir ihm helfen würden, an einen der Chaoshexer heranzukommen, den er dann auch noch für uns erledigen würde. Dieser hat ihn offenbar vor tausend Jahren umgebracht. Ich hatte kaum eine Wahl, als anzunehmen und Malekith hat dem Angebot ebenfalls zugestimmt.
Seitdem warten die Untoten im Wald auf die Schlacht. Nerglot nimmt am Kriegsrat teil, damit wir ihn und seine Krieger einplanen können. Mir gefällt das auch nicht, aber wir brauchen seine Stärke, gegen beide Gegner sind wir alleine machtlos, zumal wir wohl noch einen dritten hätten, würden wir ihm unsere Unterstützung versagen.“
Riflis nickte. Ihm gefiel der Gedanke überhaupt nicht, in zwei Tagen an der Seite von Untoten zu kämpfen, aber er dachte: Besser, sie und das Chaos bringen sich gegenseitig um, statt uns zu zerhacken. Manchmal geht das Schicksal wirklich seltsame Wege.
„Und ich bin nun der Sprecher zwischen Nerglot und dem Hexenkönig beziehungsweise Silberstich. Aber nun genug erzählt. Ich habe zu tun und du solltest dir einen Posten zuweisen lassen.“
Damit wandte er sich ab und Riflis besann sich auf seine Pflichten. Es wurde tatsächlich Zeit, sich auf die kommende Schlacht vorzubereiten.
[FONT="] In zwei Tagen würde die Schlacht beginnen und dann würde sich das Schicksal der Dunkelelfen entscheiden. Riflis konnte nicht verhindern, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. [/FONT]
Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8. Zunehmender Mond
Riflis konnte nicht verhindern, dass ihn Erleichterung durchströmte, als hinter einigen Hügeln die mächtigen, schwarzen Türme von Naggarond auftauchten. Noch immer quälten ihn gelegentlich die Eindrücke des Traums, der sie alle vor dem Aufbrechen des Chaosheeres heimgesucht hatte. Doch nun endlich sahen er und seine Begleiter die mächtige Festung des Hexenkönigs vor sich liegen, unversehrt und stolz.
In drei Stunden könnten wir dort sein, schätzte der Gardist die Entfernung und trieb seine Echse zu höherem Tempo an. Seine Begleiter taten es ihm gleich und bald flogen die unermüdlichen Kampfechsen geradezu über die Ebenen. Riflis blickte über die Schulter, doch selbst am Horizont gab es noch keine Spur vom Chaosheer. Obwohl Pferde wesentlich schneller gewesen wären als die Kampfechsen, hatte deren Ausdauer es dem Gardist und seinen Kriegern gestattet, fast pausenlos zu reiten und so einen großen Vorsprung zu gewinnen. Dennoch würde es nicht mehr lange dauern, bis das Chaos Naggarond erreichen würde.
Während sie ritten, kamen sie immer mehr unter die dicken, schwarzen Wolken, die über Naggarond hingen, und bald setzte ein leichter Nieselregen ein, der aber nach einer halben Stunde wieder nachließ, kurz bevor sie die Stadt erreichten. Sie näherten sich von Norden aus und hier war das Armeelager, das die Stadt beinahe wie ein Ring umschloss, am breitesten. Der Anblick der vielen tausend Krieger und Zelte machte Riflis neuen Mut, den er beim Anblick des geschändeten Ghronds verloren hatte.
Sie begegnetem einem Späher, der auf einem nahen Hügel stand und nach Norden blickte. Als der Mann den Gardisten erkannte, neigte er den Oberkörper.
„Seid Ihr diejenigen, die nach Norden aufgebrochen sind?“, fragte er. Eigentlich war es eine Respektlosigkeit für einen einfachen Krieger, einen Höhergestellten wie ein Mitglied der Schwarzen Garde derart direkt anzusprechen. Aber seine Funktion als Späher erlaubte es ihm, Fragen zu stellen, wenn sie Neuankömmlinge näherten.
„Das sind wir.“, bestätigte Riflis naher einfach nur. „Sagt mir, wo ich Silberstich finden kann!“
Der Soldat zeigte auf den Ostrand des Lagers, zuckte dann aber mit den Schultern. „Da war sie zuletzt, allerdings stehe ich schon eine Weile hier. Sucht sie lieber selbst.“
Soll ich ihm Respekt einprügeln?, fragte sich der Gardist, bevor er den Gedanken beiseite schob und seinen Nauglir in die angezeigte Richtung lenkte. Seinen Begleitern befahl er, sich bei einem Offizier zu melden und sich einteilen zu lassen. Er brauchte sie hier nicht mehr.
Kurz innerhalb der Stadtmauern fand er schließlich ein Zelt, in dem offenbar Kriegsrat gehalten wurde. Er brauchte mehrere Drohungen und Schmeicheleien, bis ihm endlich der Weg zu Silberstich gewiesen wurde, aber dann war das Zelt unübersehbar. Die Wächter vor dem Eingang nickten nur, offenbar hatten Schwarze Gardisten das Recht, den Rat zu besuchen, wenn sie es wünschten.
Riflis entgingen die zweifelnden Blicke nicht, die seiner abgestumpften Rüstung galten, beschloss aber, darüber hinwegzusehen. Um seine Ausrüstung würde er sich kümmern, sobald er Zeit dafür fand.
Also schlug der den Stoff beiseite und trag ein. Das Zelt war recht geräumig, an den Wänden standen leere Feuerschalen, zweifellos für den Einsatz nach Sonnenuntergang gedacht. Dazwischen hielten Schwarze Gardisten Wache, während Sklaven im hinteren Teil warteten und sowohl Getränke als auch Schriftrollen bereithielten. Wahrscheinlich Karten und Listen über die Armee, vermutete Riflis.
Viel interessanter aber war der zentrale Tisch, auf dem ein halbes Dutzend Karten und Pergamentblätter ausgebreitet waren. Darum standen Hochgeborene, Offiziere und auch zwei Gardisten. Den einen erkannte er als Silberstich, während der andere unter seinem Helm nicht zu erkennen war.
„Was stört Ihr den Kriegsrat? Wer seid Ihr?“, blaffte ihn einer der Hochgeborenen an. Riflis nahm seinen Helm ab, langsam, sodass sich der Adlige in Geduld üben musste. Dann blickte er in die Runde, überging dabei aber den Hochgeborenen.
„Ich bin Riflis, vor zwei Wochen vom Hexenkönig nach Ghrond gesandt, um das Chaosheer zu beobachten und Neuigkeiten über die Flüchtlinge zu sammeln.“ Nun galten ihm alle Blicke und er wandte sich an Silberstich.
„Ich bringe Nachricht aus dem Norden. Wir haben Ghrond gesehen. Es sind kaum mehr als Ruinen. Das Chaos hat die Leichen der Erschlagenen in mehreren Kreisen um die Stadt herum aufgehängt. Doch es gab noch Druchii dort. Eine kleine Gruppe Überlebender hat das Chaos beobachtet, um die Flüchtlinge zu benachrichtigen, sobald Ghrond wieder frei war. Die Zivilisten sind in acht Zügen in verschiedene Richtungen aufgebrochen.
Wir haben dort gewartet, bis das Chaosheer aufbrach und sind dann schnellstmöglich hierher geritten.“
Kurz breitete sich Stille aus, bevor Fragen auf ihn einprasselten, bis Silberstich auf den Tisch schlug.
„Ruhe! Riflis: Wer ist ihr Anführer?“
„Laut den Überlebenden ein Mann namens Drrochaal. Es ist derselbe, der während der Belagerung fast getötet wurde, aber seine perversen Götter haben ihn völlig geheilt.“
„Könnt Ihr sagen, wie viele es sind?“
„Nein. Wir haben uns auf den Weg gemacht, während sie noch aus der Stadt auszogen. Aber es müssen mindestens fünfzehntausend sein.“
„Mit einer solchen Zahl haben wir gerechnet, das ist auch nötig, um Ghrond einfach zu überrennen. Wann werden sie hier sein?“
Riflis dachte nach. Es war schwierig, das Marschtempo des Chaos abzuschätzen und in Relation mit ihrem eigenen zu setzen.
„In zwei oder drei Tagen.“, antwortete er anschließend.
„Das wäre alles. Bleibt noch, vielleicht könnt Ihr noch etwas zum Rat beitragen, das wir bisher nicht beachtet haben.“ Und dann zu allen: „Wir sollten mit dieser Zeit rechnen. Am besten mit zwei Tagen. Also: Was können wir in zwei Tagen alles aufbieten?“
Während die Hochgeborenen und die Generäle der anderen Städte ihre Truppenzahlen zusammentrugen und abschätzten, wie viele möglicherweise noch kommen würden, versuchte Riflis, zu schätzen, wie gut ihre Chancen standen.
Schließlich zog Silberstich Bilanz: „Wir haben etwa fünfunddreißigtausend Krieger, dazu viertausend Pferde und fast ebenso viele Nauglir. Es kämpfen sechs Kriegshydren und zwei Drachen für plus Malekith‘ schwarzem Drachen. Das ist alles, was Naggarond, Clar Karond, Har Ganeth und Karond Kar in der Zeit aufbieten konnten. Wir haben außerdem noch eine Flotte, aber die ist derzeit ziemlich klein, da zu viele Hochgeborene auf Plünderfahrt sind. Außerdem würde sie uns nichts nützen, da unsere Feinde über Land kommen.
Wir schätzen, dass das Chaos über etwa dreißigtausend Soldaten verfügt, vielleicht weniger. Sie werden vermutlich von Dämonen begleitet, die den Vorteil unserer Bestien ausgleichen können. Auch müssen wir davon ausgehen, dass ihre Schamanen unseren Magierinnen mehr oder weniger ebenbürtig sein dürften. Stimmen Eure Beobachtungen damit überein?“, fragte sie an Riflis gewandt. Der nickte. Das sieht doch wirklich gut aus. Wir haben vermutlich mehr Krieger und außerdem noch die Stadt.
„Damit stehen wir unserem nördlichen Feind ganz gut gegenüber.“, fuhr Silberstich fort und etwas in Riflis verkrampfte sich. Unserem nördlichen Feind? Gibt es denn noch einen? Und weshalb schickt Hag Graef keine Truppen?
„Seit die Orks Hag Graef verlassen haben, fehlt jede Spur von ihnen, aber es wurde uns berichtet, dass sie nach Südwesten gezogen sind. Wir erwarten ihren Angriff daher von Süden. Wann, das können wir nicht sagen. Vermutlich verfügen sie nur über wenige Hexer und auch wenige Tiere, sie haben also nur ihre schiere Anzahl als Vorteil. Ihre Stärke können wir nur schätzen. Wir haben uns ja bereits darauf geeinigt, mit fünfzigtausend zu rechnen.“
Riflis schluckte. So viele. Und sie kommen ebenfalls bald. Das wird ein harter Schlag.
„Wir haben abgesehen von unseren Truppen nur noch wenige Vorteile, die wir möglichst gut ausspielen müssen. Wir haben die Stadt. Wenn es zum Schlimmsten kommt, können wir uns zurückziehen und verschanzen. Außerdem können wir dort Speerschleudern und Magierinnen platzieren, sodass sie die Krieger decken können. Und wir haben einen Verbündeten, mit dem sie hoffentlich nicht rechnen, der uns aber weitere zehntausend Soldaten liefert.“
Damit deutete sie auf die schwarzgewandte Gestalt neben dem anderen Gardisten am Tisch. Bisher hatte Riflis diese Person übersehen, doch jetzt weiteten sich seine Augen vor Überraschung. Die farblose, graue Haut und der fleischlose Körper ließen nur einen Schluss zu: das dort war ein Untoter!
Einige Hochgeborene grinsten angesichts von Riflis entsetzter Miene, also beherrschte er sich schnell wieder.
„Die einzige Ungewissheit ist das Eintreffen und das Verhalten der Orks.“, fuhr Silberstich fort. „Wenn sie nur über uns herfallen, steht uns der Untergang bevor, besonders, wenn sie gleichzeitig mit dem Chaos eintreffen. Sollten sie aber uns und das Chaosheer angreifen, dann haben wir eine reale Chance.
Damit wären wir für heute fertig. Wir haben die Aufstellung bereits besprochen, sorgt dafür, dass diese auch schnell umgesetzt werden kann und Eure Krieger bereit sind.“, schärfte sie den Generälen und Hochgeborenen noch ein, bevor sie die Versammlung auflöste.
Der Gardist neben dem Untoten kam auf Riflis zu und nahm den Helm ab. Es war Korlif. Riflis blickte seinen Bruder verwirrt an.
„Was ist geschehen, seit wir aufgebrochen sind? Und was macht ein Untoter in unserer Armee?“
Sie verließen das Zelt, wobei ihnen der Beschwörer folgte. Sofort scharrten sich drei Gardisten um ihn und geleiteten ihn aus der Stadt.
„Uns erreichte die Nachricht eines Orkangriffs auf Hag Graef. Die Stadt war gefallen. Also sandte man mich mit einigen Kriegern aus, um die Orks zu beobachten. Doch wir kamen gar nicht bis nach Hag Graef. Unterwegs begegnete uns Nerglot und schlug mir einen Pakt vor: Er würde uns seine untoten Soldaten zur Seite stellen, wenn wir ihm helfen würden, an einen der Chaoshexer heranzukommen, den er dann auch noch für uns erledigen würde. Dieser hat ihn offenbar vor tausend Jahren umgebracht. Ich hatte kaum eine Wahl, als anzunehmen und Malekith hat dem Angebot ebenfalls zugestimmt.
Seitdem warten die Untoten im Wald auf die Schlacht. Nerglot nimmt am Kriegsrat teil, damit wir ihn und seine Krieger einplanen können. Mir gefällt das auch nicht, aber wir brauchen seine Stärke, gegen beide Gegner sind wir alleine machtlos, zumal wir wohl noch einen dritten hätten, würden wir ihm unsere Unterstützung versagen.“
Riflis nickte. Ihm gefiel der Gedanke überhaupt nicht, in zwei Tagen an der Seite von Untoten zu kämpfen, aber er dachte: Besser, sie und das Chaos bringen sich gegenseitig um, statt uns zu zerhacken. Manchmal geht das Schicksal wirklich seltsame Wege.
„Und ich bin nun der Sprecher zwischen Nerglot und dem Hexenkönig beziehungsweise Silberstich. Aber nun genug erzählt. Ich habe zu tun und du solltest dir einen Posten zuweisen lassen.“
Damit wandte er sich ab und Riflis besann sich auf seine Pflichten. Es wurde tatsächlich Zeit, sich auf die kommende Schlacht vorzubereiten.
[FONT="] In zwei Tagen würde die Schlacht beginnen und dann würde sich das Schicksal der Dunkelelfen entscheiden. Riflis konnte nicht verhindern, dass ihm ein kalter Schauer über den Rücken lief. [/FONT]