So, weiter gehts. Letzte Woche bin ich immerhin doch mal wieder ein kleines Stück vorangekommen. Bin optimistisch, dass ich es irgendwann auch noch bis zum Ende schaffe. Fragt sich nur, wann 😉
Verfolgung (3/3)
„Manche Begegnungen mögen zufällig erscheinen. Doch je unwahrscheinlicher sie sind, desto eher hat das Schicksal seine Finger im Spiel. Und selbst wenn sie tatsächlich nur Zufall gewesen sein mögen, so können Zusammentreffen und Konfrontationen doch über das Schicksal Hunderter entscheiden.“
— Aus ‚Der Pfad der Druchii‘, Ularsa Schicksalsweg
Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8. Vollmond (5. Tag)
5 Stunden nach Sonnenaufgang
Yerill jauchzte vor Freude, als sie die unverkennbaren Spuren entdeckte. Ja, hier konnte nur ein Wesen entlanggekommen sein, jenes, das das goldene Licht in seiner Seele trug. Sie hatte die Spuren auf dem Boden einer Straße gefunden, die am Hexenkloster vorbeiführte. Anscheinend war die Person, wer auch immer sie war, aus dem Kloster gekommen und dann die Straße entlang gelaufen. Yerill folgte ihr, ohne zu zögern.
Sie konnte Spuren von Lebewesen im Gegensatz zu ihren Auren nur schwer entdecken, doch diese hier waren für sie wie Lichtfunken in der Dunkelheit. Sie weckten die Erinnerung an das goldene Licht und warme Vorfreude durchströmte Yerills kühlen Körper. Ja, ihre Entscheidung war richtig gewesen. Lange genug hatte sie für Nerglot gekämpft, eine Schlacht, die sie nicht interessierte. Sollte er alleine weitermachen oder untergehen, es war bedeutungslos für sie. Was sie suchte, befand sich am Ende dieser glühenden Spuren.
Yerill hatte es eilig, auch weil sie bemerkte, dass die Spuren schon etwas älter waren. Mindestens eine halbe Stunde war vergangen, seit der Lichtträger hier vorbeigekommen war. Vielleicht auch schon eine ganze Stunde. Wer konnte schon sagen, wie weit er oder sie in der Zeit gekommen war?
Deshalb rannte sie über die breiten Straßen im Zentrum von Naggarond. Das Herz der Stadt war verlassen. Die Soldaten kämpften auf der Mauer und die Bewohner der mächtigen Paläste um sie herum wagten sich nicht ins Freie. Wo jene Druchii waren, die aus den äußeren Ringen vertrieben worden waren, wusste Yerill nicht. Aber vermutlich hatte man sie in den Westteil der Stadt gebracht. Da sich die Untoten erst einmal auf das Zentrum konzentrierten, waren sie dort vergleichsweise sicher. Zumindest, solange die Verteidiger standhielten.
Eine Bewegung vor ihr riss sie aus ihren Überlegungen. Dort war jemand, hinter der nächsten Straßenecke. Lauerte er ihr auf? Yerill verfluchte sich stumm für ihre Unachtsamkeit und wickelte die lange Peitsche von ihrem Oberarm. Der Griff fühlte sich unvertraut in ihrer linken Hand an, aber sie war zuversichtlich, die Waffe einsetzen zu können. In die rechte Hand nahm sie eine ihrer vertrauten Äxte. So bewaffnet sprang sie in sicherem Abstand um die Ecke, bereit, sofort zuzuschlagen.
Doch der Druchii, den sie gesehen hatte, war bereits ein ganzes Stück entfernt. Anscheinend hatte er sie überhaupt nicht bemerkt. Er trug eine teure Rüstung, die mit Gold und Silber verziert war. Yerill bemerkte jedoch auch die zahlreichen Kratzer, Schrammen und Dellen, die das Metall überzogen. Dieser Mann war keiner von jenen Adligen, die sich in ihren Palästen verschanzten und ihre Prunkrüstungen nur als Schmuck trugen.
Doch was tat er dann hier? Suchte er vielleicht nach möglichen Verstärkungstruppen für die Mauer? Floh er vor der Schlacht? Yerill runzelte die Stirn. Sie mochte keine Feiglinge. Doch als sie seine Aura bemerkte, stutzte sie. Da war keine Panik zu erkennen. Ihn durchströmte das Rot der Führerkraft, das Blau von Wind und Wellen, ein wenig magisches Silber und ein Stich von gelbem Zweifel und brauner Furcht. Doch von letzteren war nicht mehr vorhanden, als angesichts der derzeitigen Lage normal gewesen wäre. Inmitten einer Schlacht, die sich nicht gerade zugunsten der Druchii entwickelte, waren Zweifel und Angst verständlich. Zumal er verletzt schien. Doch es war nicht genug vorhanden, um diesen Mann zur Flucht zu verleiten.
Dann jedoch schlossen sich Yerills Hände fester um die Griffe ihrer Waffen, als sie die Aura erkannte. Es war dieser Fürst gewesen, der sich damals, ganz zu Beginn der Schlacht vor das goldene Licht gestellt und ihr dessen Anblick verwehrt hatte. Damals hatte sie geschworen, ihn das bereuen zu lassen. Jetzt war diese Möglichkeit in greifbare Nähe gerückt.
Doch obgleich sie in der Lage gewesen wäre, ihn innerhalb weniger Augenblicke einzuholen, setzte Yerill ihm nur langsam nach. Ihre Neugierde war erwacht. Sie wollte noch immer wissen, was dieser Fürst hier tat, zumal er – Zufall oder nicht – die Spuren des goldenen Lichts verfolgte. Als sie ihn zum ersten Mal gesehen hatte, war er in dessen Nähe gewesen und auch jetzt folgte er dem Licht. Es schien beinahe so, als gebe es eine Verbindung zwischen den beiden.
Konnte er die leuchtenden Spuren vielleicht auch sehen? Yerill bezweifelte das. Er mochte ein Magier sein, doch die sterbliche Magie war anders gestrickt als das, was Yerills Fähigkeiten ausmachte. Vielleicht wusste er, wo das goldene Licht hingegangen war. Vielleicht war es aber auch nur Zufall.
Der Druchii zögerte kurz vor dem Tor eines gewaltigen Gebäudes, das noch über die umliegenden Paläste hinausragte. Dunkelheit lag hinter dem Portal. Als der Fürst hineintrat, folgte Yerill ihm in sicherem Abstand. Sie wollte noch nicht bemerkt werden.
Ein lautes, tierisches Brüllen drang an ihre feinen Ohren und sie drückte sich an die Wand des Torbogens. Das Geräusch war ein ganzes Stück aus dem Inneren des Gebäudes gekommen. Vorsichtiger schlich sie weiter, jederzeit auf eine Bedrohung gefasst. Ihre Augen gewöhnten sich schnell an die Dunkelheit und sie fand sich am Rande einer großen Halle wieder, deren ferne Decke von dicken Säulen gestützt wurde.
Ihr Stirnrunzeln vertiefte sich, als sie die vier Leichen auf dem Boden entdeckte. Es waren unverkennbar Druchii, umgeben von den Überresten mehrerer Skelettkrieger. Hatte der Fürst etwas mit diesen Toten zu tun? Oder war er ebenso wie sie zu spät zu einer längst entschiedenen Schlacht gekommen?
Yerill wusste es nicht. Aber im Moment gab es Wichtigeres. Sie sah den Fürsten die Treppe am anderen Ende der Halle hinaufeilen. Wieder fragte sie sich, welche Absicht er wohl verfolgen mochte. Auch die Spuren des goldenen Lichts führten dort hinauf. Deshalb zögerte Yerill nicht länger, sondern lief durch die verlassene Halle, packte ihre Waffen fester und eilte die Treppe hinauf, dem Fürsten hinterher.