So liebe Leser, wie versprochen geht es jetzt mal langsam weiter. Da der letzte Teil doch ziemlich dialoglastig war, folgt jetzt mal wieder etwas mehr Aktion. Hier nun der erste von drei Teilen zwischen Yetail und Nerglot.
Viel Spaß.
Grenzenlose Macht
"Der Zorn eines Menschen läßt sich besser aus seinen Kämpfen erschließen als aus seinen Worten." - Lü Bu We, Frühling und Herbst des Lü Bu We
Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
10 Stunden nach Sonnenaufgang
Yetail starrte auf die beiden fauchenden Mantikore und wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie war so gut wie tot. Seit einer Weile schon konnte sie Nerglots Magie spüren und war ihr hierher gefolgt. Sie fühlte, dass er sich voraus befand, auch wenn sie ihn noch nicht so recht sehen konnte. Und sie wusste auch, was sich noch in dieser Halle befand. Mehrere tausend tote Körper. Genug, um ihm praktisch grenzenlose Macht zu gewähren.
Wieso hatte Xiucalta sie nicht gewarnt? Aber eigentlich kannte sie die Antwort. Hätte sie gewusst, wo genau Nerglot sich aufhielt, hätte sie nie den Mut aufgebracht, hierher zu kommen. Jetzt gab es eigentlich kein Zurück mehr. In Gedanken verfluchte sie die Seherin und schwor sich, sie bezahlen zu lassen. Aber ihr Toben war nur halbherzig. Sie wusste, dass die junge Frau getan hatte, was nötig gewesen war.
Aber damit hat sie mich zum Tode verurteilt, dachte Yetail. Ihre Augen wurden feucht, so verzweifelt war sie. Sie hatte Angst. Ja, zum ersten Mal seit langem hatte sie wirklich Angst. Warum hatte Xiucalta ihr nicht wenigstens das Wissen über das Drachenamulett vorenthalten können? Weil ich dann geglaubt hätte, dass Nerglot keine Chance hat, nachdem er dem Tod gerade erst so knapp entkommen ist. Woraufhin ich noch schneller verloren hätte.
Sie atmete tief durch und zwang sich, nicht zu heulen. Sie blinzelte die Tränen weg, während sie in Gedanken beruhigend auf sich selbst einredete. Xiucalta wusste, dass Nerglot hier ist, und sie hat mir von der Macht des Drachenamuletts berichtet. Sie hat es absichtlich so eingerichtet, dass ich hierher komme, ohne zu wissen, was mir bevorsteht, aber so, dass ich die Gefahr erkenne, wenn ich hier ankomme. Gerissenes Mädchen. Aber wenn sie sich solche Mühe damit gegeben hat, dann muss sie glauben, dass es einen Weg für mich gibt, Nerglot zu besiegen.
Sie dachte darüber nach, was sie wusste. Trotz allem war Nerglot so gut wie tot, als Viverla’atar ihn hierher gebracht hat. Die Heilung muss eine große Menge Kraft gekostet haben. Aber vermutlich ist in der Halle dennoch genug Tod, um ihn weit über das hinaus zu stärken, was die Marilim mir jetzt noch bieten kann.
Sie lauschte in sich hinein, um abzuschätzen, wie viel Magie ihr noch zur Verfügung stand. Ihre Augen weiteten sich vor Verblüffung. Obwohl der Kampf mit dem Splitterdrachen in vollem Gange sein musste, war die Macht der Marilim kaum geschrumpft. Viel war es allerdinge trotzdem nicht mehr. Sie tastete weiter und stellte fest, dass ein steter Strom Kraft aus ihr heraus und zu den Kindern des Mordes floss, doch viel weniger, als es sonst der Fall war. Oder eigentlich der Fall sein sollte.
Ist es möglich …? Ja, es gab eigentlich keine andere Erklärung. Sie war die Trägerin der Marilim, was hieß, dass sie die Kontrolle über diese Macht hatte. Anscheinend hatte sie in ihrer Furcht vor dem bevorstehenden Kampf all die Kraft auf sich selbst konzentriert und den übrigen Erwählten nur so viel abgegeben, wie sie sich leisten konnte. Ich hoffe nur, ich habe sie damit nicht bereits umgebracht.
Oder vielleicht war es auch eine normale Erscheinung, dass die Marilim versuchte, ihren Träger zu schützen, indem sie weniger Magie an andere abgab, wenn sie fast verbraucht war. Es hatte schließlich noch nie einen derartigen Fall gegeben. Woher sollte sie das also wissen?
Gut, ich habe also doch noch eine ganze Menge Kraft, die die Kinder des Mordes nicht beanspruchen können. Ihre Haltung entspannte sich ein wenig. Und all die Macht, die Nerglot besitzt, mag zwar praktisch grenzenlos sein, aber das, was er kanalisieren kann, ist es nicht. Er ist noch immer an seine persönlichen Grenzen und Fähigkeiten gebunden. Außerdem wird ihn die Fülle an Magie vielleicht leichtsinnig machen. Das ist meine größte Hoffnung.
Ich kann ihn besiegen, sagte sie sich, während sie langsam die Halle betrat. Ich war kaum mehr als eine Novizin, als ich Slonish entkommen bin. Bei Khaine, ich habe ihn fast getötet. Wenig später habe ich trotz der Anwesenheit von einem halben Dutzend Sturmrufer zwei Schiffe der Khainler versenkt und einen Seedrachen verwundet. Ich habe gegen eine Hydra und einen Drachen gekämpft und beide besiegt. Slonish habe ich auch ohne die Kraft der Marilim in die Knie gezwungen. Und selbst einen Hüter der Geheimnisse konnte ich vernichten. Außerdem, und das ist das wichtigste, habe ich Nerglot bereits einmal geschlagen. Und da hatte er die Macht von vier Tagen Schlacht und Tod im Rücken. Das war vermutlich sogar noch mehr als das, was er hier hat.
Sie drückte die Schultern durch und ließ den Blick durch die Halle schweifen. Im Zentrum konnte sie die beiden gewaltigen Statuen ausmachen und darum die zwei Ringe aus Särgen. Verärgert stellte sie fest, dass sie geöffnet worden waren. Hatte Nerglot die Heiligen von Tempel und Kloster etwa seinen Sklaven hinzugefügt? Zorn kochte in ihr hoch und dämpfte die Angst. Sie ballte die Hände zu Fäusten und genoss das vertraute Gefühl ihrer Handschuhe.
Der Beschwörer stand zwischen ihr und den Statuen. Sie blinzelte. War er das wirklich? Statt der schäbigen, alten Roben trug er eine prächtige Rüstung, die im schwachen Licht, das von der Decke hereinfiel, schimmerte. Moment, Licht von der Decke?
Sie legte den Kopf in den Nacken und starrte hinauf. Als sie die Armeen aus Untoten entdeckte, die wie glitzernde Insekten über Wände und Decke der Halle krabbelten, um das ferne Loch zu erreichen, lief es ihr eiskalt den Rücken runter. Es war ein unheimlicher Anblick. Jetzt bemerkte sie auch das tausendfache Klacken und Klicken, mit dem die metallüberzogenen Klauen der Skelette auf das Gestein trafen. Sie glaubte nicht, dass sich die Untoten selbst festhielten. Sie waren zu schnell unterwegs, als dass sie ihre Krallen in den Stein graben konnte. Es musste Magie sein, die sie dort oben hielt. Und obwohl sie wusste, dass das Nerglot viel Kraft kosten würde, erschütterte sie diese Demonstration gewaltiger Macht.
Dann bemerkte sie die Krieger, die in mehr oder weniger regelmäßigen Abständen mit irrer Geschwindigkeit durch das Loch zischten. Der magische Wirbel war für normale Augen unsichtbar, aber sie konnte ihn in den Winden der Magie sehen.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Gestalt in der Rüstung. Es war die einzige, die sich nicht bewegte, also war es vermutlich kein Untoter. War es vielleicht eine Falle? Wartete Nerglot ganz wo anders auf sie, um sie anzugreifen, sobald sie den Fehler beging, den Gerüsteten zu attackieren? Oder lag darin vielleicht sogar ein Zauber, der zurückschlagen würde?
Nun, sie hatte eine bessere Idee. Vielleicht war es eine Verschwendung von Kraft, aber vielleicht konnte sie damit auch dutzende Leben retten. Sie wappnete sich und griff nach den Winden der Magie. An den Fingerkuppen ihrer rechten Hand glommen winzige feuerrote Lichter auf, von denen einen Moment später fünf Strahlen an einen Punkt über ihrer Handfläche geschleudert wurden, wo sie sich zu einem einzigen, orangerote Lichtblitz vereinigten, der durch die Halle zuckte und direkt ins Herz des Wirbels traf. Innerhalb eines Herzschlags entflammte der gesamte Strudel und verwandelte sich in einen Hurrikan aus fauchender Hitze. Dutzende Skelette im Umkreis des Lochs und des Wirbels am Boden gerieten in Brand und zerschmolzen zu Asche.
Eine Sekunde später implodierte die Feuersäule und schleuderte brennende Funken in alle Richtungen davon. Sie grinste zufrieden, während die gerüstete Gestalt herumwirbelte. Jetzt sah sie den Sensenstab in den Händen des Mannes und wusste, dass ihre Vorsicht unbegründet gewesen war. Aber sie hatte nicht vor, einen dummen Fehler zu begehen.
Nerglot hatte sich tatsächlich verändert. Xiucalta hatte berichtet, dass Viverla’atar ihn geheilt hatte, aber das hatte Yetail bestimmt nicht erwartet. Er sah aus wie ein Mann in der besten Phase seines Lebens, kräftig und gesund. Er hatte sogar neue Haare, die ihm glatt auf die Schultern fielen. Zusammen mit der Rüstung verlieh ihm seine erneuerte Erscheinung das Aussehen eines Prinzen oder Fürsten. Er war jemand, vor dem Sterbliche niederknien wollen würden.
Zum Glück wusste sie es besser.
„Bluthand.“ Nerglot neigte den Kopf zu einer spöttischen Begrüßung. „Ich hätte es wissen müssen.“
„Nerglot. Ihr seht gut aus.“ Sie ließ ihn nicht aus den Augen, während sie sich ihm langsam näherte.
„Ihr auch, meine Liebe. Es wird eine Schande sein, Euch zu töten.“
Sie lächelte einladend und ließ sich den Umhang von den Schultern gleiten, um nackte Arme und Beine zu entblößen. Sie beobachtete zufrieden, wie sich Nerglots Augen weiteten. „Ich glaube nicht, dass Ihr mich töten werdet.“
Der Untote grinste. „Vielleicht hatte Viverla’atar doch recht, als sie Euch eine Hure nannte.“
Für einen Augenblick wankte ihre Selbstsicherheit, als Zorn und Hass in ihr aufwallten. Und genau das hatte Nerglot gewollt. Ein grauer Blitz jagte ihr entgegen. Doch Yetail reagierte schnell. Ein schwarzer Kokon umschloss die Attacke und absorbierte sie, bevor er auf Nerglot zu schoss. Der Beschwörer ließ seinen Stab niederfahren und eine magische Welle bildete sich hinter seiner Klinge, die auf den Kokon zu raste und ihn mittig aufschnitt. Vermutlich hatte Nerglot vorgehabt, dass sein Zauber erst ihren und dann sie selbst aufschlitzen würde. Doch Yetail hatte andere Pläne.
Mit einem ohrenbetäubenden Knall explodierte der Kokon zwischen ihnen zu blendendem, pechschwarzem Feuer. Das Geschoss war inzwischen fast bei Nerglot angekommen gewesen und so traf ihn die volle Wucht der Detonation, während die Zauberin fast nichts abbekam. Das Beste daran war, dass fast alles von der Kraft, die Nerglot nun zu spüren bekam, seine eigene war. Der Kokon diente einzig und allein dem Zweck, andere Magie zu absorbieren. Hätte er Nerglot direkt getroffen, wäre gar nichts geschehen, aber so sah er sich der Macht zwei seiner eigenen Zauber gegenüber.
Der Beschwörer errichtete ärgerlich einen Schild und ließ die destruktive Energie daran abprallen. Yetail schöpfte dennoch Hoffnung. Nerglot mochte sie überrascht haben, aber sie hatte ihm gleich zu Anfang bewiesen, dass mit ihr nicht zu spaßen war. Er mochte auf eine gewaltige Kraft zurückgreifen können, aber sie war trickreich und schnell. Blieb nur zu hoffen, dass das reichen würde.
„Im Gegensatz zu Viverla’atar habe ich Prinzipien, denen ich treu bleibe. Sie ist die Schlampe, die sich stets dem jeweils mächtigsten Mann hingibt, den sie gerade finden kann.“
„Gewagte Worte von der Gefährtin des zwölften Kindes des Mordes.“
Zwei gebogene, hell funkelnde Kraftschläge zuckten von beiden Seiten auf sie zu und Yetail antwortete, indem sie Nerglot ein undurchsichtiges Kraftfeld entgegen schleuderte, um ihm die Sicht zu nehmen, und dann einfach nach hinten sprang. Die beiden Angriffe detonierten dort, wo sie eben noch gestanden hatte, in einer beachtlichen Druckwelle, die aber nicht ausreichte, um Yetail zu schaden.
Dafür sah sich der Totenbeschwörer nun Yetails Lichtmauer gegenüber, der er mit einer weiteren Schwingung seines Stabs einen Blitz aus reiner Dunkelheit entgegen sandte. Es schien kälter und finster in der Halle zu werden, so machtvoll war der Zauber. Yetail neigte vor Respekt den Kopf, aber ihr Lächeln verblasste nicht, als sie eine einzige Geste mit der linken Hand vollführte. Schneller, als ein normales Auge hätte folgen können, veränderte das Kraftfeld seine Form, krümmte sich und bildete eine Kugel, die den gesamten Blitzschlag umfing. Einen Augenblick später implodierte der Ball, drückte Nerglots Attacke dabei zusammen und vernichtete sich auf diese Weise selbst.
Nerglots Augen wurden dunkel vor Zorn, als aus dem Zentrum der Kraftfeldkugel eine Welle aus Nacht explodierte und durch die Halle fegte, in deren Tiefen sie wirkungslos verschwand. Yetail grinste, woraufhin der Untote die Augen zusammenkniff. Noch einen mächtigen Zauber mit wenig eigener Kraft neutralisiert. Das lief doch ganz gut.
„Eine Stellung, die ich mir mit meinen eigenen Fähigkeiten und Kräften verdient habe. Anders als Viverla’atar kann ich mich sehr gut allein verteidigen und brauche keine großen, starken Männer, hinter denen ich mich verstecken kann. Sie benutzt Euch für ihre jämmerliche Rache, ist Euch das nicht klar? Behauptet sie, Euch zu lieben? Glaubt Ihr, sie zu lieben, Nerglot?“
Ganze vier magische Attacken rasten ihr entgegen und brachten die Luft zum Vibrieren. Oh, oh, da ist jemand sauer, dachte sie erheitert, aber ohne Lächeln. Sollte Nerglot ruhig glauben, er hätte sie eingeschüchtert. Doch dann erstarrte sie innerlich, als sie die ruhige Schärfe in seinen roten Augen bemerkte. Der Totenbeschwörer war keineswegs so zornig, wie sie geglaubt hatte. Er spielte mit ihr, testete ihre Fähigkeiten und versuchte sie ebenso zu Fehlern zu verleiten wie sie ihn. Das Schlimmste war, dass sie ihm mit ihrem Vorgehen vermutlich bereits verraten hatte, dass sie mit ihrer Kraft haushalten musste und nicht über solch gewaltige Reserven verfügte wie er. Verdammt!
Sie konzentrierte sich auf die Winde der Magie, schätzte die Stärke der Kraftschläge ein und fluchte in Gedanken. Ein Schild, der das abblocken konnte, würde sie sehr viel Kraft kosten. Das Beste wäre, wenn die Angriffe sich wieder selbst zerstören würden. Aber dieses Mal konnte sie nicht so einfach entkommen. Aus allen vier Richtungen kam einer und nach oben schweben wollte sie nicht. Zum einen würde auch das viel Magie beanspruchen, zum anderen wollte sie sich das lieber für später aufheben. Es war immer gut, noch einen Trumpf in der Hinterhand zu haben, wo sie ihn doch schon dummerweise auf ihre geringen Magiereserven hingewiesen hatte.
Also fing sie an, sich auf der Stelle zu drehen, und zog dabei die Winde der Magie an ihren ausgestreckten Armen hinter sich her. Innerhalb eines Herzschlags beschleunigten die arkanen Ströme um sie herum zu einem Wirbel, ähnlich dem, den Nerglot geschaffen hatte. Die Luft heulte in ihren Ohren. Ihr Körper begann zu vibrieren, als die Kraftschläge von ihrem Wirbel erfasst und mitgerissen wurden. Die gewaltige, angestaute Energie ließ sie beben. Aber die Attacken entluden sich nicht, sondern wurden lediglich aus ihrer Bahn geholt und rasten nun um sie herum.
Und dann dehnte sich der Wirbel aus. Rasend schnell erweiterte sich sein Durchmesser, bis er die Distanz zwischen ihr und Nerglot fast erreicht hatte. Doch das Wachstum des Sturms war zu schnell, um ihm auszuweichen, zumal Yetail auch noch das Zentrum der Rotation von sich weg schob, sodass sie immer kurz vor der hinteren Linie stand, ab der ihr Wirbel Wirkung zeigte.
Ein lauter Knall ertönte und vor ihr explodierte gleißende Helligkeit. In schneller Folge krachten die Kraftschläge in Nerglots Schild, der sich nun innerhalb des Wirbels befand. Yetail dehnte den Ring des Tornados noch ein wenig weiter, bis die Vorderseite der blasenförmigen Barriere innerhalb des ruhigen Bereichs lag, in dem auch sie stand. Dann grinste sie und schleuderte einen extrem spitzen Keil goldener Magie in Richtung ihres Feindes.
Ihr Zauber traf im selben Augenblick wie der letzte Kraftschlag und trieb einen Riss in den Schild, der genügte, damit die Blase unter der Macht von Nerglots eigener Attacke zusammenbrach. Die übrige Magie reichte nicht mehr, um den Beschwörer zu verletzen, aber ohne seinen Schild hatte er keinen Schutz mehr gegen die Kraft des Wirbels. Gnadenlos wurde der Untote erfasst und davon geschleudert.
Es schepperte und knirschte, als ihr Feind in seiner neuen Rüstung gegen einen der Särge prallte. Doch trotz der Erschütterung und der Schmerzen, die er dabei vermutlich erlitt, ließ er für keinen Augenblick seinen Stab los. Yetail sandte ihm einen leuchtend blauen Blitz entgegen, der knisternd durch die Luft zuckte. So angeschlagen Nerglot auch sein mochte, besiegt war er noch lange nicht. Mit einer unwirschen Geste seines Stabs wischte er die ohnehin schwache Attacke beiseite und rappelte sich anschließend auf.
Yetail zwang sich, nicht zu grinsen. Dazu hatte sie wahrlich keinen Grund. Nerglots Macht war in der Tat gewaltig. Die vier Kraftschläge hatten es ihr bewiesen. Aber inzwischen entdeckte sie ein Funken Hass unter der Selbstbeherrschung in seinen Augen. Seine Hände fassten den Sensenstab ein wenig fester als zuvor, während er den nächsten Zauber formte. Yetail blieb ruhig. Das war ihre größte Chance. Wenn er zornig war, würde er Fehler machen. Wenn er sich von Hass lenken ließ, würde er Fehler machen. Wenn er sich auf seine Macht verließ, würde er Fehler machen. Es kam nur darauf an, dass sie keinen machte. Sie musste abwarten und für den richtigen Augenblick bereit sein.
Und als eine donnernde Magiewelle auf sie zurollte, deren Kraft die Leichen unter sich durch die Halle schleuderte, betete sie, dass dieser Augenblick bald kommen möge.