WHFB Erwählte des Khaine - PDF komplett online

Allerdings kann ich nicht verstehen, warum Nerglot sooo viel Angst vor dem Eis hat. Schließlich dürfte es Bluthand ja insgesamt wesentlich mehr schaden als es ihm schaden würde.
wieso, das ist doch ihr Eis? Sie wird schon dafür sorgen, dass sie sich damit nicht selbst umbringt. Er dagegen steht halt voll im Wirkungsbereich und könnte durchaus erfrieren. Ich dachte eigentlich, sowas wäre selbstverständlich. Genau wie Nerglot ja auch nicht wirklich von seinen Flammen verletzt wird (zumindest bis die Druckewelle sie ihm entgegen bläst). Auch wenn das seinen Instinkten nicht ganz klar ist.

Achso: Denkst du, dass du den Begriff "Fegefeuer" verwenden solltest? Evtl. wäre da ein Äquivalent aus der Story passender.
gute Frage. Ich mach "Feuer der Unterwelt" draus, ok? 😉

Kann man davon ausgehen, das Bluthand den einen Riesen und die Leichen aus den Särgen nicht zerstört hat? Schließlich ist sie ja relativ zeitnah wiedergekommen.
hm, da muss ich vielleicht noch ne Anmerkung machen, dann sollte sich die Frage eigentlich erledigen.

SHOKer schrieb:
„Und auf Euch warten die Feuer der Unterwelt, Nerglot.“, ertönte über ihm eine bekannte und verhasste Stimme. Er glaubte seinen Ohren nicht zu trauen und schaute langsam auf. Da war die Hexe! Und sie konnte fliegen! Sie hatte es irgendwie geschafft, den Wirbelsturm zu verlassen, bevor der sie durch das Loch befördert hatte, und dann seine zweite Statue verzaubert. Na das würde ihr noch leidtun.
Einen Augenblick lang hing sie einfach nur in der Luft, ein paar Meter unter der Hallendecke und lächelte über seinen ungläubigen Gesichtsausdruck. Dann stürzte sie sich herab und um sie herum explodierte die Luft zu gleißendem Feuer. Wie ein Meteor schoss sie hinab, einen meterlangen, brennenden Schweif hinter sich herziehend. Inmitten des Infernos streckte sie die Arme vor und sechs flammende Kugeln rasten ihm knisternd auf spiralförmigen Bahnen entgegen.
Verdammte Hexe, dachte Nerglot.

Die Antwort lautet also ja. Kannst von ausgehen, irgendwas müssen meine beiden Lieblings-Miezen ja auch noch zu tun kriegen 😉. Ich hoffe, das wird deutlich.
 
Zuletzt bearbeitet:
wieso, das ist doch ihr Eis? Sie wird schon dafür sorgen, dass sie sich damit nicht selbst umbringt. Er dagegen steht halt voll im Wirkungsbereich und könnte durchaus erfrieren. Ich dachte eigentlich, sowas wäre selbstverständlich. Genau wie Nerglot ja auch nicht wirklich von seinen Flammen verletzt wird (zumindest bis die Druckewelle sie ihm entgegen bläst). Auch wenn das seinen Instinkten nicht ganz klar ist.
Das ist auch richtig, aber ich dachte, wenn du es schon so extrem beschreibst, dass die Kälte auch nach außen hin abstrahlt. Des weiteren sollte ein Toter ja bis auf die beschriebene Starre ja fast Resistenz gegen derlei Attacken haben. Wenn er da so einen schlauen aerodynamischen Schild wie Bluthand gemacht hätte (afaik hat er das ja mitbekommen und sogar bewundert), wär er ja da fein rausgekommen. Hm, aber er kann das natürlich auch im Eifer des Gefechtes außer Acht gelassen haben! ^_^

😀

Die Änderung des Textes macht das ganze jetzt wesentlich klarer - mir war vorher nicht klar, dass sie einfach drin geblieben ist - ich hätte nämlich gedacht, dass sie, während Nerglot durch seine eigenen Flammen abgelenkt war, den Trick mit dem Blut gemacht hat.
 
Die Änderung des Textes macht das ganze jetzt wesentlich klarer - mir war vorher nicht klar, dass sie einfach drin geblieben ist - ich hätte nämlich gedacht, dass sie, während Nerglot durch seine eigenen Flammen abgelenkt war, den Trick mit dem Blut gemacht hat.
ja, deshalb ist es ja gut, dass du sowas ansprichst.

Wenn er da so einen schlauen aerodynamischen Schild wie Bluthand gemacht hätte (afaik hat er das ja mitbekommen und sogar bewundert), wär er ja da fein rausgekommen.
hm, vielleicht hätte ich da noch erwähnen müssen, dass er das nicht kann. Im späteren Hintergrund wird wesentlich früher mal erklärt, dass Magier nur kugelförmige oder ebene (wie eine Mauer) Schilde errichten können. Und auch immer nur einen. Ich wollte hier jetzt nicht so viel Informationen reinpacken, weil der Kampf auch so schon gerade am Anfang doch ein wenig an Dynamik vermissen läst.
Was Yetail getan hat, war einfach, zwei (in jeder Hand eine) Schildmauern zu einem Keil zusammenzutun. Mit ihren Handschuhen hat sie ja ein paar mehr Möglichkeiten.
Davon abgesehen hätte ihm das auch nichts genützt, zumindest gegen den Eissturm nicht, weil der ja von allen Seiten kommt. Gegen die Druckwelle schon eher, aber die hat er ja auch so abgewehrt.

Ich guck mal, ob ich das irgendwie eingebaut kriege. Problem an der Stelle ist vermutlich, dass ich mich erst nach dem Schreiben dieses Kapitels dafür entschieden habe, die Sache mit den Handschuhen statt des Stabs doch schon in der Warhammer-Version mit reinzubringen. Und später dachte ich, es wäre nicht so wichtig, weil das mit dem Keilschild ja doch eher nebensächlich ist.

SHOKer schrieb:
[FONT=&quot]Er dachte an die Druckwelle, die sie vor mittlerweile fast zehn Minuten mit zwei zu einem Keil kombinierten Schildmauern einfach um sich herum geleitet hatte. Ihre Handschuhe boten ihr Möglichkeiten, die über das hinausgingen, was sein Stab vermochte, und sie war schlau genug, das einzusetzen. Seitdem hatte sich ihr Stil verändert. [/FONT]

Besser?
 
Zuletzt bearbeitet:
hm, vielleicht hätte ich da noch erwähnen müssen, dass er das nicht kann. Im späteren Hintergrund wird wesentlich früher mal erklärt, dass Magier nur kugelförmige oder ebene (wie eine Mauer) Schilde errichten können. Und auch immer nur einen. Ich wollte hier jetzt nicht so viel Informationen reinpacken, weil der Kampf auch so schon gerade am Anfang doch ein wenig an Dynamik vermissen läst.
Was Yetail getan hat, war einfach, zwei (in jeder Hand eine) Schildmauern zu einem Keil zusammenzutun. Mit ihren Handschuhen hat sie ja ein paar mehr Möglichkeiten.
Davon abgesehen hätte ihm das auch nichts genützt, zumindest gegen den Eissturm nicht, weil der ja von allen Seiten kommt. Gegen die Druckwelle schon eher, aber die hat er ja auch so abgewehrt.

Ich guck mal, ob ich das irgendwie eingebaut kriege. Problem an der Stelle ist vermutlich, dass ich mich erst nach dem Schreiben dieses Kapitels dafür entschieden habe, die Sache mit den Handschuhen statt des Stabs doch schon in der Warhammer-Version mit reinzubringen. Und später dachte ich, es wäre nicht so wichtig, weil das mit dem Keilschild ja doch eher nebensächlich ist.
Mach dir einfach mal eine Notiz, dass du das Wirken von Magie nochmal in einem weiter vorne liegenden teil des Buches näher erklären willst. MMn brauchst du das in der Fassung noch nicht machen, aber du solltest es eben dann machen, wenn du die Fassung schreibst, die komplett von Warhammer losgelöst ist.
Jop. 🙂
 
Mach dir einfach mal eine Notiz, dass du das Wirken von Magie nochmal in einem weiter vorne liegenden teil des Buches näher erklären willst. MMn brauchst du das in der Fassung noch nicht machen, aber du solltest es eben dann machen, wenn du die Fassung schreibst, die komplett von Warhammer losgelöst ist.

keine Sorge, dafür brauche ich keine Notiz ^^ Das ist schließlich das wichtigste, was bei der Überarbeitung geändert wird. Oder wenigstens das umfangreichste. das vergesse ich schon nicht.
Ich vergesse nur manchmal, dass euch dieses Wissen fehlt, was dann zu solchen Missverständnissen führt.
 
So, der letzte Teil ist zwar erst 3 Tage her, aber ich denke, ich werde dennoch mal weitermachen. Wir wollen die Postfrequenz zum Ende hin ja allmählich steigern.

Ich hab übrigens das Gefühl, dass das ein ziemliches Friede-Freude-Eierkuchen-Ende wird, aber naja, nach 5 Tagen Schlacht ... 😉

Der letzte Splitter


„Jedes Volk hat seine spezifische Art, geschichtliche Ereignisse in Legenden oder Symbole umzusetzen, und gewiß weicht oft am Ende die Legende erheblich von dem eigentlichen Geschehen ab."
[FONT=&quot]— [/FONT] Marion Gräfin Dönhoff, Auflehnung gegen den Helden. Die Zeit vom 17. Juli 1952

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
11 Stunden nach Sonnenaufgang

Als unter ihm ein markerschütterndes Krachen ertönte, biss sich Sisrall auf die Lippe, um einen lauten Fluch zu unterdrücken, und stieß sich mit aller Kraft von der Dachkante ab. Er sah die Straße unter sich, sah die Risse in der Außenwand des Hauses, auf dem er sich bis eben noch befunden hatte, tiefer werden, sah, wie erste Mauersteine herausbrachen – und riss gerade noch rechtzeitig den Kopf hoch, um den gegenüberliegenden Giebel näher kommen zu sehen.
Rasch streckte er die Hände aus und hielt sich mit aller Kraft an der Dachkante fest, bevor er einen Moment später gegen die Hauswand knallte. Der Aufschlag sandte einen schmerzhaften Ruck durch seinen ganzen Körper, den er bis zu den Zähnen spürte. Einen Augenblick lang sog er tief die Luft ein, dann katapultierte er sich über die Kante aufs Dach und richtete sich auf.
Er brauchte nicht zurückblicken, um zu sehen, was geschehen war. Der donnernde Lärm des zusammenbrechenden Gebäudes war eindeutig. Schon seit einer gefühlten Ewigkeit verfolgten die Erwählten den Splitterdrachen. Blutklinge lief parallel zu ihm über die Häuser, sodass die grün leuchtende Bestie rechts neben ihm war. Immer wieder schnappte sie nach ihm oder rammte einfach ihren gewaltigen Oberkörper in die Fassaden, um sie einstürzen zu lassen.
Aber davon würde er sich nicht aufhalten lassen. Sofort lief er weiter, denn auch seine Beute gönnte sich keine Ruhepause. Wie eine gewaltige, mit messerscharfen Schuppen bedeckte Eidechse fegte der Splitterdrache durch die Stadt. Mittlerweile hatte er auch die Reißzähne verloren. Sein ganzer langgestreckter Kiefer war vollkommen zahnlos und ähnelte dem eines gewaltigen Reptils. Sein Leib war groß genug, um die gesamte Straße zu füllen und ragte beinahe bis auf Sisralls Höhe auf. Der Erwählte kam sich winzig vor neben diesem Monstrum.
Keines der Kinder des Mordes hatte eine Idee, was sein Ziel sein könnte. Vermutlich wollte die Bestie einfach nur einen Augenblick Ruhe, um sich zu sammeln und zu orientieren. Aber genau das würden die Erwählten verhindern. Solange der Splitterdrache vor ihnen floh, hatten sie einigermaßen Kontrolle über ihn. Und sie gewannen Zeit, in der das Horn zu ihnen kommen konnte. Wie auch immer das geschehen sollte.
Das Monster war jetzt ein paar Meter vor ihm und Sisrall beschleunigte seine Schritte. Dachziegel klapperten unter seinen gepanzerten Füßen, aber er scherte sich nicht darum. Diesen Feind würde er mit Heimlichkeit nicht besiegen können. Heute war er nicht als Assassine des Tempels auf den Dächern unterwegs, sondern als Oberster der Kinder des Mordes.
Auf der anderen Straßenseite ertönte das charakteristische Klacken einer abgefeuerten Armbrust, gefolgt vom Brüllen des Splitterdrachens, und Blutklinge wandte den Kopf. Ein leichtes Lächeln stahl sich auf seine Lippen. Zalandra schaffte es, fast lautlos über die Dächer zu huschen. Aber die einzige Autarii unter den Kindern des Mordes trug auch nur lederne Gewänder und keine massive Rüstung aus schwarzem Stahl wie der Tempelkrieger.
Sein Lächeln verblasste, während er die braun gewandte Gestalt musterte, die nun ebenfalls ihre Schritte beschleunigte und dabei die Armbrust nachlud. Die Ähnlichkeit zu Viverla’atar war erschreckend. Bisher war ihm das nicht so deutlich aufgefallen, weil Zalandra mit den beiden Kurzschwertern auf ihrem Rücken gekämpft hatte. Die Armbrust hatte sie erst vor wenigen Minuten irgendwo gefunden. Außerdem hat Viverla andere Kleidung getragen. Bis auf das letzte Mal, als ich sie gesehen habe.
Inzwischen lief er auf derselben Höhe wie der Hals des Splitterdrachens und die Erwählte auf der anderen Straßenseite feuerte den nächsten Bolzen auf die gewaltige Bestie ab. Das Geschoss traf sie seitlich in den Hals. Ein Beben, begleitet von ohrenbetäubendem Fauchen, durchlief den langen Leib des Drachens und der Bolzen wurde zusammen mit ein paar zerstörten Schuppen abgeschüttelt. Der grüne Panzer schloss sich fast augenblicklich wieder. Der Splitterdrache war nicht einmal langsamer geworden. Dennoch war jeder Treffer auch ein kleiner Stich, der ihn weiter reizte und durcheinander brachte. Es war alles, was die Kinder des Mordes tun konnten.
Blutklinge nickte Zalandra zufrieden zu, die ein wenig zurückgeblieben war, weil sie im Laufen nachlud. Das hätte Viverla sein sollen, dachte er plötzlich. Er schob den Gedanken beiseite. Das war lächerlich. Sie hatte ihre Wahl getroffen und er hatte Yetail. Und Yerill. Bei der Erinnerung an die schöne, selbsternannte Aydar, die seine Tochter war, kehrte das Lächeln auf seine Lippen zurück. Nicht einmal Zalandra, die mit der Agilität einer Katze über die Dächer huschte, kam an ihre Anmut heran.
Dennoch machte ihn die Ähnlichkeit der beiden Jägerinnen stutzig. Gut, Zalandra war größer, ihr Haar schwarz statt braun, ihr Körper ein wenig üppiger, weil die Magie der Marilim die Entbehrungen eines Lebens als Autarii verborgen hatte. Die Gesichter der beiden Frauen waren natürlich ebenso verschieden, aber die Art, wie sie sich bewegten, ihre Haltung war so ähnlich. Und diese braune Lederkleidung schien beinahe dieselbe zu sein. Nur dass die Verzierungen bei Viverla’atar silbern und nicht schwarz gewesen waren. Wieso also trug Zalandra Kleidung, die fast genauso aussah wie jene, in der er Viverla’atar zuletzt gesehen hatte?
Dann ärgerte er sich über seinen Gedankengang. Die Gewänder der Erwählten waren aus Yetails Blut und der Macht der Marilim beschworen. Sie entsprachen jenen, die sie im Leben getragen hatte. Die Frage war also eher, woher Viverla’atar solche Sachen hatte.
Blutklinge, riss ihn ein mentaler Ruf in die Wirklichkeit zurück. Mittlerweile hatte er den Splitterdrachen bereits wieder überholt. Vor ihm erstreckte sich eine lange Reihe aneinandergrenzender Häuser, sodass er fast ohne Hindernisse über ihre Dächer laufen konnte. Die abzweigenden Querstraßen wurden hier mithilfe von Torbögen durch die Gebäude hindurch geführt, sodass er davon nicht viel mitbekam. Nur auf gelegentliche Schornsteine musste er achten.
Er streckte seinen Geist aus und suchte nach den anderen Kindern des Mordes. Er und Zalandra liefen über die Dächer zu beiden Seiten des Splitterdrachen, die übrigen drei Erwählten waren direkt hinter ihm, um jeden Gedanken an Umkehr zu vereiteln. Diese kamen nicht so gut voran, weil der Splitterdrache immer mal wieder Gebäude am Straßenrand zertrümmerte und damit die Straße verschüttete.
Was ist?, fragte Blutklinge zurück. Der Ruf war von Artewu gekommen, der ganz rechts, also auf Zalandras Seite, lief. Als Antwort tauchte in seinen Gedanken das Bild eines großen, freien Platzes auf, den der Krieger hinter einem breiten Torbogen entdeckt hatte. Das gesamte weitläufige Pflaster war mit den Resten vorzeitig beendeter Mahlzeiten, einzelnen Rüstungsteilen und Werkzeuge übersät. Am Rand standen dutzende Wagen voller Nahrungsmittel, Waffen und anderer Dinge.
Das ist das Kriegslager, erklärte Artewu, was Sisrall bereits vermutet hatte. Aber es ist verlassen.
Irgendeinen Hinweis auf den Verbleib der Krieger?, fragte Blutklinge, ohne langsamer zu werden.
Nein. Und keine Anzeichen eines Kampfes.
Ich kann sie von hier auch nicht sehen, meldete Zalandra, woraufhin auch Sisrall seine Aufmerksamkeit wieder in die Wirklichkeit verlagerte und den Blick über die Dächer schweifen ließ. Er spürte das Ziehen freigesetzter Magie, aber er konnte die Richtung nicht genau bestimmen. Irgendwo vor ihnen. Zu sehen war nichts. Oder flimmerte dort die Luft? Er war sich nicht sicher und es hätte auch ein Feuer sein können.
Wo seid ihr? Trizils Präsenz in seinen Gedanken wurde stärker, als sie sich auf ihre Mitstreiter konzentrierte. Nachdem sie den Angriff des Splitterdrachens knapp überlebt hatte, hatte ihre Aufmerksamkeit am Kampf nachgelassen. Sisrall hatte vermutet, dass sie sich um ihre und Kerkils Wunden gekümmert hatte.
Zwei Parallelstraßen südlicher der Prachtstraße, antwortete er. Wir haben soeben den Platz des Kriegslagers passiert. Er ist verlassen. Keine Spur von den Soldaten. Keine Anzeichen eines Kampfes.
Ich vermute, dass sie die Untoten aufhalten, erwiderte Trizil.
Die Untoten?, rief Zalandra schockiert in Gedanken. Sisrall konnte aus dem Augenwinkel erkennen, wie ihre fließenden Schritte für einen Augenblick stockten. Du meinst, sie sind bereits in der Stadt? Was ist mit Bluthand?
Wie kommst du darauf?, fragte Artewu ruhig dazwischen.
Ich habe mich bis gerade eben mit Meisterin Geisterauge unterhalten. Kurz bevor sie wieder aufgebrochen ist, sagte sie, die Untoten drohten durchzubrechen. Daraus folgere ich, dass sie schon länger in der Stadt sind. Sie hat mir aber auch verraten, dass es Bluthand gut geht und sie Nerglot erfolgreich die Stirn bietet. Bisher jedenfalls.
Das sind gute Neuigkeiten, meinte Sisrall mit deutlicher Erleichterung. Er spürte die neue Zuversicht seiner Mitstreiter. Ihre Zauberin hielt den Beschwörer in Schach. Wenn sie das konnte, dann würden sie auch mit dem Splitterdrachen fertig werden.
Wie hast du es geschafft, den Angriff des Splitterdrachens abzuwehren?, fragte Artewu. Wir alle haben das Lied gehört und gesehen, wie er seine Reißzähne verloren hat. Aber was war das?
Geisterauge hat mir meinen Titel zurückgegeben. Ich bin Todeslied.
Einen Augenblick später erklang der helle, vollkommene Ton in ihrer aller Gedanken erneut und dann sahen sie die Momente, in denen Trizil dem Angriff des Splitterdrachens mit tänzerischer Anmut ausgewichen war und ihre Klinge durch seine Schnauze gerammt hatte. Es war Kerkils Erinnerung, die er mit ihnen teilte.
Sie kam gerade rechtzeitig, um uns zu retten, erklärte der Erwählte nun und gleich darauf zeigte er ihnen, wie Xiucaltas Leuchterscheinungen die Bestie lange genug verwirrt hatten, damit sie auf Rufreichweite herankam. Von der neuen Fähigkeit, mit Blicken zu töten und zu lähmen, hatten die übrigen Kinder des Mordes bereits erfahren.
Hat sie euch auch verraten, welche Macht er für den Verlust der Zähne bekommen hat?, fragte einer der anderen Erwählten.
Nein, kam die Antwort von Trizil.
Auch Geisterauge ist nicht allwissen, setzte Blutklinge hinzu. Sie hat uns selbst gesagt, dass auch sie nicht weiß, welche mentale Waffe wir ihm geben, wenn wir ihm eine körperliche nehmen. Ich schätze, wir werden einfach abwarten müssen. Früher oder später wird er sie einsetzen.
Das ist ja alles schön und gut, fuhr Zalandra ungeduldig dazwischen. Aber was ist nun mit den Untoten? Wir sind nur noch fünf, die kämpfen. Wie sollen wir gegen sie vorgehen? Wo sind sie überhaupt?
Ich habe ihr unsere Hilfe angeboten. Aber das ist nicht unser Kampf. Anscheinend will sie, dass wir uns auf den Splitterdrachen konzentrieren. Geisterauge sagte, sie und jemand namens Sturmtanz würden die Untoten aufhalten.
Sturmtanz? Wer oder was soll das sein?, fragte Zalandra und dieses Mal war es Sisrall, der fast stolperte. Er konnte beinahe fühlen, wie die Erwählte die Augen zusammenkniff, als sie eine Reaktion bemerkte. Was weißt du, Blutklinge?
Eine unerwartete Verbündete, antwortete er abweisend. Ihm gingen ganz andere Fragen durch den Kopf. Dass Geisterauge Yerill kannte, sollte ihn nicht überraschen, aber weshalb kämpften sie zusammen? Was tat die Unsterbliche überhaupt im Kampf gegen die Untoten? Hatte sie Viverla’atar bereits gestellt … und getötet? Wie lange kannte Xiucalta Yerill schon? Hatte sie irgendeine Rolle gespielt, damit das Mädchen die Seiten wechselte?
Was ist los?, fragte Trizil. Die Erwählte spürte offenbar, dass ihn etwas bewegte. Er konnte aber auch ihre Neugierde fühlen. Sie alle wollten wissen, was es mit Sturmtanz auf sich hatte. Sisrall überlegte, was er ihnen sagen sollte. Er war noch nicht bereit, die ganze Wahrheit preiszugeben. Er würde es tun, aber nicht jetzt und hier, mitten in der Schlacht.
Achtung! Der Ruf gellte durch ihren geteilten Geist und riss ihn in die Wirklichkeit. Der Splitterdrache bremste! Einen Augenblick später erkannte der Tempelkrieger auch den Grund dafür. Direkt vor ihnen auf der Straße befand sich eine Gruppe aus zwei Dutzend Druchiikriegern. Sie alle waren verletzt, die meisten saßen und lagen mehr als dass sie standen. Aber sie waren genug, um die Straße zu blockieren und das hatte den Splitterdrachen irritiert.
Sisrall beobachtete, wie die Soldaten aufsprangen und zu fliehen versuchten, als sich die mächtige Bestie über ihnen aufbaute. Doch sie kamen nicht weit. Ein Blick des Splitterdrachens genügte, um sie auf der Stelle leblos stürzen zu lassen. Die übrigen, die nicht mehr in der Lage waren, wegzulaufen, krabbelten rückwärts, drückten sich in Türöffnungen oder stellten sich tot.
Doch das Monster verschonte niemanden. Es öffnete das zahnlose Maul und sah aus, als wolle es zuschnappen. Darüber war Sisrall so verwundert, dass er einen Augenblick erstarrte. Hatte die Bestie vergessen, dass sie keine Zähne mehr hatte?
Umso größer war sein Entsetzen, als ein leuchtend grüner Strang reiner Magie wie eine Peitsche aus der Schnauze hervor zuckte, sich wie eine Zunge aus Licht um einen der vor Panik schreienden Druchii wickelte und ihn in das weit aufgerissene Maul riss, wo der Krieger verschwand. Blutklinge sah aus den Augenwinkeln, wie Zalandra in aller Eile ihre Armbrust lud, doch für die Soldaten gab es keine Rettung mehr. Mit der Geschwindigkeit von Gedanken peitschten die Lichtzungen durch die Luft und erfassten die wehrlosen Männer, bevor der Splitterdrache sie verschluckte.
Die drückende Stille, sie sich über die Straße legte, nachdem der letzte Schrei verstummt war, kam Sisrall wie ein Schuldspruch vor. Sie hatten das Gemetzel nicht verhindern können. Fünf Erwählte waren unfähig gewesen, zwei Dutzend Soldaten zu beschützen. Was waren sie für erbärmliche Helden.
Der Knall, mit dem Zalandras Armbrust abgefeuert wurde, kam ihm beinahe wie die Erlösung vor. Auch der Splitterdrache hatte das Geräusch gehört und wirbelte herum. Deshalb pfiff das Geschoss an seinem gewaltigen Körper vorbei und bohrte sich in seine rechte Hinterpranke. Doch das schien er kaum wahrzunehmen. Mordlustig und der Flucht offensichtlich überdrüssig wandte er sich Zalandra zu, die ganz damit beschäftigt war, ihre Armbrust nachzuladen.
Spring hoch!, befahl Blutklinge mit der ganzen Macht seiner Autorität. Der Befehl durchdrang alle Schichten aus Wahrnehmung, Verstand und Willen und richtete sich direkt an die Reflexe ihres Körpers. Die Erwählte gehorchte augenblicklich, noch bevor ihr Bewusstsein die Worte verarbeitet hatte. Sie drückte sich ab und sprang zwei Meter in die Höhe. Fast im gleichen Augenblick schnappte das gewaltige aufgerissene Maul des Splitterdrachens dort zu, wo sie eben noch gestanden hatte. Die Hälfte des obersten Stockwerks wurde dabei zertrümmert, aber das konnte die Bestie nicht aufhalten.
Bei Khaine, war das Biest eben auch schon so groß?, fluchte Zalandra in Gedanken, als sie einen Moment später auf der nun wieder geschossenen Schnauze des Drachens landete und rasch die letzten Handgriffe vornahm, um ihre Waffe wieder schussbereit zu machen. Ganz kurz nahm Blutklinge zur Kenntnis, dass sie recht hatte. Bis eben hatte der Splitterdrache den Hals recken müssen, um auf die Dächer blicken zu können. Jetzt ragten seine Schultern fast auf Höhe der Dachkanten auf.
Doch er hatte keine Zeit, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Denn schon schoss die Erwählte ihren nächsten Bolzen ab – und traf die Bestie direkt ins Auge. Der Splitterdrache riss die gewaltige Schnauze auf und stieß ein markerschütternde Gebrüll aus, das laut genug war, um das angeschlagene Gebäude zum Einsturz zu bringen. Sisrall und die anderen Erwählten mussten sich die Hände auf die Ohren schlagen, um mit dem Lärm fertig zu werden. Durch die ruckartige Bewegung wurde Zalandra in die Luft geschleudert, um einen Augenblick später vom wild umher peitschenden Schädel der Bestie erfasst zu werden. Ihre Schmerzensschreie gingen im tosenden Gebrüll des Drachens unter, aber die Kinder des Mordes teilten ihre Pein in Gedanken, als der Zusammenprall ihr die Knochen brach und die scharfen Schuppen Haut und Fleisch zerfetzten. Wie eine Puppe wurde sie in das zusammenbrechende Haus geschleudert und von den Trümmern begraben.
Verdammt!, schrie Sisrall in Gedanken. Doch ihm blieb keine Zeit mehr, sich mit dem Verlust der Kriegerin zu befassen, denn der Splitterdrache tobte nun wie von Sinnen auf der Straße, stampfte unkontrolliert herum und rammte seinen mächtigen Leib voller Zorn in die umliegenden Gebäude, die seiner Kraft nichts entgegenzusetzen hatten. Schon zuckte der gewaltige Schädel in weitem Bogen herum, streifte das Haus, auf dem Sisrall stand, und riss die Frontwand einfach ein. In einer gewaltigen Trümmerlawine brach das Bauwerk zusammen und plötzlich gab das Dach unter Sisralls Füßen nach.
Er konnte gerade noch aufschreien, schon rutschte er weg. Er ruderte wild mit den Armen, doch es gab nichts, woran er sich festhalten konnte. Überall waren Trümmer, große Mauerstücke und kleinere Dachziegel, die ihn mitrissen, unter ihm nachgaben, auf ihn fielen, ihn zu begraben drohten und ihn zwischen sich zerquetschten. Er konnte nur seinen Kopf schützen und beten. Sofort, als er glaubte, den festen Straßenbelag unter den Füßen zu spüren, warf er sich nach vorne und rollte sich weg. Keine Sekunde zu früh, denn einen Herzschlag später kam der Rest des Daches dort krachend zum Liegen, wo er sich eben noch befunden hatte.
Benommen, aber unverletzt rollte er sich auf den Rücken und schlug die Augen auf. Es dauerte einen Augenblick, bis er verstand, was er da sah, und einen weiteren, bis ihm ein passender Fluch einfiel. Es waren allein die Reflexe seines Körpers, die ihm das Leben retteten. In einer einzigen fließenden Bewegung warf er sich zur Seite, drückte sich mit einer Hand hoch, und wirbelte herum, während die mächtige, mit armlangen Krallen bestückte rechte Vorderpranke dort niederkrachte, wo er gelegen hatte. Er wusste nicht einmal, wie seine Schwerter in seine Hände gekommen waren, und konnte nur beobachten, wie er sie in derselben Bewegung und mit der Kraft allen Schwungs kurz nacheinander in den baumdicken Knöchel des Drachens schlug.
Der gesegnete Stahl zerfetzte die harte Schuppenpanzerung ebenso leicht, wie die weiches Fleisch zerschneiden konnte. Der erste Hieb zerteilte die drahtigen Muskeln der Gliedmaße, bevor der zweite in dieselbe Kerbe schlug und das Knöchelgelenk zertrümmerte.
Sisrall hatte gerade noch Zeit, seine Klingen zu befreien, schon riss der Splitterdrache die Klaue hoch und schüttelte sich rasend vor Zorn. Das Brüllen veränderte sich, wurde tiefer und sprach mehr von Hass denn von Schmerz. Wild vor Wut stürmte die Bestie vorwärts – in die Richtung, aus der sie eben gekommen waren. Der gewaltige grüne Leib schoss über Blutklinge hinweg und sprengte die überraschten drei Erwählten auseinander, die auf der Straße standen. Als der Tempelkrieger sie erreichte, schüttelten sie ihre Starre ab und zwei nahmen die Verfolgung wieder auf.
Auch Sisrall rannte. Sein Herz donnerte in seiner Brust und sein Körper bebte vor Kampfeslust. Nur knapp war er eben dem Tod entkommen und das stachelte ihn an. Seine Schritte wurden schneller und länger, während der Abstand schrumpfte. Er spürte seine Gefährten dicht hinter sich. Sie würden die Bestie kriegen.
Und vor ihren Augen veränderte sich der Splitterdrache. Wieder liefen Wellen aus Magie über seinen Schuppenpanzer und wölbten seine Haut, wieder zuckte und brüllte er vor Wut und Zorn, über jene, die ihm das angetan hatten. Denn erneut hatte er einen Teil seiner selbst verloren. Die linke Vorderpranke war bereits im Luftkampf von Szar’zriss durchbohrt worden. Zalandras Bolzen hatte die hintere Klaue verwundet und Sisralls Schwerter hatten den rechten vorderen Knöchel zerschmettert. Genug, um ihm die Klauen zu nehmen, das letzte jener Teile, aus denen er einst geschaffen worden war. Den letzten Splitter.
Während er beobachtete, wie dem Splitterdrachen erst die verbleibenden Krallen ausfielen und zu Rauch zerstoben, bevor die Pranken verkümmerten und sich seine Beine verkürzten, nahm Blutklinge kaum Artewus mentale Meldung wahr.
Ich habe Zalandra gefunden. Sie lebt, ist aber ohne Bewusstsein. Sie hat Glück gehabt, dass das Gebäude schon so gut wie zerstört war, bevor sie zwischen die Trümmer geschleudert wurde. Was soll ich mit ihr tun?
Immer mehr schrumpften die Gliedmaßen des Splitterdrachens zusammen, während sein Rumpf schlanker wurde und sich in die Länge zog, weil die mächtigen Muskelpartien und Gelenke an Schultern und Becken nicht mehr benötigt wurden. Der Schwanzansatz verschwamm mehr und mehr, während der Leib runder und dünner wurde und der Schwanz dicker. Auch der Hals wuchs in die Breite, ging mehr und mehr in den Rumpf über, während der Schädel immer weniger als eigenständiger Körperteil erkennbar war, sondern genauso übergangslos mit dem Rest verschmolz.
Blutklinge musste sich von dem Anblick losreißen, um sich auf Artewus Worte zu konzentrieren.
Wo sind Dalehon und Lokira?, fragte er zur Antwort.
Zusammen auf dem Weg zum Kloster. Sie können noch laufen, aber nicht mehr kämpfen.
Bring Zalandra zu ihnen und schließ dich uns dann wieder an. Wir brauchen jeden Krieger. Sie sollen eine Trage bauen und sie ins Kloster bringen. Oder wenigstens so lange bewachen, bis ihnen jemand helfen kann.
Verstanden. Ich komme so schnell wie möglich.
Doch Blutklinge hörte die letzten Worte schon gar nicht mehr. Denn in diesen Augenblick war die Verwandlung des Splitterdrachens abgeschlossen. Die letzten Stummel seiner ehemals baumdicken Beine verschwanden und plötzlich klatschte der gewaltige, geschmeidige Leib einer baumdicken Schlange auf das Pflaster der Straße. In engen Windungen glitt die grün leuchtende Monstrosität vorwärts.
Es war, als wäre eine Legende zum Leben erwacht. Aus dem Splitterdrachen, einem Feind, der seit Tagen die Stadt mit Grauen erfüllt hatte, war ein Wesen geworden, für das jedes Volk der Welt eine eigene schreckliche Erzählung kannte. Er war nicht mehr nur der Drache, der Magie fraß, jetzt war er ein Alptraum, der mit jedem verschlungenen Opfer größer wurde. Jetzt war er die Schlange, die mit Blicken töten konnte. Sie kämpften gegen den Basilisken.
 
Ich freue mich schon zu lesen, wie du deinen kleinen Elfchen wieder aus der Patsche helfen wirst.

welche Patsche meinst du denn genau? Dass ihr Feind jetzt das Basilisk ist? Oder dass sie immer weniger werden?
Naja, lass dich überraschen.

Technisch wieder mal ein sehr gut geschriebener Teil, hat richtig viel Spaß gemacht, es zu lesen.

das hör ich gern. Dafür gibts dann auch gleich die Fortsetzung 😉

Ich freue mich, euch mitteilen zu können, dass Teil 6 nun so gut wie fertig ist. Es fehlen noch 1 oder 1,5 reguläre Kapitel und dann gibt es noch einen Bonus-Epilog, der gleichzeitig auch eine Art Leseprobe für die überarbeitete Version werden soll. Ansonsten bin ich am Ende angekommen.

Und das heißt für euch, dass es nun etwas schneller gehen wird. Ich plane eigentlich, ein Kapitel pro Tag reinzustellen. Allerdings nicht, bevor ich nicht wenigstens einen Kommentar pro Teil bekommen habe 😉

Hier nun die Antwort auf die Frage:
Noch eine Frage: Kann man davon ausgehen, das Bluthand den einen Riesen und die Leichen aus den Särgen nicht zerstört hat?

Da dieses Kapitel allerdings 10 Seiten umfasst, werde ich es teilen. Die Kapitel werden jetzt alle ziemlich lang und es wird ab und zu zu Teilungen kommen. Aber es geht ja gleich am nächsten Tag weiter 😉

Viel Spaß damit.

Die Schwarze Aydar (1/2)



"Nicht jeder, der von einem Engel erleuchtet wird, erkennt, dass er von einem Engel erleuchtet wird."
[FONT=&quot]— [/FONT] Thomas von Aquin, Summa theologica

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
11 Stunden nach Sonnenaufgang

Xiucalta keuchte und jeder Atemzug sandte grauenvolle Stiche durch ihre linke Körperhälfte. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust und Schweiß rann ihr in kalten Tropfen über Stirn und Rücken. Ihre wunden Füße brannten, aber sie zwang sich vorwärts.
Hätte mir jemand gesagt, dass ich als Seherin so viel rennen muss, hätte ich es mir anders überlegt, fluchte sie in Gedanken. Jetzt war sie bereits zweimal durch den halben vierten Ring gelaufen. Sie stürmte geradewegs über die breite Prachtstraße, ohne einen Blick auf die beeindruckenden Standbilder auf beiden Seiten zu verschwenden. Nur noch wenige hundert Meter, dann hätte sie den Platz der Heiligen erreicht. Voraus konnte sie bereits die hinteren Reihen der Krieger ausmachen, die diese Straße gegen die Flut der Untoten schützten.
Das zu sehen, machte ihr neuen Mut. Sie war beinahe da. Vielleicht würde sie noch rechtzeitig kommen. Mit wachsender Sorge beobachtete sie schon seit einer ganzen Weile die Bilder, die die Winde der Magie ihr brachten. Nerglot hatte die Körper der Kinder des Mordes wiederbelebt und an die Oberfläche gesandt. Diese Untoten waren sogar noch schlimmere Gegner als die beseelten Schwarzen Gardisten vom Vormittag.
An acht verschiedenen Stellen waren sie auf die Formation der Druchii getroffen und drohten, sie zu brechen. Auch wenn sie nicht über die Macht der Erwählten verfügten, waren sie unübertroffene Kämpfer. Immer wieder forderten sie schreckliche Opfer, ohne dass sie jemand aufhalten konnte.
Der Ring der Verteidiger war ohnehin schon stark ausgedünnt. Die Magier waren inzwischen ausnahmslos erschöpft und den Armbrustschützen war die Munition ausgegangen. Der Großteil hatte sich danach ebenfalls den Nahkämpfen angeschlossen, nur einige Zauberinnen hatten sich zurückgezogen, um neue Kräfte zu schöpfen. Von den anfangs knapp eintausend Soldaten waren bestimmt schon dreihundert gefallen und der Rest müde und von dem andauernden Ansturm zermürbt. Und auch Xiucalta wusste nicht, wie lange diese Schlacht noch dauern würde. Das hing ganz von Meisterin Bluthand ab.
Doch es waren nicht die wiederbelebten Kinder des Mordes, die ihr Sorgen machten. Die mochten tödliche Gegner und zudem schlecht für die ohnehin angeschlagene Moral sein, aber früher oder später würden sie aufgehalten werden. Nein, das wahre Problem war das, was sich gerade im Zentrum des Platzes über dem Loch tat.
Die Seherin verbiss sich einen Fluch, als sie das Skelett sah, das knapp zehn Meter in der Höhe hing, von unheiliger Macht getragen. Rasend schnell schossen nach und nach sieben weitere Knochengestalten hinauf und fügten sich dort zu einer gewaltigen Figur aus Gebeinen zusammen.
Für einen Augenblick erstarrten die Druchii rings um den Platz, als sie die himmelhohe, zum Leben erweckte Abbildung ihres Gottes erblickten. Nicht wenige ringsum warfen die Waffen hin und flohen Hals über Kopf.
Und dann setzte sich der Titan in Bewegung; genau in Xiucaltas Richtung. Er brauchte nur zwei Schritte, um die Entfernung zu den Druchiikriegern zu überwinden. Das beinerne Schwert schimmerte matt in der Sonne, als er ausholte und zuschlug. Der Hieb trieb eine gewaltige, meterlange Kerbe in die Formation und erschlug ein halbes Dutzend Soldaten.
Das gab ihnen den Rest. In wilder Panik wandten sich die Krieger um und flohen vor diesem Feind, den sie nicht besiegen konnten. Erbarmungslos stürmten die Untoten hinterher und metzelten Dutzende nieder, die nicht schnell genug waren. Jeder, der unter den metallenen Klauen der Skelettkrieger fiel, schmerzte Xiucalta, denn er brachte die Druchii ihrem Untergang ein Stück näher.
Die Seherin hatte den Platz inzwischen erreicht und die Flüchtenden stürmten an ihr vorbei. Einige versuchten, sie mitzuziehen, ein paarmal wurde sie beinahe umgerannt, aber sie ließ sich nicht aufhalten. Die meisten Druchii wichen der Gestalt in den schwarzgrauen Gewändern auch lieber weiträumig aus.
Und dann war der richtige Zeitpunkt gekommen. „Rot um zu töten.“, rief sie und reckte den Stab der furchterregenden, lebenden Statue entgegen. „Blau um zu schützen.“, murmelte sie gleich darauf und warf den blau leuchtenden Schild so weit aus, wie es ihr nur möglich war. Die Barriere ergoss sich knisternd über die Fliehenden hinweg und wuchs mit der Geschwindigkeit eines Gedankens. Xiucalta schnappte nach Luft, als gewaltige Mengen Magie durch ihre Arme brandeten und es ihr beinahe den Stab aus den Händen schlug.
Aber sie hatte es geschafft. Über die gesamte Breite der Prachtstraße wuchs die blau schimmernde Kuppel in die Höhe und schloss sie mitsamt der Fliehenden ein. Nicht ein einziger war entkommen. Und gerade einmal vier Skelettkrieger hatten es ins Innere der Barriere geschafft.
Während sich um sie herum Verwirrung, Panik und Verstehen breit machten, beobachtete Xiucalta, wie der rote Lichtstrahl die Knochenfigur direkt in die Brust traf und zersprengte. Doch ihre erste Erleichterung fiel gleich darauf in sich zusammen, als die Masse der Gebeine zu sieben Skelettkriegern zerfiel, die geradewegs durch die Luft auf sie zuflogen, beinahe, als würden sie den Weg ihrer magischen Attacke zurückverfolgen.
„Rot um zu töten.“, rief sie der Panik nahe und in der Dauer eines Herzschlags woben sich die roten Fäden wie Adern in das makellose Blau des gewaltigen Kuppelschildes, lange bevor die Untoten ihn erreichten.
Doch sie konnte das Schauspiel ihrer Zauberei nicht verfolgen, denn urplötzlich tauchte ein Krieger vor ihr auf, das Schwert zum Zustechen erhoben. „Lass uns raus, Miststück.“, schrie er und griff an. Xiucalta erstarre vor Schreck und Entsetzen. Sie konnte nichts tun. Sie konnte den Zauberstab nicht bewegen, ohne den Schild zu brechen. Eine derart riesige Barriere konnte sie nur halten, indem sie sie auf einen Ort fixierte.
Doch es war nicht ihre Hilflosigkeit, die sie zu lähmen schien. Es war die Tatsache, dass sie dies nicht hatte kommen sehen, obwohl sie eigentlich immer instinktiv nach Bedrohungen für ihr eigenes Leben Ausschau hielt. Einen Augenblick später wusste sie auch weshalb. Das Schwert eines Scharfrichters fuhr in schwarzem Bogen zwischen ihr und dem Angreifer nieder, schlug ihm die Klinge aus der Hand und krachte ihm dann mit der stumpfen Seite gegens Knie. Der Mann heulte auf und knickte weg.
Der Tempelkrieger packte ihn und zwang ihn, aufzublicken. Er deutete in die Höhe, wo in diesem Augenblick das erste der sieben Skelette auf Xiucaltas Schild prallte. Es knisterte und knackte, als die Magie den Aufschlag abfing und die Knochen des Untoten versengte. Gleich darauf kam der zweite auf. Wie wild holten die Monster mit geballten Fäusten aus und schlugen auf die von roten Fäden durchdrungene Barriere.
Xiucalta stöhnte laut auf, als der Zauber ihr gewaltige Mengen an Kraft entriss. Ihre Arme schienen in Flammen zu stehen. Mit roten Lichtblitzen wurden die Hiebe der Skelettkrieger vom Schild zurückgeworfen und zerschmetterten sich selbst.
„Sie beschützt uns, du Narr.“, fauchte der Tempelkrieger und schleuderte den Mann dann in die Menge, wo er verschwand. Nach und nach verbreitete sich die Nachricht und die Panik wich Erleichterung, während die Druchii beobachteten, wie sich nacheinander auch die übrigen fünf Skelette selbst vernichteten, bis von dem gewaltigen Knochenkoloss nicht mehr als grauer Staub übrig war, der knisternd und funkensprühend über Xiucaltas Schild rieselte.
Doch es war nur ein kleiner Sieg. Die eigentliche Flut der Untoten nahm nicht einen Augenblick lang ab, denn die seelenlosen Kreaturen ließen sich von der Zerstörung des Skelettriesen nicht verunsichern. Wie ein Hagelsturm hämmerten sie gegen Xiucaltas Schild, der die gesamte Breite der Straße blockierte. Immer wieder zerriss ihr Zauber einen der Untoten, wenn sie mit genug Kraft dagegen vorgingen, aber im gleichen Maße schwand auch Xiucaltas Stärke. Schon jetzt stützte sie sich mehr auf den Stab, als dass sie ihn hielt. Lange konnte sie das nicht mehr durchhalten.
„Macht die Krieger kampfbereit.“, wies sie den Tempelkrieger an, der sie beschützt hatte. Es kam kaum mehr als ein Hauch über ihre Lippen. „Ich kann den Schild nicht ewig halten.“ Der Mann hatte sich näher zu ihr gebeugt, um sie verstehen zu können, und richtete sich jetzt wieder auf. Energisch und mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, fing er an, Befehle zu geben.
Die Panik der Druchii beim Anblick des Knochenkolosses war verschwunden und viele formierten sich bereitwillig neu. Sie stellten sich hinter und neben Xiucalta auf, sodass die Hälfte der Kuppel frei blieb. Auf diese Weise hätten sie genug Zeit zum Reagieren, falls der Schild ohne Vorwarnung fallen sollte.
Es würde jedoch noch dauern, bis sie eine einigermaßen kampfbereite Aufstellung eingenommen hatten. Es waren einfach zu viele Soldaten auf zu wenig Raum und niemand wusste so recht, wohin am besten. Es entbrannte ein regelrechter Streit um die richtige Formation und Xiucalta seufzte leiderfüllt. Sie fühlte ihre Hände kaum noch.
Allmählich leerte sich der Raum vor ihr und sie hatte auf einmal freie Sicht auf die Untoten jenseits ihres Schildes. Und zwischen all den metallüberzogenen Skelettkriegern bemerkte sie einen, der anders war. Mit einem Schauder des Entsetzens erkannte sie die dunkelgrüne Rüstung als die von Kerkil. Sie hatte den wiederbelebten Körper des ersten Kindes des Mordes vor sich. Nur seine Augen waren nicht golden, sondern tiefrot. Und in ihren stand pure Mordlust.
Als sich der Blick dieser Augen auf sie richtete und sie ohne Blinzeln anstarrte, zuckte Xiucalta zusammen und wäre am liebsten zurückgewichen. Aber sie konnte nicht. Ihr Stab wurde von einer brodelnden Kraftsäule aus blauem und rotem Licht an Ort und Stelle gehalten, die sich bis zum höchsten Punkt der Kuppel erstreckte und den gewaltigen Schutzschirm speiste. Bevor Xiucalta den Schild brach, würde er sich keinen Millimeter bewegen. Und genauso wenig konnte sie ihn loslassen.
So hatte sie keine Wahl, als voller Entsetzen den Blick des Untoten zu erwidern. Die Intelligenz darin schockierte sie. Er schien ganz genau zu wissen, dass sie den Schild aufrecht erhielt. Und als er begann, vorsichtig mit dem Schwert dagegen zu schlagen, erkannte sie, dass er auch dessen Wirkung verstand. Seine Angriffe waren schwach, aber schnell. In rasender Geschwindigkeit schlug er auf die knisternde Barriere ein, jedoch so leicht, dass die Antwort des roten Zaubers nicht ausreichte, um ihn zu verletzen.
Khaine steh mir bei, er macht mich fertig, dachte Xiucalta mit einem Anflug von Panik. Jeder der Angriffe fraß einen Teil ihrer Reserven. Lange nicht so viel wie die anderen Skelettkrieger, die wild gegen den Schild hämmerten und daraufhin zerschmettert wurden. Aber dafür blieb der untote Kerkil auch am Leben, um einen Herzschlag später wieder zuzuschlagen. Es war beinahe ein kontinuierlicher Strom Magie, der durch den Stab in den Schild gerissen wurde, um die Angriffe auszugleichen. Xiucalta wimmerte leise, während sie das Gefühl hatte, innerlich gleichzeitig zu verbrennen und zu erfrieren.
Aber sie musste durchhalten. Die Druchii waren noch nicht so weit, dem Sturm der Untoten zu begegnen. Xiucalta schloss die Augen und atmete ein wenig auf, als zumindest der Anblick der roten, hasserfüllten Augen verschwand. Sie konzentrierte sich allein auf die Kraft, die durch ihren Körper strömte. Nur das allein zählte. Sie wurde eins mit der Magie und verdrängte alles andere. Sie war das einzige, das zwischen ihr und dem Tod stand. Wenn der Schild fiel, würde sie sterben. Die Formation der Krieger war noch nicht stabil genug, um sie schützen zu können.
Und dann schrie sie auf. Von einem Augenblick zum anderen zerstob ihre Barriere. Der Zauber war weg. Ihre Arme und Hände fühlten sich plötzlich ungewöhnlich leicht an, befreit von der brennenden Macht der Magie. Der Stab war auf einmal angenehm kühl unter ihren Fingern. Ihre Visionen waren verschwunden. Es war vollkommen still in ihrem Kopf. Sie lächelte, als eine unglaubliche Entspannung über sie hereinbrach, und es war, als würde eine große Last von ihr abfallen. War sie tot? Dann war es vielleicht gar nicht so schlimm. Sie war so herrlich leicht.
Als sie im nächsten Augenblick fühlte, wie sie in die Luft gehoben wurde und davon schwebte, war sie sicher, dass der Untote sie getötet hatte. Aber es gab keinen Schmerz. Ihr Geist musste ihren toten Körper bereits verlassen haben.
Sie spürte, wie sie irgendwo landete, aber der Aufprall war weich. Unter sich spürte sie einen starken Körper und vertraute, glatte Haut an ihrem Gesicht, die weder warm noch kalt war, sondern exakt ihre eigene Temperatur hatte. Meine liebste Aydar ist auch hier? Dann muss das der Himmel sein.
Ohne die Augen zu öffnen oder sich darum zu scheren, dass sie Handschuhe trug, tastete sie über den geliebten Leib und nahm dann Yerills Gesicht in beide Hände, bevor sie die andere Frau sanft küsste. Das Gefühl der sonderbaren Haut an ihren Lippen war unbeschreiblich und sie fühlte, wie ein Funken Begierde in ihr aufloderte. Sie verstärkte den Kuss und spürte die Überraschung der Unsterblichen. Xiucalta Lächelte. Wenn sie schon tot war, dann wollte sie das genießen. Sie schob sich höher und fuhr mit der Zunge über Yerills Lippen, während ihre Hände abwärts glitten.
Unter ihnen flog krachend eine Tür auf und riss Xiucalta in die Wirklichkeit zurück. Verwirrt setzte sie sich auf und öffnete die Augen. Ihre erste Erleichterung bei der Feststellung, dass wirklich Yerill unter ihr lag und sie verdutzt anstarrte, wich schnell Unsicherheit, als sie feststellte, dass sie gar nicht tot war, sondern sich auf dem Boden eines herrschaftlichen Schlafzimmers befand.
Der prunkvoll ausgestattete Raum war nicht sonderlich groß und konnte Xiucaltas Aufmerksamkeit nicht lange von dem Lärm ablenken, der jenseits der geschlossenen Tür ertönte. Es klang, als würde jemand ein Geschoss tiefer sämtliche Möbelstücke auseinandernehmen. Verwirrt stand sie auf und lächelte Yerill schwach an, die sich mit der ihr eigenen Geschwindigkeit und Anmut erhob.
„Einen Augenblick lang dachte ich, ich wäre tot.“, meinte sie entschuldigend. Die Unsterbliche lachte und erfüllte die Luft mit der Vollkommenheit flüssigen Goldes. „Ich bin froh, dass du es nicht bist.“, antwortete sie nur und drückte die Seherin dann fest an sich.
„Tut mir leid, dass ich deinen Schild gebrochen habe, aber ich wollte dich da so schnell wie möglich raus haben. Du sahst so aus, als würdest du es nicht mehr lange durchhalten.“ Sie deutete auf das Fenster. „Ich denke, ich sollte da so schnell wie möglich wieder runter, bevor die Untoten die Soldaten auseinandernehmen, oder? Im Haus sind nur vier Untote. Wirst du mit denen allein fertig?“
Xiucalta nickte und einen Augenblick später war die Unsterbliche schon verschwunden. Die Seherin sammelte ihre Gedanken und packte ihren Stab fester, bevor sie die Tür aufschob und hindurch spähte. Vor ihr lag ein langer Flur mit einer Wendeltreppe am Ende. Es ging sowohl nach oben als auch nach unten.
Während sie dorthin ging, kontrollierte sie mithilfe der Winde der Magie, wie es um die Stadt stand. Der Ring der Druchii hielt noch, einer der untoten Erwählten war inzwischen besiegt worden, aber die restliche Masse drohte allmählich, die Verteidiger zu erdrücken. Dagegen konnte sie im Moment nichts tun. Erfreut stellte sie fest, dass Bluthand immer noch lebte und sich gut behauptete. Es war jedoch abzusehen, dass sich das Duell dem Ende näherte. Beide Kontrahenten gingen mittlerweile mit gnadenloser Macht gegeneinander vor.
Die Kinder des Mordes hatten dem Splitterdrachen das letzte Teil genommen. Inzwischen waren mit Kerkil vier von ihnen ausgeschaltet und zwei weit vom Kampfgeschehen entfernt. Aber vermutlich spielte das kaum eine Rolle. Im Moment konnten sie ohnehin nicht mehr tun, als ihn zu verfolgen. Und er würde ihnen eine wilde Jagd liefern. In seiner neuen Schlangengestalt war er deutlich wendiger und flexibler. Er würde nicht mehr stumpf geradeaus stürmen, sondern in verwirrenden Mustern durch die Stadt gleiten, mal rechts, mal links abbiegen. Nur Xiucalta wusste, wo sie ihn am Ende stellen würden. Vermutlich verfolgte er selbst gar kein wirkliches Ziel, sondern wollte einfach nur weg.
Als Xiucalta die Wendeltreppe erreichte, schob sie die Eindrückte in den hintersten Teil ihres Bewusstseins und konzentrierte sich auf das, was ihr selbst bevorstand. Sie konnte bereits die schlurfenden Schritte eines Untoten hören, der zu ihr hoch kam. Rasch schaute sie sich um, aber es gab keinen besseren Ort für einen Kampf. Also nahm sie all ihre Selbstsicherheit zusammen und baute sich auf dem Treppenabsatz auf.
Die Stufen waren breit genug für zwei Personen nebeneinander, aber so hatte sie dennoch ein wenig Kontrolle über ihre Gegner und außerdem einen Höhenvorteil. Ob der gegen Untote etwas nütze war, wusste sie zwar nicht, aber sie fühlte sich dadurch besser.
„Rot um zu töten.“, flüsterte sie, als der Skelettkrieger in Sicht kam. Die Kreatur erblickte sie und beschleunigte ihre Schritte, die metallüberzogenen Klauen nach ihr ausgestreckt. Die Seherin reckte den Stab vor und zerschmetterte den Angreifer mit einem roten Lichtstrahl. Als der Untote zu einem Haufen Knochen zersprengt wurde, atmete sie erleichtert auf. Einer weniger.
Aber ihr war keine Ruhepause vergönnt. Schon kam der nächste in Sicht und stürmte auf sie zu. Wieder beschwor sie den roten Zauber und beobachtete, wie sich die Lichtfäden einem Kokon gleich um den langen Stab legten. Doch der Untote war schon zu nahe, um ihn ebenfalls mit dem Lichtstrahl zu vernichten. Seine Metallkrallen zuckten durch die Luft und Xiucalta blieb nichts anderes übrig, als den Stab hochzureißen und die Attacke abzufangen.
Sie war keine gute Kriegerin und verfügte nicht über die nötigen Reflexe, um schnell und wirkungsvoll auf einen Angriff zu reagieren. Aber ihre Visionen hatten ihr verraten, wo der Untote zuschlagen würde, und ihr damit genug Zeit verschafft, den Stab zur Parade in Position zu bringen. Der Skelettkrieger wiederum war zu beschränkt, um darauf zu reagieren.
Mit voller Wucht prallte sein Hieb auf Xiucaltas Stab und den roten Lichtkokon. Es knallte und ein roter Blitz blendete die Seherin für einen Augenblick, dann wurde die Hand des Untoten von ihrer Magie zurückgeschleudert und in dessen Schädel gerammt. Einen Moment lang stand der kopflose Leichnam noch vor ihr, bevor er zur Seite kippte.
Und dann konnte Xiucalta nur noch mit einem überraschten Schrei nach hinten springen, als hinter dem besiegten Skelettkrieger der nächste Angreifer auftauchte und mit einem langen Schwert nach ihr schlug. Mit einem Schrecken, der ihr bis in die Glieder fuhr, erkannte sie den wiederbelebten Kerkil. Wilde Mordlust stand in seinen roten Augen, während er auf sie zukam und für den nächsten Hieb ausholte.
Panisch wich sie zurück und reckte ihm den noch immer rot leuchtenden Zauberstab entgegen. Ein roter Lichtstrahl fegte brüllend durch den Flur, doch der Untote sprang rechtzeitig beiseite. Hastig beschwor Xiucalta einen engen, blau schimmernden Schild um sich. Mit unglaublicher Schnelligkeit stürmte ihr Feind vorwärts und schlug zu, aber es war zu spät. Die Klinge kreischte funkensprühend über die Barriere, konnte sie aber nicht durchdringen.
Aufhalten konnte das den untoten Kerkil nicht. Er wanderte langsam um sie herum, wobei er die Klinge gegen ihren Schild drückte. Es stank beißend nach versengtem Metall, aber Xiucaltas größere Sorge galt ihren Magiereserven. Sie hatte sich noch lange nicht von den Anstrengungen auf der Straße erholt. Schon jetzt keuchte sie, während der Schild mehr und mehr Kraft beanspruchte.
Verdammt, sie musste den Untoten loswerden. Wenn er sie zu lange hier festhielt, konnte es zu spät sein. „Rot um zu töten.“, rief sie und reckte ihm ihren Stab entgegen. Fast beiläufig wich er aus und der Angriff zerschmetterte die Tür hinter ihm, während die Seherin vor Erschöpfung keuchte. Durch den Schild anzugreifen, war unglaublich kraftraubend.
Fast, als wäre nichts geschehen, machte sich der Untote wieder daran, ihren Schild zu schwächen. Xiucalta wurde mit schockierender Gewissheit klar, dass sie nur noch einen Versuch hatte. Ihr blieb nicht genug Kraft für noch mehr Zauber. Und den Schild konnte sie bei dieser Belastung auch nur noch wenige Augenblicke aufrecht erhalten.
Aber was sollte sie tun? Der Untote besaß die Reflexe eines Erwählten. Er würde jedem ihrer Strahlen ausweichen und sie hätte keine Chance, ihn allein mit dem Stab zu besiegen. Im Gegensatz zu dem Skelettkrieger, den sie vernichtet hatte, war er geschickt genug, ihre Parade zu umgehen und nicht auf so einen Trick hereinzufallen. Nein, sie musste ihn mit etwas Anderem besiegen.
Ein Lächeln stahl sich trotz der Anstrengungen auf ihr Gesicht und sie schloss die Augen. Sie musste nichts sehen. Die Winde der Magie erzählten ihr bereitwillig alles, was sie wissen wollte. Vorsichtig streckte sie ihren Geist aus und bereitete den nächsten Schlag vor. Auf den Schild brauchte sie sich nicht konzentrieren. Solange sie genug Kraft hatte, würde der Stab ihn allein aufrecht erhalten.
Wieder schoss ein Strom fauchenden roten Lichts auf den Erwählten zu. Xiucalta konnte sehen, wie er Anstalten machte, reflexartig nach links auszuweichen. Gerade noch rechtzeitig sah er den zweiten Strahl, der dorthin schoss, und sprang stattdessen ohne weiteres Zögern nach rechts – direkt in den dritten roten Lichtblitz. Und den einzigen der drei, der wirklich über Kraft verfügte.
Die beiden falschen Zauber zerstoben an der gegenüberliegenden Wand zu roten Funken, doch der dritte Strahl traf den untoten Erwählten voll in die Brust, schleuderte ihn durch den Flur und zerschmetterte ihn an der Mauer. Ein Haufen kostbarer Rüstungsteile war alles, was von ihm übrig blieb. Das Fleisch – nun endlich von allen gegen Verwesung schützenden Zaubern befreit – zerfiel zu stinkendem, grauem Staub.
Xiucalta ließ den Schild fallen und stützte sich schwer auf den Zauberstab, während sich ihr Herzschlag allmählich beruhigte. Das war knapp gewesen. Jeder andere hätte gesagt, dass sie außerdem verdammt viel Glück gehabt hatte, aber sie war eine Seherin. Für sie gab es keinen Zufall, kein Glück und kein Pech. Sie hatte vorhergesehen, in welche Richtung der Untote springen würde – und ihn dann vernichtet.
Allmählich fühlte sie auch einen Anflug von Stolz. Sie mochte eigentlich nur eine Novizin sein, aber wenn sie all ihre Fähigkeiten geschickt und klug kombinierte, konnte sie durchaus eine gefährliche Gegnerin werden. Und ihre Magie hatte nicht nur verhindert, dass ein großer Teil der Verteidiger geflohen war, sondern hatte ihnen auch noch das Leben gerettet. Sie hatte gar nicht mitzählen können, wie viele Untote von ihrem Zauber zerschmettert worden waren. Ein Dutzend mindestens.
Und sie hätte selbst nicht gedacht, dass ein vollständiger Kuppelschild von solcher Größe möglich war. Sie hatte die gesamte Prachtstraße abgedeckt! Das hätte sie höchstens Bluthand zugetraut. Ich sollte mich nicht unterschätzen. Ich kann vielleicht nur ganz einfache Zauber schaffen, aber die dafür mit gewaltiger Macht.
Mit diesem Gedanken und zufrieden mit sich selbst stieg sie die Treppe hinab und setzte sich dabei darüber in Kenntnis, was draußen auf der Straße passiert war, seit Yerill sie dort weggebracht hatte. Anfangs waren die Untoten über die völlig überraschten Verteidiger wie eine Sturmfront hereingebrochen und hatten schreckliche Opfer gefordert, bis die Unsterbliche zurückgekehrt war. Xiucalta konnte Yerill selbst nicht kämpfen sehen, sondern nur die Folgen ihrer Taten, aber es schien, als würde Sturmtanz ihrem Titel alle Ehre machen.
Ach ja, Yerill, wenn ich dich nicht … Oh verdammt! Wie wild wirbelte sie herum, als rechts von ihr plötzlich Bewegung zu hören war. Ihr Stab fegte in weitem Bogen durch die Luft und sie spürte einen heftigen Ruck, als sie irgendetwas traf, gefolgt von einem durchdringenden Knacken. Panisch wich sie zurück und starrte mit rasendem Herzschlag in die Dunkelheit des Zimmers, an dem sie gerade vorbeigegangen war. Sie hatte mittlerweile das untere Geschoss erreicht und war zur Tür unterwegs gewesen.
Erst, als sich nach einigen Sekunden immer noch nichts rührte, richtete sich ein wenig auf und wollte näher treten. Dann schalt sie sich selbst eine Närrin. Wozu sollte sie sich auf ihre schwachen sterblichen Sinne verlassen? Hier konnte sie ohnehin kaum etwas erkennen. Stattdessen griff sie nach den Winden der Magie und ließ das Geschehen in Revue passieren. Für die magischen Ströme gab es kein Hell und Dunkel. Wenn ihre Herrin Geisterauge etwas sehen wollte, dann zeigten sie es ihr.
So konnte Xiucalta beobachten, was sie schon vermutet hatte. Sie hatte den vierten Untoten vergessen, zu sehr von ihrem Sieg über den wiederbelebten Erwählten berauscht. Der hatte sich nun auf sie gestürzt, als sie ihm nahe genug gekommen war. Ihre wilde Reaktion und vor allem die überlegene Länge ihres Stabes hatten sie vor dem Schlimmsten bewahrt. Sie hatte den Skelettkrieger direkt an den Schädel getroffen und seine unheilige Existenz beendet.
Nun gut, vielleicht gibt es auch für mich glückliche Zufälle. Auf jeden Fall würde es ihr eine Lehre sein. Wieso hatte sie sich nur derart ablenken lassen? Ihr Leben hätte innerhalb weniger Augenblicke vorbei sein können. Sie hatte doch die Möglichkeit, die Zukunft zu sehen! Und selbst wenn nicht, hatte Yerill von vier Untoten im Haus gesprochen. Und wer kannte die empfindlichen Sinne der Unsterblichen besser als sie? Ach ja, Yerill, wenn ich dich nicht hätte, dachte sie abermals und schaffte es dieses Mal, den Gedanken zu Ende zu führen, ohne angegriffen zu werden.
Die Erinnerung an die Unsterbliche lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die draußen tobende Schlacht und auf einmal bedauerte sie, Sturmtanz nicht kämpfen sehen zu können. Ob sie genauso anmutig und geschickt war, wie Xiucalta es sich vorstellte? Sie hatte Yerill noch nie richtig kämpfen sehen, ging ihr plötzlich auf. Nur als die Unsterbliche sie vor Darmal gerettet hatte. Aber diesen Kampf hatte Yerill beinahe verloren und Xiucalta war kaum bei Bewusstsein gewesen und hatte nicht viel mehr als verschwommene Bewegungen wahrgenommen.
Kurzentschlossen griff sie nach den Winden der Magie und unterzog das Gebäude, in dem sie sich befand, einer geistigen Durchsuchung. Es war verlassen, aber das interessierte sie nicht weiter. Interessanter war jedoch die Tatsache, dass es über einen Balkon zur Prachtstraße hin verfügte. Statt zur Tür hinauszugehen, bog die Seherin in einen anderen Flur ab, der längs durch das Haus verlief, stieg an anderer Stelle eine Treppe wieder hinauf und fand zwei Stockwerke höher schließlich die gesuchte Tür.
 
Joah, die Story geht halt weiter.

"Na, wenns denn sein muss ..." les ich da grad raus 😉

Aber ich will mal nicht so kritisch mit meinem Kritikern sein. Hier jetzt der zweite Teil.

Die Schwarze Aydar (1/2)



"Nicht jeder, der von einem Engel erleuchtet wird, erkennt, dass er von einem Engel erleuchtet wird."
[FONT=&quot]— [/FONT] Thomas von Aquin, Summa theologica

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
11 Stunden nach Sonnenaufgang

Als sie nach draußen trat, schlug ihr der Lärm der unter ihr tobenden Schlacht wie eine Ohrfeige entgegen. Das scharfe Klirren, mit dem geschliffener Silberstahl auf bronzeüberzogene Knochen traf, wurde vom Krachen brechender Gebeine und dem Reißen weichen Fleischs untermalt. Und darüber hingen die durchdringenden Schreie der Verwundeten, die allzu oft rasch wieder abbrachen. Die Skelettkrieger waren gnadenlose Feinde, die jede Blöße sofort ausnutzten. Und die Formationen der Druchii waren zu belastet, um die Verletzten rasch zu schützen und in Sicherheit zu bringen.
Xiucalta verschloss sich gegen den Lärm und trat an die Brüstung des Balkons. Sie befand sich fast an der Mündung der Straße auf den Platz der Heiligen. Dank Sturmtanz hatten die Verteidiger die Untoten bereits wieder bis hierher zurückgedrängt und hielten hier nun die Stellung. Als Xiucalta die Unsterbliche sah, stockte ihr der Atem.
Yerill bewegte sich wahrlich mit der Anmut einer Tänzerin und der Gewalt eines Sturms durch die Reihen der Skelettkrieger. Während sie mit leichtfüßiger Perfektion herumwirbelte, ließ sie ihre beiden Schwerter in weiten Bögen kreisen. Die langen Anderthalbhänder in ihren Händen hätten genauso gut auch Dolche sein können, so schnell und präzise schlug sie damit zu, zerschmetterte Knochen, spaltete Schädel und vernichtete die Skelettkrieger zu Dutzenden.
Nichts konnte sie aufhalten. Sie tauchte unter Hieben hindurch, sprang über Stiche hinweg, trennte vorschnellende Metallklauen ab und parierte mühelos die vergleichsweise trägen Angriffe der Untoten. Nicht ein einziger Bronzefinger kratzte auch nur über ihre Haut. Es war ein Anblick, der Xiucalta neuen Mut schenkte. Es schien, als gäbe es nichts, das Yerill nicht vernichten konnte.
Sie merkte allerdings auch, dass die Skelettkrieger die Unsterbliche nur halbherzig angriffen. Langsam wurde ihr klar, dass Nerglot noch nichts von Yerills Verrat wusste. Für ihn galt sie noch immer als Verbündete und dementsprechend behandelten seine Diener sie. Nur allmählich begriffen die seelenlosen Kreaturen, dass die weiß leuchtende Gestalt in ihrer Mitte ihr Feind war. Mittlerweile wurde der Druck der Untoten stärker und ihre Vorgehensweise entschlossener. Nicht, dass das ihre Chancen gegen Sturmtanz erhöht hätte.
Dann blickte die Unsterbliche auf und bemerkte Xiucalta. Ein Lächeln stahl sich auf das engelsgleiche Gesicht und einen für einen Augenblick verschwand sie. Kaum einen Herzschlag später schloss sich ihre täuschend zarte Hand um das Balkongeländer, bevor sie sich hochzog und darauf landete. Die Seherin streckte grinsend den Arm aus und tat, als würde sie Yerill hinab helfen.
„Du bist atemberaubend. Es gibt keinen besseren Titel für dich … meine geliebte Sturmtanz.“, meinte sie glücklich und Yerill schloss sanft ihre Finger um Xiucaltas Hand – unterhalb der Brüstung und damit von der Straße aus nicht sichtbar.
Bevor die Unsterbliche antworten konnte, gerieten die Druchii unter ihnen plötzlich in Aufregung. Die hintersten hatten sich umgewandt und deuteten wild die Straße hinunter. Als Xiucalta ihren ausgestreckten Armen folgte, zog sie überrascht die Augenbrauen hoch. Gut zweihundert Krieger marschierten dort auf die Stellung der Verteidiger zu. Mithilfe der magischen Winde sah die Seherin näher hin – auch wenn sie ihre Konzentration dazu um Yerill herum lenken musste, die noch immer ihre Hand hielt. Die kleine Streitmacht schien ein bunt zusammengewürfelter Haufen zu sein und fast ausschließlich aus Leibgardisten zu bestehen. Auf ihren prächtigen Rüstungen leuchteten die unterschiedlichsten Wappen reicher Häuser. Doch wirkliche Hochgeborene gab es unter ihnen lediglich drei.
Am seltsamsten war jedoch, dass sie offenbar einem Krieger folgten, der sich kaum von den anderen Gardisten abhob. Außer dass auf seinem Brustpanzer fünf deutliche Kratzer prangten und er seine Hellebarde wie eine Standarte trug. Verwundert erkannte Xiucalta, dass das Metall kurz unter der Klinge zusammengedrückt worden war.
Einige der Neuankömmlinge deuteten jetzt aufgeregt zu ihnen hoch. Dank ihrer Fähigkeiten verstand die Seherin sie mühelos. Dass Yerill sie auch hören konnte, bezweifelte sie nicht. Und als ihr klar wurde, was die Krieger riefen, klappte ihr der Mund auf.
„Da seht! Sturmtanz, die Weiße Aydar, wie wir es euch angekündigt haben. Sie stellte uns vor die Wahl und forderte unsere Treue vor Khaine. Und hier sind wir nun, bereit unsere Sünden zu sühnen.“ Laute Begeisterungsrufe begleiteten diese Worte und immer wieder hörte Xiucalta die Worte „Weiße Aydar“. Verwirrt wandte sie sich zu Yerill um.
„Und wer ist die andere Frau?“, fragte da jemand.
„Sie hat uns gerettet.“, erklärte einer der hinteren Verteidiger, die sich umgewandt hatten, den Neuankömmlingen lautstark. „Als wir vor einem gewaltigen Skelettmonster fliehen wollten, hat sie uns aufgehalten und den Riesen vernichtet. Dann hat sie uns beschützt, bis wir bereit zum Kampf waren.“
„Sie ist die Schwarze Aydar.“, schrie jemand aus der Menge, woraufhin diese Enthüllung mit lautem Jubel gefeiert wurde. „Khaine hat sie beide geschickt, damit wir unsere Fehler erkennen und das tun, was richtig ist.“
„Nein, das stimmt nicht, ich bin nur …“, rief Xiucalta, bis Yerill ihr schmerzhaft auf den Fuß trat. Es hatte sie ohnehin niemand gehört. Ihre Worte waren in der lautstarken Begeisterung und dem Krach der noch immer wütenden Schlacht untergegangen.
„Was denn?“, zischte sie der Unsterblichen zu, während sich die Krieger auf der Straße weiter über die beiden Aydari austauschten. „Das ist doch völliger Blödsinn. Ich bin keine Aydar. Und du auch nicht. Wie kommen die überhaupt darauf?“
Yerill wand sich verlegen und Xiucalta kniff die Augen zusammen. „Ich habe ihnen gesagt, dass ich Khaines Weiße Aydar bin.“, erklärte sie dann. „Ich habe ihnen aufgetragen, noch mehr Krieger zu suchen, die nicht am Kampf teilnehmen, und hierher zu kommen. Ich dachte, du würdest dich über möglichst viele Soldaten freuen.“
Die Seherin sank in sich zusammen. „Ja, da hast du wohl recht. Aber trotzdem ist es falsch. Wir sind nicht von Khaine gesandt, auch wenn ich verstehe, wieso man dich für eine Aydar hält. Aber ich bin einfach nur eine Seherin. Ich will keine Aydar sein.“
Jetzt lächelte Yerill und nahm Xiucaltas Hände beide in ihre, bevor sie ruhig antwortete. „Es ist nicht deine Entscheidung. Blutklinge hat mir gesagt, wenn das Volk mich als Aydar akzeptiert, dann bin ich Khaines Weiße Aydar. Hör nur, wie sie dich verehren. Du hast sie gerettet und gleichzeitig zurück in die Schlacht geschickt, so wie ich. Du bist jetzt die Schwarze Aydar, ob du willst oder nicht.“ Sie grinste.
„Aber …“, protestierte Xiucalta ungläubig. „Ich habe doch nicht einmal etwas von einer Aydar an mir. Du bist ja viel stärker, schneller, schöner als jeder Druchii und du … leuchtest. Ich bin noch nicht mal unsterblich. Und diese Sachen könnte jeder tragen.“
Yerill ließ sie ausreden und schüttelte sanft den Kopf. „Du unterschätzt dich. Allein wie du die Fliehenden aufgehalten und dich den Untoten entgegen gestemmt hast, war schon beeindruckend. Dieser Schild mit den roten Adern sieht wirklich einschüchternd aus. Ich habe dich schon ein paar Augenblicke beobachtet, bevor ich ihn gebrochen habe. Niemand hat es gewagt, sich dir auf weniger als einen Meter zu nähern, obwohl es drückend eng in deinem Schild war und alle durcheinander gerannt sind, um sich aufzustellen. Du hast eine bemerkenswerte Ausstrahlung. Auch wenn du dich vielleicht selbst nicht so fühlst, wirkst du unglaublich mächtig, geheimnisvoll und irgendwie … naja, allwissend.“
Sie deutete über die Brüstung. „Ich glaube, du gibst ihnen das Gefühl, sie jederzeit vollkommen vernichten zu können – und sei es nur durch das Wissen, das du besitzt.“ Yerill zögerte kurz. „Du hast mir erzählt, wie du die Winde der Magie anziehst, um zu sehen. Vielleicht können andere spüren, dass sie sich in deiner Nähe anders verhalten?“
Xiucalta wusste nicht, was sie sagen sollte. So ganz überzeugt war sie noch nicht, aber sie konnte dem auch nicht widersprechen. Letztendlich aber zählte vermutlich eh nicht, was sie dazu zu sagen hatte. Yerill – beziehungsweise Blutklinge – hatte recht: Wenn die Druchii sie als Khaines Schwarze Aydar sahen, dann konnte sie nichts dagegen tun. Und irgendwie gefiel ihr dieser Titel auch.
„Also von mir aus.“, meinte sie. „Ich hoffe nur, ich werde das nicht irgendwann bereuen.“ Auf jeden Fall hatte sie damit jetzt genau das Gegenteil von dem erreicht, worum sie Todeslied gebeten hatte: Ruhe vor zu viel Aufmerksamkeit und jeglicher Verehrung. Jetzt galt sie nicht nur als Heldin, sondern sogar als göttliche Gesandte. Na wunderbar!
„Herrin Sturmtanz!“, rief nun einer der Krieger von der Straße hinauf. Xiucalta griff nach den Winden der Magie, als Yerill sich vorbeugte und sie losließ. So konnte sie sehen, was dort unten vor sich ging, ohne selbst zu sehr aufzufallen. Die Neuankömmlinge, bemerkte sie, standen noch immer ein Stück hinter den übrigen Verteidigern, unter denen sich die Nachricht der beiden Aydari inzwischen verbreitet hatte.
„Wir sind nun hier, wie Ihr verlangt habt.“, rief der Krieger mit den Kratzern auf der Brust. „Sollen wir nun alle hier an dieser Stelle kämpfen oder habt Ihr andere Pläne mit uns?“
„Das zu entscheiden, liegt nicht bei mir.“, gab Yerill zur Antwort. „Ich bin Khaines Schwert, gesandt um zu richten oder zu schützen.“ Xiucalta klappte abermals der Mund auf. Yerill schien sich in ihrer Rolle ein wenig zu gut zu gefallen. Aber irgendwie passte es. „Meisterin Geisterauge wird euch sagen, was ihr zu tun habt.“
„Was?“, schrak die Seherin auf und sah Yerill grinsen. Die zuckte die Schultern, als sie Xiucaltas verwirrtes Stirnrunzeln sah. „Du hast diese Verteidigungslinie aufgebaut und verhindert, dass sie auseinandergefallen ist. Sag du ihnen, wo du sie haben willst.“
So klang das schon anders und Xiucalta riss sich zusammen. All die Worte über Aydari und Khaine hatten sie völlig durcheinandergebracht. Aber Yerill hatte recht. Das war ihre Verteidigung und niemand konnte besser als sie beurteilen, wo die neuen Krieger am ehesten gebraucht wurden. Vermutlich war sie auch die einzige, die überhaupt noch einen Überblick über die gesamte Schlacht hatte.
Sie wollte schon vortreten, als ihr auffiel, dass sie vermutlich gar nicht so laut schreien konnte, dass die Krieger sie trotz des Schlachtenlärms verstehen konnten. Und wenn doch, würde es absolut unaydarhaft wirken. Sie konnte doch so viel mehr.
Entschlossen sandte sie ihren Geist durch die Ströme der Magie und formte sie unten auf der Straße zu einem Abbild ihrer selbst. Genauer gesagt ihrer Kleidung. Die schwarze Kapuze war leer. Sie hörte das Raunen der Druchii unten, die durchaus wussten, dass sie noch hier oben war. Einen Augenblick gönnte sie es sich, sich ihre Illusion selbst anzusehen, und grinste zufrieden. Vielleicht hatte Yerill doch recht gehabt. Die Gewänder der gesichtslosen Gestalt flatterten in einem Wind, den es eigentlich gar nicht gab. Sie war auch deutlich größer als Xiucalta in Wirklichkeit war. Dunkelheit schien aus den Falten und Ärmeln der Robe zu sickern.
Dann begann sie, Anweisungen zu erteilen. Sie ließ ihre Stimme in rascher Folge aus acht verschiedenen Richtungen rings um die durchmischte Formation erklingen und unterdrückte ein Lachen beim Anblick der ehrfürchtigen Gesichter. Das war nichts, was nicht auch jede andere Zauberin gekonnt hätte, aber für Nicht-Magier war es natürlich beeindruckend. Vor allem, weil Xiucalta nicht zögerte, ihre wahre Macht zu zeigen: Ihr Wissen.
Ohne Schwierigkeiten entlockte sie den Winden der Magie Informationen über Namen und Zugehörigkeiten der einzelnen Krieger und sandte sie dann gruppenweise oder einzeln an die Stellen der Verteidigung, an denen sie den größten Nutzen bringen würden. Das war leicht. Sie brauchte einfach nur das Endergebnis und den Einfluss der einzelnen Möglichkeiten darauf zu betrachten. Die Winde der Magie verrieten ihr bereitwillig, welche Konstellation die Untoten am längsten aufhalten würde.
Vielleicht hatte Yerill wirklich recht, dachte Xiucalta, während sich die letzten Krieger vor ihrer Illusion verneigten und davoneilten, um ihre Positionen einzunehmen. Eigentlich ist es egal, ob ich leuchtende Haut habe und mich mit meterlangen Schwertern durch Reihen von Untoten hacken kann oder nicht. Auf meine eigene Weise besitze ich übernatürliche Fähigkeiten. Wissen kann genauso mächtig sein wie jede Klinge. Und wenn die Krieger mich lieber als Schwarze Aydar bezeichnen statt nur als Seherin, dann soll es so sein. Für die Moral kann es nur förderlich sein, zu wissen, dass zwei göttliche Gesandte über die Schlacht wachen. Und im Moment ist es wirklich das Wichtigste, dass diese Verteidigung hält.
Sie ließ ihre Illusion in einem schwarzen Wirbel verschwinden und drehte sich zu Yerill um. Die Unsterbliche lächelte zufrieden. Xiucalta senkte den Blick. „Verzeih mir, dass ich an dir gezweifelt habe. Was du getan hast, war … gewagt. Aber vielleicht hast du uns alle damit gerettet. Die Krieger werden die Verteidigung ordentlich stärken. Und die Nachricht von den beiden Aydari, die sie verbreiten, wird ihren Teil dazu beitragen. Gut gemacht.“
Yerill lachte leise und nahm ihre Hand. „Es gibt nichts zu verzeihen. Es hat dich überrascht und ich kann mir vorstellen, dass das für dich beunruhigend ist, wo du doch sonst alles vorher weißt. Ich hatte auch erst Angst, dass es ein Fehler wäre, sich als Aydar zu bezeichnen, aber Blutklinge hat es akzeptiert. Und ich hatte gehofft, dass es den Kriegern neuen Mut machen würde. Dass sie dich auch zur Aydar machen würden, hätte ich nicht gedacht, aber irgendwie ist es doch schön, oder? Wir gehören zusammen.“ Sie grinste verschlagen und zwinkerte. Xiucalta konnte nicht anders, als das Lächeln zu erwidern.
Dann wurde die Unsterbliche ein wenig ernster. „Und welche Aufgaben hast du für mich?“
Xiucalta grinste noch immer. „Küss mich.“, meinte sie und zog Yerill ins Innere des Gebäudes. Kaum waren sie von der Straße nicht mehr zu sehen, schlang sie die Arme um den Hals der größeren Frau und stellte sich auf Zehenspitzen. Yerill drückte sie sanft an die Wand und legte stützend einen Arm um sie. Xiucalta seufzte, als sich ihre Lippen berührten. Sie schmeckte Sonnenschein und Schnee und genoss die gleichzeitig weiche und feste Haut an ihrer. Yerills Zunge strich sanft über ihre Lippen und schob sich dann dazwischen. Bereitwillig ließ die Druchii es zu und zog die Unsterbliche an sich, während sie die Finger in dem wunderbar glatten, goldenen Haar vergrub. Sie fühlte eine Hand, die an ihrer Hüfte unter ihr Hemd und über ihre Seite glitt und stöhnte wohlig.
Eine gefühlte Ewigkeit lang war sie einfach nur vollkommen glücklich damit, hier zu stehen und Yerill zu küssen. Die Druchii, die Untoten und der Splitterdrache waren für einen wunderbaren Moment völlig vergessen. Sie fühlte sich sicher und geborgen zwischen Yerills schönem Körper und der festen Wand, gehalten von starken Armen und verwöhnt von zärtlichen, glatten Fingern.
Aber schließlich lösten sie sich wieder voneinander. Xiucalta konnte nicht sagen, wer von ihnen den Kuss beendet hatte. Es war wie ein stummes Einvernehmen. Sie wussten beide, dass dort draußen noch immer eine Schlacht tobte. Ein Kampf, in dem die beiden Aydari gebraucht wurden. Ein wenig widerwillig ließ die Seherin Yerills Hand los und streckte ihren Geist durch Zeit und Raum.
„Kümmere dich um die untoten Kinder des Mordes.“, erklärte sie, während sie ihre Gewänder glatt strich. „Es gibt noch vier von ihnen. Du erkennst sie daran, dass sie keine Skelette sind, sondern Rüstungen und Waffen tragen. Sie sind viel bessere Kämpfer als die anderen Untoten. Tu also nichts Leichtsinniges.“ Sie überlegte. „Und danach komm zu dieser Straße zurück. Was auch passiert, die Verteidigung an dieser Stelle darf nicht fallen. Die anderen werden wir vermutlich nicht retten können, aber diese Straße muss frei bleiben. Verstanden?“
Die Unsterbliche nickte. „Wo wirst du sein?“
„Ich bin nicht weit weg. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde mich nicht in Gefahr begeben. Der schlimmste Teil ist für mich erst einmal vorbei. Also lass uns anfangen.“ Einen Augenblick lang standen sie stumm voreinander, dann beugte sich Yerill vor, hauchte Xiucalta noch einen Kuss auf die Lippen und verschwand über den Balkon. Die Seherin beobachtete, wie sich die Kämpfe veränderten, als die Unsterbliche zurückkehrte. Zufrieden lächelnd zog sie sich die Kapuze ins Gesicht und machte sich dann auf den Weg.
 
Gefällt mir sehr gut, dass Xiucalta jetzt auch eine Aydar ist, ihre Fähigkeiten sozusagen endgültig vollkommen ausgenutzt werden können (Sie hat ja hier auch ein klein wenige Selbsterkenntnis 😉 ), man merkt langsam, dass beide nun auch Volkshelden bei den Dunkelelfen geworden sind.

Gleichzeitig finde ich es gut, dass Xiucalta sehr berechnend an die ganze Sache mit ihrem neuen "spirituellen" Status herangeht und versucht, das ganze taktisch einzuschätzen. Das passt sehr gut zu ihr.
 
Gefällt mir sehr gut, dass Xiucalta jetzt auch eine Aydar ist, ihre Fähigkeiten sozusagen endgültig vollkommen ausgenutzt werden können

ja stimmt. Auch wenn es eigentlich nur ein Titel ist (und im Gegensatz zu Rollenspielen gibt der hier keinen Fähigkeiten-Bonus 😉), ermöglicht der es ihr, als jemand aufzutreten, den die Leute kennen. Das war ja vorher ihr Problem, weshalb sie nicht einfach die Truppe in den Kampf scheuchen konnte.

man merkt langsam, dass beide nun auch Volkshelden bei den Dunkelelfen geworden sind.

Volkshelden klingt son bisschen wie Schlagersänger, aber ok 😀
Aber du hast schon recht. Als Aydari sind sie den Kindern des Mordes irgendwie ebenbürtig. Ich habe das hier absichtlich so gestaltet, weil beide ja vorher den Erwählten ziemlich ebenbürtig an Fähigkeiten waren (auch wenn Yerill noch keine Chance im Kampf gegen sie hätte, wie Xiucalta ihr ja weiter vorn schonmal gesagt hat. Ihr fehlt einfach noch Erfahrung und die richtige Kampfausbildung) Jetzt sind sie sozusagen offiziell Helden und können sich mit den Kindern des Mordes auf eine Stufe stellen. Das wird später noch ein bisschen eindeutiger festgelegt.

Gleichzeitig finde ich es gut, dass Xiucalta sehr berechnend an die ganze Sache mit ihrem neuen "spirituellen" Status herangeht und versucht, das ganze taktisch einzuschätzen. Das passt sehr gut zu ihr.

freut mich, dass das so rüberkommt. Das stimmt, das passt sehr gut zu ihr, auch wenn ich da gar nicht so viel drüber nachgedacht habe. Ich wollte sie einfach ein bisschen vorsichtiger und selbstkritischer darstellen.

Gut, das nächste Kapitel gibts dann heute noch. Einmal korrekturlesen muss ich aber noch, bevor es online kommt.
 
So, wie versprochen geht es jetzt weiter. Dieses Kapitel ist eher ein Lückenfüller zwischen dem letzten und dem nächsten Teil, die beide wesentlich entscheidender für die Geschichte sind. Allerdings fand ich die Geschehnisse dieses Kapitels zu wichtig, um sie in Rückblenden einzubauen.

Hier als erstes mal wieder ein Schwenk zu Blutklinge und dem Splitterdrachen, bevor es im zweiten Teil mit Xiucalta weitergeht.
Für alle, die Yetail und Nerglot vermissen: Teil 3 ("Niederlage") des Duells unter der Erde kommt gleich hiernach.

Dieses Kapitel ist relativ kurz. Ich habe mich dennoch entschlossen, es zu teilen, weil das hier ziemlich gut geht. Eventuell stell ich den zweiten Part aber schon heute Abend rein.

Drachenärger (1/2)



Mache dir nie einen Drachen zum Feind, wenn du nicht auch einen zum Freund hast.
[FONT=&quot]— [/FONT]Redewendung

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang

Verdammtes Biest, dachte Sisrall frustriert. Doch der übliche energische Zorn fehlte dem Fluch. Der Erwählte war müde und sein Kampfesrausch verflogen. Die ständige fruchtlose Verfolgung des Splitterdrachens zehrte an seinen Kräften und an seinen Nerven. Dass er sich hilflos fühlte, machte sie Sache nicht besser. Sie waren mittlerweile nur noch zu dritt und er hatte nicht einmal eine Idee, wie dieser Feind besiegt werden konnte.
Die meterdicke Schlange schlängelte sich vor ihnen durch Naggarond und änderte abermals völlig ohne Vorwarnung die Richtung. Die Gasse, in die sie abbog, war viel zu klein für den gigantischen Leib, doch davon ließ sich die Bestie nicht abschrecken. In beeindruckenden Steinfontänen explodierten die Gebäude zu beiden Seiten, als der Splitterdrache die Gasse zu einer Straße erweiterte.
Wie mächtiger Hagel prasselten die Trümmerstücke um die Erwählten herum wieder hinab. Die Druchii beschleunigten ihre Schritte, um dem schlimmsten Teil zu entgehen, und wichen dem Rest mit routinierter Geschicklichkeit aus. Blutklinge registrierte ein wenig besorgt, dass auch seinen beiden Kampfgefährten die Kraft für Flüche fehlte. Sie verzogen nicht einmal eine Miene. Ihre Gedanken waren einzig und allein auf die Aufgabe gerichtet, die Bestie nicht entkommen zu lassen. Einfach weiterlaufen, immer ein paar Schritte hinter dem grün leuchtenden Schwanzende. Sie zehrten an ihren Reserven, aber noch waren sie nicht geschlagen.
Allmählich waren sie es auch gewöhnt, dass ihre Beute immer wieder links oder rechts abbog, völlig unabhängig davon, ob es dort genug Platz gab oder nicht. Dies war nicht der erste Steinschlag, dem sie auswichen. Sisrall hatte längst aufgehört zu zählen. Trotzdem war es immer wieder ein Risiko und jedem von ihnen war klar, dass gerade die scheinbare Gewohnheit Tücken bot. Nur weil sie bereits ein paar hundert Trümmerstücken ausgewichen waren, hieß das nicht, dass sie nicht doch früher oder später eins treffen konnte. Deshalb zwangen sie sich, niemals in ihrer Aufmerksamkeit nachzulassen, egal wie erschöpft sie waren und egal wie eintönig die Jagd wurde. Wer leichtsinnig wurde, machte Fehler. Und wer Fehler machte, konnte getötet werden.
Und noch einen Ausfall konnten sie sich absolut nicht leisten. Trizil war noch immer bei Kerkil und Artewu kümmerte sich noch um Zalandra. Er würde hoffentlich bald zu ihnen stoßen, aber dennoch waren vier Krieger eine erbärmliche Streitmacht gegen diesen Feind, der groß genug war, sie mit seiner gewaltigen Masse einfach zu zerdrücken. Selbst wenn seine scharfen Schuppen sie nicht vorher zerfetzen würden.
Vor ihnen bog der lange Leib um die nächste Ecke und folgte jetzt wieder einer größeren Straße, sodass die Kinder des Mordes ihren verlorenen Vorsprung ein wenig aufholen und sich von dem Trümmerregen erholen konnten. Sisrall blickte zu den hohen Dächern beiderseits der Straße auf und wünschte sich, wieder dort oben sein zu können oder wenigstens Zalandra zu haben, um einen Überblick zu bekommen. Er wusste kaum noch, wo sie eigentlich waren. Sie bewegten sich ungefähr in Richtung Osten zurück, aber die beständigen Richtungsänderungen des Splitterdrachens hatten ihm längst die Orientierung geraubt.
Außerdem nervte es ihn, dass er nicht einmal den Kopf ihres Feindes sehen konnte. Die gewaltige Schlange war mehrere Dutzend Meter lang und glitt in ausladenden Schwüngen über das Pflaster, wobei sie die komplette Breite der Straße ausnutzte. Oft war es so, dass das vordere Ende der Bestie bereits die Richtung geändert hatte und sie das erst merkten, wenn der Schwanz plötzlich vor ihnen zur Seite verschwand.
Hätte ich ihm doch nur nicht diese verdammte Klaue abgeschlagen, dachte Sisrall genervt, als der Splitterdrache gleich darauf tatsächlich schon wieder die Richtung wechselte und in eine Querstraße glitt. Dann würde er vielleicht immer noch stumpf geradeaus stürmen.
Vielleicht würde er das, erklang plötzlich Trizils Stimme sanft und irgendwie tröstend in seinen Gedanken. Aber gib dir keine Schuld. Es war richtig, was du getan hast.
Was soll das heißen?
Xiucalta hat mir gesagt, dass es notwendig war. Der Splitterdrache musste all seine Splitter verlieren, bevor wir ihn bannen können. Sie hat uns nur deshalb davor gewarnt, ihm seine körperlichen Waffen zu nehmen, damit wir vorbereitet sind und wissen, dass wir ihn damit eher stärken als schwächen. Und damit sich keiner von uns blind auf eines dieser Teile stürzt und dabei stirbt.
Und weshalb hast du uns das nicht eher gesagt? Deine Unterhaltung mit Geisterauge liegt doch schon eine halbe Stunde zurück.
Weil sie gesagt hat, dass ich euch damit nicht helfen würde. Trizil verstummte kurz. Und allmählich verstehe ich ihre Weisheit. Es war nicht beabsichtigt, dass ihr ihm die Klauen nehmt. Zalandras Bolzen war ein Treffer an der falschen Stelle und deine Reaktion war reflexhafte Selbstverteidigung. Und so sind wir alle noch am Leben. Stell dir vor, was geschehen wäre, wenn ihr es darauf angelegt hättet, an seine Krallen zu kommen.
Sisrall antwortete nicht, aber auch er konnte die versteckte Klugheit dahinter nicht leugnen. Ja, hätte Trizil ihnen das gesagt, dann hätte es Verluste gegeben. Vielleicht hätten sie trotzdem Erfolg gehabt, aber der Preis wäre um Einiges höher gewesen. Und dann wären es jetzt vielleicht nicht einmal mehr drei Erwählte, die den Splitterdrachen verfolgen konnten.
Also war all unsere Mühe doch nicht so völlig vergebens, wie wir angenommen haben?
Nein, all das waren kleine Schritte, damit wir am Ende gewinnen können. Trizils Worte weckten Hoffnung in Sisrall und er spürte, wie auch seine Gefährten neuen Mut schöpften. Endlich wagte es wieder jemand, von einem möglichen Sieg zu sprechen. Oder damit wir zumindest eine Chance haben.
Eine Chance ist vermutlich das Beste, was wir erwarten können, dachte Blutklinge grimmig.
Ich muss zugeben, dass ich Xiucalta unterschätzt habe, mischte sich Artewu ein, der nicht mehr weit von ihnen entfernt war und dank der verwirrenden Umwege des Splitterdrachens allmählich näher kam. Sie besitzt nicht nur praktisch unendliches Wissen, sie weiß es auch noch sehr schlau einzusetzen. Anfangs dachte ich, sie würde sich unklar ausdrücken, um geheimnisvoll zu wirken oder Lücken in ihren Vorhersagen zu überspielen. Aber möglicherweise hatte alles, was sie gesagt hat – oder vielmehr nicht gesagt hat – einen Zweck. Was für eine Frau.
Ja, man könnte fast meinen, sie sei von Khaine gesandt, meinte Trizil scherzhaft und nahm den anderen Erwählten damit einen Teil der Anspannung. Blutklinge wollte sie schon zurechtweisen, aber die Erinnerung an Yerill hielt ihn zurück. Er hatte ihr gestattet, sich Aydar zu nennen. Darüber würde er sich mit den anderen Kindern des Mordes beraten müssen, aber bis dahin sollte er lieber niemandem Gotteslästerung vorwerfen, der in Xiucalta etwas Besonderes sah. Sie war auf jeden Fall mehr als nur eine Elfe.
Dann sollten wir uns vielleicht an ihr ein Beispiel nehmen und alles tun, was in unserer Macht steht, um diese Schlacht endlich zu einem Sieg zu führen. Diese ewige Jagd nützt doch niemandem etwas. Der Splitterdrache legt die ganze Stadt in Schutt und Asche! Wir müssen ihn einkreisen und binden. Nun, da er alle Splitter verloren hat, sollten wir energischer vorgehen!
Artewu, was hast du vor?, rief Sisrall beunruhigt in Gedanken.
Ich greife ihn an! Das sollte ihn verlangsamen.
Verdammt, lass das, antwortete Blutklinge, während die übrigem ihm beipflichteten. Doch es war zu spät. Ein Stück voraus konnte er den Erwählten sehen, der aus einer Seitenstraße stürmte und der Bestie in die Flanke fiel. Das lange, zweihändige Schwert des Kriegers blitzte auf und fuhr in funkelndem Bogen nieder. Der scharfe Stahl schnitt tief durch den grün leuchtenden Schuppenpanzer und der Splitterdrache brüllte auf. Sisrall spürte Artewus Befriedigung, als die gewaltige Bestie tatsächlich ein wenig langsamer wurde.
Doch schon im nächsten Augenblick wich der Triumpf schockiertem Entsetzen, als eine Peitsche aus grünem Licht auf den Krieger zu schnellte und sich wie eine Schlange um ihn wickelte. Es sah aus wie die Lichtzungen, die der Splitterdrache zuvor verwendet hatte, nur dass sie nicht aus dem Maul der Bestie kam, sondern einfach aus dessen langem Leib. Das Geschenk für die verlorenen Krallen.
Grauenvolle Schmerzen brachen über Blutklinge herein, als die Magiezunge zudrückte. Artewu hatte keine Chance, sich zu wehren. Er wurde von den Füßen gerissen und in die Luft geschleudert, wo ihn der unbarmherzige Druck zu zerquetschen drohte. Sisrall teilte das Gefühl der sich zuziehenden Schlingen und er spürte, dass allein der natürliche Schutz, den die Kinder des Mordes scheinbar gegen alle mentalen Attacken des Splitterdrachens besaßen, zwischen Artewu und dem Tod stand. Jeder Sterbliche wäre innerhalb eines Herzschlages ausgelöscht worden.
Das Knacken von Knochen hallte laut durch die Straße und der Erwählte verschwand aus Sisralls Gedanken. Er schrie jedoch noch immer, während die gewaltige Magie seinen Körper verformte und wenig später wie eine Puppe davon schleuderte. Er krachte mit dem Rücken gegen die Dachkante eines Gebäudes und stürzte dann drei Stockwerke in die Tiefe. Als er auf dem Pflaster der Straße aufschlug, verstummten seine Schreie.
Als die Erwählten auf seiner Höhe waren, verlangsamten sie ihre Schritte und Sisrall streckte seine magischen Sinne aus, um den Krieger abzutasten.
Er lebt noch, teilte er den anderen mit, während er wieder beschleunigte. Lasst ihn liegen. Wir können es uns nicht leisten, anzuhalten. Der Splitterdrache wird schon wieder schneller. Beten wir zu Khaine, dass er Artewu seine Dummheit verzeiht und sein Leben verschont.
Aber Sisrall …, versuchte es Trizil.
Nein, unterbrach Blutklinge sie wütend. Er hat einen Fehler gemacht und ich werde nicht die Schlacht riskieren, indem ich einen Krieger dafür opfere, ihn zu schützen. Er wird durchkommen oder auch nicht, das liegt jetzt nicht in unserer Hand. Er legte all seine Autorität in die nächsten Worte. Wir können nur gewinnen, wenn wir zusammenhalten. Ihr habt mich zum Anführer der Kinder des Mordes gemacht, also folgt mir nun. Ich brauche keine Krieger, die wild angreifen. Ich brauche Gefährten, die mit mir gemeinsam kämpfen. Und wenn dieser Kampf eben darin besteht, hinter dem Splitterdrachen herzulaufen, dann soll es so sein. Am Ende zählt der Sieg, egal ob durch Tapferkeit oder durch Geduld errungen. Verstanden?
Keiner der Erwählten widersprach und Blutklinge zügelte seinen rasenden Zorn. Er musste einen klaren Kopf bewahren, um diese Schlacht zu gewinnen. Er konnte fühlen, wie seine Gefährten die Entscheidung akzeptierten. Keinem fiel es leicht, einen der Ihren zurückzulassen, aber sie alle wussten, dass es keine Wahl gab. Jeder von ihnen hatte in seinem früheren Leben wenigstens einmal die Entscheidung zwischen Einzelnen und dem Volk treffen müssen. Und sie waren die Kinder des Mordes. Für sie gab es nur einen richtigen Weg.
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Zuletzt bearbeitet:
Aha. Die Rasselbande wird nochmal in zweierlei Hinsicht diszipliniert, man merkt, dass du die restliche Gruppe auf den Endkampf hin forcierst und du zeigst nochmal, wie verdammt gefährlich der Splitterdrache immer noch ist.

Sehr schön!

Der Splitterdrache musste all seine Splitter verlieren, bevor wie ihn bannen können. Sie hat uns nur deshalb davor gewarnt,
kleiner RS-Fehler.

Er wurde von den Füßen gerissen und in die Luft geschleudert, wo ihn der unbarmherzige Druck zu zerdrücken drohte. Sisrall teilte das Gefühl der
Ganz doofe Formulierung; Besser: wo ihn der unbarmherzige Druck zu zerquetschen drohte.
 
Rasselbande triffts ganz gut 😀

Freut mich, dass du dir beiden wichtigsten Punkte dieses Kapitels erkannt hast. Und dass sie dir gefallen.

Die beiden Fehler hab ich korrigiert.

Kommen wir nun zum zweiten Teil dieses Kapitels. Mal wieder zurück zur anderen Schlacht an der Oberfläche. Auch hier gehts langsam aufs Ende zu.
Ist leider ungewohnt kurz, aber dafür gehts danach ja auch richtig zu Sache.

Drachenärger (2/2)



Mache dir nie einen Drachen zum Feind, wenn du nicht auch einen zum Freund hast.
[FONT=&quot]— [/FONT]Redewendung

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang

Schon von Weitem konnte Xiucalta den mächtigen schwarz-roten Leib erkennen, der sich quälend langsam die Prachtstraße hinaufschob, und ihr wurde das Herz schwer. Szar’zriss, der die Kinder des Mordes ein ums andere Mal in die Schlacht getragen, den Splitterdrachen zu Boden gezwungen und auch sie schon auf seinem Rücken geduldet hatte, bot einen traurigen Anblick.
Einer seiner gewaltigen Flügel war gebrochen, sodass er ihn nicht mehr anlegen konnte. Die abgeknickte Schwinge schleifte neben ihm über das Pflaster und strich immer wieder gegen die prächtigen Standbilder, die die Straße säumten. Auf der anderen Seite war die hintere Gliedmaße gebrochen und knickte bei jedem Schritt ein, sodass die Bestie sich mehr über den Boden zog und schob als wirklich lief. In seinem kraftlos hinterher schleifenden Schwanz klafften mehrere tiefe Bissspuren, wo der Splitterdrache seine Zähne in die rote Schuppenhaut geschlagen hatte.
Doch das Schlimmste war die lange Wunde, die sich über seine Flanke zog. Noch immer tropfte zähes Blut in langen Fäden hinab und raubte dem Drachen die Kraft. Bei jeder Bewegung sickerte weiterer Lebenssaft aus dem Schnitt, um sich wenig später der roten Spur hinzuzufügen, die Szar’zriss Weg nachzeichnete.
Während sie näherkam, konnte Xiucalta den rasselnden Atem des gewaltigen Wesens hören, in dem ein schmerzerfülltes und verzweifeltes Keuchen lag. Er schnappte mehr nach Luft als dass er wirklich atmete. Seine großen Augen waren leer und blind vor Schmerzenstränen. Dunkle Spuren zogen sich über beide Seiten seines Schädels.
Ach Szar’zriss, was hab ich dir nur angetan, dachte die Seherin schockiert, die den stolzen Ahnendrachen, der sie vor gerade einmal drei Stunden noch freundlich mit der Schnauze angestupst hatte, bevor er sich furchtlos in den Kampf gegen seinen deutlich überlegenen Gegner gestürzt hatte, kaum mehr wiedererkannte.
Und gerade als sie ihn erreichte, sackte er in sich zusammen und blieb schwer atmend liegen. Xiucalta trat neben seine Schnauze und strich ihm sanft über die rauen Schuppen. Dann blickte die die Prachtstraße zurück. Ein paar hundert Meter entfernt konnte sie die hintersten Reihen der Verteidiger sehen. Sie hoffte, dass Yerill es wirklich schaffen würde, diese Straße zu halten. Inzwischen waren nur noch zwei der untoten Kinder des Mordes übrig, aber dafür war an anderer Stelle bereits die Formation der Druchii zerbrochen. Die Soldaten flohen Hals über Kopf, während ihnen die Skelettkrieger wie hungrige Wölfe nachsetzten und jeden, den sie zwischen die bronzenen Klauen bekamen, erbarmungslos abschlachteten.
„Komm, bitte, Szar’zriss!“, flüsterte sie in der Drachensprache und tätschelte den gewaltigen Schädel. „Nur noch ein kleines Stück.“ Neben ihr öffnete sich ein vor Feuchtigkeit schwimmendes Auge und sah sie einen Augenblick lang an, bevor es sich wieder schloss. „Ich brauche dich.“ Der mächtige Leib rührte sich nicht. Xiucalta bekam es mit der Angst zu tun. Wenn sie es nicht schaffte, den Drachen an die richtige Stelle zu bringen, könnten all ihre Vorhersagen in sich selbst zusammenfallen. Er war noch zu weit weg.
„Wir alle brauchen dich. Nur ein paar Meter.“ Doch ihre Bitten blieben ungehört. Frustriert schlug sie mit dem Stab auf die dicke Schuppenpanzerung, aber alles, was sie dafür bekam, war ein Knurren, das vermutlich warnend klingen sollte, sich aber eher nach einem mutlosen Wimmern anhörte.
Sie stemmte sich gegen die Vorderpranke und drückte mit aller Kraft ihres Körpergewichts. „Komm schon!“, fluchte sie durch die zusammengepressten Lippen. „Steh auf … du großer … dummer … Fleischberg!“ Doch es war sinnlos. Selbst wenn der Drache die Worte in seinem derzeitigen Zustand gehört und verstanden hatte, ließ er sich davon nicht beeindrucken. Und sie war viel zu leicht, um auch nur die eine Pranke zu bewegen. Erschöpft und mutlos ließ sie sich auf den Boden und dagegen sinken.
Kurz wünschte sie sich, Yerill wäre bei ihr, aber auch das hätte vermutlich nichts geändert. Die Unsterbliche hätte sicher die Gliedmaße bewegen können, aber für den ganzen Drachen würde auch ihre Stärke nicht reichen. Nein, entweder würde sich Szar’zriss aus eigener Kraft bewegen oder gar nicht.
Xiucalta starrte auf den langen Blutfäden, die zäh aus der großen Wunde sickerten und vor ihr dunkle Lachen auf den Pflaster bildeten. Der Drache war am Ende seiner Kräfte, daran gab es nichts zu rütteln. Dass er überhaupt so weit gekommen war, grenzte an ein Wunder.
Wenn diese Verletzung nicht gewesen wäre, hätte er es vielleicht geschafft. Die anderen Wunden mochten schmerzhaft sein, aber sie bluteten kaum und raubten ihm nicht dermaßen viel Kraft. Vielleicht würde er auch noch den Rest des Weges schaffen, wenn dieser Schnitt geheilt wurde?
Aber auch das waren vergebliche Wünsche. Ihre Heilkünste waren genauso erbärmlich wie ihre Kampffähigkeiten mit Ausnahme von dem, was ihr Stab möglich machte. Und der würde ihr jetzt überhaupt nicht helfen. Und mit Illusionen kam sie hier auch nicht weiter. Sie könnte es vielleicht schaffen, die Wunden zu verbergen, aber das würde Szar’zriss seine Stärke auch nicht zurückgeben oder ihm die Schmerzen nehmen.
Sie hielt inne, als ihr ein anderer Gedanke kam. Ihm die Stärke zurückgeben? Es gab die theoretische Möglichkeit, eigene magische Kraft auf eine andere Person zu übertragen. Das war in der Praxis nicht wirklich verbreitet, weil diese Energie erstens nicht gespeichert werden konnte und zweitens von einem wachen Geist als Angriff angesehen wurde. Talentierte Magier konnten lernen, wie sie Kraft empfangen konnten, um diese einzusetzen, aber alle anderen würden die Macht entweder zurückschleudern oder in sich selbst ableiten und dadurch äußerst schmerzhaft verletzen. Nur wenn der Geist schlief oder bewusstlos war, entspannte sich der Körper weit genug, um fremde Kraft zu akzeptieren.
Mit neuer Hoffnung rappelte sie sich wieder auf und musterte den gewaltigen Muskelberg neben sich. Szar’zriss schlief nicht, aber er befand sich nahe am Rande zur Bewusstlosigkeit. Vermutlich spürte er vor Schmerzen ohnehin kaum noch etwas. Es war einen Versuch wert.
Vorsichtig trat sie näher und legte die Hand knapp oberhalb der langen Schnittwunde auf die Schuppenhaut. Ein Muskel darunter zuckte, aber sonst geschah nichts weiter. Mit einem stummen Gebet griff sie nach ihrer Kraft und sandte sie durch ihren Arm in den gewaltigen Leib. Zuerst nur ein wenig und dann langsam mehr, während der Drache ruhig blieb. Befriedigt beobachtete sie, wie der Blutfluss aus der Wunde abnahm, als sich Szar’zriss Körper ihrer Magie bediente, um sich selbst von den schlimmsten Verletzungen zu heilen.
Die Seherin keuchte vor Anstrengung. Es war noch nicht lange her, dass sie erst die Skelettkrieger aufgehalten und dann gegen den untoten Kerkil gekämpft hatte. Ihre Kräfte waren fast aufgebraucht. Wenn sie sich nicht bald ein wenig erholen konnte, würde sie irgendwann genauso zusammenbrechen wie der schwarzrote Drache neben ihr.
Aber sie zwang sich weiterzumachen. Dies war ihr Anteil an der Schlacht und sie würde verdammt sein, wenn sie nicht alles gab, um ihre Aufgaben zu erfüllen. So wie alle anderen auch alles gaben. Sie verdrängte das Gefühl der Leere in ihrer Brust, als ihre Macht sie verließ und erdrückende Schwäche zurückließ. Aber sie stützte sich schwer auf ihren Zauberstab und atmete tief durch, während sie sich die Hand energisch auf die rauen Schuppen drückte und ihre Kraft hindurchpresste.
Dann bäumte sich Szar’zriss plötzlich auf und sie wurde von einem mächtigen Magiestoß getroffen und zwei Meter nach hinten geschleudert. Doch sie scherte sich nicht um ihre schmerzenden Gliedmaßen, während sie sich schwer atmend aufrappelte. Vielmehr hätte sie am liebsten vor Erleichterung gelacht. Der magische Hieb konnte nur eins bedeuten: Szar’zriss hatte genug Bewusstsein zurückerlangt, um ihre Kraft wahrzunehmen, und hatte sie instinktiv zurückgeworfen.
Ein Lächeln breitete sich über ihr Gesicht, als sie erkannte, dass es tatsächlich so war. Der schwarzrote Drache war noch lange nicht geheilt, aber er schaffte es immerhin, sich auf die Beine zu stemmen und langsam über die Straße zu schleppen. Seine Bauchwunde blutete noch immer, aber es waren nur noch einzelne Tropfen, während der Großteil des Schnitts von dunklem Schorf bedeckt war. Die übrigen Wunden hatten sich nicht verändert. Xiucalta vermutete, dass sein Körper ihre Kraft in erster Linie dazu verwendet hatte, das verlorene Blut zu ersetzen.
Vorsichtig ging sie auf die mächtige Bestie zu, die noch immer keuchte und japste, aber immerhin weiterwankte. „Nur noch ein paar Meter.“, sagte sie ihm und es war ihr egal, ob er sie verstand oder nicht. „Nur noch bis dort vorne.“ Sie selbst war inzwischen beinahe genauso erschöpft wie der Drache, aber sie wagte es nicht, sich an ihm abzustützen. Stattdessen legte sie ihm die Hand auf die Schnauze und hoffte, dass ihre Gegenwart ihm neue Kraft geben würde.
Und ich hoffe, dass Yerill diese Straße gehalten kriegt. Wenn wir hier gleich von Skelettkriegern überrannt werden, wäre alles umsonst gewesen. Inzwischen hatte die Unsterbliche auch den letzten untoten Erwählten vernichtet und unterstützte die Verteidiger der Prachtstraße, wie Xiucalta gewollt hatte. Mittlerweile war bereits die zweite der acht Straßen, die vom Platz der Heiligen abgingen, aufgegeben worden. Auch dort forderten Nerglots Diener schreckliche Opfer unter den Fliehenden.
Aber das interessierte die Seherin kaum noch. Ihre Aufmerksamkeit war auf das gerichtet, was sich unterhalb des Platzes tat. Denn dort, das war ihr klar, würde sich innerhalb der nächsten Minuten der Kampf zwischen Bluthand und dem Totenbeschwörer entscheiden. Und mit ihnen Bestehen oder Untergang von Naggarond, der Druchii und möglicherweise allen Lebens.
Und Xiucalta konnte nichts weiter tun als zuzusehen.
 
Nun, das ist dann wohl die letzte Stärkung vor dem großen Finale gewesen. Die Seherin hat ihre Kräfte aufgebraucht, nun wird es bald heiß hergehen!
"heiß" ist das Stichwort ^^

Und nur zur Erklärung: Sehen kann sie schon noch, aber ich denke, das macht der letzte Absatz auch deutlich.

Freue mich schon richtig auf die nächsten Kapitel! 🙂
das ist wunderbar und dann werde ich das auch nicht länger hinauszögern.

Weil ich den letzten Teil ja eigentlich schon gerne gestern abend noch gepostet hätte, mach ich jetzt mal weiter. Ich will ja keine unnötigen Erwartungen aufkommen lassen. 😉 Ich denke, das Kapitel ist an sich spannend genug.

Insgesamt ist das Kapitel "Niederlage" 16 Seiten lang. Ich werde es in drei Teile teilen, von denen die ersten beiden ca 3-4 Seiten lang sind und der dritte dann entsprechend den Rest enthält. Das passt auch inhaltlich ganz gut.

Hier nun Nummer eins:

Niederlage (1/3)



"Auch wenn man unterliegt, soll man es in Ehren tun."
[FONT=&quot]— [/FONT]Niccolò Machiavelli, Vom Staat

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang

Die Luft stank nach Magie und mittlerweile brannten Yetails Arme von all der Kraft, die durch sie hindurchgeflossen war. Doch sie war nicht bereit, nachzugeben. Sie würde Nerglot besiegen und wenn sie dazu bis an ihre Grenzen gehen musste. In diesem Kampf würde es nur einen Gewinner geben. Nur einen Überlebenden. Und sie hatte ziemlich genaue Vorstellung davon, wer das sein würde.
In Nerglots Miene sah sie dieselbe Entschlossenheit, die sie selbst verspürte. Alle überhebliche Selbstsicherheit war verschwunden. Es gab keine großspurigen Worte mehr, keine Verhöhnungen und keine Spielchen. Keiner von ihnen sparte an Kraft, während sie versuchten, einander in die Defensive zu drängen.
Zwei feuerrote Bälle flammten über Yetails Händen auf und tauchten die Särge, zwischen denen sie kämpften, in einen orangeroten Schein. Heiß und mächtig floss die Magie durch ihre Arme, während sie ausholte, und einen Augenblick später rasten die Geschosse knisternd auf ihren Gegner zu. Yetail unterdrückte ein Keuchen, als eine Welle der Schwäche über ihr zusammenbrach. Verdammt, sie wurde allmählich müde. Nach jedem Zauber fühlte sie sich erschöpfter und es dauerte länger, bis die Marilim ihre Kraft erneuert hatte.
Doch ihr blieb keine Zeit, sich darüber Gedanken zu machen. Schon reagierte Nerglot auf ihre Attacke. In engen grauen Spiralen wirbelten zwei graue Lichtschlangen um seinen Stab, bis sie die Spitze erreichten. Dort lösten sie sich in Form stahlgrauer Kometen und flogen, einen langen Schweif hinter sich herziehend, in Yetails Richtung. Einen Augenblick später begegneten sie den Feuerbällen und durchschlugen sie einfach. Orangerote Funken spritzten in alle Richtungen davon und die Zauberin verbiss sich einen Fluch, als sie die Macht erkannte, die Nerglot in den täuschend unscheinbaren Angriff gelegt hatte.
Instinktiv reckte sie die Hände mit weit gespreizten Fingern vor. Mit der Geschwindigkeit eines Gedankens erstarrte die Luft vor ihr zu einem tiefgoldenen Schild, kurz bevor die beiden Kometen kollidierten und sich mit einem ohrenbetäubenden Donnern vereinigten. Wie eine todbringende graue Faust schlug der Zauber zu.
Yetails Arme zitterten, als Magie in ihre Hände brandete und von dort aus ihren Schild speiste. Die Macht von Nerglots Angriff entlud sich binnen eines Herzschlags und jagte wellenförmige Vibrationen von der Einschlagstelle aus über die goldene Barriere, die heller und heller wurde, während ihre Stabilität mehr und mehr beansprucht wurde, bis sie schließlich an den Kanten aufriss und mit einem markerschütternden Knall zerbrach.
Die Zauberin wich schockiert einen Schritt zurück, während glühende Funken auf ihre Haut trafen und sie versengten. Die Reste ihres Schildes. Verdammt, das hätte nicht geschehen dürfen. Nicht nur, dass Nerglot es geschafft hatte, sie in die Defensive zu drängen, nein, es war ihm sogar gelungen, sie zu überwinden. Jetzt konnte sie nicht mehr länger leugnen, dass ihre Kräfte am Ende waren. Die Marilim schaffte es nicht mehr schnell genug, ihre Magie zu erneuern. Yetail war erschöpft und ihre Beine fingen an zu zittern.
Und an Nerglots Grinsen konnte sie sehen, dass auch er es bemerkt hatte. Mit bösartigem Funkeln in den roten Augen schuf er zwei strahlend graue Bälle, die eng um die Spitze seines Stabs kreisten und dabei immer schneller wurden, während sie von Nerglots Macht gespeist wurden. Yetail richtete sich kerzengerade auf und kniff die Augen zusammen. So leicht würde sie nicht aufgeben.
Doch sie wusste, dass es vorbei war. Die Macht der beiden Bälle brachte die Luft zum Vibrieren. Sie konnte sehen, dass Nerglot für einen Augenblick instinktiv die Augen verdrehte und erstarrte vor Schock. Sie wusste, was das bedeutete. Es war der Anblick eines Magiers, der wirklich an die Grenzen ging und so viel Macht in seinen Zauber steckte, wie er nur konnte.
Das ist das Ende. Das ist das Ende, dachte sie immer wieder. In ihrem Kopf war kaum noch Platz für andere Gedanken. Aber was hätte sie auch tun sollen? Selbst, wenn sie jetzt begonnen hätte, einen Schild zu errichten, hätte es nichts genützt. Sie war zu erschöpft, um genug Magie aufzubringen, diese Attacke abzuwehren. Nerglot war ein ausgebildeter Kampfmagier. Er würde beide Bälle nacheinander auf die Reise schicken. Selbst wenn sie es schaffen würde, den ersten abzuwehren, würde dabei ihr Schild draufgehen oder wenigstens soweit geschwächt werden, dass der zweite in jedem Fall durchkommen würde. Und einen solchen Treffer konnte sie unmöglich überleben. Jedem Gegenschlag würde es genauso ergehen wie ihrem Schild. Einer der Bälle würden ihn abfangen, der andere würde Yetail erreichen, bevor sie einen ausreichend starken Schutz aufbauen konnte. Auch Ausweichen kam nicht in Frage. So viel geballte Macht würde Nerglot nicht ohne Kontrolle aussenden. Er würde sie verfolgen.
Verdammt, vermutlich hatte er so ziemlich dieselbe Ausbildung genossen wie sie selbst. Sie bezweifelte, dass sich die Lehren der Kampfmagie in der Zeit seit seinem Tod allzu sehr geändert hatten. Während sie mit aufgerissenen Augen beobachtete, wie die beiden grauen Bälle, die ihr den Tod bringen würden, immer schneller wurden, bis sie kaum noch erkennbar waren, gingen ihr die sinnlosesten Gedanken durch den Kopf und machten es ihr erst recht unmöglich, irgendeine Art von Gegenstrategie zu entwickeln.
Beispielsweise stellte sie zu ihrer eigenen Überraschung fest, welch schlichte Schönheit diese beiden grauen Kugeln besaßen. So vollkommen rund und gleichmäßig. Wie zwei Zwillinge in einem rasenden Tanz um die Spitze des Sensenstabs. Irgendwie war sie froh, dass sie auf diese Weise sterben würde. Wenn sich die Magie dieser beiden Schwestern erst einmal entlud, würde von ihr vermutlich nicht einmal Asche übrig bleiben. Kein Schmerz, kein spritzendes Blut, keine jämmerlichen Schreie. Sie würde schnell und sauber sterben. Beinahe hätte sie laut gelacht, so lächerlich waren diese Gedanken. Sollte sie nicht eigentlich lieber traurig sein? Wütend? Sich in einem letzten, verzweifelten Versuch auf Nerglot stürzen? Aber sie konnte nichts dergleichen tun. Es war, als stünde sie neben ihrem Körper, ja sogar neben ihrem Verstand und würde beobachten, wie der vollkommen unnütze Gedanken wälzte.
Und dann fegten die beiden Lichtkugeln in weiten Bögen heran. Eine von links, die andere von rechts, um sie in die Zange nehmen und einen eventuellen Schild umgehen zu können. Greife niemals mit einem einzigen Schlag an, wenn die Möglichkeit besteht, dass dein Gegner schwarze Magie beherrscht, ging ihr eine der ältesten Regeln der Magiekampfausbildung durch den Kopf und sie kicherte in Gedanken. Vermutlich kannte Nerglot auch dieses ungeschriebene Gesetz so gut wie sie. Und bei einer Kampfzauberin der Druchii im Range einer Meisterin konnte man sicher sein, dass sie schwarze Magie beherrschte. Zumal sie es ihm bereits gezeigt hatte, als sie den Blitz, den er ihr ganz zu Anfang ihres Duells entgegen geschickt hatte, abgefangen hatte.
Und im nächsten Augenblick hätte sie sich am liebsten kräftig geohrfeigt und gleichzeitig geküsst. Natürlich kannte Nerglot diese Regel und beherzigte sie, indem er mit zwei Magiebällen angriff. Aber er hatte eine winzige Tatsache in seiner Siegesgewissheit nicht bedacht: Yetail war keine gewöhnliche Magierin, nicht einmal eine gewöhnliche Meisterin. Sie benutzte keinen Zauberstab, der nur einen einzigen Zauber gleichzeitig wirken konnte. Sie trug Handschuhe und konnte daher in jeder Hand einen Zauber schaffen. Und wenn sie zwei Zauber gleichzeitig wirken konnte, konnte sie auch zwei gleichzeitig abfangen.
Es war ein blöder Fehler, geboren aus Gewohnheit und den in der Ausbildung immer wieder verinnerlichten Lehren, dass jeder Zauberer stets nur einen einzigen Zauber wirken konnte. Es war etwas, das jedem hätte passieren können. Vermutlich hätte Yetail an Nerglots Stelle genau denselben Fehler begangen. Aber das war kein Grund für sie, ihn nicht auszunutzen.
Die beiden metallgrauen Bälle voll tödlich schöner Macht waren nur noch wenige Meter entfernt und kamen ihr mit rasender Geschwindigkeit näher. Sie konnte selbstsicherer Genugtuung in Nerglots Blick erkennen, gemischt mit einem gewissen Respekt. Den empfand sie auch. Es war ein guter Kampf gewesen zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern. Aber nun war er vorbei. Wie auch immer die nächsten Sekunden verlaufen würden, einer von ihnen würde fallen.
Sie straffte die Schultern und streckte die Arme seitwärts aus, den Zaubern entgegen. Ihre Hände bogen sich, als wolle sie nach etwas greifen. Fäden aus einer vollkommenen, geradezu abartig schwarzen Dunkelheit schoben sich aus ihren Kuppen, während sich zwischen ihren Fingern und entlang der Handflächen ebenso finstere Netze bildeten. Dies war kein Schattenzauber. Es war reine schwarze Magie, geschaffen, um jede andere Form der Zauberei zu absorbieren.
Sie sah Nerglots Lächeln verblassen, bevor sie sich ganz auf die Beschwörung konzentrierte. Schneller als jemals zuvor verwob sie die Winde der Magie zu einem Zauber und immer dichter wurde das Netz aus Dunkelheit um ihre Hände, während sich die Fäden gierig weiter ausstreckten und sich um Nerglots Kraftkugeln wanden. Sie brachten die todbringenden Geschosse von ihrer eigentlichen Flugbahn ab und lenkten sie direkt in Yetails ausgestreckte Hände.
Die Zauberin schrie hell auf und verdrehte die Augen, als die fremde Macht auf ihren Zauber traf. Die geballte Magie rebellierte gegen ihren Griff, schlug um sich und versuchte, sich zu entladen, um sie zu vernichten. Yetail sandte so viel eigene Kraft in ihre Hände, wie sie nur konnte und ihre gesamten Finger verschwanden in unnatürlichem Schwarz, während das Netz fester und dicker wurde.
Vereinzelte goldene Fünkchen leuchteten in dem dunklen Nichts auf, als sie begann, Nerglots Zauber zu übernehmen. Ihre Finger bebten und die Arme brannten bis hinauf zur Schulter, aber sie ließ nicht nach. Mit all ihrer Willenskraft zwang sie weiter Magie durch ihre Gliedmaßen in ihre Hände und langsam verbanden sich die Funken zu goldenen Linien. Sie sah Nerglots Schock und labte sich daran. Er schuf einen grauen Schild, aber der Anblick seiner weit aufgerissenen Augen spornte sie an, weiterzumachen, obwohl sie das Gefühl hatte, gleich innerlich zu zerreißen.
Sie konnte sein Entsetzen nachempfinden. Sie wusste, dass er all seine magische Stärke in diese Bälle gelegt hatte. Und sie hatte es nicht nur geschafft, sie abzufangen, nein, sie übernahm sie, stärkte sie mit ihrer eigenen Kraft und erschuf somit etwas, das weit über das hinausging, was jeder von ihnen allein hätte kanalisieren können. Aber sie konnte es halten und das Gefühl war unbeschreiblich. Es war, als hätte sie die Macht eines Gottes in den Händen.
Yetail konnte spüren, wie Nerglots Schild in demselben Maße stärker wurde, wie ihre Kontrolle über die Bälle wuchs. Inzwischen umgaben dutzende goldene Ringe die Kugeln aus undurchdringlicher Schwärze. Genug, um zum nächsten Schritt überzugehen.
Sie verzog das Gesicht und biss sich fest auf die Lippe, als sie die ausgestreckten Arme einknickte und aufeinander zubewegte, sodass sie sich vor ihrem Körper treffen würden. Die Bewegung an sich war kein Problem, aber je dichter sich die beiden Zauber kamen, desto größer wurde der Widerstand. Yetails Arme zitterten, während sie sie aufeinander zu zwang. Immer näher kamen sich die beiden schwarzgoldenen Sphären und die Luft zwischen ihnen schien zu wackeln, als würde sich die Realität selbst dieser Fülle an Macht widersetzen. Aber Yetail wusste, dass sie es schaffen konnte.
Dann, von einem Augenblick auf den anderen war der Druck verschwunden. Als sich die goldenen Ringe der beiden Kugeln berührten, verschmolzen sie miteinander. Yetails Fingerkuppen trafen aufeinander, als sie nun statt zweier Bälle eine einzige gewaltige Sphäre aus reiner Magie hielt. Alles an ihr zitterte bis ins Mark, aber das spielte keine Rolle. Die Macht, die sie in Händen hielt, war vielleicht die größte Konzentration an Magie, die es jemals auf dieser Welt gegeben hatte. Sie konnte nicht verhindern, dass sie vor Begeisterung laut lachte.
Und dann ließ sie los, noch bevor ihr Lachen ganz verstummt war. Sie öffnete die Fingerspitzen nach vorne und die Kugel schnellte davon. Nerglots Schild summte vor Kraft und war so hell, dass es beinahe blendete. Dunkelgraue Runen flimmerten über die Barriere und ließen sie wie ein schlagendes Herz pulsieren, während der Beschwörer immer noch mehr Magie hineinleitete. Aber es spielte keine Rolle. Yetails Sphäre überbrückte die Distanz binnen eines Herzschlags und krachte mit einem Donnern auf den Schild, dass der Zauberin die Ohren klingelten. Zwei Mächte jenseits alles Sterblichen trafen aufeinander und vernichteten sich innerhalb eines Augenblickes gegenseitig.
Die Zauberin beobachtete mit angehaltenem Atem, wie Nerglots Schild stärker und stärker vibrierte und wie die Runen immer dunkler wurden, während das Leuchten der Barriere verblasste, als fremde, unterworfene Magie darüber leckte und die Struktur des Zaubers zerlegte. Vom Einschlagort aus fraßen sich schwarze Risse durch das strahlende Grau und ließen den Schirm wie brechendes Eis zersplittern.
Sie sah die Anspannung in Nerglots Zügen, während er immer noch mehr Kraft in seinen Schild sandte, und fühlte einen tiefen Respekt. Er gab nicht auf und kämpfte gegen das Unausweichliche. Anders als sie es getan hatte. Aber anders als sie hatte er auch noch deutlich mehr Kraftreserven, das sollte man nicht vergessen.
Und dann war es vorbei. Von einem Augenblick auf den anderen zerriss der Schild zu tausend glitzernden Scherben und Yetail hörte ein hölzernes Splittern, das ihr durch und durch ging. Irgendwo schlug Metall mit einem hellen Glockenton gegen Stein, dann war es still. Nerglot stand noch, aber irgendetwas an ihm war anders. Es war nicht seine vorgebeugte, erschöpfte Haltung und auch nicht das Zittern, das durch seinen ganzen Körper lief.
Yetail sog scharf den Atem ein, als sie erkannte, was es war. Das Splittern, das sie gehört hatte, war sein Zauberstab gewesen! Der Sensenstab war weg. Er war geschlagen. Sie hatte ihn besiegt. Sie wusste, dass sie sich freuen sollte, doch im Moment empfand sie nur Unglaube. Sie konnte es nicht fassen, dass es vorbei sein sollte.
Und dann ertönte hinter ihr ein lautes Klicken.
 
Rundherum sehr gute Formulierungen, Beschreibungen auch sehr bildlich; Das wortwörtliche Kopfkino kommt gut raus. Kampfszenen auch gut. Weitere Kommentare und Besprechungen mündlich.

Eigentlich ist das Ganze eine einzige Kampfszene, aber trotzdem danke für das Lob. Gerade das mit dem Kopfkino hör ich gerne, schließlich versuche ich auch immer, das möglichst filmreif zu beschreiben.

Und nun hier das nächste Kapitel.

Niederlage (2/3)


"Auch wenn man unterliegt, soll man es in Ehren tun."
[FONT=&quot]— [/FONT]Niccolò Machiavelli, Vom Staat

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang

Viverla’atar hastete humpelnd durch die Dunkelheit. Allmählich fühlte sie sich etwas ruhiger, weil sie inzwischen sicher war, dass Yerill sie nicht länger verfolgte. Nicht lange, nachdem sie in die unterirdischen Tunnel geflohen war, hatte sie hinter sich ein lautes Krachen und Bersten gehört, das ganz ähnlich dem geklungen hatte, mit dem der Turm des Khainetempels über ihr eingebrochen war, wenn auch nicht ganz so gewaltig. Sie vermutete inzwischen, dass das verdammte Mädchen die Turmruine hatte einstürzen lassen, um sie darunter zu begraben. Das hatte nicht ganz geklappt, aber immerhin war sie jetzt hier unten eingeschlossen. Nicht, dass sie im Moment große Lust gehabt hätte, wieder an die Oberfläche zu gehen.
Dennoch wagte sie es nicht, innezuhalten, auch wenn das spitze Ding, das in ihrem Oberschenkel steckte, sie stark verlangsamte. Sie hatte keine Ahnung, was es damit auf sich haben mochte oder wo Yerill es herhatte, aber das war ihr auch egal. Sie wollte nur möglichst schnell zu Nerglot und weg aus den dunklen Tunneln, wo ihre Phantasie ihr noch immer einredete, die selbsternannte Aydar sei hinter ihr her.
Als sie die beiden fauchenden Mantikorstatuen erreichte, stahl sich ein Lächeln auf ihre Lippen. Sie hatte es geschafft. Sie war noch am Leben und solange sie bei Nerglot blieb, würde es wohl auch dabei bleiben. Er hatte schon Darmal besiegt – wenn auch mit ihrer Hilfe – und er würde auch zur Not Yerill oder die Kinder des Mordes aufhalten.
Sie betrat die Halle und blieb wir angewurzelt stehen. Innerhalb eines Augenblicks verwandelte sich ihre Stimmung von Erleichterung in lähmenden Schrecken, als sie sich gezwungen sah, die Wahrscheinlichkeit ihres Überlebens zu korrigieren. Denn es gab durchaus jemanden, gegen den Nerglot vielleicht nicht gewinnen würde. Und ausgerechnet diese Person befand sich nun hier mit ihm in der Halle.
Bluthand und Nerglot standen sich im fernen Zentrum der Halle gegenüber, neben dem inzwischen leeren Sockel der beiden gewaltigen Statuen, um sie herum offene Särge, Leichenstaub und Knochensplitter. Als Viverla’atar kurz den Blick schweifen ließ, gewann sie den Eindruck, als hätte hier ein ganzes Heer gewütet. Aber immerhin kletterten in konstantem Strom metallüberzogene Skelettkrieger über die Wände, die Decke und durch das ferne Loch. Und sie bemerkte auch einen Wirbel, durch den weitere Krieger blitzschnell an die Oberfläche katapultiert wurden. Dort oben musste inzwischen ein ziemliches Gemetzel im Gange sein.
Daran konnte sie sich im Augenblick allerdings nicht erfreuen. So leise wie möglich trat sie näher und versuchte, die Lage einzuschätzen. Ihr erster Eindruck war, dass sie ein Problem hatte. Sie konnte nicht sehen, was Bluthand tat, weil die mit dem Rücken zu ihr stand, aber ihr ganzer ekelerregend perfekter Körper zitterte und bebte vor gewaltiger Anstrengung und Nerglot errichtete einen blendend hellen und vor Macht vibrierenden Schild, dessen Stärke selbst sie spüren konnte. Bei allen Göttern, es schien, als würde die Welt selbst erzittern.
Ein grausames, gefühlskaltes Lachen erschallte in der Halle und ein harter Zorn, der sie selbst überraschte, loderte in ihr auf. Nun ließ sie alle Vorsicht fahren und rannte näher. Sie wusste, dass das vermutlich keine gute Idee war. Wenn Bluthand sie bemerkte, würde sie sterben. Wenn ihre Attacke an Nerglots Schild explodierte und eine gewaltige Druckwelle oder etwas in der Art aussendete, hatte sie keine Möglichkeit, sich zu schützen. Aber wenn Nerglot jetzt starb, würde sie so oder so nicht mehr allzu lange leben.
Dann sah sie die pechschwarze, von goldenen Ringen umgebene Kugel und ihr stockte der Atem. Dennoch lief sie weiter und überprüfte rasch die Armbrust. Zum Glück war sie geladen. Schon donnerte das magische Geschoss auf Nerglots Schild und Viverla’atar verbiss sich einen Fluch, als ihre Ohren von der Explosion klingelten. Sie konnte nur entsetzt beobachten, wie die gewaltige Macht sich durch die schützende Barriere fraß und sie wenige Augenblicke später in einem glühenden Funkenregen zerfetzte.
Als sie das Bersten splitternden Holzes hörte, wusste sie sofort, was geschehen war, und eiskalte Angst packte sie. Doch noch immer beherrschte sie der Zorn und die Furcht verblasste genauso schnell wieder, wie sie gekommen war. Sie sah Nerglot ohne Zauberstab. Er sah geschlagen und erschöpft aus. Sein ganzer Körper zitterte von der Anstrengung, die unbeschreibliche Macht, die Bluthand beschworen hatte, abzuwehren.
Die Zauberin selbst rührte sich nicht. Vielleicht musste auch sie erst einmal die Anstrengungen verdauen, vielleicht war sie überrascht von ihrem Sieg, eigentlich war es egal. Viverla’atar achtete kaum auf sie. Ohne innezuhalten streckte sie die Hand aus und legte einen Finger an die Spitze des Bolzens im Lauf der Armbrust. Sie erinnerte sich an das, was Nerglot ihr beigebracht hatte, und schuf ein magisches Feld um die Spitze.
Dann sah sie wieder auf, zielte und schoss.
Das Klacken der Armbrust war selbst in ihren betäubten Ohren laut und sie wusste, dass Bluthand es auch gehört hatte. Das war das Risiko, das sie eingehen musste. Schon wirbelte die Zauberin herum und Viverla’atar erstarrte voller Furcht. In einem Augenblick konnte ihr Leben vorbei sein. Bluthand streckte den einen Arm aus und schuf einen Schild, während sich ihr Körper drehte, um sich der neuen Bedrohung zuzuwenden.
Die Autarii hatte eigentlich nur eine Chance und es war eine so verdammt unwahrscheinliche, dass sie unter normalen Umständen niemals ihr Leben daran gehängt hätte. Aber ohne Nerglot war sie ebenfalls so gut wie tot, vor allem, wenn sie mit Bluthand in den Tunneln eingeschlossen war.
Ihr ganzer verzweifelter Plan gründete sich eigentlich nur auf Bluthands verachtenswerte Überheblichkeit. Sie war eine ausgebildete Kampfmagierin des Hexenklosters und würde niemals unnötig Kraft auf eine so nebensächliche Bedrohung wie einen Armbrustbolzen verschwenden. Das war das einzige, was Viverla’atar und ihren Meister retten konnte.
Und sie wurde nicht enttäuscht. Ihr Bolzen krachte gegen den dünnen Schild – und ihr erbärmliches magisches Feld, das nicht einmal ihre Haut hätte verletzen können, genügte, um die nur zur Abwehr physischer Angriff gedachte Barriere zu brechen. Noch während der Schild zerriss und sich von innen nach außen aufrollte, flog ihr Bolzen hindurch und traf Bluthand voll in den Bauch.

Yetail wurde plötzlich mit einem Ruck nach hinten gerissen und stolperte verwirrt über ihre eigenen Füße, sodass sie zu Boden fiel. Sie hatte keine Ahnung was passiert war und das schockierte sie gerade mehr als die Tatsache, dass sie auf dem Rücken lag, obwohl sie doch eigentlich gerade erst Nerglot besiegt hatte.
Und dann kam der Schmerz. Ihr ganzer Bauch schien in Flammen zu stehen. Sie japste nach Luft und biss sich dann auf die Lippe, was neue Pein hervorrief. Schockiert blickte sie an sich hinab und Entsetzen packte sie, als sie den gefiederten Schaft des Armbrustbolzens sah. Wie zur Hölle hatte er ihren Schild durchdrungen?
Dann vergaß sie für einen Augenblick sowohl ihre Überraschung als auch die Pein, die durch ihren Körper tobte, als Nerglot über ihr auftauchte. Er mochte als Magier besiegt sein, aber er besaß noch immer die Schnelligkeit eines Unsterblichen. Und in der erhobenen Hand hatte er ein Schwert. Kerkils, erkannte Yetail in dem einen Augenblick, bevor die Klinge hinab fuhr.

Mit grimmiger Befriedigung beobachtete Nerglot, wie das Schwert in weitem Bogen hinab sauste und Bluthand einmal über den ganzen Oberkörper fuhr. Die Rüstung konnte ihr kaum Schutz bieten, immerhin hatte er das Schwert eines Erwählten und die Kraft eines Unsterblichen. Eine lange, rote Linie zog sich von ihrem Halsansatz zwischen ihren Brüsten hindurch bis zu ihren Lenden hinab. Die Wunde war nicht tief, aber sie blutete wie wahnsinnig. Und vermutlich schmerzte sie auch so. Er konnte sehen, wie die Zauberin die Augen aufriss und die Hände zu Fäusten ballte, aber sie schrie nicht.
Heiße Wut loderte in ihm auf und verlangte nach Vergeltung. All der angestaute Zorn brach, nun da der Kampf vorbei war, über ihn herein und ließ seine Finger vor schäumendem Hass zittern. Sie hatte ihn besiegt, ihn, Nerglot, den König der Toten! Ihn gedemütigt und beschämt. Und seinen Zauberstab zerstört. Dafür würde sie bezahlen. Er würde sie langsam töten. Ganz langsam. Und sie würde schreien, verdammt nochmal.
„Hartnäckiges Miststück!“, fauchte er und ging neben ihr auf die Knie. „Ich will deine Schreie hören!“ Dann packte er den Schaft des Armbrustbolzens mit einer Hand, während er ihr in die Augen blickte. Voller Hass und Wut starrte sie zurück. Dann riss er das Geschoss aus ihrem Körper und sie schnappte laut nach Luft, während ihre Fäuste kurz auf den aus Leichen bestehenden Boden unter ihr trommelten. Aber sie schrie nicht. Ihr Blick sprach von Abscheu.
Er grinste zurück. Sollte sie ihn ruhig verachten. Wenn sie erst tot war, spielte es keine Rolle mehr, ob sie ihn respektiert oder verabscheut hatte. Aber an ihre Schreie würde er sich erinnern. Und er würde sie hören, schwor er sich. Sie mochte ihn besiegt und seinen Zauberstab zerstört haben, aber er war noch lange nicht machtlos. Er legte ihr die Hand auf die Wunde, was sie heftig keuchen ließ. Noch immer hielt sie seinem Blick stand. Doch dann begann er, schwarze Magie einzusetzen.

Yetail hatte das Gefühl zu brennen. Ihr ganzer Oberkörper schien in zwei Teile gespalten zu sein und in ihrem Bauch klaffte ein Loch, wo Nerglot den Bolzen herausgerissen hatte. Sie hatte das Gefühl, gleich innerlich zu zerreißen, und fragte sich, wieso sie nicht einfach sterben konnte. Alles in ihr drängte danach, laut zu schreien und ihrer Pein Luft zu machen, aber sie weigerte sich. Ihr Körper mochte am Ende sein, ihre Magie fast verbraucht, aber ihr Wille war noch lange nicht besiegt. Sie staute den Schmerz, band ihn und machte ihn zu einem Teil ihrer selbst. Schreien würde ohnehin nichts besser machen und diesen Triumpf würde sie Nerglot und vor allem Viverla’atar nicht gönnen.
Dann spürte sie, wie ihre Kraft aus ihr herausgerissen wurde, und zuckte innerlich zusammen. Instinktiv wusste sie, was geschah. Durch die Wunde konnte Nerglot nach ihrer Magie greifen und sie genauso übernehmen, wie sie seine Zauber. Und dann schrie sie doch auf, als plötzlich ihre ganze Haut zu brennen schien. Sie biss sich auf die Lippe, dass es blutete, aber das spürte sie kaum noch. Sie wand sich und schlug um sich, aber davon wurde es nur schlimmer. Sie wusste, dass es sich nicht nur so anfühlte. Nerglot verbrannte sie wirklich. Er konnte ihre Magie nicht speichern, sondern musste sie sofort wieder einsetzen – und das tat er auf für sie möglichst schmerzhafte Weise.
Sie griff nach ihrer rasch schwindenden Kraft und tat das einzige, womit Nerglot vermutlich nicht rechnete, weil er es selbst nicht konnte. Sie begann sich selbst zu heilen. Zuerst hatte sie damit gezögert, in der Hoffnung, eine bessere Verwendung für ihre letzten Reserven zu finden, aber jetzt, da Nerglot ihr ohnehin die Magie nahm, spielte das keine Rolle mehr. Sie versiegelte aufgetrennte Gefäße, um die schlimmsten Blutungen zu stillen, regenerierte die Organe, die der Bolzen durchbohrt hatte und betäubte ihre Nerven, um den Schmerz loszuwerden. Mehr konnte sie nicht mehr tun. Aber das war das Wichtigste. Sollte er doch ihre Haut verbrennen, die würde sie auch nicht vor dem Tod retten, wenn er sie denn genug gequält hatte. Ein klarer Kopf dagegen könnte einen Unterschied machen.
Sie sank innerlich in sich zusammen, als die brennende Pein nachließ und ihr Verstand von den lähmenden Fesseln befreit wurde. Der Schmerz verschwand nicht völlig, dazu war der Schaden zu groß, aber er rückte in den Hintergrund und wurde von einer lodernden Flamme zu einem beständigen Glühen. Das war allerdings immer noch genug, damit sie sich nicht verstellen brauchte, um weiterhin die Hände zu Fäusten zu ballen und zittrig zu keuchen.
Ganz plötzlich hörte der Sog auf. Ihre Kräfte waren erschöpft. Alles, was sie jetzt noch hatte, war die Kraft, die ihr Körper zum Leben brauchte. Energie, die er niemals abgeben würde, um sie für Magie zu verwenden, und die durch die Verletzungen und den Blutverlust vermutlich auch bald verbraucht sein würde. Selbst die Marilim war am Ende. Sie war vollkommen erschöpft. Und allmählich wurde Yetail klar, dass es aus dieser Situation vielleicht kein Entkommen geben würde.
Sie dachte an Sisrall und wünschte sich, sie könnte sich von ihm verabschieden. Aber sie tat es nicht, streckte ihre Gedanken nicht nach ihm aus. Wenn er von ihrem Tod erfuhr, würde ihn das zerbrechen und mit ihm die Kinder des Mordes in den Untergang zerren. Solange die Erwählten kämpfen konnten, gab es noch Hoffnung. Yetail hatte Nerglot den Zauberstab genommen. Wenn sie ihn jetzt stellten, würden sie ihn besiegen können. Sie hatten eine Chance und vielleicht war das das Beste, was Yetail ihnen hinterlassen konnte. Eine Chance, die sich für sie wie ein Sieg anfühlte.
Ihr gelang ein zufriedenes Lächeln, während sie Nerglot anblickte und auf den Tod wartete.
 
Zuletzt bearbeitet:
Nun, das war eine... äußerst unerwartete Wendung des Kampfes, muss ich offen zugeben.

Stil und Ausdruck wieder einmal Top. Es gibt so gut wie nix zu kritisieren. Diesmal wirklich, nicht so wie im letzten Teil mit den vielen kleinen Anmerkungen meinerseits... ^_^ 😉

Kleiner RS-Fehler:
Denn es gab durchaus jemanden, gegen den Nerglot vielleicht nicht gewinnen würde. Und ausgerechtet diese Person befand sich nun hier mit ihm in der Halle.