Ich freue mich schon zu lesen, wie du deinen kleinen Elfchen wieder aus der Patsche helfen wirst.
welche Patsche meinst du denn genau? Dass ihr Feind jetzt das Basilisk ist? Oder dass sie immer weniger werden?
Naja, lass dich überraschen.
Technisch wieder mal ein sehr gut geschriebener Teil, hat richtig viel Spaß gemacht, es zu lesen.
das hör ich gern. Dafür gibts dann auch gleich die Fortsetzung
😉
Ich freue mich, euch mitteilen zu können, dass Teil 6 nun so gut wie fertig ist. Es fehlen noch 1 oder 1,5 reguläre Kapitel und dann gibt es noch einen Bonus-Epilog, der gleichzeitig auch eine Art Leseprobe für die überarbeitete Version werden soll. Ansonsten bin ich am Ende angekommen.
Und das heißt für euch, dass es nun etwas schneller gehen wird. Ich plane eigentlich, ein Kapitel pro Tag reinzustellen. Allerdings nicht, bevor ich nicht wenigstens einen Kommentar pro Teil bekommen habe
😉
Hier nun die Antwort auf die Frage:
Noch eine Frage: Kann man davon ausgehen, das Bluthand den einen Riesen und die Leichen aus den Särgen nicht zerstört hat?
Da dieses Kapitel allerdings 10 Seiten umfasst, werde ich es teilen. Die Kapitel werden jetzt alle ziemlich lang und es wird ab und zu zu Teilungen kommen. Aber es geht ja gleich am nächsten Tag weiter
😉
Viel Spaß damit.
Die Schwarze Aydar (1/2)
"Nicht jeder, der von einem Engel erleuchtet wird, erkennt, dass er von einem Engel erleuchtet wird."
[FONT="]— [/FONT] Thomas von Aquin, Summa theologica
Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
11 Stunden nach Sonnenaufgang
Xiucalta keuchte und jeder Atemzug sandte grauenvolle Stiche durch ihre linke Körperhälfte. Ihr Herz hämmerte wie wild in ihrer Brust und Schweiß rann ihr in kalten Tropfen über Stirn und Rücken. Ihre wunden Füße brannten, aber sie zwang sich vorwärts.
Hätte mir jemand gesagt, dass ich als Seherin so viel rennen muss, hätte ich es mir anders überlegt, fluchte sie in Gedanken. Jetzt war sie bereits zweimal durch den halben vierten Ring gelaufen. Sie stürmte geradewegs über die breite Prachtstraße, ohne einen Blick auf die beeindruckenden Standbilder auf beiden Seiten zu verschwenden. Nur noch wenige hundert Meter, dann hätte sie den Platz der Heiligen erreicht. Voraus konnte sie bereits die hinteren Reihen der Krieger ausmachen, die diese Straße gegen die Flut der Untoten schützten.
Das zu sehen, machte ihr neuen Mut. Sie war beinahe da. Vielleicht würde sie noch rechtzeitig kommen. Mit wachsender Sorge beobachtete sie schon seit einer ganzen Weile die Bilder, die die Winde der Magie ihr brachten. Nerglot hatte die Körper der Kinder des Mordes wiederbelebt und an die Oberfläche gesandt. Diese Untoten waren sogar noch schlimmere Gegner als die beseelten Schwarzen Gardisten vom Vormittag.
An acht verschiedenen Stellen waren sie auf die Formation der Druchii getroffen und drohten, sie zu brechen. Auch wenn sie nicht über die Macht der Erwählten verfügten, waren sie unübertroffene Kämpfer. Immer wieder forderten sie schreckliche Opfer, ohne dass sie jemand aufhalten konnte.
Der Ring der Verteidiger war ohnehin schon stark ausgedünnt. Die Magier waren inzwischen ausnahmslos erschöpft und den Armbrustschützen war die Munition ausgegangen. Der Großteil hatte sich danach ebenfalls den Nahkämpfen angeschlossen, nur einige Zauberinnen hatten sich zurückgezogen, um neue Kräfte zu schöpfen. Von den anfangs knapp eintausend Soldaten waren bestimmt schon dreihundert gefallen und der Rest müde und von dem andauernden Ansturm zermürbt. Und auch Xiucalta wusste nicht, wie lange diese Schlacht noch dauern würde. Das hing ganz von Meisterin Bluthand ab.
Doch es waren nicht die wiederbelebten Kinder des Mordes, die ihr Sorgen machten. Die mochten tödliche Gegner und zudem schlecht für die ohnehin angeschlagene Moral sein, aber früher oder später würden sie aufgehalten werden. Nein, das wahre Problem war das, was sich gerade im Zentrum des Platzes über dem Loch tat.
Die Seherin verbiss sich einen Fluch, als sie das Skelett sah, das knapp zehn Meter in der Höhe hing, von unheiliger Macht getragen. Rasend schnell schossen nach und nach sieben weitere Knochengestalten hinauf und fügten sich dort zu einer gewaltigen Figur aus Gebeinen zusammen.
Für einen Augenblick erstarrten die Druchii rings um den Platz, als sie die himmelhohe, zum Leben erweckte Abbildung ihres Gottes erblickten. Nicht wenige ringsum warfen die Waffen hin und flohen Hals über Kopf.
Und dann setzte sich der Titan in Bewegung; genau in Xiucaltas Richtung. Er brauchte nur zwei Schritte, um die Entfernung zu den Druchiikriegern zu überwinden. Das beinerne Schwert schimmerte matt in der Sonne, als er ausholte und zuschlug. Der Hieb trieb eine gewaltige, meterlange Kerbe in die Formation und erschlug ein halbes Dutzend Soldaten.
Das gab ihnen den Rest. In wilder Panik wandten sich die Krieger um und flohen vor diesem Feind, den sie nicht besiegen konnten. Erbarmungslos stürmten die Untoten hinterher und metzelten Dutzende nieder, die nicht schnell genug waren. Jeder, der unter den metallenen Klauen der Skelettkrieger fiel, schmerzte Xiucalta, denn er brachte die Druchii ihrem Untergang ein Stück näher.
Die Seherin hatte den Platz inzwischen erreicht und die Flüchtenden stürmten an ihr vorbei. Einige versuchten, sie mitzuziehen, ein paarmal wurde sie beinahe umgerannt, aber sie ließ sich nicht aufhalten. Die meisten Druchii wichen der Gestalt in den schwarzgrauen Gewändern auch lieber weiträumig aus.
Und dann war der richtige Zeitpunkt gekommen. „Rot um zu töten.“, rief sie und reckte den Stab der furchterregenden, lebenden Statue entgegen. „Blau um zu schützen.“, murmelte sie gleich darauf und warf den blau leuchtenden Schild so weit aus, wie es ihr nur möglich war. Die Barriere ergoss sich knisternd über die Fliehenden hinweg und wuchs mit der Geschwindigkeit eines Gedankens. Xiucalta schnappte nach Luft, als gewaltige Mengen Magie durch ihre Arme brandeten und es ihr beinahe den Stab aus den Händen schlug.
Aber sie hatte es geschafft. Über die gesamte Breite der Prachtstraße wuchs die blau schimmernde Kuppel in die Höhe und schloss sie mitsamt der Fliehenden ein. Nicht ein einziger war entkommen. Und gerade einmal vier Skelettkrieger hatten es ins Innere der Barriere geschafft.
Während sich um sie herum Verwirrung, Panik und Verstehen breit machten, beobachtete Xiucalta, wie der rote Lichtstrahl die Knochenfigur direkt in die Brust traf und zersprengte. Doch ihre erste Erleichterung fiel gleich darauf in sich zusammen, als die Masse der Gebeine zu sieben Skelettkriegern zerfiel, die geradewegs durch die Luft auf sie zuflogen, beinahe, als würden sie den Weg ihrer magischen Attacke zurückverfolgen.
„Rot um zu töten.“, rief sie der Panik nahe und in der Dauer eines Herzschlags woben sich die roten Fäden wie Adern in das makellose Blau des gewaltigen Kuppelschildes, lange bevor die Untoten ihn erreichten.
Doch sie konnte das Schauspiel ihrer Zauberei nicht verfolgen, denn urplötzlich tauchte ein Krieger vor ihr auf, das Schwert zum Zustechen erhoben. „Lass uns raus, Miststück.“, schrie er und griff an. Xiucalta erstarre vor Schreck und Entsetzen. Sie konnte nichts tun. Sie konnte den Zauberstab nicht bewegen, ohne den Schild zu brechen. Eine derart riesige Barriere konnte sie nur halten, indem sie sie auf einen Ort fixierte.
Doch es war nicht ihre Hilflosigkeit, die sie zu lähmen schien. Es war die Tatsache, dass sie dies nicht hatte kommen sehen, obwohl sie eigentlich immer instinktiv nach Bedrohungen für ihr eigenes Leben Ausschau hielt. Einen Augenblick später wusste sie auch weshalb. Das Schwert eines Scharfrichters fuhr in schwarzem Bogen zwischen ihr und dem Angreifer nieder, schlug ihm die Klinge aus der Hand und krachte ihm dann mit der stumpfen Seite gegens Knie. Der Mann heulte auf und knickte weg.
Der Tempelkrieger packte ihn und zwang ihn, aufzublicken. Er deutete in die Höhe, wo in diesem Augenblick das erste der sieben Skelette auf Xiucaltas Schild prallte. Es knisterte und knackte, als die Magie den Aufschlag abfing und die Knochen des Untoten versengte. Gleich darauf kam der zweite auf. Wie wild holten die Monster mit geballten Fäusten aus und schlugen auf die von roten Fäden durchdrungene Barriere.
Xiucalta stöhnte laut auf, als der Zauber ihr gewaltige Mengen an Kraft entriss. Ihre Arme schienen in Flammen zu stehen. Mit roten Lichtblitzen wurden die Hiebe der Skelettkrieger vom Schild zurückgeworfen und zerschmetterten sich selbst.
„Sie beschützt uns, du Narr.“, fauchte der Tempelkrieger und schleuderte den Mann dann in die Menge, wo er verschwand. Nach und nach verbreitete sich die Nachricht und die Panik wich Erleichterung, während die Druchii beobachteten, wie sich nacheinander auch die übrigen fünf Skelette selbst vernichteten, bis von dem gewaltigen Knochenkoloss nicht mehr als grauer Staub übrig war, der knisternd und funkensprühend über Xiucaltas Schild rieselte.
Doch es war nur ein kleiner Sieg. Die eigentliche Flut der Untoten nahm nicht einen Augenblick lang ab, denn die seelenlosen Kreaturen ließen sich von der Zerstörung des Skelettriesen nicht verunsichern. Wie ein Hagelsturm hämmerten sie gegen Xiucaltas Schild, der die gesamte Breite der Straße blockierte. Immer wieder zerriss ihr Zauber einen der Untoten, wenn sie mit genug Kraft dagegen vorgingen, aber im gleichen Maße schwand auch Xiucaltas Stärke. Schon jetzt stützte sie sich mehr auf den Stab, als dass sie ihn hielt. Lange konnte sie das nicht mehr durchhalten.
„Macht die Krieger kampfbereit.“, wies sie den Tempelkrieger an, der sie beschützt hatte. Es kam kaum mehr als ein Hauch über ihre Lippen. „Ich kann den Schild nicht ewig halten.“ Der Mann hatte sich näher zu ihr gebeugt, um sie verstehen zu können, und richtete sich jetzt wieder auf. Energisch und mit einer Stimme, die keinen Widerspruch duldete, fing er an, Befehle zu geben.
Die Panik der Druchii beim Anblick des Knochenkolosses war verschwunden und viele formierten sich bereitwillig neu. Sie stellten sich hinter und neben Xiucalta auf, sodass die Hälfte der Kuppel frei blieb. Auf diese Weise hätten sie genug Zeit zum Reagieren, falls der Schild ohne Vorwarnung fallen sollte.
Es würde jedoch noch dauern, bis sie eine einigermaßen kampfbereite Aufstellung eingenommen hatten. Es waren einfach zu viele Soldaten auf zu wenig Raum und niemand wusste so recht, wohin am besten. Es entbrannte ein regelrechter Streit um die richtige Formation und Xiucalta seufzte leiderfüllt. Sie fühlte ihre Hände kaum noch.
Allmählich leerte sich der Raum vor ihr und sie hatte auf einmal freie Sicht auf die Untoten jenseits ihres Schildes. Und zwischen all den metallüberzogenen Skelettkriegern bemerkte sie einen, der anders war. Mit einem Schauder des Entsetzens erkannte sie die dunkelgrüne Rüstung als die von Kerkil. Sie hatte den wiederbelebten Körper des ersten Kindes des Mordes vor sich. Nur seine Augen waren nicht golden, sondern tiefrot. Und in ihren stand pure Mordlust.
Als sich der Blick dieser Augen auf sie richtete und sie ohne Blinzeln anstarrte, zuckte Xiucalta zusammen und wäre am liebsten zurückgewichen. Aber sie konnte nicht. Ihr Stab wurde von einer brodelnden Kraftsäule aus blauem und rotem Licht an Ort und Stelle gehalten, die sich bis zum höchsten Punkt der Kuppel erstreckte und den gewaltigen Schutzschirm speiste. Bevor Xiucalta den Schild brach, würde er sich keinen Millimeter bewegen. Und genauso wenig konnte sie ihn loslassen.
So hatte sie keine Wahl, als voller Entsetzen den Blick des Untoten zu erwidern. Die Intelligenz darin schockierte sie. Er schien ganz genau zu wissen, dass sie den Schild aufrecht erhielt. Und als er begann, vorsichtig mit dem Schwert dagegen zu schlagen, erkannte sie, dass er auch dessen Wirkung verstand. Seine Angriffe waren schwach, aber schnell. In rasender Geschwindigkeit schlug er auf die knisternde Barriere ein, jedoch so leicht, dass die Antwort des roten Zaubers nicht ausreichte, um ihn zu verletzen.
Khaine steh mir bei, er macht mich fertig, dachte Xiucalta mit einem Anflug von Panik. Jeder der Angriffe fraß einen Teil ihrer Reserven. Lange nicht so viel wie die anderen Skelettkrieger, die wild gegen den Schild hämmerten und daraufhin zerschmettert wurden. Aber dafür blieb der untote Kerkil auch am Leben, um einen Herzschlag später wieder zuzuschlagen. Es war beinahe ein kontinuierlicher Strom Magie, der durch den Stab in den Schild gerissen wurde, um die Angriffe auszugleichen. Xiucalta wimmerte leise, während sie das Gefühl hatte, innerlich gleichzeitig zu verbrennen und zu erfrieren.
Aber sie musste durchhalten. Die Druchii waren noch nicht so weit, dem Sturm der Untoten zu begegnen. Xiucalta schloss die Augen und atmete ein wenig auf, als zumindest der Anblick der roten, hasserfüllten Augen verschwand. Sie konzentrierte sich allein auf die Kraft, die durch ihren Körper strömte. Nur das allein zählte. Sie wurde eins mit der Magie und verdrängte alles andere. Sie war das einzige, das zwischen ihr und dem Tod stand. Wenn der Schild fiel, würde sie sterben. Die Formation der Krieger war noch nicht stabil genug, um sie schützen zu können.
Und dann schrie sie auf. Von einem Augenblick zum anderen zerstob ihre Barriere. Der Zauber war weg. Ihre Arme und Hände fühlten sich plötzlich ungewöhnlich leicht an, befreit von der brennenden Macht der Magie. Der Stab war auf einmal angenehm kühl unter ihren Fingern. Ihre Visionen waren verschwunden. Es war vollkommen still in ihrem Kopf. Sie lächelte, als eine unglaubliche Entspannung über sie hereinbrach, und es war, als würde eine große Last von ihr abfallen. War sie tot? Dann war es vielleicht gar nicht so schlimm. Sie war so herrlich leicht.
Als sie im nächsten Augenblick fühlte, wie sie in die Luft gehoben wurde und davon schwebte, war sie sicher, dass der Untote sie getötet hatte. Aber es gab keinen Schmerz. Ihr Geist musste ihren toten Körper bereits verlassen haben.
Sie spürte, wie sie irgendwo landete, aber der Aufprall war weich. Unter sich spürte sie einen starken Körper und vertraute, glatte Haut an ihrem Gesicht, die weder warm noch kalt war, sondern exakt ihre eigene Temperatur hatte.
Meine liebste Aydar ist auch hier? Dann muss das der Himmel sein.
Ohne die Augen zu öffnen oder sich darum zu scheren, dass sie Handschuhe trug, tastete sie über den geliebten Leib und nahm dann Yerills Gesicht in beide Hände, bevor sie die andere Frau sanft küsste. Das Gefühl der sonderbaren Haut an ihren Lippen war unbeschreiblich und sie fühlte, wie ein Funken Begierde in ihr aufloderte. Sie verstärkte den Kuss und spürte die Überraschung der Unsterblichen. Xiucalta Lächelte. Wenn sie schon tot war, dann wollte sie das genießen. Sie schob sich höher und fuhr mit der Zunge über Yerills Lippen, während ihre Hände abwärts glitten.
Unter ihnen flog krachend eine Tür auf und riss Xiucalta in die Wirklichkeit zurück. Verwirrt setzte sie sich auf und öffnete die Augen. Ihre erste Erleichterung bei der Feststellung, dass wirklich Yerill unter ihr lag und sie verdutzt anstarrte, wich schnell Unsicherheit, als sie feststellte, dass sie gar nicht tot war, sondern sich auf dem Boden eines herrschaftlichen Schlafzimmers befand.
Der prunkvoll ausgestattete Raum war nicht sonderlich groß und konnte Xiucaltas Aufmerksamkeit nicht lange von dem Lärm ablenken, der jenseits der geschlossenen Tür ertönte. Es klang, als würde jemand ein Geschoss tiefer sämtliche Möbelstücke auseinandernehmen. Verwirrt stand sie auf und lächelte Yerill schwach an, die sich mit der ihr eigenen Geschwindigkeit und Anmut erhob.
„Einen Augenblick lang dachte ich, ich wäre tot.“, meinte sie entschuldigend. Die Unsterbliche lachte und erfüllte die Luft mit der Vollkommenheit flüssigen Goldes. „Ich bin froh, dass du es nicht bist.“, antwortete sie nur und drückte die Seherin dann fest an sich.
„Tut mir leid, dass ich deinen Schild gebrochen habe, aber ich wollte dich da so schnell wie möglich raus haben. Du sahst so aus, als würdest du es nicht mehr lange durchhalten.“ Sie deutete auf das Fenster. „Ich denke, ich sollte da so schnell wie möglich wieder runter, bevor die Untoten die Soldaten auseinandernehmen, oder? Im Haus sind nur vier Untote. Wirst du mit denen allein fertig?“
Xiucalta nickte und einen Augenblick später war die Unsterbliche schon verschwunden. Die Seherin sammelte ihre Gedanken und packte ihren Stab fester, bevor sie die Tür aufschob und hindurch spähte. Vor ihr lag ein langer Flur mit einer Wendeltreppe am Ende. Es ging sowohl nach oben als auch nach unten.
Während sie dorthin ging, kontrollierte sie mithilfe der Winde der Magie, wie es um die Stadt stand. Der Ring der Druchii hielt noch, einer der untoten Erwählten war inzwischen besiegt worden, aber die restliche Masse drohte allmählich, die Verteidiger zu erdrücken. Dagegen konnte sie im Moment nichts tun. Erfreut stellte sie fest, dass Bluthand immer noch lebte und sich gut behauptete. Es war jedoch abzusehen, dass sich das Duell dem Ende näherte. Beide Kontrahenten gingen mittlerweile mit gnadenloser Macht gegeneinander vor.
Die Kinder des Mordes hatten dem Splitterdrachen das letzte Teil genommen. Inzwischen waren mit Kerkil vier von ihnen ausgeschaltet und zwei weit vom Kampfgeschehen entfernt. Aber vermutlich spielte das kaum eine Rolle. Im Moment konnten sie ohnehin nicht mehr tun, als ihn zu verfolgen. Und er würde ihnen eine wilde Jagd liefern. In seiner neuen Schlangengestalt war er deutlich wendiger und flexibler. Er würde nicht mehr stumpf geradeaus stürmen, sondern in verwirrenden Mustern durch die Stadt gleiten, mal rechts, mal links abbiegen. Nur Xiucalta wusste, wo sie ihn am Ende stellen würden. Vermutlich verfolgte er selbst gar kein wirkliches Ziel, sondern wollte einfach nur weg.
Als Xiucalta die Wendeltreppe erreichte, schob sie die Eindrückte in den hintersten Teil ihres Bewusstseins und konzentrierte sich auf das, was ihr selbst bevorstand. Sie konnte bereits die schlurfenden Schritte eines Untoten hören, der zu ihr hoch kam. Rasch schaute sie sich um, aber es gab keinen besseren Ort für einen Kampf. Also nahm sie all ihre Selbstsicherheit zusammen und baute sich auf dem Treppenabsatz auf.
Die Stufen waren breit genug für zwei Personen nebeneinander, aber so hatte sie dennoch ein wenig Kontrolle über ihre Gegner und außerdem einen Höhenvorteil. Ob der gegen Untote etwas nütze war, wusste sie zwar nicht, aber sie fühlte sich dadurch besser.
„Rot um zu töten.“, flüsterte sie, als der Skelettkrieger in Sicht kam. Die Kreatur erblickte sie und beschleunigte ihre Schritte, die metallüberzogenen Klauen nach ihr ausgestreckt. Die Seherin reckte den Stab vor und zerschmetterte den Angreifer mit einem roten Lichtstrahl. Als der Untote zu einem Haufen Knochen zersprengt wurde, atmete sie erleichtert auf. Einer weniger.
Aber ihr war keine Ruhepause vergönnt. Schon kam der nächste in Sicht und stürmte auf sie zu. Wieder beschwor sie den roten Zauber und beobachtete, wie sich die Lichtfäden einem Kokon gleich um den langen Stab legten. Doch der Untote war schon zu nahe, um ihn ebenfalls mit dem Lichtstrahl zu vernichten. Seine Metallkrallen zuckten durch die Luft und Xiucalta blieb nichts anderes übrig, als den Stab hochzureißen und die Attacke abzufangen.
Sie war keine gute Kriegerin und verfügte nicht über die nötigen Reflexe, um schnell und wirkungsvoll auf einen Angriff zu reagieren. Aber ihre Visionen hatten ihr verraten, wo der Untote zuschlagen würde, und ihr damit genug Zeit verschafft, den Stab zur Parade in Position zu bringen. Der Skelettkrieger wiederum war zu beschränkt, um darauf zu reagieren.
Mit voller Wucht prallte sein Hieb auf Xiucaltas Stab und den roten Lichtkokon. Es knallte und ein roter Blitz blendete die Seherin für einen Augenblick, dann wurde die Hand des Untoten von ihrer Magie zurückgeschleudert und in dessen Schädel gerammt. Einen Moment lang stand der kopflose Leichnam noch vor ihr, bevor er zur Seite kippte.
Und dann konnte Xiucalta nur noch mit einem überraschten Schrei nach hinten springen, als hinter dem besiegten Skelettkrieger der nächste Angreifer auftauchte und mit einem langen Schwert nach ihr schlug. Mit einem Schrecken, der ihr bis in die Glieder fuhr, erkannte sie den wiederbelebten Kerkil. Wilde Mordlust stand in seinen roten Augen, während er auf sie zukam und für den nächsten Hieb ausholte.
Panisch wich sie zurück und reckte ihm den noch immer rot leuchtenden Zauberstab entgegen. Ein roter Lichtstrahl fegte brüllend durch den Flur, doch der Untote sprang rechtzeitig beiseite. Hastig beschwor Xiucalta einen engen, blau schimmernden Schild um sich. Mit unglaublicher Schnelligkeit stürmte ihr Feind vorwärts und schlug zu, aber es war zu spät. Die Klinge kreischte funkensprühend über die Barriere, konnte sie aber nicht durchdringen.
Aufhalten konnte das den untoten Kerkil nicht. Er wanderte langsam um sie herum, wobei er die Klinge gegen ihren Schild drückte. Es stank beißend nach versengtem Metall, aber Xiucaltas größere Sorge galt ihren Magiereserven. Sie hatte sich noch lange nicht von den Anstrengungen auf der Straße erholt. Schon jetzt keuchte sie, während der Schild mehr und mehr Kraft beanspruchte.
Verdammt, sie musste den Untoten loswerden. Wenn er sie zu lange hier festhielt, konnte es zu spät sein. „Rot um zu töten.“, rief sie und reckte ihm ihren Stab entgegen. Fast beiläufig wich er aus und der Angriff zerschmetterte die Tür hinter ihm, während die Seherin vor Erschöpfung keuchte. Durch den Schild anzugreifen, war unglaublich kraftraubend.
Fast, als wäre nichts geschehen, machte sich der Untote wieder daran, ihren Schild zu schwächen. Xiucalta wurde mit schockierender Gewissheit klar, dass sie nur noch einen Versuch hatte. Ihr blieb nicht genug Kraft für noch mehr Zauber. Und den Schild konnte sie bei dieser Belastung auch nur noch wenige Augenblicke aufrecht erhalten.
Aber was sollte sie tun? Der Untote besaß die Reflexe eines Erwählten. Er würde jedem ihrer Strahlen ausweichen und sie hätte keine Chance, ihn allein mit dem Stab zu besiegen. Im Gegensatz zu dem Skelettkrieger, den sie vernichtet hatte, war er geschickt genug, ihre Parade zu umgehen und nicht auf so einen Trick hereinzufallen. Nein, sie musste ihn mit etwas Anderem besiegen.
Ein Lächeln stahl sich trotz der Anstrengungen auf ihr Gesicht und sie schloss die Augen. Sie musste nichts sehen. Die Winde der Magie erzählten ihr bereitwillig alles, was sie wissen wollte. Vorsichtig streckte sie ihren Geist aus und bereitete den nächsten Schlag vor. Auf den Schild brauchte sie sich nicht konzentrieren. Solange sie genug Kraft hatte, würde der Stab ihn allein aufrecht erhalten.
Wieder schoss ein Strom fauchenden roten Lichts auf den Erwählten zu. Xiucalta konnte sehen, wie er Anstalten machte, reflexartig nach links auszuweichen. Gerade noch rechtzeitig sah er den zweiten Strahl, der dorthin schoss, und sprang stattdessen ohne weiteres Zögern nach rechts – direkt in den dritten roten Lichtblitz. Und den einzigen der drei, der wirklich über Kraft verfügte.
Die beiden falschen Zauber zerstoben an der gegenüberliegenden Wand zu roten Funken, doch der dritte Strahl traf den untoten Erwählten voll in die Brust, schleuderte ihn durch den Flur und zerschmetterte ihn an der Mauer. Ein Haufen kostbarer Rüstungsteile war alles, was von ihm übrig blieb. Das Fleisch – nun endlich von allen gegen Verwesung schützenden Zaubern befreit – zerfiel zu stinkendem, grauem Staub.
Xiucalta ließ den Schild fallen und stützte sich schwer auf den Zauberstab, während sich ihr Herzschlag allmählich beruhigte. Das war knapp gewesen. Jeder andere hätte gesagt, dass sie außerdem verdammt viel Glück gehabt hatte, aber sie war eine Seherin. Für sie gab es keinen Zufall, kein Glück und kein Pech. Sie hatte vorhergesehen, in welche Richtung der Untote springen würde – und ihn dann vernichtet.
Allmählich fühlte sie auch einen Anflug von Stolz. Sie mochte eigentlich nur eine Novizin sein, aber wenn sie all ihre Fähigkeiten geschickt und klug kombinierte, konnte sie durchaus eine gefährliche Gegnerin werden. Und ihre Magie hatte nicht nur verhindert, dass ein großer Teil der Verteidiger geflohen war, sondern hatte ihnen auch noch das Leben gerettet. Sie hatte gar nicht mitzählen können, wie viele Untote von ihrem Zauber zerschmettert worden waren. Ein Dutzend mindestens.
Und sie hätte selbst nicht gedacht, dass ein vollständiger Kuppelschild von solcher Größe möglich war. Sie hatte die gesamte Prachtstraße abgedeckt! Das hätte sie höchstens Bluthand zugetraut
. Ich sollte mich nicht unterschätzen. Ich kann vielleicht nur ganz einfache Zauber schaffen, aber die dafür mit gewaltiger Macht.
Mit diesem Gedanken und zufrieden mit sich selbst stieg sie die Treppe hinab und setzte sich dabei darüber in Kenntnis, was draußen auf der Straße passiert war, seit Yerill sie dort weggebracht hatte. Anfangs waren die Untoten über die völlig überraschten Verteidiger wie eine Sturmfront hereingebrochen und hatten schreckliche Opfer gefordert, bis die Unsterbliche zurückgekehrt war. Xiucalta konnte Yerill selbst nicht kämpfen sehen, sondern nur die Folgen ihrer Taten, aber es schien, als würde Sturmtanz ihrem Titel alle Ehre machen.
Ach ja, Yerill, wenn ich dich nicht … Oh verdammt! Wie wild wirbelte sie herum, als rechts von ihr plötzlich Bewegung zu hören war. Ihr Stab fegte in weitem Bogen durch die Luft und sie spürte einen heftigen Ruck, als sie irgendetwas traf, gefolgt von einem durchdringenden Knacken. Panisch wich sie zurück und starrte mit rasendem Herzschlag in die Dunkelheit des Zimmers, an dem sie gerade vorbeigegangen war. Sie hatte mittlerweile das untere Geschoss erreicht und war zur Tür unterwegs gewesen.
Erst, als sich nach einigen Sekunden immer noch nichts rührte, richtete sich ein wenig auf und wollte näher treten. Dann schalt sie sich selbst eine Närrin. Wozu sollte sie sich auf ihre schwachen sterblichen Sinne verlassen? Hier konnte sie ohnehin kaum etwas erkennen. Stattdessen griff sie nach den Winden der Magie und ließ das Geschehen in Revue passieren. Für die magischen Ströme gab es kein Hell und Dunkel. Wenn ihre Herrin Geisterauge etwas sehen wollte, dann zeigten sie es ihr.
So konnte Xiucalta beobachten, was sie schon vermutet hatte. Sie hatte den vierten Untoten vergessen, zu sehr von ihrem Sieg über den wiederbelebten Erwählten berauscht. Der hatte sich nun auf sie gestürzt, als sie ihm nahe genug gekommen war. Ihre wilde Reaktion und vor allem die überlegene Länge ihres Stabes hatten sie vor dem Schlimmsten bewahrt. Sie hatte den Skelettkrieger direkt an den Schädel getroffen und seine unheilige Existenz beendet.
Nun gut, vielleicht gibt es auch für mich glückliche Zufälle. Auf jeden Fall würde es ihr eine Lehre sein. Wieso hatte sie sich nur derart ablenken lassen? Ihr Leben hätte innerhalb weniger Augenblicke vorbei sein können. Sie hatte doch die Möglichkeit, die Zukunft zu sehen! Und selbst wenn nicht, hatte Yerill von vier Untoten im Haus gesprochen. Und wer kannte die empfindlichen Sinne der Unsterblichen besser als sie?
Ach ja, Yerill, wenn ich dich nicht hätte, dachte sie abermals und schaffte es dieses Mal, den Gedanken zu Ende zu führen, ohne angegriffen zu werden.
Die Erinnerung an die Unsterbliche lenkte ihre Aufmerksamkeit wieder auf die draußen tobende Schlacht und auf einmal bedauerte sie, Sturmtanz nicht kämpfen sehen zu können. Ob sie genauso anmutig und geschickt war, wie Xiucalta es sich vorstellte? Sie hatte Yerill noch nie richtig kämpfen sehen, ging ihr plötzlich auf. Nur als die Unsterbliche sie vor Darmal gerettet hatte. Aber diesen Kampf hatte Yerill beinahe verloren und Xiucalta war kaum bei Bewusstsein gewesen und hatte nicht viel mehr als verschwommene Bewegungen wahrgenommen.
Kurzentschlossen griff sie nach den Winden der Magie und unterzog das Gebäude, in dem sie sich befand, einer geistigen Durchsuchung. Es war verlassen, aber das interessierte sie nicht weiter. Interessanter war jedoch die Tatsache, dass es über einen Balkon zur Prachtstraße hin verfügte. Statt zur Tür hinauszugehen, bog die Seherin in einen anderen Flur ab, der längs durch das Haus verlief, stieg an anderer Stelle eine Treppe wieder hinauf und fand zwei Stockwerke höher schließlich die gesuchte Tür.