Gut, wie versprochen nun Teil 3 des Kapitels. Sind immerhin 10 Seiten, deshalb hab ich mir auch ein wenig Zeit gelassen und euch ein bisschen zappeln lassen. 😉
Dieser Teil enthält sexuelle Inhalte und ist damit etwas gewagt, aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem und kommt angemessen rüber.
Nunja, viel Spaß.
Niederlage (3/3)
"Auch wenn man unterliegt, soll man es in Ehren tun."
[FONT="]— [/FONT]Niccolò Machiavelli, Vom Staat
Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang
Viverla’atar lehnte sich an den Sarg, der Bluthand und Nerglot am nächsten stand und schaute grinsend zu. Finstere Fäden von derselben Schwärze wie die Magiekugel, die Nerglots Schild gebrochen hatte, gingen von seiner Hand aus und schoben sich durch die lange Wunde, die sich einmal längs über den Oberkörper der Zauberin zog. Bluthand wand sich vor Schmerz und keuchte heftig, während graue Flammen über ihren Leib züngelten und ihre schöne, makellose, glatte Haut zu verkohlter Asche verbrannten. Viverla’atar lachte zufrieden. So fühlte sich Rache an.
Es war ihr egal, ob die verdammte Hexe schrie oder nicht. Sie wusste, dass sie litt. Und zuzusehen, wie die atemberaubende Schönheit, der Sisrall verfallen war, nach und nach gründlichst zerstört wurde, war für sie süßer als jeder Schrei. Vielleicht, überlegte sie und ihr Grinsen wurde noch breiter, war es sogar gut, dass Bluthand noch so weit bei Bewusstsein war. Wenn sie ihre Schmerzensschreie unterdrücken konnte, dann verstand sie sicher auch, was gerade mit ihr geschah. Sie würde wissen, dass sie sich gerade in ein abstoßendes Bild des Grauens verwandelte.
Als die grauen Flammen schließlich verschwanden, war ihre ganze Haut vollkommen verbrannt und hing in schwarzen Fetzen auf ihrem wunden Fleisch. Ihr ganzer Leib nässelte, blutete und eiterte. Ihre Haare und ihre Augen waren unangetastet und bildeten einen grellen, weißen Kontrast zum geschwärzten Rest ihres Körpers. Sie sah aus wie ein wilder Dämon, direkt aus der Hölle hinaufgestiegen. Viverla’atar musterte sie und lachte begeistert. Hätte sie nicht genau gewusst, dass dies ihre verhasste Feindin war, hätte sie sich kaum überwinden können, dieses hässliche Stück Fleisch anzusehen. Selbst wenn sie diesen Tag überleben sollte, würde niemand ihr jemals wieder nahe kommen wollen.
Ihr Blick glitt zu Nerglot, der neben ihr hockte und vor Hass zitterte. Er schlug Bluthand ins Gesicht, aber die gefallene Zauberin rollte nur den Kopf zur Seite und presste die Kiefer umso entschlossener aufeinander. Irgendwie fand sie trotz allem die Kraft, nicht zu schreien. Wutentbrannt holte Nerglot zum nächsten Schlag aus.
„Hör auf.“, meinte Viverla’atar ruhig und er hielt inne. Er blickte sich unsicher um, als habe er ganz vergessen, wo er war und dass sie auch noch da war. „Ich bezweifel, dass du ihre Schmerzen noch groß steigern kannst. Ihre Haut ist doch eh schon so gut wie tot.“ Sie grinste sadistisch. „Ich weiß was Besseres.“
Jetzt wandte Nerglot sich ihr ganz zu, erhob sich und zog fragend die Augenbrauen hoch. „Und das wäre?“
„Lass sie einfach liegen. Sie ist zerstört, gebrochen. Vermutlich besteht ihr ganzes Sein nur noch aus Schmerzen. Es ist viel einfacher, sie leiden zu lassen, während sie langsam begreift, dass ihr Leben zerstört ist. Sieh sie dir an. Selbst, wenn sie nicht in den nächsten Stunden sterben würde, ist ihre Existenz eine einzige Qual. Sie wird nie mehr schön sein, nie mehr stolz und mächtig. Niemand wird sie jemals wieder lieben, verehren oder auch nur respektieren. Ihr die Zeit zu geben, das selbst zu begreifen, ist das Schlimmste, was wir ihr antun können.“
Nach und nach hatte sich ein Lächeln auf Nerglots Gesicht ausgebreitet und der wilde Hass war verschwunden. Jetzt nickte er und lachte leise. „Das ist gut, ja.“ Er drehte sich noch einmal zu Bluthand um und murmelte eine Beschwörung. Vier leuchtende silbergraue Reifen schlangen sich um ihre Hand- und Fußgelenke und fesselten sie aneinander.
Dann trat Nerglot um den Sarg herum auf sie zu. Er runzelte die Stirn, als er das Horn entdeckte, das in ihrem Schenkel steckte. Sie setzte sich auf den umgedrehten Deckel des Sarges und deutete auf die Verletzung. „Kannst du das heilen?“ Er nickte und griff nach dem dickeren Ende des Objekts. Sie lehnte sich zurück und biss die Zähne zusammen. Es tat höllisch weh, als er den Splitter aus ihrem Fleisch zog, aber der Schmerz war nur sehr kurz. Schon lag seine Hand auf ihrer Haut und seine Magie flickte sie wieder zusammen. Sie schaffte es, nicht zu schreien. Das wollte sie Bluthand nicht gönnen.
Nerglot reichte ihr das Ding und sie stellte überrascht fest, dass kein Blut daran klebte. Aber sie war ja eigentlich auch tot, nicht wahr? Kurz musterte sie das Ding, dann warf sie es achselzuckend neben dem Sarg auf den Boden.
Grinsend erhob sie sich und trat dicht an Nerglot heran, so nah, dass sie ihm beinahe ins Ohr flüstern konnte. „Und nun mach mich zu deiner Königin! Ich bin bereit.“ Er sah sie ein wenig überrascht an und sie beugte sich vor, um ihn zu küssen. Das Gefühl der toten und doch so wunderbar lebendigen Lippen auf ihren war unbeschreiblich. Drängende Begierde floss durch ihren Körper und sie drückte sich gegen ihn, bis er rückwärts an den Sarg stieß. Dieses Mal wich sie nicht zurück, als er den Kuss erwiderte. Sie spürte seine Zunge und knurrte anzüglich. Sie hatte nicht gelogen. Sie war bereit. Darmal war tot und Sisrall … naja, Sisrall war nicht tot, aber dafür hatte sie seine Geliebte in ihrer Gewalt, was sogar noch besser war.
„Lass uns Bluthand zeigen, was sie alles nicht mehr haben kann.“, forderte sie grinsend und griff nach den Verschlüssen von Nerglots Rüstung. Erst zögerte er überrascht, dann spürte sie seine Hand auf ihrer Hüfte, die sie an ihn drückte, und küsste ihn erneut.
Nerglot zog Viverla’atar an sich, während ihn wilde Erregung durchfuhr und die unsichere Überraschung verdrängte, die er gespürt hatte, als sie ihn plötzlich mit solcher Leidenschaft geküsst hatte. Er erwiderte ihre Küsse und spürte ihren Körper an seinem. Er schlang einen Arm um ihre Taille und vergrub die andere Hand in ihrem Haar, während sie sich an seiner Rüstung zu schaffen machte.
Nach und nach lösten sich die Metallteile von ihm und er tastete nach ihrer Kleidung. Rasch zog er ihr das Oberteil über den Kopf und fuhr über ihren nackten Rücken. Wie gut sich das anfühlte. Ihre Haut war weder wärmer noch kälter als sein, aber glatt und weich. Seine unsterblichen Sinne ertasteten jede Erhebung, jeden Muskel, jede Sehne.
Magie schoss zusammen mit seiner Erregung in seine Lenden und übernahm das, was Blut nicht mehr konnte. Verdammt, er wollte sie. Ihr Körper war kräftig und zäh, gestählt vom harten Leben im Herzen der Berge. Seine Finger glitten über ihre Haut und genossen es, diesen Leib zu erkunden. Ihre faszinierenden roten Augen waren nur Fingerbreit von seinen entfernt. Und sie roch nach Fels und Harz, rau und würzig. Er atmete tief ein, um diesen Duft auszukosten. Oh ja, er wollte sie.
Und sie wollte ihn. Hier und jetzt, inmitten eines Grabes unter einer Stadt, die gerade eine gewaltige Schlacht um ihr Überleben kämpfte. Der Gedanke erregte ihn und stachelte seine Begierde weiter an. Bei Asaph, sie waren die Herren des Todes. Ihre Diener würden kämpfen, egal, was sie hier unten taten. Und die Vorstellung, dass Bluthand zusehen und leiden würde, war unglaublich befriedigend.
Es dauerte nicht lange, dann standen sie beide nackt da, um sie herum ein unordentlicher Haufen von Rüstungsteilen und Kleidung. Als Viverla’atar ihm das Drachenamulett abnahm und dazulegte, erstarrte er kurz, aber eigentlich war es egal. Es würde sich weiterhin um die Untoten kümmern und er brauchte keine magische Kraft. Er hatte genug.
Begierig ließ er sich nach hinten auf den Sarg sinken und zog Viverla’atar auf sich.
Viverla’atar ließ sich bereitwillig auf ihn ziehen und ihre Küsse wanderten tiefer. Über seinen Hals, seine Schultern und seine Brust. Sie fühlte die kräftigen Muskeln unter seiner Haut und genoss das Gefühl. Er mochte ein Magier sein, aber seinen Körper hatte er nicht vernachlässigt. Ihre Begierde wuchs und sie stöhnte wohlig. Seine Hände glitten über ihren Rücken und ihre Schenkel, erkundeten sie, liebkosten sie und gaben ihr ein Gefühl der Sicherheit.
Lustvoll erhob sie sich auf ihm und setzte sich auf seinen Bauch, während sie die Beine gegen sein Becken drückte. Sie konnte sein steifes Glied unter sich spüren und hatte das Gefühl, vor erwartungsvoller Begierde kaum noch atmen zu können. Seine Finger tasteten über ihren Bauch und wanderten höher. Viverla’atar umfing sie grinsend und hielt sie kurz unterhalb ihrer Brüste fest.
Sie öffnete den Mund, aber dann fiel ihr Blick auf die verbrannte Gestalt von Bluthand, die sie aus liedlosen, weißen Augen voller Abscheu und Verachtung anstarrte. Erschaudernd wandte sie den Blick ab.
„Sorg dafür, dass ich sie nicht mehr sehen muss.“, verlangte sie und Nerglot nickte. Ein kugelförmiger Schild erhob sich um sie herum wie vollkommene Nacht. Von einem Augenblick zum anderen gab es nur noch sie und ihn auf dem Sarg inmitten schwarzen Nichts. Es war, als flögen sie durch den Nachthimmel, und das Gefühl verdrängte den schrecklichen Anblick der entstellten Zauberin. Zufrieden griff Viverla’atar nach Nerglots Männlichkeit. Sie erschauderte, aber dieses Mal vor heißer Lust, und legte die Finger um den harten Schaft.
Dann erhob sie sich über ihn und ließ sich vorsichtig nach unten sinken, sodass er langsam in sie eindrang.
Yetail konnte es noch immer nicht so recht fassen, als sie Viverla’atars wildes Stöhnen hörte und Nerglots kehliges Keuchen. Die beiden hatten allem Anschein nach tatsächlich nichts Besseres zu tun, als es inmitten einer Schlacht zu treiben. Ihr Respekt vor Nerglot sank ins Bodenlose. Es war demütigend, dermaßen ignoriert zu werden, als würde sie keinerlei Bedrohung darstellen. Und vermutlich war genau das auch die Idee dahinter.
Durch den Schild, den Nerglot geschaffen hatte, blieb ihr der Anblick der wilden Vereinigung bedauerlicherweise nicht erspart. Sie konnte in die Kugel hineinsehen – allerdings auf der anderen Seite nicht wieder hinaus. Das war beachtlich komplexe Magie, aber sie weigerte sich, dem Totenbeschwörer dafür Respekt zu zollen. Er wollte sie verhöhnen, indem er ihr vor Augen führte, zu welchen Leistungen er noch immer fähig war, ob sie ihn besiegt hatte oder nicht. Als hätte es nicht gereicht, ihre Haut zu verbrennen.
So musste sie mit ansehen, wie Viverla’atar sich auf Nerglot auf und nieder bewegte. Sie musste zugeben, dass die Autarii gar nicht so schlecht aussah. Das bronzefarbene Haar fiel ihr locker über die schmalen Schultern bis kurz über die kleinen, festen Brüste. Unter ihrer Haut bewegten sich kräftige, harte Muskeln, die zusammen mit ein paar blassen Narben von einem rauen Leben erzählten. Ihr Körper war zäh und strahlte eine selbstbewusste, wilde Attraktivität aus, die gewiss für viele Männer anziehend sein konnte. Nerglot schien es jedenfalls zu gefallen.
Ein einziger Zauber und von deiner rauen Schönheit würde nur noch Asche übrig bleiben. Dann würdest du so aussehen, wie ich jetzt, dachte Yetail voller Genugtuung. Aber ihr Hass und ihre Wut waren verflogen, ertränkt von lodernden Schmerzen. Sie fühlte einzig und allein eine harte, entschlossene Ruhe. Ihr Wille war so stark wie eh und je, er füllte sie vollkommen aus und drängte alles andere zurück. Die Pein, den Zorn und jedes Gefühl der Demütigung. Sie würde kämpfen. Sie mochte körperlich und magisch gebrochen sein, aber sie war noch nicht tot. Noch lange nicht.
Und nun, da Nerglot und Viverla’atar sie ignorierten, abgelenkt waren und dank des Schilds vermutlich nicht einmal etwas sehen konnten, war sie bereit. Sie stemmte sich gegen die magischen Fesseln und biss sich fest auf die Lippe, als heiße Pein durch ihren Körper strömte. Aber das war nichts gegen das, was sie bereits erfahren hatte. Sie steckte es weg und schob es zum Rest des Schmerzes, das hinter den Schranken ihrer Willenskraft und ihrer betäubenden Zauber gefangen war.
Zentimeter um Zentimeter zerrte sie die Arme auseinander. Nerglot war ein Idiot. Er hatte nur die einfachste Form magischer Fesseln für sie verwendet. Diese reagierte lediglich mit Schmerzen auf Befreiungsversuche und würden sie nicht körperlich aufhalten können. Und ihre betäubten Nerven sandten ihr nur einen Bruchteil dessen, was sie sonst abbekommen hätte. Normalerweise wäre sie wohl in Ohnmacht gefallen, aber so konnte sie damit umgehen. Das hatte Nerglot natürlich nicht ahnen können, aber es tat ihr gut, auf seiner Dummheit herumzureiten. Egal, ob sie andersherum denselben Fehler begangen hätte oder nicht.
Schließlich zersprangen die beiden grauen Ringe um ihre Handgelenke und lösten sich in Luft auf. Yetail sank in sich zusammen und gönnte sich einen Augenblick der Ruhe, während sie auf das Stöhnen und Keuchen lauschte. Keine Veränderung. Also hatte Nerglot nichts bemerkt. Hatte sie auch nicht erwartet, aber bei ihm wollte sie lieber auf alles gefasst sein.
Sie überlegte, ob sie ihre Fußfesseln auch noch sprengen sollte, aber eigentlich war es egal. Sie war ohnehin zu schwach zum Stehen. So bekam sie zwar die Füße nicht auseinander, aber die Beine konnte sie trotzdem bewegen.
Ganz langsam begann sie, vorwärts zu kriechen. Fingerbreit um Fingerbreit zog und schob sie sich voran, immer am Rande zum völligen Zusammenbruch. Ihr Blickfeld wurde dunkel und sie keuchte heftig, während lähmende Schwäche und grauenvolle Schmerzen über sie hereinbrachen. Ihre verbrannte Haut löste sich durch die Reibung und sie zog eine Spur aus Blut und Eiter hinter sich her. Aber das spielte keine Rolle. Sie hatte ein Ziel vor Augen und das würde sie erreichen, koste es, was es wolle. Und wenn sie danach tot zusammenbrach.
Sie dachte an Viverla’atars Armbrust, während ihr das lustvolle Stöhnen der Autarii in den Ohren klang. Die Waffe lag auf der anderen Seite des Sarges, auf dem sie sich vergnügten, zusammen mit dem Rest von Nerglots Rüstung und Waffen – und dem Horn des Splitterdrachen. Aber das war im Moment nicht so wichtig. Sie wollte die Armbrust. Einen von beiden würde sie mit in den Tod nehmen.
Allein dieser Gedanke füllte ihren Verstand, während sie sich Stück für Stück voranschob. Sie achtete weder auf den Schmerz noch auf den über ihr stattfindenden Akt. Es gab nur das eine Ziel. Keine Ablenkungen. Kein Selbstmitleid. Keine Furcht. Mit ruhiger Entschlossenheit kroch sie vorwärts. Sie würde sterben, daran bestand kein Zweifel. Aber sie würde nicht kampflos sterben. Schon gar nicht würde sie die Demütigung hinnehmen, dass die beiden Untoten sie ignorierten und sich ihrer wilden Lust hingaben, als würde sie keine Bedrohung darstellen. Sie, Yetail Bluthand, Erste Meisterin der Hexenkonvente, Tochter und Schülerin von Erlais, der Erzzauberin von Clar Karond, zehnte Trägerin der Marilim und Gefährtin von Blutklinge, dem neunten Kind des Mordes, Bezwingerin von Slonish, Bezwingerin der Dämonenprinzessin und Meisterin Elene, Bezwinger eines Hüters der Geheimnisse, Reiterin von Szar’zriss, Meisterin von Xiucalta Geisterauge – und nun auch noch Bezwingerin von Nerglot. Sie sollte keine Bedrohung darstellen? Sie würde diesen selbstverliebten Untoten eine blutige Lektion erteilen!
Dann schrak sie heftig zusammen, als sie plötzlich einen Zauber spürte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte und sicher war, dass die Magie nicht gegen sie gerichtet war. Nerglot wirkte irgendeine Hexerei im Innern des Schilds und Yetail merkte, wie Viverla’atars Stöhnen noch begieriger wurde. Ekel stieg in ihr auf, vermisch mit gehässiger Schadenfreude. Brauchte Nerglot etwa Magie, um seine Geliebte zu befriedigen?
Mit diesem Gedanken machte sie sich wieder daran, weiter zu kriechen.
Viverla’atar stöhnte voller Lust, als sich plötzlich etwas veränderte. Noch immer spürte sie Nerglot in sich, wie er in sie fuhr und aus ihr herausglitt, spürte die kurze Erfüllung und die erwartungsvolle Leere bei jeder ihrer Bewegungen auf ihm. Aber jetzt glaubte sie, auch das wahrzunehmen, was er spürte. Sie fühlte ihren Unterleib um ihn, wie sie ihn umfing, spürte ihre Finger auf seiner Haut, ihre Schenkel um seine Hüften und ihre Brüste unter seinen Händen.
Ihre Lust steigerte sich und sie folgte bereitwillig dem Druck seiner Hände, die sie auf ihn hinab zogen. Sie legte sich auf ihn, spürte seinen starken Körper unter sich und gleichzeitig ihren Leib auf ihm. Sie genoss das Gefühl, mit dem seine Arme sie festhielten, und gleichzeitig die Empfindung, ihren kräftigen Körper zu halten. Begierig küsste sie ihn und das doppelte Erlebnis ihrer Lippen aufeinander verschlug ihr beinahe den Atem.
Heiß und wild loderte die Begierde in ihr und egal, wie lange und intensiv die Vereinigung wurde, sie bekam niemals genug. Es war ein elektrisierender Gedanke, dass sie dies hier ewig fortsetzen könnten. Sie waren Unsterbliche. Sie würden nicht müde werden.
„Ich liebe dich.“, flüsterte sie und vergrub die Finger in seinem Haar.
Yetail hörte die Worte und hätte sich am liebsten übergeben. Sie hörte die Lüge darin. Mochte Viverla’atar es auch für die Wahrheit halten, es war eine Einbildung. Yetail konnte nicht sagen, wie lange diese abartige Vereinigung nun schon dauerte, aber es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, in der sie mehr oder weniger bewusst dem Stöhnen und Keuchen über ihr gelauscht hatte. Eine Ewigkeit, in der sie allmählich begriffen hatte, dass sich nichts änderte. Viverla’atars Bewegungen wurden mal schneller, mal langsamer, mal wilder, mal ruhiger, sie hatte sie auf ihn gelegt und küsste ihn nun, aber all das spielte keine Rolle. Denn es gab keine Befriedigung. Ihr Stöhnen klang noch immer genauso wild und unerfüllt wie zu Anfang.
Sie würden ewig so weitermachen können, getrieben von Lust und Begierde, aber ohne jemals zufriedengestellt zu werden. Sie würden keinen Höhepunkt erreichen, der den Akt beenden würde. Ihre Körper waren tot, erstarrt. Nerglot mochte unbewusst Magie einsetzen können, um seine Männlichkeit zu versteifen, aber keine Zauberei konnte das Gefühl echter Befriedigung ersetzen, wenn sich zwei Körper immer näher kamen, einander öffneten und anvertrauten und dann schließlich beinahe eins wurden. Sie würden immer das gleiche empfinden, egal, wie weit sie gingen oder was sie taten.
Und diese Erkenntnis zauberte ein Grinsen auf Yetails zerstörtes Gesicht. Es war eine gerechte Strafe für all das, was sie ihr und den Druchii angetan hatten. Es war der Preis für ihre Unsterblichkeit. Ewige Gleichförmigkeit. Ewiger Hunger nach Befriedigung, nach Rache, nach Lust. Ohne jemals zufrieden zu sein.
Na dann, dachte Yetail voll zufriedener Verachtung. Es wird Zeit, ein wenig Mitleid zu zeigen und sie von dieser unerfüllbaren Lust zu befreien. Sie hatte den Sarg endlich umrundet und kroch das letzte Stück bis zu dem Durcheinander aus Metall und Leder, das Nerglot und Viverla’atar beim Ausziehen hinterlassen hatten. Ihr Blick suchte nach der Armbrust, fand das Horn des Splitterdrachens und blieb schließlich an etwas Anderem hängen.
Es war ein großer Talisman aus schwarzem Stein. Vier Drachen, die einander in den Schwanz bissen, bildeten einen groben Ring. Es war ein sehr einfaches Gebilde, aber es strahlte etwas Geheimnisvolles aus. Macht.
Das musste das Drachenamulett sein. Alle anderen Pläne für einen Augenblick vergessend, zog sich Yetail näher und streckte die Hand danach aus. Die schwarze Oberfläche war ein wenig warm, aber sonst spürte sie nichts Ungewöhnliches. Keine schlummernden Kräfte, keine verborgene Magie. Aber Xiucalta hatte ja auch gesagt, dass das Drachenamulett allein Nerglot gehorchen würde. Schade.
Gerade wollte sie den Blick abwenden, als sie an der Flügelspitze des untersten Drachens etwas bemerkte. Dort war ein kleiner Fleck der schwarzen Oberfläche abgeplatzt und hatte das rote Gestein darunter enthüllt. Blutrot. Wie ihr Drachenstein.
Und auf einmal betrachtete sie den Ring aus Drachen mit neuen Augen. Die Form und die Größe der vier Kreaturen stimmten. Es war, als hätten sich die zusammengerollten Drachen, aus denen die Drachensteine bestanden, entfaltet und dann zu dieser neuen Form vereinigt.
Und wenn das dort ihr Drachenstein war … Ehrfürchtig streckte Yetail einen zitternden Finger aus und legte die verbrannte Kuppe auf den winzigen Fleck. Dieses Mal spürte sie etwas. Nicht die geballte Macht, über die das Amulett vermutlich verfügte. Eher das Gefühl eines fröhlichen Wiedererkennens. Unter der Zauberei, die den Talisman aus vier Steinen geschaffen hatte, schlummerte noch immer die Essenz ihres eigenen, in ihrem Blut getränkten Drachensteins. Und er reagierte auf sie, freudig, begierig und bereit.
Energisch schloss Yetail die Hand um den untersten Teil des Drachenamuletts, sodass die rote Flügelspitze in ihre Handfläche stach. Dann zog sie es zu sich heran und richtete sich ein wenig auf, sodass sie saß. Grauenvolle Schmerzen tobten durch ihren Körper, aber sie beachtete sie gar nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem wundervollen, wortlosen Flüstern, das der Drachenstein in ihren Geist sandte. Er wartete auf ihre Wünsche.
Sie hatte nur einen. Gib mir alles!
Und der Drachenstein gehorchte. Nun, da seine wahre Trägerin zurückgekehrt war, schüttelte er die Herrschaft von Nerglots Zauberei ab und streckte seine Macht aus. Er unterwarf die herrenlosen Steine, die ihn berührten und verband seine eigenen Kräfte mit ihnen. Gemeinsam griffen sie weiter hinaus, als Yetail es jemals für möglich gehalten hätte. Jeden Funken Magie in der Halle, in den Tunneln und bis fast an die Oberfläche fanden sie und fingen ihn ein mit ihren unsichtbaren Netzen.
Und dann stürzte die Macht über Yetail zusammen. Dieses Mal schrie sie auf, doch es war mehr Befriedigung und Erleichterung als Schmerz. Grenzenlose Magie donnerte durch ihren Körper und innerhalb eines Herzschlags heilte sie sich selbst. Ihre Wunden schlossen sich, neue Haut zog sich über ihr wiederhergestelltes Fleisch und das Blut, das über ihren Körper lief, erstarrte zu winzigen Tröpfen Gold, die sich überall unter die neuen Hautschichten mischten. Das war nicht ihre Idee gewesen, aber die Magie war so gewaltig, dass sie kaum Kontrolle darüber hatte. Nur an ihrem linken Fuß ließ sie einen Fleck verbrannter Haut.
In der gesamten Halle stürzten Untote von Decke und Wänden, bevor sie in der Luft zu Knochenmehl zerfielen, als Nerglots Zauber gebrochen wurde. All die übrigen Leichen zerbröselten nach und nach, weil die uralte Magie, die ihre Verwesung aufgehalten hatte, verschwand und die Realität sich mit Macht zurückholte, was ihr solange vorenthalten gewesen war. Nur der magische Wirbelsturm schien nicht beeindruckt von der Macht der Drachensteine zu sein, auch wenn es jetzt keine Skelettkrieger mehr gab, die hineinspringen konnten. Yetail vermutete, dass Nerglot den eigentlichen Zauber des Wirbels an dessen oberem Ende befestigt hatte, das sich über der Oberfläche und damit außer Reichweite befand. Das war das allgemeine Vorgehen. So ließ sich die Höhe des magischen Tornados besser kontrollieren.
Sie spürte die gewaltige Hitze ihres Drachensteins, der wärmer und wärmer wurde. Die schwarze Schicht des Drachenamuletts platzte ab, aber die vier Steine hingen noch einen Augenblick ringförmig in der Luft. Dann explodierte der erste. Krachend zerbrach er erst in der Mitte und verging dann in einer lodernden Flammenzunge. Zurück blieb bloß grauer Staub, der zu Boden rieselte. Nur wenige Augenblicke später vergingen der grüne und der violette Stein auf dieselbe Weise, bis Yetail nur noch ihren eigenen in Händen hielt.
Und der verwandelte sich plötzlich. Inzwischen war er glühend heiß geworden und seine Oberfläche wirkte nicht länger wie die eines Steins, sondern vielmehr wie flüssige Lava. Erstaunt riss Yetail die Augen auf, als das Artefakt sich auf einmal bewegte. Der rote Miniaturdrache breitete die Schwingen aus und erhob sich von ihrer Hand in die Lüfte. Er schlug ein paarmal mit dem Flügeln und schoss dann der fernen Decke entgegen.
Yetail konnte ihm nur verblüfft nachsehen. Vielleicht konnte ihr Xiucalta später erklären, was da geschehen war. Die junge Frau wusste ja so ziemlich alles. Im Moment war es eigentlich egal. Sie war bis an die Grenze mit Magie gefüllt und hätte alles weitere sowieso augenblicklich abgeben müssen.
So wandte sie sich Nerglot und Viverla’atar zu, die inzwischen nackt auf dem Sarg standen und ebenso schockiert aussahen wie Yetail begeistert. Die Zauberin grinste sie an. Die beiden hatten keine andere Möglichkeit gehabt, als dort zu bleiben. Ihr Schild, egal wie dünn er gewesen sein mochte, hatte sie vor den Drachensteinen geschützt. Deshalb hatten sie sich lieber auf den Sarg gestellt, als ihn zu brechen.
Yetail machte vorsichtig einige Schritte zur Seite, weiter um den Sarg herum, wobei sie das Horn des Splitterdrachen mit den Füßen mit sich zog. Das wollte sie lieber nicht zurücklassen. Erfreut stellte sie fest, dass ihr Körper vollständig wiederhergestellt war. Nur ihr linker Fuß mit der verbrannten Stelle, aus der immer noch Blut sickerte, schmerzte ein wenig, aber das akzeptierte sie. Sie wollte diesen Schmerz, damit er sie daran erinnerte, was Nerglot ihr angetan hatte. Er gab ihr Kraft.
„Also Nerglot.“, sagte sie. „Wie wäre es jetzt mit einem ehrlichen Kampf? Die Marilim ist erschöpft und Euer Drachenamulett zerstört. Wir sind beide bis an den Rand mit Magie gefüllt, aber mehr als das, was wir von Natur aus besitzen, gibt es nicht. Also lasst uns sehen, wer der Stärkere ist.“
Und mit diesen Worten griff sie nach ihren Kräften und schleuderte Nerglot einen goldenen Strahl reiner Macht entgegen.
Nerglot fluchte stumm. Bluthand war zäher, als er erwartet hatte. Und unglaublich stark. Jetzt gab es keine komplexen Zauber mehr, keine mächtigen Beschwörungen, keine Blitze und Feuerbälle. Sie komprimierte all ihre Kraft zu einem einzigen Strahl und er hatte keine Alternative, als die gleiche Menge Magie zu einem Schild zu formen. Er wusste, dass er verlieren würde. Sie war stärker als er, das wussten sie beide. Er hatte außerdem noch die Untoten, die nun wieder an ihn gebunden waren, da das Amulett zerstört war. Und er hatte keinen Zauberstab mehr. Er trug noch einen Armreif, der ebenfalls als Katalysator fungieren konnte und für genau solche Notfälle gedacht war, wenn der eigentliche Stab abhandenkam. Aber der konnte Nerglots Magie lange nicht so effizient und schnell in den Schild leiten wie der Sensenstab.
Zerknirscht beobachtete er, wie Bluthand langsam nackt um ihn herum ging wie ein hungriger Wolf. Unter anderen Umständen hätte er sich an ihrem makellosen, wiederhergestellten Körper ergötzt. Bei Asaph, jetzt sah es sogar so aus, als würde ihre Haut golden funkeln. Aber im Moment hatte er andere Sorgen. Durch ihre ständige Bewegung konnte er keinen ortsgebundenen Schild erschaffen, sondern musste seinen mit ihr mit drehen. Vermutlich genau das, was sie wollte.
Panisch dachte er über seine Möglichkeiten nach. Eigentlich gab es keine. Er konnte nicht gewinnen. Das einzige, was ihm blieb, war der Tod. Oder Flucht. Und wenn er fiel, würde auch Viverla’atar sterben. Nein, das würde er nicht zulassen. Sie sollte leben. Mit dieser Erkenntnis schob er seinen Stolz beiseite und machte sie an die Vorbereitungen.
Yetail schob sich weiter um Nerglot, Viverla’atar und den Sarg herum, wobei sie den linken Fuß über den Boden schleifte, um das Horn mitzunehmen. Dadurch zog sie eine deutliche Blutspur hinter sich her und jagte helle Schmerzen ihr Bein hoch, aber das akzeptierte sie. Es stachelte sie an, weiterhin mit aller magischen Kraft auf Nerglots Schild zu schlagen. Das Brausen ihres goldenen Strahls und das Knistern der Kollision waren wie Musik in ihren Ohren.
Und sie sah, wie Nerglot langsam schwächer wurde. Ohne seinen Zauberstab konnte er es nicht mit ihr aufnehmen. Sie hatte den Reif um seinen Arm entdeckt. Vermutlich ein Notfallkatalysator. Ansonsten hätte er sie auch nicht mit schwarzer Magie schwächen oder ihre Haut verbrennen können. Ohne ihn wäre kein Schild möglich. Sie grinste. Nerglot hatte wohl wirklich fast dieselbe Ausbildung genossen wie sie. Der Reif um ihren Hals erfüllte die gleiche Funktion. Jede Hexe der Konvente verfügte auf diese Weise über die Möglichkeit, sich im Notfall zu schützen, auch wenn der eigentliche Stab gerade nicht zur Hand war – oder zerstört, wie in Nerglots Fall.
Da Yetail sich inzwischen ein ganzes Stück von dort entfernt hatte, wo sie das Drachenamulett gefunden hatte, hatte Viverla’atar die Chance genutzt und sich ihre Sachen geschnappt. Inzwischen trug sie wieder ihre braunen Lederkleider und hatte ihre Armbrust in der Hand. Auch wenn sie offensichtlich wusste, dass sie die nicht noch einmal erfolgreich gegen Bluthand verwenden konnte.
Aber sie wirkte entschlossen. Die Zauberin zuckte mit den Schultern. Das spielte keine Rolle. Sobald Nerglot überwunden war, würde sie sterben. Armbrust hin oder her. Zufrieden grinste sie die Jägerin an.
Viverla’atar spürte heiße Wut, als Bluthand sie ansah und zufrieden lächelte. Sie wünschte sich, sie könnte ihr dieses Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Aber sie konnte nicht. Sie und Nerglot hatten ihre Chance bekommen. Sie hatten Bluthand unterschätzt. Viverla’atar hatte keine Ahnung, wie jemand solche Schmerzen aushalten konnte, und diese Tatsache war es, die ihr klar machte, dass es keine Aussichten auf einen Sieg mehr gab. Äußerlich mochte ihre Feindin geradezu idiotisch selbstsicher und entspannt erscheinen, aber die Autarii war sicher, dass sie die Situation vollkommen unter Kontrolle hatte. Sie würde sich keinen Fehler mehr erlauben.
Deshalb beging Viverla’atar auch nicht die Dummheit, einfach an Nerglots Schild vorbei zu stürmen und auf die Zauberin zu schießen. Die würde vermutlich einfach ihren Strahl unterbrechen, sie mit einer Hand vernichten und mit der anderen weiter Nerglot beharken, bis sie sich ihm wieder ganz widmen konnte. Nein, sie hatte nur deshalb einmal Erfolg gehabt, weil sie die Überraschung auf ihrer Seite gehabt und Bluthand nicht mit ihren magischen Fähigkeiten gerechnet hatte. Nochmal würde es nicht gelingen.
Plötzlich krümmte sie sich zusammen, als ein gewaltiges Gewicht auf sie fiel und eine Welle der Schwäche über ihr zusammenschlug. Zuerst glaubte sie, Bluthand habe irgendetwas mit ihr angestellt, aber dann hörte sie das hundertfache, wortlose Flüstern in ihrem Geist, das von irgendwo über ihr zu kommen schien. Nerglot hatte seine Diener an sie gebunden. Ihr wurde eiskalt vor Angst. Das konnte nur bedeuten, dass er selbst nicht mehr genug Kraft hatte.
Er drehte sich halb zu ihr um, während er weiterhin den Schild aufrechterhielt. Sie sah die Anstrengung in seinen Zügen und die Trauer.
„Es tut mir leid.“, keuchte er. „Wir haben verloren. Aber vielleicht haben wir noch eine Chance. Achte nicht auf die Untoten. Sie zehren von deiner Kraft, aber ich habe ihnen alle Anweisungen gegeben, die sie brauchen. Wenn alles klappt, dann sehen wir uns in deinem Tal wieder. Wenn nicht, wirst wenigstens du leben. Verzeih mir … meine Königin.“
Und plötzlich verschob sich alles um Viverla’atar herum. Sie fühlte, wie sich in ihrem Innern etwas regte. Dort, wo heute Morgen Yerill in ihr herangewachsen war, dehnte sich etwas aus und fuhr mit kribbelnder Macht durch sie hindurch. Binnen eines Herzschlags hüllte sie ein magisches Feld ein und trennte sie von der Außenwelt ab. Im Innern dieses Kokons verlief die Zeit anders. Es war derselbe Zauber, der ihre Schwangerschaft auf ein paar Stunden verkürzt hatte. Jetzt sorgte er dafür, dass alles um sie herum zu erstarren schien, während sie sich normal bewegen konnte.
Doch bevor sie etwas tun konnte, geschah noch etwas. Sie fühlte Nerglots Geist in ihren dringen. Dieselbe Verbindung, mit deren Hilfe er ihr während der Vereinigung seine Empfindungen gezeigt hatte, erlaubte es ihm, ihren Verstand beiseite zu drängen und die Kontrolle über ihren Körper zu übernehmen.
Viverla’atar konnte nichts tun, als hilflos zuzusehen, wie sie sich umdrehte und weglief. Sie entfernte sich von Bluthand und Nerglot, die beide keine Reaktion zeigten, weil die Zeit um sie herum viel langsamer verging. Ihr Körper dagegen lief mit der Geschwindigkeit einer Unsterblichen vorwärts und überbrückte die Distanz bis zum unsichtbaren Wirbel innerhalb weniger Sekunden. Sie schrie in Gedanken auf, dann hatte sie sich schon mitten hineingeworfen und wurde binnen eines Herzschlags vom Boden der Halle bis zur Oberfläche gerissen und dort mitten zwischen die Untoten geworfen.
Die Beschleunigung und der anschließende Aufschlag trieben ihr die Luft aus den Lungen und sie war froh, keinen sterblichen Körper mehr zu haben, sonst hätte sie sich sicher übergeben. Sie blieb nur einen Augenblick ruhig stehen, bevor ihr Körper mit normaler Geschwindigkeit weiterrannte. Der Zeitzauber um sie herum war bereits wieder verschwunden.
Seltsamerweise strömten die Skelettkrieger alle zum Zentrum des Platzes in Richtung des Loches, aber Viverla’atar kümmerte sich nicht darum. Sie rannte und rannte, schob sich an den metallverstärkten Knochengerüsten vorbei, die sie gehorsam ignorierten. Endlich erreichte sie eine Straße, die übersät war von den Resten eines brutalen Kampfes. Überall lagen Leichen, verdrehte Rüstungen, tote Pferde, weggeworfene Waffen. Eilig stieg sie darüber hinweg und rannte in das nächstbeste Haus.
Als die Tür hinter ihr zufiel, fiel Nerglots Kontrolle von ihr ab und sie stolperte und stürzte, als sie von einem Augenblick zum anderen wieder Herrin über ihren Körper war.
Yetail schrie frustriert auf, als Viverla’atar plötzlich zu schemenhafter Bewegung verschwamm. Das war doch wohl nicht möglich! Niemand konnte sich mit solcher Geschwindigkeit bewegen! Instinktiv wusste sie, dass die Autarii schneller war als jeder Zauber, den sie ihr hätte hinterher schleudern können. Allerdings war sie nicht so schnell, dass Yetail sie nicht hätte abwehren können, wenn sie versuchte hätte, sie anzugreifen statt zu fliehen.
Nach nicht einmal einer Sekunde erreichte sie den Wirbel und verschwand von einem Augenblick zum anderen. Diese verdammte Hure. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Sie hatte keine Ahnung, wie Nerglot das hinbekommen hatte, aber es schien keine Illusion zu sein. Ihre magischen Sinne fanden keinen Geist und keine Aura in der Halle außer ihren und Nerglots. Die Autarii war wirklich weg.
Und nun begann auch Nerglot, irgendeinen neuen Zauber zu wirken, während er gleichzeitig den Schild aufrecht erhielt. Die Zauberin öffnete den Mund, als wolle sie dagegen protestieren, dann bemerkte sie den Ring an Nerglots Hand. Vermutlich ein Artefakt. Dazu geschaffen, einen einzige Beschwörung zu übernehmen. So ähnlich wie Xiucaltas Stab.
Sie beschleunigte ihre Schritte zur Seite und zwang Nerglot, sich umso schneller zu drehen, aber das half nicht. Beinahe hilflos musste sie mit ansehen, wie um den Beschwörer herum seltsame Runenzeichen in der Luft erschienen. Sie ordneten sich um ihn herum, verschwanden wieder und tauchten anschließend später wieder auf. Es waren insgesamt neun. Jeweils drei links und rechts neben ihm senkrecht übereinander und drei weitere in bogenförmiger Anordnung quer darüber.
Yetail hätte beinahe den Strahl unterbrochen, als ihr klar wurde, was er da tat. Das war der Torzauber. Dieselbe Magie, mit der er sich am Morgen ins Herz von Naggarond versetzt hatte. Er wollte fliehen! Schon konnte sie beobachten, wie sich ein sanftes rotes Glühen zwischen den Runenzeichen entfaltete und sie miteinander verband, bis ihre Anordnung wirklich wie ein Torbogen aussah.
Sie fragte sich, wo er so einen Zauber herhatte. Hatte er ihn vielleicht von Anhängern des Chaos gekauft? Die Runen wirkten in der Tat etwas dämonisch. Oder hatte er ihn irgendwo gefunden? Vielleicht hatte er ihn auch selbst hergestellt. Wer wusste schon, welche Bücher er in den Jahrtausenden seit seinem Tod gewälzt hatte?
In jedem Fall hatte sie ein Problem. Sie beschleunigte ihre Schritte noch einmal und zog den linken Fuß schmerzhaft fest über den Boden, während das rote Leuchten immer heller wurde und Nerglots Miene zufriedener. Noch hielt er den Schild aufrecht und sie konnte nichts gegen ihn unternehmen.
Aber dann begann sie zu grinsen.
Nerglot runzelte er die Stirn, als er Bluthands viel zu selbstzufriedenes Lächeln sah. Irgendwas hatte sie schon wieder vor. Und er glaubte nicht, dass ihm das gefallen würde. Aber was wollte sie tun? Noch verfügte er über genug Kraft, um den Schild zu halten und jeden ihrer Angriffe einfach abzuwehren. Er hatte sich für Flucht entschieden und sein Torzauber war so gut wie fertig. Er hatte bereits die Brücke durch den Warp hergestellt und musste jetzt nur noch warten, bis sich am anderen Ende ein ähnliches Tor aufgebaut hatte.
Dann fiel sein Blick auf das Blut zu den Füßen der Zauberin und er riss die Augen auf. Das war die Lache gewesen, in der sie gelegen hatte, als er ihre Haut verbrannt hatte. Sie war inzwischen einmal um den ganzen Sarg herumgegangen. Zuerst halb herum gekrochen, um an das Drachenamulett zu kommen – oder was auch immer sie dort ursprünglich gesucht haben mochte – und dann die andere Hälfte stehend, während sie ihn mit ihrem Strahl unter Kontrolle gehalten hatte. Und die ganze Zeit hatte sie geblutet. Selbst nach ihrer Heilung hatte sie wohl am Fuß noch eine Wunde gehabt, die eine dünne, aber deutliche rote Spur hinterlassen hatte. Er stand inmitten eines geschlossenen Kreises aus Blut.
Erinnerungen brachen über ihn herein. Das Blut an den Turmwänden, kurz bevor sie ihn unter den Trümmern des Khainetempels begraben hatte. Das Blut, das über die große Knochenstatue lief, die daraufhin ihn angegriffen hatte, statt die Druchii an der Oberfläche abzuschlachten. Und jetzt dieser Kreis aus Blut.
Das war gar nicht gut.
Yetails Lächeln wankte kurz, als sie bemerkte, dass der Torzauber vollendet war. Aber Nerglot starrte auf den Ring aus Blut, den sie um ihn gezogen hatte, und war einen Augenblick lang abgelenkt. Vermutlich ahnte er, dass sie etwas vorhatte. Und dass er ein Problem hatte.
Er sollte recht behalten. Dieser eine Augenblick reichte ihr. Sie unterbrach ihren Strahl und rief ein einziges Wort der Alten Sprache. Und der Zauber entfaltete sich. Es gab kein Zurück mehr und keinen Ausweg. Das, was sie beschworen hatte, war der allermächtigste Zauber der Blutmagie und sie fühlte, wie er an ihren Reserven zehrte.
Eine schillernde Blase erhob sich entlang ihres Kreises aus Blut und schloss sich über Nerglots Kopf. Es sah eigentlich unscheinbar aus und auch als der Schild plötzlich implodierte und lediglich ein rotes Schimmern in der Luft hinterließ, deutete nichts auf dessen wahre Macht hin. Aber die Wirkung war beachtlich.
Der Torzauber flackerte einen Augenblick und verschwand dann, Nerglots Wirbelsturm brach zusammen und der Schild des Beschwörers kollabierte ebenfalls. Verwirrt starrte Nerglot sie an, bevor er plötzlich schwankte. Er hob die Hand, um ihr einen Zauber entgegen zu schleudern, aber Yetail bückte sich nur gelassen und hob das Horn des Splitterdrachen auf.
Als sie wieder stand, sah sie Nerglots entsetztes Gesicht und grinste. Er konnte nicht zaubern. Er stand im Innern einer Blase, in der es keine Magie mehr gab. Alles, was innerhalb ihres Blutkreises lag, war vollkommen von den Winden der Magie abgeschnitten.
Und bevor der Totenbeschwörer seine Verwirrung abschütteln und den Kreis verlassen konnte, reagierte Bluthand. Mit der rechten Hand hielt sie das Horn, als sie vorsprang. Nerglot wollte ausweichen, aber seine Reflexe ließen ihn im Stich. Mühelos packte Yetail ihn an der Kehle, bevor sie gegen ihn stieß und ihn auf diese Weise über den Rand des Kreises schleuderte. Nur einer seiner Füße blieb innerhalb der Blase. Dann rammte sie ihm das Horn des Splitterdrachen in die Brust.
Blut spritzte aus der Wunde und floss über seine nackte Brust. Er starrte sie entsetzt an. Sie grinste nur und hob die Hand. Eine lodernde Stichflamme prasselte fröhlich zwischen ihren Fingern, bevor Yetail sie zur Faust ballte. Wie ein fauchender Feuerball umhüllten die Flammen sie und leckten ihren Unterarm hinab. Mit einem wütenden Schrei nahm sie all ihre verbleibende Kraft zusammen und rammte Nerglot ihre brennende Faust in den Bauch.
Der Beschwörer schrie auf, als das Feuer ihn verzehrte. Sie befanden sich auf der anderen Seite des Kreises und damit außerhalb des magiefreien Bereichs. Allerdings lag noch immer einer von Nerglots Füßen im Innern und das reichte, damit den Zauber, der seinen Körper am Sterben hinderte, gebrochen wurde. Er war jetzt genauso lebendig wie sie und damit hatte Yetail die Bedingung des Horns erfüllt.
Zufrieden sandte sie ihre ganze Kraft in den Feuerzauber. Rasend schnell verwandelten die Flammen seine Haut in Asche, verdampften sein Blut und schmolzen Fleisch wie Knochen gleichermaßen mühelos. Er schrie voll unendlicher Pein, aber Yetail hatte kein Mitleid mehr. Sie beugte sich zu ihm hinab. „Ihr wolltet doch Schreie hören, Nerglot. Ergötzt Euch nun an Euren eigenen.“
Es dauerte nicht lange, dann war von ihm nicht mehr übrig als ein Haufen Asche und der eine Fuß, den das Feuer im Innern des Kreises nicht erreichen konnte. Yetail atmete tief durch und gönnte es sich, einige Augenblicke lang einfach nur ruhig stehen zu können. Sie war am Ende ihrer Kräfte und jetzt, da die Anspannung verblasste, merkte sie es auch. Der Blutzauber hatte sie an den Rand der Erschöpfung gebracht.
Langsam nahm sie Nerglots Fuß und stellte ihn auf den Sarg, auf dem er und Viverla’atar vor nicht einmal zehn Minuten noch miteinander geschlafen hatten. Irgendwie passend. So schnell konnte es manchmal gehen.
Dann hob sie das Horn auf und blickte zur fernen Decke hinauf. Es half nichts. Ihre Arbeit war noch nicht getan. Eine letzte Anstrengung stand ihr noch bevor, ehe sie sich erholen durfte. Sie ließ den Blick durch das gewaltige Grab schweifen. An einer der Wände fand sie ihnen goldenen Umhang, arg mitgenommen und von verschiedensten Zauber angegriffen, aber im Großen und Ganzen verwendbar. Mit schlurfenden Schritten ging sie hinüber, hob ihn ächzend auf und warf ihn sich über die Schultern, bevor sie ihn eng um sich wickelte und zurück ins Zentrum der Halle ging. Allmählich fühlte sie sich kalt und leer.
Als sie am leeren Sockel der Riesenstatuen ankam und hinaufstieg, sah sie sich noch einmal um. Die Halle war jetzt deutlich leerer, weil die Hälfte der Toten als Skelettkrieger an die Oberfläche geschickt worden und die andere inzwischen zerfallen war. Nur die Särge standen unverändert, wenn auch leer.
Sie wandte sich ab. Hier gab es nichts mehr. Also holte sie tief Luft und erhob sich dann in die Luft. So schnell sie konnte, stieg sie auf, während sie das Gefühl hatte, das ferne Loch würde kein bisschen näher kommen. Schon nach der Hälfte wurde ihr schwarz vor Augen, aber sie zwang sich weiter. Ihre Hände und Füße wurden kalt und gefühllos, doch auch davon ließ sie sich nicht beeindrucken. Ihr Atem war ein grauenvolles Röcheln und ihr Mund fühlte sich tot an. Ihr ganzer Körper schien zu brennen und alles in ihr schrie danach, aufzuhören und sich eine Pause zu gönnen. Aber hier gab es nichts, wo sie sich hätte ausruhen können. Sie befand sich mitten in der Luft, kurz unterhalb der Decke eines riesigen Grabes.
Also zwang sie sich weiter. Ihre Arme und Beine wurden taub und ihr Herz schlug wie wild. Jeder Atemzug tat ihr weg und sie spürte Feuchtigkeit im Gesicht, doch sie konnte nicht sagen, ob es Blut, Schweiß oder Tränen waren. Nur noch ein kleines Stück. Sie befand sich bereits im Innern des Tunnels, den Nerglot in die Decke gebohrt hatte. Nur noch ein paar Meter.
Und dann explodierte plötzlich die Helligkeit um sie herum. Mit letzter Kraft bewegte sie sich zur Seite, blieb mit den Füßen an der Kante hängen und schlug der Länge nach hin, weil ihre Muskeln ihr überhaupt nicht mehr gehorchen wollten.
So lag sie mit dem Bauch auf dem harten Pflaster irgendwo in Naggarond am Rande des Lochs, zu kaum mehr fähig als laut nach Luft zu schnappen. Und als sie aufsah, sah sie sich plötzlich einer schier unendlichen Flut von Skelettkriegern gegenüber, die ziemlich schnell den Kreis um sie enger zogen.