WHFB Erwählte des Khaine - PDF komplett online

Nun, das war eine... äußerst unerwartete Wendung des Kampfes, muss ich offen zugeben.
na das ist doch wunderbar. Ich hatte gehofft, euch mal wieder richtig überraschen zu können.
Ich hab doch gesagt, man kann sagen, dass sich der Titel des Kapitels auf alle bezieht 😉

Stil und Ausdruck wieder einmal Top. Es gibt so gut wie nix zu kritisieren. Diesmal wirklich, nicht so wie im letzten Teil mit den vielen kleinen Anmerkungen meinerseits... ^_^
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liegt vielleicht daran, dass nicht ganz so viel mit Magie um sich geworfen wird. 😉

Den Fehler hab ich ausgebessert.

Ich glaube, das war jetzt auch der Teil, den ich am ersten Abend geschrieben habe. Den Rest dann am folgenden Vormittag. Man, das war ne Arbeit ^^
 
Zuletzt bearbeitet:
MEHR!!!!!!
MEHR!!!!!!!!!!!!!!!!!!!
MEEEEEEEEEEEHHHHHHRRRRR!!!!!!!!!!!:woot::woot::woot::woot::woot::woot::woot::woot:
:geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil::geil:

Ich wette Nerglot wird jetzt entweder von dem Ahnendrachen verschluckt/verbrannt, von Yetail doch noch irgendwie umgebracht oder von Sturmtanz oder Xiculta besiegt.

aber mein favorit ist das der Splitterdrache geradewegs zu ihm rüberschlängelt und ihn aufrisst. 😀😀😀😀


Um es genau zu sagen, die Geschichte ist eine der gelungensten die ich jemals lesen durfte und es macht mich eigentlich traurig das es bald zu ende geht. Aber jede geschichte braucht ein ende.

Leider.😉
 
Oh, halle xxeelee, schön, dass du dich auch mal wieder meldest. Dafür gibts natürlich auch sofort den Rest des Kapitels.

Ich wette Nerglot wird jetzt entweder von dem Ahnendrachen verschluckt/verbrannt, von Yetail doch noch irgendwie umgebracht oder von Sturmtanz oder Xiculta besiegt.

naja, Xiucalta hat ja gesagt, sie kann nichts tun außer zugucken. Und Szar'zriss passt nicht durch das Loch, selbst wenn er noch fliegen könnte.

aber mein favorit ist das der Splitterdrache geradewegs zu ihm rüberschlängelt und ihn aufrisst. 😀😀😀😀

jaer, das wäre eigentlich echt cool. Passt leider auch nicht so ganz, da der keine Möglichkeit hat, unter die Erde zu kommen.

Um es genau zu sagen, die Geschichte ist eine der gelungensten die ich jemals lesen durfte und es macht mich eigentlich traurig das es bald zu ende geht. Aber jede geschichte braucht ein ende.

Leider.
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ja, leider. Aber irgendwann reicht es mir auch und ich brauche mal nen Abschluss. Wer Lust hat, kann die überarbeitete Fassung ja auch nochmal von Anfang bis Ende verfolgen.

MEHR! SCHNELLER! JETZT!

aye, aye
 
Gut, wie versprochen nun Teil 3 des Kapitels. Sind immerhin 10 Seiten, deshalb hab ich mir auch ein wenig Zeit gelassen und euch ein bisschen zappeln lassen. 😉

Dieser Teil enthält sexuelle Inhalte und ist damit etwas gewagt, aber ich hoffe, es gefällt euch trotzdem und kommt angemessen rüber.

Nunja, viel Spaß.


Niederlage (3/3)


"Auch wenn man unterliegt, soll man es in Ehren tun."
[FONT=&quot]— [/FONT]Niccolò Machiavelli, Vom Staat

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang

Viverla’atar lehnte sich an den Sarg, der Bluthand und Nerglot am nächsten stand und schaute grinsend zu. Finstere Fäden von derselben Schwärze wie die Magiekugel, die Nerglots Schild gebrochen hatte, gingen von seiner Hand aus und schoben sich durch die lange Wunde, die sich einmal längs über den Oberkörper der Zauberin zog. Bluthand wand sich vor Schmerz und keuchte heftig, während graue Flammen über ihren Leib züngelten und ihre schöne, makellose, glatte Haut zu verkohlter Asche verbrannten. Viverla’atar lachte zufrieden. So fühlte sich Rache an.
Es war ihr egal, ob die verdammte Hexe schrie oder nicht. Sie wusste, dass sie litt. Und zuzusehen, wie die atemberaubende Schönheit, der Sisrall verfallen war, nach und nach gründlichst zerstört wurde, war für sie süßer als jeder Schrei. Vielleicht, überlegte sie und ihr Grinsen wurde noch breiter, war es sogar gut, dass Bluthand noch so weit bei Bewusstsein war. Wenn sie ihre Schmerzensschreie unterdrücken konnte, dann verstand sie sicher auch, was gerade mit ihr geschah. Sie würde wissen, dass sie sich gerade in ein abstoßendes Bild des Grauens verwandelte.
Als die grauen Flammen schließlich verschwanden, war ihre ganze Haut vollkommen verbrannt und hing in schwarzen Fetzen auf ihrem wunden Fleisch. Ihr ganzer Leib nässelte, blutete und eiterte. Ihre Haare und ihre Augen waren unangetastet und bildeten einen grellen, weißen Kontrast zum geschwärzten Rest ihres Körpers. Sie sah aus wie ein wilder Dämon, direkt aus der Hölle hinaufgestiegen. Viverla’atar musterte sie und lachte begeistert. Hätte sie nicht genau gewusst, dass dies ihre verhasste Feindin war, hätte sie sich kaum überwinden können, dieses hässliche Stück Fleisch anzusehen. Selbst wenn sie diesen Tag überleben sollte, würde niemand ihr jemals wieder nahe kommen wollen.
Ihr Blick glitt zu Nerglot, der neben ihr hockte und vor Hass zitterte. Er schlug Bluthand ins Gesicht, aber die gefallene Zauberin rollte nur den Kopf zur Seite und presste die Kiefer umso entschlossener aufeinander. Irgendwie fand sie trotz allem die Kraft, nicht zu schreien. Wutentbrannt holte Nerglot zum nächsten Schlag aus.
„Hör auf.“, meinte Viverla’atar ruhig und er hielt inne. Er blickte sich unsicher um, als habe er ganz vergessen, wo er war und dass sie auch noch da war. „Ich bezweifel, dass du ihre Schmerzen noch groß steigern kannst. Ihre Haut ist doch eh schon so gut wie tot.“ Sie grinste sadistisch. „Ich weiß was Besseres.“
Jetzt wandte Nerglot sich ihr ganz zu, erhob sich und zog fragend die Augenbrauen hoch. „Und das wäre?“
„Lass sie einfach liegen. Sie ist zerstört, gebrochen. Vermutlich besteht ihr ganzes Sein nur noch aus Schmerzen. Es ist viel einfacher, sie leiden zu lassen, während sie langsam begreift, dass ihr Leben zerstört ist. Sieh sie dir an. Selbst, wenn sie nicht in den nächsten Stunden sterben würde, ist ihre Existenz eine einzige Qual. Sie wird nie mehr schön sein, nie mehr stolz und mächtig. Niemand wird sie jemals wieder lieben, verehren oder auch nur respektieren. Ihr die Zeit zu geben, das selbst zu begreifen, ist das Schlimmste, was wir ihr antun können.“
Nach und nach hatte sich ein Lächeln auf Nerglots Gesicht ausgebreitet und der wilde Hass war verschwunden. Jetzt nickte er und lachte leise. „Das ist gut, ja.“ Er drehte sich noch einmal zu Bluthand um und murmelte eine Beschwörung. Vier leuchtende silbergraue Reifen schlangen sich um ihre Hand- und Fußgelenke und fesselten sie aneinander.
Dann trat Nerglot um den Sarg herum auf sie zu. Er runzelte die Stirn, als er das Horn entdeckte, das in ihrem Schenkel steckte. Sie setzte sich auf den umgedrehten Deckel des Sarges und deutete auf die Verletzung. „Kannst du das heilen?“ Er nickte und griff nach dem dickeren Ende des Objekts. Sie lehnte sich zurück und biss die Zähne zusammen. Es tat höllisch weh, als er den Splitter aus ihrem Fleisch zog, aber der Schmerz war nur sehr kurz. Schon lag seine Hand auf ihrer Haut und seine Magie flickte sie wieder zusammen. Sie schaffte es, nicht zu schreien. Das wollte sie Bluthand nicht gönnen.
Nerglot reichte ihr das Ding und sie stellte überrascht fest, dass kein Blut daran klebte. Aber sie war ja eigentlich auch tot, nicht wahr? Kurz musterte sie das Ding, dann warf sie es achselzuckend neben dem Sarg auf den Boden.
Grinsend erhob sie sich und trat dicht an Nerglot heran, so nah, dass sie ihm beinahe ins Ohr flüstern konnte. „Und nun mach mich zu deiner Königin! Ich bin bereit.“ Er sah sie ein wenig überrascht an und sie beugte sich vor, um ihn zu küssen. Das Gefühl der toten und doch so wunderbar lebendigen Lippen auf ihren war unbeschreiblich. Drängende Begierde floss durch ihren Körper und sie drückte sich gegen ihn, bis er rückwärts an den Sarg stieß. Dieses Mal wich sie nicht zurück, als er den Kuss erwiderte. Sie spürte seine Zunge und knurrte anzüglich. Sie hatte nicht gelogen. Sie war bereit. Darmal war tot und Sisrall … naja, Sisrall war nicht tot, aber dafür hatte sie seine Geliebte in ihrer Gewalt, was sogar noch besser war.
„Lass uns Bluthand zeigen, was sie alles nicht mehr haben kann.“, forderte sie grinsend und griff nach den Verschlüssen von Nerglots Rüstung. Erst zögerte er überrascht, dann spürte sie seine Hand auf ihrer Hüfte, die sie an ihn drückte, und küsste ihn erneut.

Nerglot zog Viverla’atar an sich, während ihn wilde Erregung durchfuhr und die unsichere Überraschung verdrängte, die er gespürt hatte, als sie ihn plötzlich mit solcher Leidenschaft geküsst hatte. Er erwiderte ihre Küsse und spürte ihren Körper an seinem. Er schlang einen Arm um ihre Taille und vergrub die andere Hand in ihrem Haar, während sie sich an seiner Rüstung zu schaffen machte.
Nach und nach lösten sich die Metallteile von ihm und er tastete nach ihrer Kleidung. Rasch zog er ihr das Oberteil über den Kopf und fuhr über ihren nackten Rücken. Wie gut sich das anfühlte. Ihre Haut war weder wärmer noch kälter als sein, aber glatt und weich. Seine unsterblichen Sinne ertasteten jede Erhebung, jeden Muskel, jede Sehne.
Magie schoss zusammen mit seiner Erregung in seine Lenden und übernahm das, was Blut nicht mehr konnte. Verdammt, er wollte sie. Ihr Körper war kräftig und zäh, gestählt vom harten Leben im Herzen der Berge. Seine Finger glitten über ihre Haut und genossen es, diesen Leib zu erkunden. Ihre faszinierenden roten Augen waren nur Fingerbreit von seinen entfernt. Und sie roch nach Fels und Harz, rau und würzig. Er atmete tief ein, um diesen Duft auszukosten. Oh ja, er wollte sie.
Und sie wollte ihn. Hier und jetzt, inmitten eines Grabes unter einer Stadt, die gerade eine gewaltige Schlacht um ihr Überleben kämpfte. Der Gedanke erregte ihn und stachelte seine Begierde weiter an. Bei Asaph, sie waren die Herren des Todes. Ihre Diener würden kämpfen, egal, was sie hier unten taten. Und die Vorstellung, dass Bluthand zusehen und leiden würde, war unglaublich befriedigend.
Es dauerte nicht lange, dann standen sie beide nackt da, um sie herum ein unordentlicher Haufen von Rüstungsteilen und Kleidung. Als Viverla’atar ihm das Drachenamulett abnahm und dazulegte, erstarrte er kurz, aber eigentlich war es egal. Es würde sich weiterhin um die Untoten kümmern und er brauchte keine magische Kraft. Er hatte genug.
Begierig ließ er sich nach hinten auf den Sarg sinken und zog Viverla’atar auf sich.

Viverla’atar ließ sich bereitwillig auf ihn ziehen und ihre Küsse wanderten tiefer. Über seinen Hals, seine Schultern und seine Brust. Sie fühlte die kräftigen Muskeln unter seiner Haut und genoss das Gefühl. Er mochte ein Magier sein, aber seinen Körper hatte er nicht vernachlässigt. Ihre Begierde wuchs und sie stöhnte wohlig. Seine Hände glitten über ihren Rücken und ihre Schenkel, erkundeten sie, liebkosten sie und gaben ihr ein Gefühl der Sicherheit.
Lustvoll erhob sie sich auf ihm und setzte sich auf seinen Bauch, während sie die Beine gegen sein Becken drückte. Sie konnte sein steifes Glied unter sich spüren und hatte das Gefühl, vor erwartungsvoller Begierde kaum noch atmen zu können. Seine Finger tasteten über ihren Bauch und wanderten höher. Viverla’atar umfing sie grinsend und hielt sie kurz unterhalb ihrer Brüste fest.
Sie öffnete den Mund, aber dann fiel ihr Blick auf die verbrannte Gestalt von Bluthand, die sie aus liedlosen, weißen Augen voller Abscheu und Verachtung anstarrte. Erschaudernd wandte sie den Blick ab.
„Sorg dafür, dass ich sie nicht mehr sehen muss.“, verlangte sie und Nerglot nickte. Ein kugelförmiger Schild erhob sich um sie herum wie vollkommene Nacht. Von einem Augenblick zum anderen gab es nur noch sie und ihn auf dem Sarg inmitten schwarzen Nichts. Es war, als flögen sie durch den Nachthimmel, und das Gefühl verdrängte den schrecklichen Anblick der entstellten Zauberin. Zufrieden griff Viverla’atar nach Nerglots Männlichkeit. Sie erschauderte, aber dieses Mal vor heißer Lust, und legte die Finger um den harten Schaft.
Dann erhob sie sich über ihn und ließ sich vorsichtig nach unten sinken, sodass er langsam in sie eindrang.

Yetail konnte es noch immer nicht so recht fassen, als sie Viverla’atars wildes Stöhnen hörte und Nerglots kehliges Keuchen. Die beiden hatten allem Anschein nach tatsächlich nichts Besseres zu tun, als es inmitten einer Schlacht zu treiben. Ihr Respekt vor Nerglot sank ins Bodenlose. Es war demütigend, dermaßen ignoriert zu werden, als würde sie keinerlei Bedrohung darstellen. Und vermutlich war genau das auch die Idee dahinter.
Durch den Schild, den Nerglot geschaffen hatte, blieb ihr der Anblick der wilden Vereinigung bedauerlicherweise nicht erspart. Sie konnte in die Kugel hineinsehen – allerdings auf der anderen Seite nicht wieder hinaus. Das war beachtlich komplexe Magie, aber sie weigerte sich, dem Totenbeschwörer dafür Respekt zu zollen. Er wollte sie verhöhnen, indem er ihr vor Augen führte, zu welchen Leistungen er noch immer fähig war, ob sie ihn besiegt hatte oder nicht. Als hätte es nicht gereicht, ihre Haut zu verbrennen.
So musste sie mit ansehen, wie Viverla’atar sich auf Nerglot auf und nieder bewegte. Sie musste zugeben, dass die Autarii gar nicht so schlecht aussah. Das bronzefarbene Haar fiel ihr locker über die schmalen Schultern bis kurz über die kleinen, festen Brüste. Unter ihrer Haut bewegten sich kräftige, harte Muskeln, die zusammen mit ein paar blassen Narben von einem rauen Leben erzählten. Ihr Körper war zäh und strahlte eine selbstbewusste, wilde Attraktivität aus, die gewiss für viele Männer anziehend sein konnte. Nerglot schien es jedenfalls zu gefallen.
Ein einziger Zauber und von deiner rauen Schönheit würde nur noch Asche übrig bleiben. Dann würdest du so aussehen, wie ich jetzt, dachte Yetail voller Genugtuung. Aber ihr Hass und ihre Wut waren verflogen, ertränkt von lodernden Schmerzen. Sie fühlte einzig und allein eine harte, entschlossene Ruhe. Ihr Wille war so stark wie eh und je, er füllte sie vollkommen aus und drängte alles andere zurück. Die Pein, den Zorn und jedes Gefühl der Demütigung. Sie würde kämpfen. Sie mochte körperlich und magisch gebrochen sein, aber sie war noch nicht tot. Noch lange nicht.
Und nun, da Nerglot und Viverla’atar sie ignorierten, abgelenkt waren und dank des Schilds vermutlich nicht einmal etwas sehen konnten, war sie bereit. Sie stemmte sich gegen die magischen Fesseln und biss sich fest auf die Lippe, als heiße Pein durch ihren Körper strömte. Aber das war nichts gegen das, was sie bereits erfahren hatte. Sie steckte es weg und schob es zum Rest des Schmerzes, das hinter den Schranken ihrer Willenskraft und ihrer betäubenden Zauber gefangen war.
Zentimeter um Zentimeter zerrte sie die Arme auseinander. Nerglot war ein Idiot. Er hatte nur die einfachste Form magischer Fesseln für sie verwendet. Diese reagierte lediglich mit Schmerzen auf Befreiungsversuche und würden sie nicht körperlich aufhalten können. Und ihre betäubten Nerven sandten ihr nur einen Bruchteil dessen, was sie sonst abbekommen hätte. Normalerweise wäre sie wohl in Ohnmacht gefallen, aber so konnte sie damit umgehen. Das hatte Nerglot natürlich nicht ahnen können, aber es tat ihr gut, auf seiner Dummheit herumzureiten. Egal, ob sie andersherum denselben Fehler begangen hätte oder nicht.
Schließlich zersprangen die beiden grauen Ringe um ihre Handgelenke und lösten sich in Luft auf. Yetail sank in sich zusammen und gönnte sich einen Augenblick der Ruhe, während sie auf das Stöhnen und Keuchen lauschte. Keine Veränderung. Also hatte Nerglot nichts bemerkt. Hatte sie auch nicht erwartet, aber bei ihm wollte sie lieber auf alles gefasst sein.
Sie überlegte, ob sie ihre Fußfesseln auch noch sprengen sollte, aber eigentlich war es egal. Sie war ohnehin zu schwach zum Stehen. So bekam sie zwar die Füße nicht auseinander, aber die Beine konnte sie trotzdem bewegen.
Ganz langsam begann sie, vorwärts zu kriechen. Fingerbreit um Fingerbreit zog und schob sie sich voran, immer am Rande zum völligen Zusammenbruch. Ihr Blickfeld wurde dunkel und sie keuchte heftig, während lähmende Schwäche und grauenvolle Schmerzen über sie hereinbrachen. Ihre verbrannte Haut löste sich durch die Reibung und sie zog eine Spur aus Blut und Eiter hinter sich her. Aber das spielte keine Rolle. Sie hatte ein Ziel vor Augen und das würde sie erreichen, koste es, was es wolle. Und wenn sie danach tot zusammenbrach.
Sie dachte an Viverla’atars Armbrust, während ihr das lustvolle Stöhnen der Autarii in den Ohren klang. Die Waffe lag auf der anderen Seite des Sarges, auf dem sie sich vergnügten, zusammen mit dem Rest von Nerglots Rüstung und Waffen – und dem Horn des Splitterdrachen. Aber das war im Moment nicht so wichtig. Sie wollte die Armbrust. Einen von beiden würde sie mit in den Tod nehmen.
Allein dieser Gedanke füllte ihren Verstand, während sie sich Stück für Stück voranschob. Sie achtete weder auf den Schmerz noch auf den über ihr stattfindenden Akt. Es gab nur das eine Ziel. Keine Ablenkungen. Kein Selbstmitleid. Keine Furcht. Mit ruhiger Entschlossenheit kroch sie vorwärts. Sie würde sterben, daran bestand kein Zweifel. Aber sie würde nicht kampflos sterben. Schon gar nicht würde sie die Demütigung hinnehmen, dass die beiden Untoten sie ignorierten und sich ihrer wilden Lust hingaben, als würde sie keine Bedrohung darstellen. Sie, Yetail Bluthand, Erste Meisterin der Hexenkonvente, Tochter und Schülerin von Erlais, der Erzzauberin von Clar Karond, zehnte Trägerin der Marilim und Gefährtin von Blutklinge, dem neunten Kind des Mordes, Bezwingerin von Slonish, Bezwingerin der Dämonenprinzessin und Meisterin Elene, Bezwinger eines Hüters der Geheimnisse, Reiterin von Szar’zriss, Meisterin von Xiucalta Geisterauge – und nun auch noch Bezwingerin von Nerglot. Sie sollte keine Bedrohung darstellen? Sie würde diesen selbstverliebten Untoten eine blutige Lektion erteilen!
Dann schrak sie heftig zusammen, als sie plötzlich einen Zauber spürte. Es dauerte eine Weile, bis sie sich wieder beruhigt hatte und sicher war, dass die Magie nicht gegen sie gerichtet war. Nerglot wirkte irgendeine Hexerei im Innern des Schilds und Yetail merkte, wie Viverla’atars Stöhnen noch begieriger wurde. Ekel stieg in ihr auf, vermisch mit gehässiger Schadenfreude. Brauchte Nerglot etwa Magie, um seine Geliebte zu befriedigen?
Mit diesem Gedanken machte sie sich wieder daran, weiter zu kriechen.

Viverla’atar stöhnte voller Lust, als sich plötzlich etwas veränderte. Noch immer spürte sie Nerglot in sich, wie er in sie fuhr und aus ihr herausglitt, spürte die kurze Erfüllung und die erwartungsvolle Leere bei jeder ihrer Bewegungen auf ihm. Aber jetzt glaubte sie, auch das wahrzunehmen, was er spürte. Sie fühlte ihren Unterleib um ihn, wie sie ihn umfing, spürte ihre Finger auf seiner Haut, ihre Schenkel um seine Hüften und ihre Brüste unter seinen Händen.
Ihre Lust steigerte sich und sie folgte bereitwillig dem Druck seiner Hände, die sie auf ihn hinab zogen. Sie legte sich auf ihn, spürte seinen starken Körper unter sich und gleichzeitig ihren Leib auf ihm. Sie genoss das Gefühl, mit dem seine Arme sie festhielten, und gleichzeitig die Empfindung, ihren kräftigen Körper zu halten. Begierig küsste sie ihn und das doppelte Erlebnis ihrer Lippen aufeinander verschlug ihr beinahe den Atem.
Heiß und wild loderte die Begierde in ihr und egal, wie lange und intensiv die Vereinigung wurde, sie bekam niemals genug. Es war ein elektrisierender Gedanke, dass sie dies hier ewig fortsetzen könnten. Sie waren Unsterbliche. Sie würden nicht müde werden.
„Ich liebe dich.“, flüsterte sie und vergrub die Finger in seinem Haar.

Yetail hörte die Worte und hätte sich am liebsten übergeben. Sie hörte die Lüge darin. Mochte Viverla’atar es auch für die Wahrheit halten, es war eine Einbildung. Yetail konnte nicht sagen, wie lange diese abartige Vereinigung nun schon dauerte, aber es kam ihr vor wie eine Ewigkeit. Eine Ewigkeit, in der sie mehr oder weniger bewusst dem Stöhnen und Keuchen über ihr gelauscht hatte. Eine Ewigkeit, in der sie allmählich begriffen hatte, dass sich nichts änderte. Viverla’atars Bewegungen wurden mal schneller, mal langsamer, mal wilder, mal ruhiger, sie hatte sie auf ihn gelegt und küsste ihn nun, aber all das spielte keine Rolle. Denn es gab keine Befriedigung. Ihr Stöhnen klang noch immer genauso wild und unerfüllt wie zu Anfang.
Sie würden ewig so weitermachen können, getrieben von Lust und Begierde, aber ohne jemals zufriedengestellt zu werden. Sie würden keinen Höhepunkt erreichen, der den Akt beenden würde. Ihre Körper waren tot, erstarrt. Nerglot mochte unbewusst Magie einsetzen können, um seine Männlichkeit zu versteifen, aber keine Zauberei konnte das Gefühl echter Befriedigung ersetzen, wenn sich zwei Körper immer näher kamen, einander öffneten und anvertrauten und dann schließlich beinahe eins wurden. Sie würden immer das gleiche empfinden, egal, wie weit sie gingen oder was sie taten.
Und diese Erkenntnis zauberte ein Grinsen auf Yetails zerstörtes Gesicht. Es war eine gerechte Strafe für all das, was sie ihr und den Druchii angetan hatten. Es war der Preis für ihre Unsterblichkeit. Ewige Gleichförmigkeit. Ewiger Hunger nach Befriedigung, nach Rache, nach Lust. Ohne jemals zufrieden zu sein.
Na dann, dachte Yetail voll zufriedener Verachtung. Es wird Zeit, ein wenig Mitleid zu zeigen und sie von dieser unerfüllbaren Lust zu befreien. Sie hatte den Sarg endlich umrundet und kroch das letzte Stück bis zu dem Durcheinander aus Metall und Leder, das Nerglot und Viverla’atar beim Ausziehen hinterlassen hatten. Ihr Blick suchte nach der Armbrust, fand das Horn des Splitterdrachens und blieb schließlich an etwas Anderem hängen.
Es war ein großer Talisman aus schwarzem Stein. Vier Drachen, die einander in den Schwanz bissen, bildeten einen groben Ring. Es war ein sehr einfaches Gebilde, aber es strahlte etwas Geheimnisvolles aus. Macht.
Das musste das Drachenamulett sein. Alle anderen Pläne für einen Augenblick vergessend, zog sich Yetail näher und streckte die Hand danach aus. Die schwarze Oberfläche war ein wenig warm, aber sonst spürte sie nichts Ungewöhnliches. Keine schlummernden Kräfte, keine verborgene Magie. Aber Xiucalta hatte ja auch gesagt, dass das Drachenamulett allein Nerglot gehorchen würde. Schade.
Gerade wollte sie den Blick abwenden, als sie an der Flügelspitze des untersten Drachens etwas bemerkte. Dort war ein kleiner Fleck der schwarzen Oberfläche abgeplatzt und hatte das rote Gestein darunter enthüllt. Blutrot. Wie ihr Drachenstein.
Und auf einmal betrachtete sie den Ring aus Drachen mit neuen Augen. Die Form und die Größe der vier Kreaturen stimmten. Es war, als hätten sich die zusammengerollten Drachen, aus denen die Drachensteine bestanden, entfaltet und dann zu dieser neuen Form vereinigt.
Und wenn das dort ihr Drachenstein war … Ehrfürchtig streckte Yetail einen zitternden Finger aus und legte die verbrannte Kuppe auf den winzigen Fleck. Dieses Mal spürte sie etwas. Nicht die geballte Macht, über die das Amulett vermutlich verfügte. Eher das Gefühl eines fröhlichen Wiedererkennens. Unter der Zauberei, die den Talisman aus vier Steinen geschaffen hatte, schlummerte noch immer die Essenz ihres eigenen, in ihrem Blut getränkten Drachensteins. Und er reagierte auf sie, freudig, begierig und bereit.
Energisch schloss Yetail die Hand um den untersten Teil des Drachenamuletts, sodass die rote Flügelspitze in ihre Handfläche stach. Dann zog sie es zu sich heran und richtete sich ein wenig auf, sodass sie saß. Grauenvolle Schmerzen tobten durch ihren Körper, aber sie beachtete sie gar nicht. Ihre ganze Aufmerksamkeit galt dem wundervollen, wortlosen Flüstern, das der Drachenstein in ihren Geist sandte. Er wartete auf ihre Wünsche.
Sie hatte nur einen. Gib mir alles!
Und der Drachenstein gehorchte. Nun, da seine wahre Trägerin zurückgekehrt war, schüttelte er die Herrschaft von Nerglots Zauberei ab und streckte seine Macht aus. Er unterwarf die herrenlosen Steine, die ihn berührten und verband seine eigenen Kräfte mit ihnen. Gemeinsam griffen sie weiter hinaus, als Yetail es jemals für möglich gehalten hätte. Jeden Funken Magie in der Halle, in den Tunneln und bis fast an die Oberfläche fanden sie und fingen ihn ein mit ihren unsichtbaren Netzen.
Und dann stürzte die Macht über Yetail zusammen. Dieses Mal schrie sie auf, doch es war mehr Befriedigung und Erleichterung als Schmerz. Grenzenlose Magie donnerte durch ihren Körper und innerhalb eines Herzschlags heilte sie sich selbst. Ihre Wunden schlossen sich, neue Haut zog sich über ihr wiederhergestelltes Fleisch und das Blut, das über ihren Körper lief, erstarrte zu winzigen Tröpfen Gold, die sich überall unter die neuen Hautschichten mischten. Das war nicht ihre Idee gewesen, aber die Magie war so gewaltig, dass sie kaum Kontrolle darüber hatte. Nur an ihrem linken Fuß ließ sie einen Fleck verbrannter Haut.
In der gesamten Halle stürzten Untote von Decke und Wänden, bevor sie in der Luft zu Knochenmehl zerfielen, als Nerglots Zauber gebrochen wurde. All die übrigen Leichen zerbröselten nach und nach, weil die uralte Magie, die ihre Verwesung aufgehalten hatte, verschwand und die Realität sich mit Macht zurückholte, was ihr solange vorenthalten gewesen war. Nur der magische Wirbelsturm schien nicht beeindruckt von der Macht der Drachensteine zu sein, auch wenn es jetzt keine Skelettkrieger mehr gab, die hineinspringen konnten. Yetail vermutete, dass Nerglot den eigentlichen Zauber des Wirbels an dessen oberem Ende befestigt hatte, das sich über der Oberfläche und damit außer Reichweite befand. Das war das allgemeine Vorgehen. So ließ sich die Höhe des magischen Tornados besser kontrollieren.
Sie spürte die gewaltige Hitze ihres Drachensteins, der wärmer und wärmer wurde. Die schwarze Schicht des Drachenamuletts platzte ab, aber die vier Steine hingen noch einen Augenblick ringförmig in der Luft. Dann explodierte der erste. Krachend zerbrach er erst in der Mitte und verging dann in einer lodernden Flammenzunge. Zurück blieb bloß grauer Staub, der zu Boden rieselte. Nur wenige Augenblicke später vergingen der grüne und der violette Stein auf dieselbe Weise, bis Yetail nur noch ihren eigenen in Händen hielt.
Und der verwandelte sich plötzlich. Inzwischen war er glühend heiß geworden und seine Oberfläche wirkte nicht länger wie die eines Steins, sondern vielmehr wie flüssige Lava. Erstaunt riss Yetail die Augen auf, als das Artefakt sich auf einmal bewegte. Der rote Miniaturdrache breitete die Schwingen aus und erhob sich von ihrer Hand in die Lüfte. Er schlug ein paarmal mit dem Flügeln und schoss dann der fernen Decke entgegen.
Yetail konnte ihm nur verblüfft nachsehen. Vielleicht konnte ihr Xiucalta später erklären, was da geschehen war. Die junge Frau wusste ja so ziemlich alles. Im Moment war es eigentlich egal. Sie war bis an die Grenze mit Magie gefüllt und hätte alles weitere sowieso augenblicklich abgeben müssen.
So wandte sie sich Nerglot und Viverla’atar zu, die inzwischen nackt auf dem Sarg standen und ebenso schockiert aussahen wie Yetail begeistert. Die Zauberin grinste sie an. Die beiden hatten keine andere Möglichkeit gehabt, als dort zu bleiben. Ihr Schild, egal wie dünn er gewesen sein mochte, hatte sie vor den Drachensteinen geschützt. Deshalb hatten sie sich lieber auf den Sarg gestellt, als ihn zu brechen.
Yetail machte vorsichtig einige Schritte zur Seite, weiter um den Sarg herum, wobei sie das Horn des Splitterdrachen mit den Füßen mit sich zog. Das wollte sie lieber nicht zurücklassen. Erfreut stellte sie fest, dass ihr Körper vollständig wiederhergestellt war. Nur ihr linker Fuß mit der verbrannten Stelle, aus der immer noch Blut sickerte, schmerzte ein wenig, aber das akzeptierte sie. Sie wollte diesen Schmerz, damit er sie daran erinnerte, was Nerglot ihr angetan hatte. Er gab ihr Kraft.
„Also Nerglot.“, sagte sie. „Wie wäre es jetzt mit einem ehrlichen Kampf? Die Marilim ist erschöpft und Euer Drachenamulett zerstört. Wir sind beide bis an den Rand mit Magie gefüllt, aber mehr als das, was wir von Natur aus besitzen, gibt es nicht. Also lasst uns sehen, wer der Stärkere ist.“
Und mit diesen Worten griff sie nach ihren Kräften und schleuderte Nerglot einen goldenen Strahl reiner Macht entgegen.

Nerglot fluchte stumm. Bluthand war zäher, als er erwartet hatte. Und unglaublich stark. Jetzt gab es keine komplexen Zauber mehr, keine mächtigen Beschwörungen, keine Blitze und Feuerbälle. Sie komprimierte all ihre Kraft zu einem einzigen Strahl und er hatte keine Alternative, als die gleiche Menge Magie zu einem Schild zu formen. Er wusste, dass er verlieren würde. Sie war stärker als er, das wussten sie beide. Er hatte außerdem noch die Untoten, die nun wieder an ihn gebunden waren, da das Amulett zerstört war. Und er hatte keinen Zauberstab mehr. Er trug noch einen Armreif, der ebenfalls als Katalysator fungieren konnte und für genau solche Notfälle gedacht war, wenn der eigentliche Stab abhandenkam. Aber der konnte Nerglots Magie lange nicht so effizient und schnell in den Schild leiten wie der Sensenstab.
Zerknirscht beobachtete er, wie Bluthand langsam nackt um ihn herum ging wie ein hungriger Wolf. Unter anderen Umständen hätte er sich an ihrem makellosen, wiederhergestellten Körper ergötzt. Bei Asaph, jetzt sah es sogar so aus, als würde ihre Haut golden funkeln. Aber im Moment hatte er andere Sorgen. Durch ihre ständige Bewegung konnte er keinen ortsgebundenen Schild erschaffen, sondern musste seinen mit ihr mit drehen. Vermutlich genau das, was sie wollte.
Panisch dachte er über seine Möglichkeiten nach. Eigentlich gab es keine. Er konnte nicht gewinnen. Das einzige, was ihm blieb, war der Tod. Oder Flucht. Und wenn er fiel, würde auch Viverla’atar sterben. Nein, das würde er nicht zulassen. Sie sollte leben. Mit dieser Erkenntnis schob er seinen Stolz beiseite und machte sie an die Vorbereitungen.

Yetail schob sich weiter um Nerglot, Viverla’atar und den Sarg herum, wobei sie den linken Fuß über den Boden schleifte, um das Horn mitzunehmen. Dadurch zog sie eine deutliche Blutspur hinter sich her und jagte helle Schmerzen ihr Bein hoch, aber das akzeptierte sie. Es stachelte sie an, weiterhin mit aller magischen Kraft auf Nerglots Schild zu schlagen. Das Brausen ihres goldenen Strahls und das Knistern der Kollision waren wie Musik in ihren Ohren.
Und sie sah, wie Nerglot langsam schwächer wurde. Ohne seinen Zauberstab konnte er es nicht mit ihr aufnehmen. Sie hatte den Reif um seinen Arm entdeckt. Vermutlich ein Notfallkatalysator. Ansonsten hätte er sie auch nicht mit schwarzer Magie schwächen oder ihre Haut verbrennen können. Ohne ihn wäre kein Schild möglich. Sie grinste. Nerglot hatte wohl wirklich fast dieselbe Ausbildung genossen wie sie. Der Reif um ihren Hals erfüllte die gleiche Funktion. Jede Hexe der Konvente verfügte auf diese Weise über die Möglichkeit, sich im Notfall zu schützen, auch wenn der eigentliche Stab gerade nicht zur Hand war – oder zerstört, wie in Nerglots Fall.
Da Yetail sich inzwischen ein ganzes Stück von dort entfernt hatte, wo sie das Drachenamulett gefunden hatte, hatte Viverla’atar die Chance genutzt und sich ihre Sachen geschnappt. Inzwischen trug sie wieder ihre braunen Lederkleider und hatte ihre Armbrust in der Hand. Auch wenn sie offensichtlich wusste, dass sie die nicht noch einmal erfolgreich gegen Bluthand verwenden konnte.
Aber sie wirkte entschlossen. Die Zauberin zuckte mit den Schultern. Das spielte keine Rolle. Sobald Nerglot überwunden war, würde sie sterben. Armbrust hin oder her. Zufrieden grinste sie die Jägerin an.

Viverla’atar spürte heiße Wut, als Bluthand sie ansah und zufrieden lächelte. Sie wünschte sich, sie könnte ihr dieses Grinsen aus dem Gesicht schlagen. Aber sie konnte nicht. Sie und Nerglot hatten ihre Chance bekommen. Sie hatten Bluthand unterschätzt. Viverla’atar hatte keine Ahnung, wie jemand solche Schmerzen aushalten konnte, und diese Tatsache war es, die ihr klar machte, dass es keine Aussichten auf einen Sieg mehr gab. Äußerlich mochte ihre Feindin geradezu idiotisch selbstsicher und entspannt erscheinen, aber die Autarii war sicher, dass sie die Situation vollkommen unter Kontrolle hatte. Sie würde sich keinen Fehler mehr erlauben.
Deshalb beging Viverla’atar auch nicht die Dummheit, einfach an Nerglots Schild vorbei zu stürmen und auf die Zauberin zu schießen. Die würde vermutlich einfach ihren Strahl unterbrechen, sie mit einer Hand vernichten und mit der anderen weiter Nerglot beharken, bis sie sich ihm wieder ganz widmen konnte. Nein, sie hatte nur deshalb einmal Erfolg gehabt, weil sie die Überraschung auf ihrer Seite gehabt und Bluthand nicht mit ihren magischen Fähigkeiten gerechnet hatte. Nochmal würde es nicht gelingen.
Plötzlich krümmte sie sich zusammen, als ein gewaltiges Gewicht auf sie fiel und eine Welle der Schwäche über ihr zusammenschlug. Zuerst glaubte sie, Bluthand habe irgendetwas mit ihr angestellt, aber dann hörte sie das hundertfache, wortlose Flüstern in ihrem Geist, das von irgendwo über ihr zu kommen schien. Nerglot hatte seine Diener an sie gebunden. Ihr wurde eiskalt vor Angst. Das konnte nur bedeuten, dass er selbst nicht mehr genug Kraft hatte.
Er drehte sich halb zu ihr um, während er weiterhin den Schild aufrechterhielt. Sie sah die Anstrengung in seinen Zügen und die Trauer.
„Es tut mir leid.“, keuchte er. „Wir haben verloren. Aber vielleicht haben wir noch eine Chance. Achte nicht auf die Untoten. Sie zehren von deiner Kraft, aber ich habe ihnen alle Anweisungen gegeben, die sie brauchen. Wenn alles klappt, dann sehen wir uns in deinem Tal wieder. Wenn nicht, wirst wenigstens du leben. Verzeih mir … meine Königin.“
Und plötzlich verschob sich alles um Viverla’atar herum. Sie fühlte, wie sich in ihrem Innern etwas regte. Dort, wo heute Morgen Yerill in ihr herangewachsen war, dehnte sich etwas aus und fuhr mit kribbelnder Macht durch sie hindurch. Binnen eines Herzschlags hüllte sie ein magisches Feld ein und trennte sie von der Außenwelt ab. Im Innern dieses Kokons verlief die Zeit anders. Es war derselbe Zauber, der ihre Schwangerschaft auf ein paar Stunden verkürzt hatte. Jetzt sorgte er dafür, dass alles um sie herum zu erstarren schien, während sie sich normal bewegen konnte.
Doch bevor sie etwas tun konnte, geschah noch etwas. Sie fühlte Nerglots Geist in ihren dringen. Dieselbe Verbindung, mit deren Hilfe er ihr während der Vereinigung seine Empfindungen gezeigt hatte, erlaubte es ihm, ihren Verstand beiseite zu drängen und die Kontrolle über ihren Körper zu übernehmen.
Viverla’atar konnte nichts tun, als hilflos zuzusehen, wie sie sich umdrehte und weglief. Sie entfernte sich von Bluthand und Nerglot, die beide keine Reaktion zeigten, weil die Zeit um sie herum viel langsamer verging. Ihr Körper dagegen lief mit der Geschwindigkeit einer Unsterblichen vorwärts und überbrückte die Distanz bis zum unsichtbaren Wirbel innerhalb weniger Sekunden. Sie schrie in Gedanken auf, dann hatte sie sich schon mitten hineingeworfen und wurde binnen eines Herzschlags vom Boden der Halle bis zur Oberfläche gerissen und dort mitten zwischen die Untoten geworfen.
Die Beschleunigung und der anschließende Aufschlag trieben ihr die Luft aus den Lungen und sie war froh, keinen sterblichen Körper mehr zu haben, sonst hätte sie sich sicher übergeben. Sie blieb nur einen Augenblick ruhig stehen, bevor ihr Körper mit normaler Geschwindigkeit weiterrannte. Der Zeitzauber um sie herum war bereits wieder verschwunden.
Seltsamerweise strömten die Skelettkrieger alle zum Zentrum des Platzes in Richtung des Loches, aber Viverla’atar kümmerte sich nicht darum. Sie rannte und rannte, schob sich an den metallverstärkten Knochengerüsten vorbei, die sie gehorsam ignorierten. Endlich erreichte sie eine Straße, die übersät war von den Resten eines brutalen Kampfes. Überall lagen Leichen, verdrehte Rüstungen, tote Pferde, weggeworfene Waffen. Eilig stieg sie darüber hinweg und rannte in das nächstbeste Haus.
Als die Tür hinter ihr zufiel, fiel Nerglots Kontrolle von ihr ab und sie stolperte und stürzte, als sie von einem Augenblick zum anderen wieder Herrin über ihren Körper war.

Yetail schrie frustriert auf, als Viverla’atar plötzlich zu schemenhafter Bewegung verschwamm. Das war doch wohl nicht möglich! Niemand konnte sich mit solcher Geschwindigkeit bewegen! Instinktiv wusste sie, dass die Autarii schneller war als jeder Zauber, den sie ihr hätte hinterher schleudern können. Allerdings war sie nicht so schnell, dass Yetail sie nicht hätte abwehren können, wenn sie versuchte hätte, sie anzugreifen statt zu fliehen.
Nach nicht einmal einer Sekunde erreichte sie den Wirbel und verschwand von einem Augenblick zum anderen. Diese verdammte Hure. Das durfte doch alles nicht wahr sein. Sie hatte keine Ahnung, wie Nerglot das hinbekommen hatte, aber es schien keine Illusion zu sein. Ihre magischen Sinne fanden keinen Geist und keine Aura in der Halle außer ihren und Nerglots. Die Autarii war wirklich weg.
Und nun begann auch Nerglot, irgendeinen neuen Zauber zu wirken, während er gleichzeitig den Schild aufrecht erhielt. Die Zauberin öffnete den Mund, als wolle sie dagegen protestieren, dann bemerkte sie den Ring an Nerglots Hand. Vermutlich ein Artefakt. Dazu geschaffen, einen einzige Beschwörung zu übernehmen. So ähnlich wie Xiucaltas Stab.
Sie beschleunigte ihre Schritte zur Seite und zwang Nerglot, sich umso schneller zu drehen, aber das half nicht. Beinahe hilflos musste sie mit ansehen, wie um den Beschwörer herum seltsame Runenzeichen in der Luft erschienen. Sie ordneten sich um ihn herum, verschwanden wieder und tauchten anschließend später wieder auf. Es waren insgesamt neun. Jeweils drei links und rechts neben ihm senkrecht übereinander und drei weitere in bogenförmiger Anordnung quer darüber.
Yetail hätte beinahe den Strahl unterbrochen, als ihr klar wurde, was er da tat. Das war der Torzauber. Dieselbe Magie, mit der er sich am Morgen ins Herz von Naggarond versetzt hatte. Er wollte fliehen! Schon konnte sie beobachten, wie sich ein sanftes rotes Glühen zwischen den Runenzeichen entfaltete und sie miteinander verband, bis ihre Anordnung wirklich wie ein Torbogen aussah.
Sie fragte sich, wo er so einen Zauber herhatte. Hatte er ihn vielleicht von Anhängern des Chaos gekauft? Die Runen wirkten in der Tat etwas dämonisch. Oder hatte er ihn irgendwo gefunden? Vielleicht hatte er ihn auch selbst hergestellt. Wer wusste schon, welche Bücher er in den Jahrtausenden seit seinem Tod gewälzt hatte?
In jedem Fall hatte sie ein Problem. Sie beschleunigte ihre Schritte noch einmal und zog den linken Fuß schmerzhaft fest über den Boden, während das rote Leuchten immer heller wurde und Nerglots Miene zufriedener. Noch hielt er den Schild aufrecht und sie konnte nichts gegen ihn unternehmen.
Aber dann begann sie zu grinsen.

Nerglot runzelte er die Stirn, als er Bluthands viel zu selbstzufriedenes Lächeln sah. Irgendwas hatte sie schon wieder vor. Und er glaubte nicht, dass ihm das gefallen würde. Aber was wollte sie tun? Noch verfügte er über genug Kraft, um den Schild zu halten und jeden ihrer Angriffe einfach abzuwehren. Er hatte sich für Flucht entschieden und sein Torzauber war so gut wie fertig. Er hatte bereits die Brücke durch den Warp hergestellt und musste jetzt nur noch warten, bis sich am anderen Ende ein ähnliches Tor aufgebaut hatte.
Dann fiel sein Blick auf das Blut zu den Füßen der Zauberin und er riss die Augen auf. Das war die Lache gewesen, in der sie gelegen hatte, als er ihre Haut verbrannt hatte. Sie war inzwischen einmal um den ganzen Sarg herumgegangen. Zuerst halb herum gekrochen, um an das Drachenamulett zu kommen – oder was auch immer sie dort ursprünglich gesucht haben mochte – und dann die andere Hälfte stehend, während sie ihn mit ihrem Strahl unter Kontrolle gehalten hatte. Und die ganze Zeit hatte sie geblutet. Selbst nach ihrer Heilung hatte sie wohl am Fuß noch eine Wunde gehabt, die eine dünne, aber deutliche rote Spur hinterlassen hatte. Er stand inmitten eines geschlossenen Kreises aus Blut.
Erinnerungen brachen über ihn herein. Das Blut an den Turmwänden, kurz bevor sie ihn unter den Trümmern des Khainetempels begraben hatte. Das Blut, das über die große Knochenstatue lief, die daraufhin ihn angegriffen hatte, statt die Druchii an der Oberfläche abzuschlachten. Und jetzt dieser Kreis aus Blut.
Das war gar nicht gut.

Yetails Lächeln wankte kurz, als sie bemerkte, dass der Torzauber vollendet war. Aber Nerglot starrte auf den Ring aus Blut, den sie um ihn gezogen hatte, und war einen Augenblick lang abgelenkt. Vermutlich ahnte er, dass sie etwas vorhatte. Und dass er ein Problem hatte.
Er sollte recht behalten. Dieser eine Augenblick reichte ihr. Sie unterbrach ihren Strahl und rief ein einziges Wort der Alten Sprache. Und der Zauber entfaltete sich. Es gab kein Zurück mehr und keinen Ausweg. Das, was sie beschworen hatte, war der allermächtigste Zauber der Blutmagie und sie fühlte, wie er an ihren Reserven zehrte.
Eine schillernde Blase erhob sich entlang ihres Kreises aus Blut und schloss sich über Nerglots Kopf. Es sah eigentlich unscheinbar aus und auch als der Schild plötzlich implodierte und lediglich ein rotes Schimmern in der Luft hinterließ, deutete nichts auf dessen wahre Macht hin. Aber die Wirkung war beachtlich.
Der Torzauber flackerte einen Augenblick und verschwand dann, Nerglots Wirbelsturm brach zusammen und der Schild des Beschwörers kollabierte ebenfalls. Verwirrt starrte Nerglot sie an, bevor er plötzlich schwankte. Er hob die Hand, um ihr einen Zauber entgegen zu schleudern, aber Yetail bückte sich nur gelassen und hob das Horn des Splitterdrachen auf.
Als sie wieder stand, sah sie Nerglots entsetztes Gesicht und grinste. Er konnte nicht zaubern. Er stand im Innern einer Blase, in der es keine Magie mehr gab. Alles, was innerhalb ihres Blutkreises lag, war vollkommen von den Winden der Magie abgeschnitten.
Und bevor der Totenbeschwörer seine Verwirrung abschütteln und den Kreis verlassen konnte, reagierte Bluthand. Mit der rechten Hand hielt sie das Horn, als sie vorsprang. Nerglot wollte ausweichen, aber seine Reflexe ließen ihn im Stich. Mühelos packte Yetail ihn an der Kehle, bevor sie gegen ihn stieß und ihn auf diese Weise über den Rand des Kreises schleuderte. Nur einer seiner Füße blieb innerhalb der Blase. Dann rammte sie ihm das Horn des Splitterdrachen in die Brust.
Blut spritzte aus der Wunde und floss über seine nackte Brust. Er starrte sie entsetzt an. Sie grinste nur und hob die Hand. Eine lodernde Stichflamme prasselte fröhlich zwischen ihren Fingern, bevor Yetail sie zur Faust ballte. Wie ein fauchender Feuerball umhüllten die Flammen sie und leckten ihren Unterarm hinab. Mit einem wütenden Schrei nahm sie all ihre verbleibende Kraft zusammen und rammte Nerglot ihre brennende Faust in den Bauch.
Der Beschwörer schrie auf, als das Feuer ihn verzehrte. Sie befanden sich auf der anderen Seite des Kreises und damit außerhalb des magiefreien Bereichs. Allerdings lag noch immer einer von Nerglots Füßen im Innern und das reichte, damit den Zauber, der seinen Körper am Sterben hinderte, gebrochen wurde. Er war jetzt genauso lebendig wie sie und damit hatte Yetail die Bedingung des Horns erfüllt.
Zufrieden sandte sie ihre ganze Kraft in den Feuerzauber. Rasend schnell verwandelten die Flammen seine Haut in Asche, verdampften sein Blut und schmolzen Fleisch wie Knochen gleichermaßen mühelos. Er schrie voll unendlicher Pein, aber Yetail hatte kein Mitleid mehr. Sie beugte sich zu ihm hinab. „Ihr wolltet doch Schreie hören, Nerglot. Ergötzt Euch nun an Euren eigenen.“
Es dauerte nicht lange, dann war von ihm nicht mehr übrig als ein Haufen Asche und der eine Fuß, den das Feuer im Innern des Kreises nicht erreichen konnte. Yetail atmete tief durch und gönnte es sich, einige Augenblicke lang einfach nur ruhig stehen zu können. Sie war am Ende ihrer Kräfte und jetzt, da die Anspannung verblasste, merkte sie es auch. Der Blutzauber hatte sie an den Rand der Erschöpfung gebracht.
Langsam nahm sie Nerglots Fuß und stellte ihn auf den Sarg, auf dem er und Viverla’atar vor nicht einmal zehn Minuten noch miteinander geschlafen hatten. Irgendwie passend. So schnell konnte es manchmal gehen.
Dann hob sie das Horn auf und blickte zur fernen Decke hinauf. Es half nichts. Ihre Arbeit war noch nicht getan. Eine letzte Anstrengung stand ihr noch bevor, ehe sie sich erholen durfte. Sie ließ den Blick durch das gewaltige Grab schweifen. An einer der Wände fand sie ihnen goldenen Umhang, arg mitgenommen und von verschiedensten Zauber angegriffen, aber im Großen und Ganzen verwendbar. Mit schlurfenden Schritten ging sie hinüber, hob ihn ächzend auf und warf ihn sich über die Schultern, bevor sie ihn eng um sich wickelte und zurück ins Zentrum der Halle ging. Allmählich fühlte sie sich kalt und leer.
Als sie am leeren Sockel der Riesenstatuen ankam und hinaufstieg, sah sie sich noch einmal um. Die Halle war jetzt deutlich leerer, weil die Hälfte der Toten als Skelettkrieger an die Oberfläche geschickt worden und die andere inzwischen zerfallen war. Nur die Särge standen unverändert, wenn auch leer.
Sie wandte sich ab. Hier gab es nichts mehr. Also holte sie tief Luft und erhob sich dann in die Luft. So schnell sie konnte, stieg sie auf, während sie das Gefühl hatte, das ferne Loch würde kein bisschen näher kommen. Schon nach der Hälfte wurde ihr schwarz vor Augen, aber sie zwang sich weiter. Ihre Hände und Füße wurden kalt und gefühllos, doch auch davon ließ sie sich nicht beeindrucken. Ihr Atem war ein grauenvolles Röcheln und ihr Mund fühlte sich tot an. Ihr ganzer Körper schien zu brennen und alles in ihr schrie danach, aufzuhören und sich eine Pause zu gönnen. Aber hier gab es nichts, wo sie sich hätte ausruhen können. Sie befand sich mitten in der Luft, kurz unterhalb der Decke eines riesigen Grabes.
Also zwang sie sich weiter. Ihre Arme und Beine wurden taub und ihr Herz schlug wie wild. Jeder Atemzug tat ihr weg und sie spürte Feuchtigkeit im Gesicht, doch sie konnte nicht sagen, ob es Blut, Schweiß oder Tränen waren. Nur noch ein kleines Stück. Sie befand sich bereits im Innern des Tunnels, den Nerglot in die Decke gebohrt hatte. Nur noch ein paar Meter.
Und dann explodierte plötzlich die Helligkeit um sie herum. Mit letzter Kraft bewegte sie sich zur Seite, blieb mit den Füßen an der Kante hängen und schlug der Länge nach hin, weil ihre Muskeln ihr überhaupt nicht mehr gehorchen wollten.
So lag sie mit dem Bauch auf dem harten Pflaster irgendwo in Naggarond am Rande des Lochs, zu kaum mehr fähig als laut nach Luft zu schnappen. Und als sie aufsah, sah sie sich plötzlich einer schier unendlichen Flut von Skelettkriegern gegenüber, die ziemlich schnell den Kreis um sie enger zogen.
 
Zuletzt bearbeitet:
ich kann nicht mehr schreiben als das das jetzt die wohl unerwarteste wendung von allen war. Und ich muss sagen das ich mir nerglots ende irgendwie epischer vorgestellt hätte. zum Beispiel das er genauso wie Bluthand die qualen durch seinen Willen unterdrückt. Oder einfach ein paar letzte worte die seine eher positiven eigenschaften herrausholen. zb. das er stolz drauf ist gegen eine so mächtige magierin besiegt worden zu sein.

aber ansonsten finde ich den ganzen teil sehr gut, owohl ich glaube das Nerglot jetzt wirklich wie ein richtig großer idiot herkommt.
 
ich kann nicht mehr schreiben als das das jetzt die wohl unerwarteste wendung von allen war.

ich bin mir nicht ganz sicher, ob das positiv oder negativ gemeint ist, aber ich nehme das jetzt mal als Kompliment.

Und ich muss sagen das ich mir nerglots ende irgendwie epischer vorgestellt hätte. zum Beispiel das er genauso wie Bluthand die qualen durch seinen Willen unterdrückt. Oder einfach ein paar letzte worte die seine eher positiven eigenschaften herrausholen. zb. das er stolz drauf ist gegen eine so mächtige magierin besiegt worden zu sein.

das ist sicher wahr, allerdings gab es in dieser Geschichte bereits genug andere "Abschiedsworte" und manchmal finde ich einen raschen, endgültigen Schlag besser als ein langes Rumgeeier. Du musst auch Folgendes dabei beachten: Sie hat ja gewonnen, eben weil Nerglot sie nicht gleich getötet hat, sondern noch mit ihr gespielt hat. Umso mehr wird sie bestrebt sein, ihm keine solche Chance zu bieten.
Außerdem: Hätte sie ihn nicht sofort umgebracht, hätte er sich ja noch aus dem Blutkreis zurückziehen können oder sogar Widerstand leisten können (erschöpft war er ja noch nicht). Ergo hatte sie kaum eine Wahl, als es schnell zu beenden.
Ansonsten habe ich auch schon oft genug vom gegenseitigen Respekt geschrieben. Ich denke, jedes Wort von Nerglot wäre an der Stelle der Situation unangemessen gewesen.
Ich bin zufrieden mit dem Ende.

owohl ich glaube das Nerglot jetzt wirklich wie ein richtig großer idiot herkommt.

hm, das ist schade. Ich hatte gehofft, seine Handlungen wären nachvollziehbar. Klar geht er ein paar Risiken ein, aber er dachte halt, seine Feindin wäre wehrlos.
Stell dir doch mal die Frage: Hättest du anders gehandelt, wenn eine junge, attraktive Frau mit dir schlafen will und du eigentlich denkst, alle Gefahr wäre gebannt?

Davon abgesehen schön, dass dir der Teil gefällt.
 
Also dann wollen wir mal weitermachen. Eine von drei Schlachten ist ja nun schon entschieden, jetzt kommt die zweite.

Dieses Kapitel gibt es mal wieder im Ganzen, weil es nur knapp fünf Seiten lang ist. Dafür gefällt es mir persönlich sehr gut. Es ist auch das vorletzte der Schlacht überhaupt.

Die Macht der Aydari


Aydari, gesandt um zu leiten,
gütige Weisheit, gestrenge Lehre.
Aydari, die auf Flammen reiten,
Schreckliche Macht, tödlicher Zorn!
[FONT=&quot]— [/FONT]Aus den Legenden über die Kriege der Götter

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang

Schnaufend brach der gewaltige schwarzrote Drache neben ihr zusammen und Xiucalta hätte es ihm am liebsten gleichgetan. Sie war furchtbar müde. Vorsichtig stützte sie sich an Szar’zriss Flanke und atmete tief durch. Unter sich spürte sie die schweren Herzschläge des mächtigen Wesens und lächelte. Sie hatte es geschafft.
Der Weg war ihr unglaublich weit vorgekommen, so langsam und träge hatte sich der Drache vorwärtsgeschoben, während sie mit angehaltenem Atem das magische Duell unter der Erde verfolgt hatte. Obwohl sie stets gewusst hatte, dass es noch nicht das Ende war, war sie zusammengesunken, als Bluthand geschlagen schien, und hatte innerlich gejubelt, als sie Nerglot mit schwarzer Magie besiegt hatte. Sie hatte Viverla’atar verflucht und für Yetail gebetet, als der Untote sie gefoltert hatte.
Jetzt feuerte sie ihre Meisterin stumm an, während die um den Sarg herumkroch. Aber es schien so, als würden Nerglot und Viverla’atar nichts bemerken. So sehr waren sie miteinander beschäftigt. Blieb nur noch zu hoffen, dass Bluthand das Richtige tun würde.
„Nicht mehr lange.“, sagte sie zu Szar’zriss, obwohl sie damit vermutlich eher sich selbst zu beruhigen versuchte. Der Drache schnaubte nur. Er war am Ende und nur ein letzter Funken Willenskraft verhinderte, dass er einfach das Bewusstsein verlor. Sein Kopf lag auf den Vorderpranken, die Augen geschlossen und den Schwanz über die Schnauze gelegt. Er sah ungefähr so erschöpft aus, wie Xiucalta sich fühlte. Noch ein weiteres Mal hatte sie ihm ihre eigene Kraft spenden müssen, aber letztendlich hatten sie es geschafft. Die hinterste Reihe der Verteidiger war nur etwa zehn Meter von ihnen entfernt und viele der Soldaten wandten immer wieder kurz den Kopf, um die mächtige Bestie in ihrem Rücken zu beobachten. Dass die Schwarze Aydar bei ihm war, schien sie ein wenig zu beruhigen.
Als hätte sie irgendeine Kontrolle über Szar’zriss. Andererseits konnten die Druchii ja nicht wissen, dass der Drache am Ende seiner Kräfte war. Für sie wirkte es vielleicht, als würde er nur schlafen und warten, bis sie ihm Anweisungen gab. Und vielleicht hatten sie auch den Eindruck, dass er hier war, um jeden Gedanken an Flucht zunichte zu machen. Xiucalta erinnerte sich an das, was die Soldaten einander zugerufen hatten. Dass die beiden Aydari gekommen waren, um sie an ihre Pflicht zu erinnern und in die Schlacht zu führen. Und jetzt waren sie zwischen ihr und Yerill gefangen. Hier würde keiner fliehen, dazu hatten sie zu viel Angst vor Khaines Vergeltung.
Inzwischen war diese Straße die einzige, die noch gehalten wurde. Alle anderen sieben Stellungen waren überrannt oder einfach aufgegeben worden. Xiucalta konnte nicht sagen, wie viele Soldaten noch am Leben waren – sie wagte es einfach nicht, das zu überprüfen. Aber hier hielten die Druchii noch stand, wie die Seherin verlangt hatte. Yerill kämpfte wie ein Wirbelwind und ihre Anwesenheit gab den Kriegern den nötigen Mut.
„Nicht mehr lange.“, flüsterte sie erneut und dieses Mal galt es in erster Linie den Soldaten. Wenn sie wüssten, dass Szar’zriss nicht etwa hier ist, um dafür zu sorgen, dass sie weiterkämpfen, sondern dass in Wahrheit sie kämpfen, um den Drachen zu schützen…, dachte Xiucalta mit leichter Erheiterung. Das war der einzige Grund, weshalb sie verlangt hatte, dass Yerill alles tat, um diese eine Straße zu halten, egal, was mit den anderen geschah.
Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf das, was unter ihnen geschah, und ihr Lächeln erstarrte, während sie den Atem anhielt. Yetail hatte den Sarg halb umrundet und den Haufen mit Rüstungsteilen und Kleidung erreicht, den Nerglot und Viverla’atar hinterlassen hatten. Nun kam alles darauf an, dass sie das Richtige tat. Wenn sie jetzt nach der Armbrust griff ….
Xiucalta sackte erleichtert in sich zusammen, als die Zauberin das Drachenamulett entdeckte. Die Visionen der Zukunft waren in diesem Punkt sehr strittig gewesen. Hätte Bluthand den Haufen von rechts nach links statt andersherum betrachtet, dann hätte sie zuerst die Armbrust gefunden und diese ohne Zögern eingesetzt. Sie hätte Nerglot schwer verwundet, woraufhin Viverla’atar sie getötet und ihren geliebten Meister anschließend mithilfe des Drachenamuletts abermals geheilt hätte. Damit wäre überhaupt nichts gewonnen worden.
Jetzt beobachtete die Seherin, wie Bluthand erkannte, dass ihr eigener Drachenstein Teil des Amuletts war und wie sie langsam verstand, was das bedeutete. Als sie die Hand darum schloss und seine Macht aktivierte, hätte Xiucalta am liebsten laut gejubelt, aber sie begnügte sich mit einem breiten Lächeln und schloss einen Moment die Augen. Endlich war zumindest dieser Abschnitt der Schlacht geschafft. So viel hätte schiefgehen können und konnte auch jetzt noch, aber dass Bluthand nun den Sieg davontragen würde, gab ihr die Zuversicht zurück, dass sie auch den Rest noch schaffen würden.
Neben ihr rührte sich Szar’zriss plötzlich und sie zog sich ein Stück zurück. Der mächtige Drache öffnete die Augen und stemmte sich dann mühsam auf die Vorderbeine. Der lange Schwanz glitt übers Pflaster und die beiden Schwingen wurden entfaltet. Xiucalta sah die Furcht in den Mienen der Soldaten, die sich nun vermehrt umsahen, aber sie achtete nicht darauf. Grinsend trat sie auf den Kopf der Bestie zu.
„Orungie’tur eweg terem!“, sagte sie in der Drachensprache. Es geschieht, wie versprochen. Szar’zriss blickte sie aus großen, tränenverschleierten Augen an und sie hätte schwören können, dass sich sein verspannter Kiefer zu einem Lächeln verzog. Er nickte ihr zu und neigte anschließend den Kopf vor ihr, als wolle er sagen, Ich habe nicht einen Augenblick an Euch gezweifelt. Stattdessen brachte er jedoch nur ein einziges Wort hervor, so tief und rau, dass es für alle anderen wohl nur wie ein Knurren klang. Sie jedoch verstand es. „Murolora.“ Meisterin.
Sie war so tief berührt, dass sie sich ebenfalls vor dem Drachen verneigte, während sie vor Ergriffenheit sprachlos war. Seit sechstausend Jahren war dies das erste Wort, das ein Drache von sich gegeben hatte. Und er nannte sie Meisterin.
Dann blickte der Drache wieder in den Himmel und stieß ein lautes Brüllen aus, das so gar nicht zu seiner Schwäche passen wollte. Und tief unter der Erde wurde es erhört. Nachdem er bereits Bluthand geheilt und ihre Kräfte wiederhergestellt hatte, griff der rote Drachenstein weiter aus und zog alle Magie, derer er nur habhaft werden konnte, in sich hinein. Nacheinander zerstörte er die drei anderen Drachensteine und speicherte alles, was er kriegen konnte, in sich selbst.
Dann verwandelte er sich. Denn auch wenn Yetail Bluthand seine Trägerin sein mochte, die ihn mit ihrem Blut getränkt und an sich gebunden hatte, so war sie doch nur einer seiner Meister. Es war Szar’zriss Feueratem gewesen, in dem er geschmiedet worden war, und der mächtige rote Ahnendrache forderte nun zurück, was er einst gegeben hatte.
Wie ein orangeroter Miniaturdrache aus flüssiger Lava breitete der Drachenstein unter dem Willen seines Erschaffers die Flügel aus und schoss zur Decke der Halle. Es war ein sehr knappes Spiel für Xiucalta gewesen. Denn obwohl selbst die Kräfte der vier vereinten Drachensteine nicht bis an die Oberfläche reichten, konnte Szar’zriss sie gerade noch so spüren und selbst seinen Anspruch geltend machen. Doch sie hatte ihn wirklich so dicht wie möglich heranbringen müssen, sonst wäre alles umsonst gewesen.
Nun beobachtete sie befriedigt, wie der rotglühend Fleck über dem Zentrum des Platzes aufstieg und auf den Drachen zuflog. Szar’zriss öffnete das Maul, als wolle er zuschnappen, aber der Drachenstein flog geradewegs in seinen Rachen, wo er binnen eines Herzschlags seine Form verlor und sich verflüssigte. Wie geschmolzenes Gestein rann es die Kehle des mächtigen Wesens hinab.
Und innerhalb weniger Sekunden gewann der Drache seine Kräfte zurück. Ebenso schnell wie Yetail heilte sein Körper sich selbst, seine Wunden schlossen sich, die Brüche wurden korrigiert und das verlorene Blut erneuert. Der Ahnendrache spreizte die Flügel, erhob sich auf die Hinterbeine und donnerte den Schwanz auf die Straße, bevor er ein ohrenbetäubendes Gebrüll ausstieß.
Und genau in diesem Augenblick veränderte sich der Sturm der Untoten. Sie ließen ab von den Druchii und wandten sich allesamt dem Loch in der Mitte der freien Fläche zu, um den letzten Befehl ihres Herrn auszuführen. Aus allen Straßen, in die sie die flüchtenden Verteidiger verfolgt hatten, kehrten sie zurück und sammelten sich zu einer gewaltigen, bronzeverstärkten Knochenmenge.
Schon wollten die Krieger um Yerill die scheinbar fliehenden Skelettkrieger verfolgen, doch plötzlich erschien direkt vor ihnen eine unheimliche, überlebensgroße Gestalt in schwarzgrauen Gewändern. Augenblicklich hielten die Druchii inne. Derweil hatte Szar’zriss den Kopf neben ihr auf den Boden gelegt und wartete auf ihre Anweisungen.
„Lauft!“, befahl Xiucalta durch ihre Illusion, während sie sich auf den Rücken des Drachens schwang. „Meisterin Sturmtanz erwarte ich in der Mitte des Platzes beim Loch. Alle anderen: Flieht. Lauft mindestens zwei Straßen weiter und sucht dort nach überlebenden Magierinnen. Schickt sie hierher. Jetzt zögert nicht!“
Und das taten sie auch nicht. Als wäre der Gott mit den Blutigen Händen höchstpersönlich hinter ihnen her, wandten sich die Krieger um und liefen davon. Nur wenige bemerkten die echte Xiucalta auf dem Rücken des Drachens, aber niemand scherte sich darum. Sie alle hatten gelernt, dass es besser war, den beiden Aydari zu gehorchen. Und wirklich Lust hatte vermutlich ohnehin niemand, sich weiter mit den Untoten anzulegen.
Yerill hatte sich schon auf den Weg gemacht, bevor die Seherin ihre kleine Ansprache beendet hatte. Schon schlug sie sich rasend schnell durch die Masse der Skelettkrieger, fällte sie zu Dutzenden und bahnte sich so mühsam einen Weg. Sie kam nicht ganz so schnell voran, wie sie es sich vielleicht gewünscht hätte, weil die Masse der untoten Leiber erdrückend war, aber es würde reichen.
Xiucalta packte ihren Zauberstab fester, atmete tief durch und presste Szar’zriss dann die Hacken in die Seite. Schon drückte sich der Drache brüllend vom Boden ab und schlug ein paarmal mit den Schwingen, bis er sich sicher in der Luft befand. Dann schnellte er vorwärts, fegte dicht über den Boden hinweg, zerriss ein paar Skelettkrieger mit seinen scharfen Klauen und näherte sich dabei unausweichlich dem Zentrum des Platzes.
Xiucalta schluckte und schloss die Augen. Dann sprang sie. Sie schrie auf, als sie in die Tiefe stürzte, und ruderte wild mit den Armen, aber es gab keinen Halt. Sie wusste, dass der Boden dicht unter ihr sein musste, hart und gnadenlos. Dass sie nur noch wenige Sekunden hatte, bis sie brutal aufschlagen würde, bis ihre Beine unter ihr brechen würden und sie …
Starke, wunderbar vertraute Arme schlossen sich um sie, pflückten sie aus der Luft und rissen sie ein kurzes Stück mit. Einen Augenblick später schlug sie hart auf und der Aufprall trieb ihr die Luft aus der Lunge. Sie hörte ein leises Stöhnen und ein scharfes Kratzen, als Yerills Rücken über das Pflaster schabte. Aber die Unsterbliche hielt sie weich und sicher, sodass der Druchii nichts passiert war.
Einen Moment später rappelten sie sich wieder auf. Sie standen nur einen Meter von dem riesigen Loch entfernt, aus dem soeben Bluthand kletterte, bevor sie schwer atmend auf dem Boden liegen blieb. Sie bemerkte die Untoten, die den Kreis um sie schlossen und ihr mit wild klackenden Bronzeklauen entgegen stürmten. Aber die Zauberin war zu schwach, um sich selbst zu schützen.
Schon wurde Xiucalta wieder in die Luft gehoben, als Yerill sie packte und einen Augenblick später direkt neben der bewegungsunfähigen Meisterin absetzte. Ihre Füße berührten gerade einmal das Pflaster, da rief sie schon: „Blau um schützen.“
Sofort erhob sich die magische Barriere in einem vollkommenen Kreis, schloss einen Teil des Lochs mit ein und sperrte die Skelettkrieger aus. Schon hämmerten die ersten gegen den blauen Schild und Xiucalta keuchte auf. Dies war auf eine Art nicht ganz so schlimm wie vor wenigen Minuten auf der Prachtstraße, weil ihre Kuppel nicht so groß war, und auf andere Weise deutlich anstrengender, weil die Untoten dieses Mal von fast allen Seiten kamen.
„Halt mich fest!“, flüsterte sie Yerill zu und war froh, als zumindest ihre Visionen verschwanden. Außerdem war das Gefühl der kräftigen Arme um ihre Brust und des vertrauten Körpers in ihrem Rücken tröstlich. Sie würde diese Nähe brauchen, wenn gleich die Welt um sie herum explodieren würde.
Noch einmal atmete sie tief durch und blickte dann in den Himmel jenseits des blauen Schilds, wo Szar’zriss über ihnen erwartungsvoll seine Kreise zog. Sie sog die Luft so tief wie möglich ein und rief dann, so laut sie konnte: „Fruhoar!“ Feuer!
Der gewaltige schwarzrote Ahnendrache schlug noch einmal mit den Flügeln, bevor er seine Schwingen anlegte und vollkommen senkrecht auf sie niederstieß. Instinktive Angst schlug über Xiucalta zusammen, als sich das mächtige Maul öffnete und ihnen eine grelle, blendend helle Flammenzunge entgegen schleuderte.
Und dann brach sie fast zusammen, als das Feuer auf ihren Schild prasselte. Der gesamte Platz ging in Flammen auf, um sie herum zerflossen die Skelettkrieger zu Schlacke, Pflastersteine wurden erst schwarz, dann rot, bevor sie plötzlich zersprangen, und ihr Schild verfärbte sich von blau zu weiß, als eine Hitze, wie sie sie noch nie gespürt hatte, dagegen schlug. Einzig das Feuer in ihren Armen schien das Inferno dort draußen noch zu überbieten.
Der Stab vibrierte, als wolle er jeden Augenblick zerspringen, während das Heulen der Kraftsäule, die seine Spitze mit dem höchsten Punkt der Kuppel verband, mit dem Fauchen der alles verzehrenden Flammen wetteiferte und ihren Kopf beinahe zum Platzen brachte. Ihre Beine gaben unter ihr nach, aber Yerill hielt sie aufrecht. Ihr Leib war der einzige Punkt der Ruhe in Xiucaltas Gedanken und sie konzentrierte sich ganz darauf. Die Unsterbliche würde sie nicht im Stich lassen.
Sie konnte nicht sagen, wie lange der Feuersturm dauerte. Es kam ihr wie eine Ewigkeit vor, auch wenn es nur eine halbe Minute sein mochte. Für sie war es eine einzige unendliche Qual. Sie hing wie tot in Yerills Armen, während unkontrollierbare Macht durch ihre Hände strömte, um sich dem Drachenatem entgegen zu stemmen.
Und dann endlich drehte Szar’zriss ab. Der Flammenstoß endete, als in ihrer Nähe nichts mehr existierte. Der Drache flog dicht über ihren Schild hinweg und kreiste einmal über dem Platz, um Grüppchen von Skelettkriegern zu vernichten, die zu weit entfernt gestanden hatten.
Xiucalta ließ den Schild fallen und der Stab kippte klappernd zu Boden. Sie lehnte sich an Yerill, während sie sich blinzend umsah, noch immer geblendet von der furchtbaren Helligkeit des Drachenfeuers. Sie standen in einem engen Kreis aus grauem Pflaster am Rande des Lochs. Um sie herum flimmerte die Luft über rot glühenden Steinen und zahllosen Splittern. Von den vielen Standbildern und Statuen war außer am Rand des Platzes nichts mehr zu sehen.
Kein einziger Skelettkrieger hatte das Inferno überstanden. Sie alle waren zusammengeströmt, um Bluthand zu vernichten, nachdem Nerglot ihnen diesen Befehl gegeben hatte, im sicheren Wissen, dass er entweder sterben oder fliehen würde. Damit die Untoten die Zauberin so lange beschäftigten, dass Viverla’atar entkommen konnte.
„Danke Yerill, du hast mir sehr geholfen.“, sagte Xiucalta, bevor sie sich widerstrebend aus den Armen der Unsterblichen löste. Sie fühlte sich noch immer ausgelaugt und schwach, aber noch konnte sie sich keine Ruhe gönnen. Vor allem musste sie etwas sehen können.

Als das letzte Flackern des Drachenfeuers verschwand, erhob sich Viverla’atar vorsichtig wieder und spähte aus dem Fenster. Von hier aus hatte sie vorragende Sicht über den Platz, der bis eben mit Skelettkriegern überfüllt gewesen war. Jetzt gab es nicht mehr die geringste Spur von ihnen. Stattdessen hatte sich die Fläche in einen See rotglühender Steine verwandelt.
Über das Flimmern der aufgeheizten Luft hinweg konnte sie zwei Personen erkennen, die neben der gefallenen Bluthand standen. Sie hatte beobachtet, wie die Zauberin aus dem Loch geklettert war, und obwohl das vermutlich bedeutete, dass Nerglot tot war, hatte sie beschlossen, dabei zuzusehen, wie die Untoten die anscheinend völlig erschöpfte Hexe töten würden.
Doch dann war plötzlich alles ganz schnell schief gegangen. Sie hatte kaum verstanden, was passiert war. Sie hatte gerade noch mitbekommen, wie Yerill eine dunkel gekleidete Gestalt aufgefangen, wie diese einen blauen Schild um sie drei geschaffen und etwas Merkwürdiges gerufen hatte, bevor alles in blenden hellem Drachenfeuer explodiert war.
Und jetzt löste sich die Unbekannte gerade aus Yerills Armen. Sie wankte ein wenig, bevor sie die Schultern durchdrückte und sich langsam umwandte. Für jemanden, der soeben im Zentrum eines gewaltigen Feuersturms gestanden und überlebt hatte, wirkte sie erstaunlich ruhig und unbeeindruckt. Sie strahlte eine unheimliche Macht aus. Ihre Kapuze war ein wenig hochgerutscht und hatte ein erschreckend junges und unschuldiges Gesicht enthüllt.
Doch als Viverla’atar ihre Augen sah, sog sie scharf den Atem ein. Sie hatte schon Nerglots Augen aus nächster Nähe betrachtet, all den Schmerz, das Wissen und die Erfahrung von Jahrtausenden. Doch gegen diese violetten Augen war das nichts. Sie wollte sich nicht einmal vorstellen, was diese Frau schon alles gesehen hatte.
Und dann trafen sich ihre Blicke und die Autarii zuckte zurück. Ein Lächeln umspielte die Mundwinkel der Unbekannten, als könne sie Viverla’atar sehen, obwohl das eigentlich unmöglich sein sollte. Sie stand in der Dunkelheit eines Hauses, aber die Sterbliche hatte zielstrebig in ihre Richtung gesehen, als hätte sie genau gewusst, wo sie suchen musste.
„Wer bist du?“, hauchte Viverla’atar.
„Die Antwort auf all deine Fragen.“, ertönte hinter ihr eine ruhige und doch unvergessliche Stimme mit, die sich förmlich in die Erinnerungen der Unsterblichen zu brennen schien. So viel Wissen und Erfahrung schwangen in diesen Worten mit, dass es ihr dem Atem verschlug.
Sie wirbelte herum, doch da war nichts. Das Zimmer war leer und die Tür geschlossen. Stirnrunzelnd drehte sie sich wieder zum Fenster um. Auf den Platz blickte die Fremde zuerst auf Yerill, dann auf den Drachen, der noch über ihnen kreiste, dann bohrte sich der Blick der violetten Augen wieder in Viverla’atars. Ihre Lippen bewegten sich und formten ein einziges, lautloses Wort.
„Lauf!“

Xiucalta wandte sich um, als Viverla’atar aus dem Zimmer stürmte. Sie hatte sie über die Entfernung mit bloßen Augen überhaupt nicht sehen können, aber für die Winde der Magie gab es keine Verstecke. Und es war so lächerlich einfach, der ehemaligen Autarii Angst einzujagen. Eine Erinnerung daran, dass sie sowohl Yerill als auch Szar’zriss hatte, denen sie jederzeit den Hinweis geben konnte, wo sich die letzte Untote befand, hatte ausgereicht, um sie Hals über Kopf fliehen zu lassen.
Vielleicht hätte ich tatsächlich einen der beiden auf sie hetzen sollen, überlegte die Seherin. Aber sie brauchte beide und ihr fehlte die Zeit dafür. Viverla’atar stellte keine Gefahr mehr da, ohne ihren Meister und ohne die Skelettkrieger. Und Xiucalta konnte sie ja mühelos im Auge behalten. Aber erst einmal gab es Wichtigeres.
Ein unnatürlich kalter Wind pfiff über das Pflaster hinweg und ließ ihre Gewänder flattern. Rasch zog sie sich die Kapuze wieder tiefer ins Gesicht, bevor sie sich umwandte. Am Rand des Platzes standen sechs Zauberinnen und zwei Sturmrufer, die sich nach Erschöpfung ihrer Kräfte zurückgezogen hatten und von den fliehenden Soldaten nach Xiucaltas Anweisung zurückgeschickt worden waren.
Nun setzten sie das ein, was sie in den letzten Minuten an Kraft zurückbekommen hatten. Zufrieden beobachtete die Seherin, wie ein breiter Streifen Steine zwischen der Prachtstraße und dem Loch abkühlte. Schon nach einer Minute war der Boden kalt genug, dass man darüber gehen konnte.
Xiucalta ging zur bewusstlosen Bluthand hinüber und entwand das Horn des Splitterdrachen ihren schlaffen Fingern. Währenddessen landete Szar’zriss, dem die Hitze nichts auszumachen schien, ein Stück entfernt und kam erwartungsvoll näher.
Als die Seherin sich wieder erhob, waren die Magier bereits zu ihnen unterwegs. Sie würden sich um Bluthand kümmern. Xiucalta nickte zufrieden. Sie selbst hatte keine Zeit dazu. Es gab noch immer einen Feind in Naggarond, den es aufzuhalten galt. Und diese Schlacht würde nicht einfacher werden als die gegen Nerglot. Aber sie war bereit.
Entschlossen wandte sie sich zu Yerill um.
 
Zuletzt bearbeitet:
Ganz schön knappe Sache, aber gut gelöst, lässt keine Fragen offen.

Des weiteren gefällt mir, dass Xiucalta hier wieder sehr schön taktiert und beobachtet. Das rundet ihr Gesamtbild ganz gut ab.

Schon wurde Xiucalta wieder in die Luft gehoben, als Yerill sie packte und einen Augenblick später direkt neben der bewegungsunfähigen Meisterin absetzte. Ihre Füße berührten gerade einmal das Pflaster, da rief sie schon: „Blau um die schützen.“
 
Ganz schön knappe Sache, aber gut gelöst, lässt keine Fragen offen.
inwiefern knapp? Bezogen auf die Länge des Kapitels oder auf die Rettung von Yetail?
Freut mich, dass es dieses Mal keine Fragen gibt.

Des weiteren gefällt mir, dass Xiucalta hier wieder sehr schön taktiert und beobachtet. Das rundet ihr Gesamtbild ganz gut ab.
schön, dass das so rüberkommt. Mir gefällt sie auch immer besser. Vielleicht hast du deshalb bei ihren Kapiteln so wenig zu meckern 😉
Vielleicht aber auch deshalb, weil ihre Magie ja recht eindeutig ist und nicht so viel offen lässt.

Außerdem weißt du jetzt, weshalb ich meine ursprüngliche Idee, die Zerstörung aller 4 Drachensteine, nicht umsetzen konnte 😉

den Fehler hab ich korrigiert. Nächster Teil kommt dann morgen.
 
inwiefern knapp? Bezogen auf die Länge des Kapitels oder auf die Rettung von Yetail?
Freut mich, dass es dieses Mal keine Fragen gibt.
Insofern, das alles bis ins kleinste geplant war und wirklich alles genau nach Plan verlaufen ist! 😉

Vielleicht aber auch deshalb, weil ihre Magie ja recht eindeutig ist und nicht so viel offen lässt.
Du Schlingel! :lol:
Außerdem weißt du jetzt, weshalb ich meine ursprüngliche Idee, die Zerstörung aller 4 Drachensteine, nicht umsetzen konnte 😉
Hab mir schon so etwas gedacht - Muss ja einen Zweck haben, dass der Mini-Drache wegfliegt.
 
Insofern, das alles bis ins kleinste geplant war und wirklich alles genau nach Plan verlaufen ist!
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naja, dass mit der Aydar hat sie nicht geplant 😉 Aber ansonsten hast du recht. Soll aber auch so sein.

Hab mir schon so etwas gedacht - Muss ja einen Zweck haben, dass der Mini-Drache wegfliegt.

reicht nicht, dass er's kann?
 
Irgendwie bin ich ja fast enttäuscht, dass hier niemand um das nächste Kapitel bettelt :huh:

Macht nichts, ihr bekommt es trotzdem, wenn auch mit einem Tag Verspätung. Aber immerhin ist dies nun auch das endgültige Finale der Schlacht. Es ist nicht einmal halb so lang wie "Niederlage", allerdings ist der zeitliche Rahmen auch deutlich kürzer. Hier geht es auch weniger um das lange hin und her zwischen zwei ebenbürtigen Gegnern, sondern darum, dass alle nochmal zeigen können, welch tolle Helden sie doch sind 😉

Insofern mexerria, wenn du "Die Macht der Aydari" schon knapp fandest, dann wird dir dies hier gefallen. Ich denke, der Titel lässt da schon einiges vermuten.

Nun denn, viel Spaß.

Der Gipfel aller Pläne


In den Spielen der Götter sind auch die größten Helden nur Figuren, die von der unsichtbaren Hand des Schicksals an den Ort ihrer Bestimmung gestellt werden. Unsere Macht besteht darin, sie ein oder zwei Felder weiterzustoßen.
[FONT=&quot]— [/FONT]Aus ‚Der Pfad der Seher‘ von Ularsa Schicksalsweg

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
12 Stunden nach Sonnenaufgang


Ein Trümmerstück verfehlte seinen Kopf nur knapp, aber Sisrall fehlte die Kraft zum Fluchen. Ein wenig schwerfällig wich er dem nächsten Geschoss aus und zuckte zusammen, als kurz vor ihm ein Brocken auf die Straße krachte und scharfkantige Splitter in alle Richtungen schleuderte.
Aber schon war es wieder vorbei. Sie hatten den nächsten Trümmerhagel überstanden, den der Splitterdrache jedes Mal verursachte, wenn er in eine Gasse einbog, die zu eng für ihn war. Oder einfach mitten durch eine Häuserreihe hindurch brach. Inzwischen schien es da für ihn keine Unterschiede mehr zu geben. Er war einfach nur bestrebt, die Erwählten an seinem Schwanzende abzuschütteln.
Und allmählich glaubte Sisrall, dass ihm das gelingen könnte. Die Ausdauer der Bestie war praktisch unendlich, ihre dagegen war so gut wie erschöpft. Seine beiden Gefährten keuchten heftig und hatten den Blick auf das Pflaster gesenkt, während sie sich vorwärtszwangen. Sie sahen ungefähr so fertig aus, wie der Tempelkrieger sich fühlte. Verdammt, für einen solchen Kampf waren sie nicht da. Falls man das überhaupt als Schlacht bezeichnen wollte. Es kam ihm mehr wie ein sinnloser Alptraum vor, in dem er hinter einer endlosen, grün leuchtenden Schlange her stolperte, ohne zu wissen, was er überhaupt tun sollte.
Verdammt, Geisterauge, wo bleibt das Horn? Hatte die Seherin sich am Ende doch getäuscht? Hatten sie einen Fehler gemacht, der ihre Visionen ruiniert hatte? War sie vielleicht inzwischen tot? Was sollten sie tun, wenn das Horn niemals kam?
Blutklinge? Trizils Gedankenstimme klang deutlich beunruhigt.
Was?
Er kommt direkt auf uns zu. Das Bild einer Straße tauchte in seinem Geist auf. Links und rechts waren zerstörte Gebäude zu sehen und in der Mitte schob sich der gewaltige Leib des Splitterdrachens über das Pflaster. Er hatte den kantigen Schädel erhoben und seine Augen blitzten mordlustig.
Kannst du fliehen?
Nicht schnell genug, wenn ich Kerkil tragen muss.
Vielleicht ist es an der Zeit, ihn zu stellen, warf Kerkil ein. Wir sind jetzt in der Position, dass wir eine Kriegerin vor ihm haben. Zu viert könnt ihr ihn umzingeln. Vielleicht findet ihr einen Weg, ihn zu verletzen und wenigstens zu bändigen, wenn auch nicht zu töten.
Entweder das oder wir verlieren gleich zwei Krieger, fügte Dalehon hinzu. Er, Zalandra und Lokira verfolgten das Geschehen in Gedanken, während sie sich in Richtung Hexenkloster bewegten. Ich weiß, dass du zornig auf Artewu bist, Blutklinge, aber welche Wahl haben wir noch? Wir haben das Horn noch nicht und wissen nicht, ob es überhaupt noch zu uns kommen wird. Ihr könnt ihn nicht ewig verfolgen und das weißt du. Umzingelt ihn und versucht, ihn dort festzuhalten.
Xiucalta hat gesagt, dass …, begann Trizil, brach dann aber ab. Sisrall konnte fühlen, wie sie die Schultern durchdrückte und ihr Schwert zog. Ein leises Summen erfüllte die Luft, unwirklich und doch voll mächtiger Versprechen. Mein Lied wird ihn aufhalten. Dies ist mein Schicksal und ich bin bereit, mich ihm zu stellen. Wenn es eine Chance gibt, dann lasst sie uns ergreifen.
Nun gut, entschied Blutklinge. Entweder jetzt oder gar nicht. Ein grimmiges Lächeln legte sich auf seine Lippen und er fühlte die dunkle Befriedigung seiner Mitstreiter. Sie alle hatten die Jagd satt. Sie alle wollten lieber kämpfen und mit dem Schwert in der Hand sterben, als diese sinnvolle Verfolgung fortzusetzen.
Bereit?, wandte er sich an seine beiden Gefährten und sie bestätigten.
Dann los!
Nur noch wenige Meter trennten den Splitterdrachen von Trizil und Kerkil, als die Kinder des Mordes reagierten. Alle Erschöpfung schien wie weggeblasen, als sie ihre letzten Kräfte mobilisierten, um ein letztes Mal alles zu geben. Sisralls Begleiter stürmten vor, während Trizil das Schwert vor ihr Gesicht hob und die meterlange Schlange anlächelte.
Ein einziger, vollkommen reiner Ton erhob sich über der Stadt, unnatürlich und doch wunderschön. Macht, Leben und Tod, vereint in einem einzigen Klang, der aus den Fensteröffnungen der Gebäude zu wehen schien, aus dem Pflaster der Straße aufstieg und aus der Luft direkt an ihre Ohren sickerte. In unendlicher Variation veränderte sich der Ton und blieb doch immer gleich. Er fing das Wesen der Welt ein, der unveränderlichen Erde und des sich wandelnden Lebens. Er durchdrang alles und brach sich zu tausend Facetten eines einzigen Klanges. Heller, dunkler, lauter und leiser, immer anders und doch immer gleich. Macht, Leben und Tod. Veränderung und Standfestigkeit.
Trizil schwang das Schwert und der Splitterdrache schrak zurück, als der Ton zur Melodie wurde. Schon schossen die beiden Erwählten zu beiden Seiten an ihm vorbei und nahmen ihn in die Zange, während Trizils Stimme die Melodie zum Lied erhob und ihre Gefährten schützend umfing. Es war ein wunderschöner Klang und auch wenn keiner von ihnen die Worte verstehen konnte, so erschauderten sie doch all bis ins Mark angesichts der Kälte, die darin lag. Dieses Lied versprach den Tod.
Sisrall fühlte, wie sein Herz schneller schlug und seine Zweifel schwanden. Die Kälte durchdrang ihn, stärkte seinen Willen und nährte seine Entschlossenheit. All seine Ängste wurden darunter begraben und er stieß einen lauten Kriegsschrei aus, während er innerlich jubelte. Todeslied wandelte wieder auf dieser Welt! Dies war das Lied, das die Druchii über den Ozean geführt hatte. Das Licht, das die Hoffnungen der heimatlosen Elfen angefacht und sie durch die Finsternis geleitet hatte. Und dieses Lied würde sie auch jetzt nicht im Stich lassen. Sie hatten eine Chance und jetzt endlich würden sie diese grüne Bestie stoppen.
Der Splitterdrache hatte tatsächlich angehalten und wagte es nicht, sich der Quelle des Klangs zu nähern. Wütend fauchte er die Erwählte an, doch der disharmonische Ton wurde von der Reinheit des Todes hinfort gewischt. Hoch aufgerichtet und kerzengerade stand Todeslied vor der meterhohen Bestie und wob mit ihrem Schwert und ihrer Stimme einen Schild aus silberner Musik.
Dafür bemerkte die Bestie jetzt die beiden anderen Krieger, die links und rechts von ihr liefen, um sie von jeder Seite einzuschließen. Das Brüllen des Splitterdrachens wurde tiefer und zorniger. Bei Khaine …, konnte Blutklinge gerade noch denken, schon peitschten strahlend grüne Lichtschlangen durch die Luft und wickelten sich um die beiden überraschten Kämpfer. Einer von ihnen konnte noch ausweichen, doch sein Schwert vermochte der magischen Schlinge nichts anzuhaben. Einen Augenblick später wurde auch er gefesselt und von den Füßen gerissen.
Sisrall stieß die beiden Kinder des Mordes aus seinem Geist, als ihre Schmerzensschreie hoch über ihnen ertönten. Die Lichtpeitschten zerquetschten sie, brachen ihnen die Knochen und pressten ihre Rüstungen in das weiche Fleisch. Ihre Schwerter klirrten zu Boden, als zwei der besten Krieger der Druchii achtlos beiseite geschleudert wurden und in die Trümmerlandschaft beiderseits der Straße krachten.
Trizils Melodie stockte und der Splitterdrache reagierte sofort. Mit einem zornigen Knurren stürzte er sich auf die Erwählte und aus seinem Maul schoss die leuchtende Lichtzunge hervor, um die Kriegerin zu fressen.
Mach weiter!, rief Kerkil panisch in ihre vereinten Gedanken und auch wenn er nicht über Blutklinges Autorität verfügte, gehorchte Trizil. Schon verfestigte sich der Klang wieder und ihre Stimme versprach den Tod. Ihr Schwert wirbelte in silbernen Schleifen herum und schuf ein funkelndes Netz aus scharfem Stahl um sie herum.
Schon traf die Lichtzunge auf ihre Abwehr und wurde zerschmettert. In einem grünen Funkenregen zersplitterte die magische Peitsche und der Splitterdrache zuckte zurück. Er brüllte wild auf, doch seine mentalen Fähigkeiten konnten die Druchii ihm nicht mehr nehmen. Schon fegte Trizil die nächste Lichtzunge entgegen und versuchte, sie in das weit geöffnete Maul der Bestie zu reißen.
Doch der Schild aus Klang und Stahl hielt abermals stand. Die Melodie veränderte sich, wurde wilder und zorniger, während sie sich der Macht des Splitterdrachens entgegenstemmte. Die Bestie richtete ihren tödlichen Blick auf sie und Trizil erstarrte. Doch das Lied verstummte nicht. Wie von selbst bewegten sich ihre Arme und Lippen, während ihre Beine und ihr Oberkörper stocksteif wurden. Die gewaltige Schlange schob sich näher heran und baute sich über der Erwählten auf.
Es tut mir leid, Trizil, dachte Blutklinge.
Es gibt nichts, was du tun kannst, Sisrall. Xiucalta hat gesagt, dass einer von uns sterben muss, um sich als Ablenkung zu opfern. Ich wusste, dass dies mein Schicksal ist. Und auch wenn mein Opfer nun vergebens ist, bedaure ich es nicht. Lebe wohl, Blutklinge. Es war mir eine Ehre.
Und damit löste sie sich aus ihren vereinten Gedanken.

„Vertraust du mir, Yerill?“, fragte Xiucalta und drückte die Hand der Unsterblichen. Die sah sie überrascht an. Die Seherin sog den Anblick der schwarzgoldenen Augen tief in sich auf. Wer wusste schon, was in den nächsten Minuten passieren würde? Sie machte sich weniger Sorgen um ihre Geliebte, aber vielleicht würde sie selbst die Schlacht nicht überleben.
„Vollkommen.“, flüsterte Yerill und Xiucalta nickte. Sie hielt der Unsterblichen das Horn hin.
„Du musst meine Botin sein. Lauf nach Osten. Bring das zu Blutklinge und sag ihm folgende Worte: ‚Ihr seid nicht allein. Drache, Aydari und Druchii werden diesen Kampf gemeinsam führen. Keiner kann alleine siegen, jeder muss einen Teil beitragen. Das Horn ist bereit. Wartet dort, wo das rote Licht den Stein versengt.‘ In Ordnung?“
„Ja. Und was soll ich danach machen?“
„Tu, was du für richtig hältst.“
„Was meinst du damit?“, fragte Yerill sichtlich verwirrt.
„Ich weiß es nicht, Yerill.“, antwortete Xiucalta unsicher. „Ich sehe nichts, was mit dir zu tun hat. Ich sehe nur, dass es wichtig ist, dass ich diese Worte jetzt ausspreche, was bedeutet, dass sie wohl für dich bestimmt sind. Genauso wenig wusste ich, wie du das Horn verwenden würdest. Aber dadurch, dass ich dir sagte, sein Einsatz liege bei dir, kam es zu Bluthand und ist nun bereit. Also tu, was du für richtig hältst, das ist alles, was ich dir mitgeben kann. Und nun lauf!“
Und die Unsterbliche lief. Wie ein weißer Blitz stürmte sie über den Streifen kühler Steine und an den verwirrten Magiern vorbei, die ihr kurz nachsahen und dann die letzten Meter zu Xiucalta zurücklegten.
„Meisterin Ghelana Frostwind von Hag Graef, es ist schön, dass Ihr gekommen seid.“, begrüßte die Seherin die ranghöchste Hexe, die daraufhin überrascht stehen blieb. „Kümmert Euch um Eure Erste Meisterin Bluthand. Sie ist unverletzt, aber am Ende ihrer Kräfte. Bringt sie ins Kloster. Die Untoten sind vernichtet, hier gibt es nichts mehr zu tun.“
„Wer seid Ihr, dass Ihr es wagt, mir Befehle zu erteilen? Und woher kennt Ihr meinen vollständigen Namen?“
Xiucalta wusste, dass die andere Zauberin vermutlich das Fehlen ihres Halsreifs bemerkt hatte, ebenso wie die Tatsache, dass sie nur einen Artefaktstab besaß. Die Meisterin hielt sie deshalb nicht für eine Klosterhexe und vielleicht war das besser so. Im Wissen, dass die Kapuze den Großteil ihres Gesichts verbarg, blickte sie die andere Frau an.
„Ich bin Meisterin Geisterauge, die Seherin der Druchii, die man die Schwarze Aydar nennt.“
Die ältere Meisterin runzelte die Stirn, aber sie widersprach nicht. Xiucalta konnte nicht sagen, ob es ihre eigene Erscheinung war, die sie schließlich überzeugte, oder die Tatsache, dass sich Szar’zriss drohend über ihr aufbaute, jedenfalls nickte Frostwind und gemeinsam machten sich die Magier daran, Yetail zu untersuchen.
Xiucalta wandte sich erleichtert ab und kletterte auf den Rücken des schwarzroten Drachens. Der nahm ein paar Schritte Anlauf, um Bluthand nicht mit seinen Flügelschlägen in Gefahr zu bringen, und schwang sich dann in die Luft. Sie flogen dicht über die Dächer dahin und folgten dem Verlauf der Prachtstraße. Ein Stück voraus machte Xiucalta den hellen Fleck aus, der Yerill sein musste. Auf ihre Anweisung hin ging Szar’zriss tiefer und packte die Unsterbliche mit einer Kralle.
Die Seherin hörte den überraschten Aufschrei der anderen Frau und grinste. Doch ihre gute Laune erstarb sofort wieder, als sie mithilfe der Winde der Magie beobachtete, wie der Splitterdrache zwei weitere Kinder des Mordes mit seinen Lichtschlangen packte und beiseite schleuderte, bevor er sich Todeslied zuwandte. Es tut mir leid, Trizil. Ich wünschte, ich hätte Euch dieses Schicksal ersparen können.
Der Wind peitschte ihr ins Gesicht, während Szar’zriss beschleunigte. Er hatte den mächtigen Leib seines Kontrahenten entdeckt und brannte darauf, den Kampf endlich zu beenden. Xiucalta tätschelte die roten Schuppen unter ihr. Ja, gleich würde es sich entscheiden. In wenigen Minuten würde sie wissen, ob all ihre Pläne Früchte tragen oder in sich zusammenbrechen würden. Dies war die eine Entscheidung, auf die alles hinauslief. Der eine Moment, auf den sie hingearbeitet hatte, seit sie ihre Fähigkeiten entwickelt hatte.
Jetzt, dachte sie, als sie fast über der grünen Bestie waren, und Szar’zriss ließ Yerill fallen.

„Trizil nein!“, hörte Sisrall Kerkils Ruf ein paar Dutzend Meter entfernt, am anderen Ende des Splitterdrachens. Darin klang dieselbe Hilflosigkeit mit, die er selbst fühlte. Es gab nichts, was er tun konnte. Er war zu weit weg und die Erwählte hatte sich vor seinen Gedanken abgeschirmt. Sie würde keine Befehle entgegennehmen. Und was sollte er ihr auch befehlen? Spielte es überhaupt noch eine Rolle, ob sie sich opferte oder nicht? Zu zweit waren sie nicht in der Lage, den Splitterdrachen aufzuhalten, und ohne Horn hatten sie ohnehin keine Möglichkeit, die Bestie loszuwerden.
Inzwischen lag der lange Schlangenleib ziemlich gerade auf der Straße, sodass er leicht an ihm vorbeirennen könnte, wenn er darin denn irgendeinen Sinn gesehen hätte. Er konnte den großen Schädel sehen, der sich hoch über Trizil erhob und ihr noch immer Lichtzungen entgegen schleuderte, um ihre Verteidigung zu testen. Mehr und mehr schwand die Kraft ihres Liedes. Das Monster hatte das Maul weit geöffnet und beabsichtigte wohl, die Erwählte einfach im Ganzen zu verschlingen, wenn es sie schon nicht mit Magie zu packen bekam. Das würde sie nicht überleben.
Aber er würde nicht einfach so aufgeben. Er wollte nicht hier stehen bleiben, als Letzter der Neun, während sich seine Gefährten opferten und die Druchii untergingen. Er würde mit dem Schwert in der Hand sterben, auch wenn sein Opfer unnütz sein würde. Aber das war Trizils auch.
Er zog seine Klingen und rannte los. Immer näher kam der grün leuchtende Leib und er schwor sich, wenigstens eines seiner Schwerter in dem verfluchten Fleisch zu versenken, bevor er sterben würde. Doch schon erglühte vor ihm die Luft zu grünem Licht, als sich eine magische Lichtzunge bildete und täuschend friedvoll auf ihn zu schlängelte. Es war, als würde er dem Tod selbst ins Antlitz sehen.
Und dann, einen Augenblick, bevor sich die Schlinge um ihn legen und ihn zermalmen konnte, verschwand sie. Eine leuchtend weiße Gestalt stürzte direkt vor ihm hinab und die bloße Berührung ihrer nackten Haut genügte, um die Lichtpeitsche zu zerschmettern. Blutklinge hatte sich nie mit dem Glauben der Menschen, dass die Götter und ihre Engel im Himmel wohnten, anfreunden können, doch nun, da Yerill wie eine leibhaftige Aydar vor ihm landete, sah er sich gezwungen, diese Einschätzung vielleicht noch einmal zu überdenken.
Ihre bloßen Füße krachten auf das Pflaster und ließen den Stein zersplittern, während sie in die Knie ging und sich mit einem Arm abstützte. Sisrall entdeckte den schwarzroten Drachen, der hoch über ihnen flog und starrte das Mädchen sprachlos an. Sie sah aus, als wäre sie gerade zwei Meter in die Tiefe gesprungen und nicht zwanzig. Er hätte einen solchen Sturz nicht heil überstanden, aber die Unsterbliche richtete sich unbeeindruckt wieder auf und lächelte ihn an.
„Meisterin Geisterauge schickt mich. Ich soll dir dies bringen …“ Mehr durch Reflex als wirkliche Körperbeherrschung fing Sisrall das Horn auf, das sie ihm zuwarf. Er war noch völlig durcheinander. Eben noch hatte er geglaubt, gleich zu sterben, jetzt hielt er endlich das lang erwartete Horn des Splitterdrachens in den Händen. „…und dir folgende Worte ausrichten: Ihr seid nicht allein. Drache, Aydari und Druchii werden diesen Kampf gemeinsam führen. Keiner kann alleine siegen, jeder muss einen Teil beitragen. Das Horn ist bereit. Wartet dort, wo das rote Licht den Stein versengt.“ Sie zögerte und zuckte dann die Schultern, bevor sie ihn umarmte und flüsterte: „Ich bin froh, dass ich mich für diese Seite entschieden habe.“
Dann trat sie zurück, rief „Viel Glück.“ und verschwand in Richtung Kopfende des Splitterdrachen. Sisrall starrte ihr nach, während ihm ihre Worte durch den Kopf gingen. „Das Horn ist bereit? Aber wer …?“ Dalehon, Zalandra und Lokira konnte er noch in Gedanken erreichen und er war sicher, dass Yerill nicht bei Trizil und Kerkil gewesen war. Artewu? Verdammt, so hart hatte er den Krieger nun auch wieder nicht bestrafen wollen. Aber vielleicht hätte er es ohnehin nicht geschafft.
Vor ihm zuckte plötzlich ein grellroter Lichtstrahl hinab und riss den Tempelkrieger aus seinen Gedanken. Er blickte auf und sah Xiucalta auf Szar’zriss Rücken, die ihren Zauberstab in Richtung Boden gereckt hatte. Zuerst glaubte Sisrall, sie habe auf den Splitterdrachen gezielt und ihn verfehlt, aber als der Zauber wieder verschwand, ließ er einen kleinen Fleck rußgeschwärzter Steine zurück und ihm fielen die Worte wieder ein, die die Seherin Yerill aufgetragen hatte. Wartet dort, wo das rote Licht den Stein versengt.
Der enge Ring geschwärzter Steine war nur einen halben Meter vom Rumpf des Splitterdrachens entfernt, aber Sisrall beschloss, dass es nicht schaden würde. Xiucalta hatte recht. Diesen Kampf konnte keiner von ihnen alleine gewinnen, nicht einmal Szar’zriss, der wundersamerweise wieder gesund zu sein schien. Auch Blutklinge konnte nur einen Teil zum Ganzen beitragen und dafür hatte er wohl gerade einen Platz zugewiesen bekommen.
Entschlossen stürmte er dorthin, während er das schwere Gewicht des Horns in seiner Hand spürte. Erst jetzt, wo er es hatte, fiel ihm etwas auf, an das er bisher gar nicht gedacht hatte. Die eine beschädigte Schuppe, die Schwachstelle des Splitterdrachens, befand sich auf dessen Unterseite. Nun, da er keine Beine mehr hatte, war sie unerreichbar. Sisrall wusste nicht einmal, wo genau sie sich an dem meterlangen Leib befand. Verdammt, jetzt waren sie soweit gekommen und dennoch schien der Sieg in weiter Ferne zu liegen.

Tu, was du für richtig hältst, tu, was du für richtig hältst. Immer und immer wieder hallten Xiucaltas Worte durch Yerills Kopf und die Unsterbliche rannte, so schnell wie konnte. Der endlos lange grüne Leib schoss an ihr vorbei, aber der Splitterdrache beachtete sie nicht. Er konzentrierte sich vollkommen auf die Erwählte, die das herrliche Lied hervorrief. Schon während des Falls hatte Yerill gesehen, dass sie in Schwierigkeiten war.
Leuchtende Lichtzungen peitschten auf sie nieder, aber sie wehrte alle Angriffe mit schnellen Schlägen ihres silbernen Schwertes ab und sang dabei. Inzwischen klang es gequält und erschöpft, aber noch immer reichte die Macht der Melodie, um den Splitterdrachen in Schach zu halten. Inzwischen hing sein weit geöffnetes Maul direkt über der Frau und seine Blicke schienen sie zu lähmen. Sie machte keine Anstalten, auszuweichen.
Und dann schlug er zu. Blitzschnell zuckte sein gewaltiger Schädel nieder. Yerill stürmte vorwärts, während sie beobachtete, wie sich der zahnlose Kiefer langsam schloss, um die Erwählte zu verschlingen. Kaum noch ein halber Meter trennte die Bestie von ihrem Opfer.
Aber ein halber Meter war genug. Yerill ignorierte den gewaltigen Schatten des grünen Drachens, der über ihr aufragte, und warf sich furchtlos zwischen das zuschnappende Maul. Die silberne, klingende Schneide fegte auf sie zu, als die Erwählte auch sie abzuwehren suchte, aber die Unsterbliche tauchte unter dem Hieb hindurch und stieß die Kriegerin beiseite.
Das Lied erstarb und dann umfing sie Dunkelheit, als sich der mächtige Kiefer um Yerill schloss.

Harter Wind peitschte Xiucalta ins Gesicht und Trizils Lied brachte ihre Seele zum Klingen. Szar’zriss schoss in atemberaubender Geschwindigkeit hinab, direkt auf die lange, grünleuchtende Schlange zu, die sich gerade daran machte, die Erwählte zu verspeisen. Die Ablenkung, die nicht überleben würde. Die Seherin spürte, wie ihre Augen tränten, doch sie konnte nicht sagen, ob es am Gegenwind lag oder weil sie Trizils Verlust bedauerte.
Doch als das Lied plötzlich verstummte, hatte sie das Gefühl, die Welt selbst würde vor Trauer erstarren, so erschlagend schien ihr die Stille zu sein, obwohl noch immer heftige Böen in ihren Ohren dröhnten. Oh Trizil, es tut mir leid.
Sie beobachtete, wie der Splitterdrache den Schädel hob, um seine Beute herunterzuschlucken. Dies war der Moment. Der eine Augenblick, in dem er abgelenkt war, in dem er sich nicht wehren würde. Sie fühlte, wie Szar’zriss heftig mit den Flügeln schlug, um seinen Fall abzufangen. Es knallte, als die Luft auf die ausgebreiteten Schwingen traf und ihr Sturz abrupt endete.
Und dann grub der Drache seine Klauen in den grün leuchtenden Leib.

Sisrall fluchte, als ihn heftige Windböen umzuwerfen drohten. Szar’zriss schlug nur wenige Meter über ihm wie wild mit den Flügeln und die Luftstöße trafen den Erwählten wie die Fäuste eines Riesen. Aber er stemmte sich dagegen und drückte trotzig die Füße auf den kleinen Fleck geschwärzten Pflasters. Er mochte all seine Gefährten verloren haben bei der endlosen Verfolgung des Splitterdrachens, aber diese eine Aufgabe, die er jetzt noch hatte, würde er erfüllen, koste es, was es wolle. Das war er ihnen allen schuldig.
Auch, wenn er nicht einmal wusste, was er hier sollte. Er hatte das Horn und er hatte einen Ort. Das war alles, was die Seherin ihm gegeben hatte. Aber er würde verdammt sein, wenn deshalb jetzt einen Fehler beging. Ganz am Ende, als er schon begonnen hatte, an ihr zu zweifeln, war Geisterauge wieder aufgetaucht und hatte ihm das Horn gesandt, wie sie versprochen hatte. Und alles, was sie verlangte, war, dass er hier auf diesem Fleck wartete. Und bei Khaine, das würde er.
Entschlossen hob er den Kopf und reckte sich den peitschenden Windstößen entgegen. Und dann stockte ihm der Atem, als er erkannte, was hier eigentlich geschah. Geisterauge, Ihr seid wirklich unglaublich. Direkt vor ihm hatte Szar’zriss alle vier Klauen in den dicken Schlangenleib des Splitterdrachens geschlagen. Jetzt brachte der mächtige, schwarzrote Drache all seine Kräfte auf, um an Höhe zu gewinnen. Und er schaffte es. Ein langes Stück des grünen Körpers wurde vom Boden gehoben, bis es fast zwei Meter in der Luft hing.
Und da sah er sie. Die eine Schuppe, nur ein dunkler Punkt inmitten des grünleuchtenden Panzers, aber so bedeutend und einzigartig, als wäre sie der Mittelpunkt allen Seins. Das eine Ding, das allem Sinn gab. Und für Blutklinge war sie das. In diesem Augenblick gab es für ihn nichts Wichtigeres auf der Welt. All die Anstrengungen, die Hoffnungen und Enttäuschungen der letzten Stunden erhielten mit diesem kleinen Fleck Dunkelheit einen Sinn.
Wie ein Verrückter stürzte er vor. Er dachte nicht daran, was geschehen würde, wenn Szar’zriss losließ und er sich unter dem Leib des Splitterdrachens befinden würde. Sein eigenes Leben war unbedeutend. Er war Sisrall Blutklinge, der Held von Ghrond, Sieger der Talschlacht, Gesegneter von Feuer und Schatten, neunter Träger der Marilim und Anführer der Kinder des Mordes. Dies war seine Verantwortung, seine Pflicht. Sein Schicksal.
Er riss die Arme hoch und rammte die Spitze des Horns mit aller Kraft durch die dunkle Schuppe.

Xiucalta jubelte, als Blutklinge das Horn durch die verletzbare Schuppe stieß. Es war vollbracht. Sie hatte es geschafft. All ihre Vorhersagen hatten sich erfüllt, jeder Teil ihrer Pläne hatte funktioniert. Alles, was sie getan, gesagt und verschwiegen hatte, gipfelte jetzt in diesem einen, perfekten Moment des Sieges. Neun Kinder des Mordes, zwei Aydari und der letzte Ahnendrache hatten gemeinsam geschafft, was den mächtigen, wahren Drachen in der alten Zeit nicht vergönnt gewesen war. Sie hatten Kandidor, den mächtigsten der Dämonendrachen, für alle Zeiten besiegt.
Sie hörte, wie Szar’zriss seinen Triumpf herausbrüllte, während sein Feind unter ihm starb. Die meterlange Schlange wickelte sich in unendlicher Agonie um die Einstichstelle zusammen, während sie vor Schmerz, Hass und Wut schrie. Mächtige Wellen Magie liefen über seinen Körper, der mehr und mehr verschwamm. Seine Schuppen schienen sich zu verflüssigen, während sein Leib verkümmerte. Immer dünner und kürzer wurde die gewaltige Schlange, als würde sie in das Horn gesaugt werden, das noch immer vollkommen unverrückbar an der Stelle in der Luft hing, an der es den Schuppenpanzer durchdrungen hatte.
Darunter konnte sie Blutklinge ausmachen, der auf den Rücken geschleudert worden war und nun das Schauspiel über ihm mit weit aufgerissenen Augen beobachtete. Immer schneller und rascher verschwand der Körper des Splitterdrachens in dem Artefakt, bis nur noch die grün funkelnde Schwanzspitze hervor lugte. Einen Moment lang glitzerte sie wie ein Edelstein, dann explodierte sie.
Eine Schockwelle aus grünem Licht raste in alle Richtungen davon und schien die Winde der Magie selbst zu verzerren. Sie fegte wirkungslos über Blutklinge und Szar’zriss hinweg, aber Xiucalta hatte das Gefühl, ihr Köpf würde zerplatzen. Sie schrie auf, als unendliche Pein durch ihren Leib tobte und ihre Nerven zu verbrennen schien. Ihr Stab fiel zum Boden hinab, als sie die Hände auf den Schädel schlug und die Augen verdrehte. Doch es gab kein Entkommen vor dem Schmerz. Was sie fühlte, war das Leid der Ströme, die sich verschoben, zerrissen und neu verschmolzen. Die Realität blieb unberührt, aber darunter schien alles zu zerbrechen. Das Gerüst, auf dem die Welt errichtet worden war, wurde in Stücke geschlagen und neu zusammengesetzt.
Und sie, Xiucalta, war ein Teil davon. Ihr Geist war mit den Winden der Magie verbunden und jetzt konnte sie sich nicht mehr davon lösen. Sie fühlte, wie sie tiefer und tiefer in das Netz aus zerreißenden und verschmelzenden Fäden gezogen wurde, wo das unendliche Flüstern sie umfing und vereinnahmte, wo Zukunft und Vergangenheit zusammenstießen und eins wurden, wo Möglichkeit und Wahrheit dasselbe, wo Zeit und Raum irrelevant waren, wo es keine Lügen und kein Vergessen gab. Wo nur das Jetzt existierte, nur das Sein, nur der Geist.
Die Bedingungen waren erfüllt worden. Der Lebensfresser war besiegt. Der Todessammler war zerstört. Und die Brücke der Macht war errichtet. Xiucalta glaubte, wieder Trizils Lied zu hören, zu spüren, wie es ihren Körper und ihren Geist durchdrang und von Macht, Leben und Tod sprach. Die Bedingungen waren erfüllt worden. Die Wende der Magie begann.
Sie fühlte kaum noch, wie sie von Szar’zriss Rücken rutschte, während ihr Geist in der Dunkelheit jenseits der Realität versank.


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Dies ist nun das Ende der Viermächteschlacht. Die Geschichte geht aber noch ein wenig weiter. Und sie hat auch ein Happy End, das vielleicht ein wenig sehr fröhlich wirken mag.
Wer also etwas gegen gut ausgehende Geschichten hat, der ist herzlich eingeladen, an dieser Stelle abzubrechen. Ich würde dann aber um einen abschließenden Kommentar bitten.
Er kann ja dann davon ausgehen, dass Yerill Trizil nicht mehr retten konnte, beide also tot sind, dass Xiucalta auch in den Tod gestürzt ist und die drei Erwählten (Artewu + die beiden Namenlosen) es ebenfalls nicht überlebt haben. Ganz begeisterte Schwarzmaler können sich ja weiterhin vorgestellen, dass Meisterin Frostwind Bluthand umgebracht hat (um aufzusteigen, als Rache für Xiucaltas Verhalten, weil sie es kann, was weiß ich) und dass Blutklinge sowie Szar'zriss die Explosion des Splitterdrachens vielleicht doch nicht so unbeschadet überstanden haben, wie Xiucalta gedacht hat. Damit bleiben vier schwer verletzte Kinder des Mordes übrig, die dann von Viverla'atar umgebracht werden. ^^ Damit wäre das Happy End dann gegessen.

Alle anderen: Viel Spaß beim Weiterlesen und ich hoffe auf regelmäßige Kommentare.
 
Zuletzt bearbeitet:
Epic. Einfach nur sehr gut. Dazu, dass das Kapitel wie geschrieben relativ kurz ist, war es ein sehr immersives Ergebnis gewesen. An dieser Stelle will ich auch nicht viel weiter ins Detail gehen, da ich finde, dass das komplette Kapitel einfach nur gelungen ist. Soweit dann Gratulation von mir für das Schaffen des größten Brockens dieser Geschichte. 🙂
 
Epic. Einfach nur sehr gut. Dazu, dass das Kapitel wie geschrieben relativ kurz ist, war es ein sehr immersives Ergebnis gewesen. An dieser Stelle will ich auch nicht viel weiter ins Detail gehen, da ich finde, dass das komplette Kapitel einfach nur gelungen ist.
na das ist doch mal schön zu hören. So gelobt hast du mich ja noch nie 🙂 Diesen Teil hatte ich übrigens am Tag unseres ersten Treffens geschrieben. Du erinnerst dich ja vielleicht noch, dass ich überlegt habe, was ich mit Xiucalta mache, da sie jetzt ja so ein bisschen "getroffen" ist 😉

Soweit dann Gratulation von mir für das Schaffen des größten Brockens dieser Geschichte. 🙂
vielen Dank. Ich denke mal, ich kann davon ausgehen, dass du noch bis zum Ende dabei bist? 😉
 
na das ist doch mal schön zu hören. So gelobt hast du mich ja noch nie 🙂 Diesen Teil hatte ich übrigens am Tag unseres ersten Treffens geschrieben. Du erinnerst dich ja vielleicht noch, dass ich überlegt habe, was ich mit Xiucalta mache, da sie jetzt ja so ein bisschen "getroffen" ist 😉
Jop, ich erinnere mich daran, wie ich noch anmerkte, dass sie ein klein wenig übermächtig sei... ^_^ Sehr passendes Ergebnis, wie ich finde. Genau nachdem die größte Hürde übewunden wurde, bekommt sie selbst noch einen großen Schaden ab.

vielen Dank. Ich denke mal, ich kann davon ausgehen, dass du noch bis zum Ende dabei bist? 😉
Klar doch! 🙂
 
Sehr passendes Ergebnis, wie ich finde. Genau nachdem die größte Hürde übewunden wurde, bekommt sie selbst noch einen großen Schaden ab.

ähm nein, es ging für mich ja mehr um die Frage, was aus diesem "Schaden" entsteht. Ob sie dadurch jetzt noch mächtiger wird oder deutlich schwächer oder ob sie im Großen und Ganzen so bleibt.
Naja, die Antwort dazu gibts demnächst.
 
Gut, für alle, die sich nicht an einem Happy End stören oder einfach wissen wollen, was nun noch kommt, geht es nun hier weiter.

Zu sagen gibts von meiner Seite her nicht viel, dafür seid ihr ja zuständig.

Viel Spaß.

Krankenbesuche


"Denn schlaflos ist ja der Kranken Schlaf
Und lauscht und sieht alles."
[FONT=&quot]— [/FONT]Sophokles, Philoktet (Chor)

Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
Sonnenuntergang

Als Xiucalta die Augen aufschlug, bereute sie es sofort. Es war, als würde sie in das Licht tausender Sonnen blicken und gleichzeitig in dieser Helligkeit durch den Himmel schwimmen, um jeden Punkt der Erde zu beleuchten. Sie sah eine mit prächtigen Malereien verzierte Decke über sich und gleichzeitig dutzende Räume darüber, den Himmel dahinter und die Personen darin, kannte ihre Namen, ihre Positionen, ihre Abstammung, ihre gesamte Vergangenheit. Und für sie gab es nicht nur diesen einen Anblick. Gleichzeitig sah sie die Jahrtausende, die dieses Gebäude schon stand, an ihr vorbeiziehen, sah Bewohner und Gäste kommen und gehen, sah Zärtlichkeiten, finstere Intrigen, bekannte und fremde Rituale, Zeremonien, Bankette, Opferungen, sah die Errichtung der Mauern und …
„Oh Khaine, erlöse mich von dieser Qual.“, flüsterte sie und schrak zusammen, als sie ihre eigene Stimme hörte. Es war ein unwirklicher Klang, als spräche sie in dickstem Nebel und sie schien nicht aus ihrem Mund zu kommen, sondern direkt in ihrem Ohr zu entstehen.
Sie wimmerte und wollte die Augen schließen, aber das ging nicht. Oder vielmehr, es ging schon, aber das, was sie sah, verschwand dadurch nicht. Es war in ihrem Kopf, Wissen, Eindrücke, Geschichte, Information. Es gab keinen Unterschied mehr, denn für die Winde der Magie war das eins. Und sie war eins mit den Strömen, gefangen in ihrem Netz und ein Teil ihres ewigen Flusses.
Allmählich normalisierte sich ihre Sicht, als ihr Geist in ihren Körper zurückkehrte. Die Decke war nur noch eine Decke und kein Fenster zu dutzenden Stockwerken und Jahrtausenden Geschichte. Als sie die Augen schloss, umfing sie die beruhigende Dunkelheit ihrer Augenlider.
„Alles in Ordnung?“, fragte eine vertraute Stimme über ihr und sie schlug instinktiv die Augen wieder auf, obwohl sie schon lange vorher wusste, was sie sehen würde. Das Gesicht von Blutklinge schwebte über ihr, ohne Helm und mit einem Funken Sorge in den goldenen Augen. Er sah erschöpft und abgekämpft aus, seine Haut war blass und sein Gesichtsausdruck hart.
Xiucalta versuchte, zu nicken, aber sie war sich nicht sicher, ob das gelang. Es war so unbefriedigend, ihren Körper zu verwenden. Ihr Geist war eins mit den Winden, gleichzeitig hier und dort, jetzt und überall. Die Ströme hatten sich neu geordnet und sie, Xiucalta, war dabei gewesen. Sie war mit ihnen verschmolzen, ein Bestandteil des Netzes aus Kraft und auf immer dahinter gefangen.
Aber nun brachten die Winde sie zurück, strömten in ihren Leib und blieben bei ihr, um sie wieder davonzutragen, wenn sie bereit dazu war. Ihr Flüstern war überall in ihrem Geist, vertraut, beruhigend, verlockend. Sie war das Kind der Magie, die Tochter der Winde und die Königin der Ströme.
„Ja“, krächzte sie und schrak abermals zusammen, als ihre Stimme aus dem Nichts zu kommen schien. Ein Geschenk der Winde, die ihre Worte nicht der Luft anvertrauten, sondern selbst überbrachten. Wohin auch immer sie wollte.
Aber so langsam fühlte sie sich wieder halbwegs normal, als sie sich ihres Körpers bewusst wurde und die Anstrengungen des Tages in den Gliedmaßen spürte. Sie sah und hörte wieder nur das, was ihre Sinne ihr liefern konnten, auch wenn das Flüstern der Magie sie daran erinnerte, dass sie zu so viel mehr fähig. Doch im Moment war sie völlig zufrieden mit ihrer Rolle als sterbliche Novizin.
„Was ist geschehen?“, fragte Blutklinge sie. „Ihr seid von Szar’zriss Rücken gefallen. Er konnte Euch gerade noch auffangen.“ Xiucalta sah sich um und blinzelte. Sie befand sich in einem sehr kleinen Raum in einem Bett, das frisch und sauber roch. Im Hexenkloster?, fragte sie sich und fast sofort beantworteten die Winde ihre Frage. Ja, sie lag im Kloster, ein wenig abseits der großen Krankensäle. Blutklinge hatte dafür gesorgt. Denn sie brauchte keine wirkliche Hilfe, sondern nur Ruhe, um sich zu erholen. Da war sie hier besser aufgehoben.
„Die Wende der Magie hat begonnen.“, erklärte sie, aber Blutklinge runzelte nur die Stirn. Ihre seltsame Stimme schien auch ihn zu verwirren. „Ich werde es Euch später erklären, erst einmal muss ich es selbst ganz verstehen. Aber diese Schockwelle hat mich anders getroffen als Euch. Sie hat die Winde der Magie verschoben und dabei meinen Geist aus meinem Körper gerissen.“ Sie schluckte. „Ich war auf der anderen Seite, Blutklinge. Jenseits der Grenzen. Ich habe die Paläste der Dämonen durchstreift und die Kriege der Götter gesehen. Es … war herrlich und schrecklich zugleich. Ich war Teil der Winde, ich war reine Magie, gleichzeitig überall und nirgendwo. Für einen Augenblick hatte ich die Macht einer Göttin, als die Ströme zerrissen und neu zusammengesetzt wurden. Ich war eins mit ihnen. Ich hätte sie nach meinem Willen formen können.“ Sie versuchte ein schiefes Lächeln. „Aber vielleicht war das auch nur ein merkwürdiger Traum.“
„Die Magie hat sich geändert.“, widersprach Blutklinge. „Selbst ich kann das spüren, auch wenn ich nicht sagen kann, was anders ist.“
Xiucalta nickte. „Ja, die Wende der Magie ist Wirklichkeit und damit beginnt nun ein neues Zeitalter.“ Dann sah sie dem Erwählten fest in die Augen. „Bitte behaltet das, was ich eben gesagt habe, für Euch. Ich will nicht, dass irgendjemand anderes von der Macht erfährt, die ich für einen Augenblick hatte, oder von dem, was ich gesehen habe. Fragt mich niemals danach. Es gibt Dinge, die kein Sterblicher oder auch Unsterblicher erfahren sollte.“
„Ich verspreche es Euch, doch sagt mir, weshalb habt Ihr es mir erzählt?“
„Weil einer es wissen muss. Damit Ihr mich aufhalten könnt, falls ich den Verlockungen dieser Macht erliege. Und weil Ihr bereits im Schattenreich wart.“ Der Erwählte nickte. Eine Weile breitete sich Schweigen zwischen ihnen aus, während Blutklinge über ihre Worte nachdachte und Xiucalta versuchte, die Eindrücke zu verdrängen, die ihre Erzählung wieder an die Oberfläche gerufen hatten.
„Welche Auswirkungen hat diese … Wende auf Eure Fähigkeiten? Und die aller anderen Magier?“
„Die normale Zauberei wird sich kaum ändern. Meine Sicht jedoch hat sich verschoben und konzentriert sich jetzt noch stärker auf Gegenwart und Vergangenheit. Die Magie wird wilder und unkontrollierter und macht es mir schwerer, die Zukunft zu sehen. Für eine Minute kann ich die Bewegungen jedes Staubkorns vorhersagen, für eine Stunde die Worte, Entscheidungen und Reaktionen von Personen, für einen Tag ihre Wege und Taten, für einen Monat ihr Überleben oder Sterben. In drei kann ich noch Sieg oder Niederlage größerer Armeen erkennen. In einem Jahr sehe ich nur noch das Schicksal von Dörfern, Städten und Festungen. In einem Jahrzehnt nur Untergang oder Bestehen von Völkern und Nationen.“
Blutklinge nickte und versank abermals in Schweigen.
„Warum seid Ihr hier bei mir?“, fragte Xiucalta schließlich. „Und wie lange ist es her, seit ich …“
„Höchstens eine halbe Stunde. Szar’zriss hat Euch und alle anderen Verletzten hierhergebracht. Trizil und ich sind gerade erst hier angekommen und ich habe nacheinander alle besucht. Ihr kamt gerade zu Bewusstsein, als ich reinkam, deshalb dachte ich, ich …“
„Moment. Trizil lebt?“, fragte Xiucalta und setzte sich aufrecht hin. „Aber …“
Eine tiefe Traurigkeit schlich sich in Sisralls Augen. „Ja, sie lebt und ist unverletzt.“ Er holte tief Luft. „Sie hat mir erzählt, dass Ihr gesagt hättet, es müsse eine Ablenkung geben, die nicht überleben würde, damit wir Erfolg haben. Sie dachte, sie wäre die Ablenkung.“
„Das dachte ich auch, so habe ich es vorausgesehen. Aber wer …“ Ihre Stimme versagte, als sich ihre Brust vor Schmerz zusammenzog. Sie kannte die Antwort. Es gab nur eine Person, die ihre Visionen hätte verändern können, ohne dass sie es merkte. Sie hörte Sisralls Worte kaum noch.
„Yerill … ich meine Sturmtanz hat es getan.“
„Was ist mir ihr?“, fragte die Seherin, während ihr eine Träne über die Wange lief. Es war ihr egal, ob Blutklinge sie so sah. Wenn Yerill tot war, war alles egal.
„Der Splitterdrache hat sie gefressen. Ihre harte Haut und ihre Immunität gegenüber Magie haben wohl verhindert, dass er sie sofort verdaut hat wie alle anderen, aber die Kräfte, die in seinem Innern gewirkt haben müssen, waren selbst für sie zuviel. Sie schwebt am Rande des Todes und es gibt nichts, was wir für sie tun können.“
„Bringt mich zu ihr!“, verlangte Xiucalta und sprang aus dem Bett. Sie trug nur noch ihre schwarzen Unterkleider und keine Schuhe mehr, aber das war ihr egal. Sie wäre auch nackt gegangen. Blutklinge öffnete protestierend dem Mund, aber als sie ihn finster ansah, schloss er ihn wieder und nickte nur. Sie merkte ihm an, dass er sich zu hoffen verbot. Ein Teil von ihm wollte glauben, dass sie auch die Macht besaß, die Unsterbliche zu retten, aber die Vernunft sprach dagegen. Xiucalta wusste selbst nicht, ob sie irgendetwas würde tun können.
Der Erwählte führte sie auf den nur schwach beleuchteten Flur hinaus und ein paar Zimmer weiter. Er öffnete die Tür und die Seherin stürmte hinein. Auch hier stand nur ein einzelnes Bett und darin lag die Unsterbliche. Xiucalta blieb wie angewurzelt stehen und trat dann zögerlich näher. Yerill sah schrecklich aus. Ihre glatte Haut war nicht länger leuchtend weiß, sondern hatte die hässliche, braugraue Farbe matschigen Schnees angenommen. Ihr schönes Gesicht war eingefallen, ihre Lippen fast weiß und ihre Haare versengt. An zahllosen Stellen waren schwarze Wunden zu sehen, als wäre ihr Fleisch verbrannt worden. Dort hatte die Macht des Splitterdrachens den Sieg über Yerills Eishaut davongetragen und sie beinahe getötet.
Fassungslos und starr vor Schock trat Xiucalta neben sie und legte vorsichtig eine Hand auf die Wange der Unsterblichen. Ein wenig Hoffnung erwachte in ihr, als die Augenlider flatterten, aber die Schwäche in den schwarzgoldenen Augen ließ sie zusammensinken. Yerill hatte Mühe, sie anzusehen.
„Xiu.“, flüsterte sie. „Du bist bei mir.“
„Ja, bin ich hier. Meine Kraft wird dir guttun. Alles wird wieder gut.“
„Nein. Es ist zu spät.“ Sie keuchte heftig und ihre Stimme versagte. „Deine Kraft reicht nicht, ich …“
Doch dann fielen ihr die Augen zu und sie verstummte. Ihr Kopf sank zur Seite und Xiucalta schrie panisch auf. Aber noch atmete die Unsterbliche, wenn auch flach und rau. Ein einzelner Blutstropfen rann aus ihrem Mundwinkel und die Seherin erstarrte. Ganz langsam drehte sie sich zu Blutklinge um.
„Lasst mich bitte allein mit ihr.“
„Nein.“ Seine Stimme klang gleichzeitig entschlossen und weich. „Ich bleibe bei ihr. Sie ist …“
„Eure Tochter, ich weiß.“, entgegnete Xiucalta so sanft und geduldig wie möglich. „Und deshalb bitte ich Euch, mir jetzt zu vertrauen. Ich weiß, dass es während der Schlacht nicht einfach war, mit meinen Vorhersagen zurechtzukommen, aber ich habe Euch nicht enttäuscht, oder? Es gibt den Hauch einer Chance, Yerill zu retten, aber ich muss dies allein tun.“
Sie sah den Widerstreit in Sisralls Miene. Sie verstand ihn. Auch sie hätte alles dafür getan, bei Yerill zu bleiben, wenn sie starb. Deshalb zwang sie sich, sich ihre Ungeduld nicht anmerken zu lassen.
„Yetail liegt in den Gemächern der Zweiten Meisterin und wird allmählich unruhig, weil man sie nicht herauslassen will. Vielleicht solltet Ihr sie besuchen, bevor sie ihre Pfleger in Asche verwandelt.“ Sisrall riss den Kopf hoch. Anscheinend hatte ihm noch niemand gesagt, dass Bluthand auch hier war. „Ich lasse Euch rufen, wenn … es zu Ende geht.“ Sie hatte Mühe, die letzten Worte auszusprechen und Blutklinge nickte. Nach einem letzten Blick auf Yerill wandte er sich ab und schloss leise die Tür hinter sich.
Xiucalta atmete tief durch und drehte sich dann wieder zu der bewusstlosen Unsterblichen um. Es gab eine Möglichkeit. Sie glaubte, zu wissen, was Yerill fehlte. Aber es ihr zu geben, könnte ihren eigenen Tod bedeuten. Sanft streichelte sie die kalte Wange.
„Bring mich nicht um, ja?“, meinte sie, dann setzte sie sich auf die Bettkante. Vorsichtig drehte sie Yerills Kopf, bis sie gerade nach oben blickte. Dann drückte sie deren Mund auf und atmete noch einmal tief durch. Sie legte ihren Unterarm zwischen die Kiefer der Unsterblichen und presste ihre Haut leicht gegen die obere Zahnreihe. Die messerscharfen Zähne ritzten ihre Haut beinahe schmerzlos auf und Blut rann über ihren Arm und in Yerills Rachen.
Als die ersten Tropfen ihre Kehle benetzten, schlug die Unsterbliche die Augen auf. Die Schwäche war verschwunden, aber stattdessen fand Xiucalta darin nur noch wilden Hunger und unkontrollierte Begierde. Sie zuckte zurück, doch es gab kein Entkommen. Zierliche, aber eiskalte Hände packten sie mit unvorstellbarer Kraft.
Einen Augenblick später schleuderte Yerill sie durch das Zimmer und landete auf ihr, als die Seherin hart gegen die Wand krachte und sich in ihrem Kopf alles zu drehen anfing. Sie sah die hungrigen Augen nur Fingerbreit vor ihren und dann spürte sie heißen Schmerz in ihrem Hals, als sich die scharfen Zähne in ihre Kehle bohrten.
„Yerill.“, flüsterte sie noch, bevor sie das Bewusstsein verlor.

Sisrall stieg die Stufen der Treppe hinauf, die durch einen der Türme des Hexenklosters führte und allmählich besserte sich seine Laune. Die Angst um Yerill nagte weiterhin an ihm, aber er konnte Yetails Stimme schon von Weitem hören und die Tatsache, dass es wenigstens ihr gutging, gab ihm die Hoffnung zurück, dass vielleicht auch seine Tochter durchkommen würde. Wenn es jemanden gab, der ihr helfen konnte, war das vermutlich Xiucalta. Auch wenn er nicht begriff, weshalb Yerill ihr so viel bedeutete. Aber da war etwas in ihrem Blick gewesen, das ihm gesagt hatte, dass sie sich nicht weniger Sorgen machte als er.
„Es geht mir gut und ich habe es satt, hier herumzusitzen und nicht zu wissen, was dort draußen los ist.“, schrie Yetail gerade, als er den Treppenabsatz erreichte. Grinsend blieb er im Türrahmen zu den Gemächern stehen, in denen man sie untergebracht hatte und beobachtete die Szene. Die Zauberin sah wirklich eindrucksvoll aus. Sie hatte die goldenen Handschuhe zu Fäusten geballt und in die Hüften gestemmt, während der Saum eines neuen, ebenfalls goldfarbenen Mantels über ihre Stiefel strich. Ihr weißblondes Haar umrahmte ihr stolzes und schönes Gesicht, während ihre dunklen Augen finster blitzten.
Verdammt, sie sah wirklich gut aus. Und wesentlich ausgeruhter als alle anderen, die er in letzter Zeit gesehen hatte. Selbst Xiucalta hatte man die Anstrengungen der Schlacht angesehen. Yetail jedoch sah besser aus denn je. Im abendlichen Licht, das durch große Fenster hereinfiel, sah es aus, als würde ihre Haut funkeln.
„Aber Meisterin Lichtfinger hat gesagt, Ihr sollt hier bleiben. Ihr wart fast tot, als Ihr hierherkamt, und müsst Euch erholen.“, widersprach die sehr junge Frau ihr gegenüber, deren Halsreif sie als Novizin der Heilkunde identifizierte. Man merkte ihr an, dass sie nicht glücklich mit ihrer Aufgabe war, die mächtige und allmählich offensichtlich ungeduldige Erste Kriegsmeisterin festzuhalten, aber sie hatte nun einmal die Anweisungen.
„Lasst gut sein.“, meinte Sisrall und trat ein. Yetail schloss den zum Protest geöffneten Mund und die Novizin wirbelte sichtlich erleichtert herum. „Ihr macht Eure Aufgabe sehr gut und falls Eure Meisterin daran zweifeln sollte, werde ich ihr das gerne bestätigen. Aber ich denke, Ihr werdet an anderer Stelle dringender gebraucht. Ich werde auf Meisterin Bluthand achten.“
Die Novizin zögerte und verneigte sich dann. „Wie Ihr wünscht, Meister Blutklinge.“ Damit eilte sie an ihm vorbei und verschwand die Treppe hinunter. Kaum war sie außer Sicht, ließ Yetail sich auf das Bett fallen und atmete tief durch. Die Maske der kraftstrotzenden Meisterin fiel von ihr ab und sie offenbarte ihre wahre Erschöpfung. Ganz offensichtlich hatte sie die Entbehrungen doch lange noch nicht weggesteckt. Das hätte ihn auch überrascht, wenn die Worte der Novizin, dass sie hier fast tot angekommen war, stimmten. Sisrall schloss die Tür und setzte sich dann neben sie. Sie lehnte sich an ihn und er schlang die Arme um sie. Sie brauchten keine Worte. Sie waren beide vollkommen zufrieden damit, einander zu spüren und zu wissen, dass sie beide noch am Leben waren. Eine wunderbare Ewigkeit saßen sie einfach nur da und gönnten sich die wohlverdiente Ruhe nach dem vielleicht längsten und härtesten Tag ihres Lebens.
„Dann ist es also vorbei?“, fragte Yetail schließlich, ohne sich aus der Umarmung zu lösen. „Der Splitterdrache ist besiegt?“
„Ja.“, antwortete Sisrall. „Gerade, als wir dachten, alles wäre verloren, als nur noch Trizil und ich kampfbereit waren, brachte Xiucalta uns dann endlich das Horn. Anscheinend hat sie uns auch die Aufgabe abgenommen, einen der Unseren zu töten. Ich habe Artewu zurückgelassen, nachdem er einen Fehler gemacht hatte, und sie muss …“
Yetail richtete sich ein wenig auf und blickte ihn überrascht an. „Du glaubst, sie hat einen von uns getötet?“ Sie lachte. „Oh Sisrall, Xiucalta war doch ein bisschen schlauer in ihren Plänen. Ich habe es getränkt. Es kam zu mir und ich habe es Nerglot durch seine herzlose, untote Brust gerammt.“ Zorn und Hass blitzten bei den letzten Worten in ihren Augen auf, aber sie beruhigte sich gleich darauf wieder. Es war ja nun vorbei.
„Aber Nerglot war nicht lebendig.“, widersprach er. Sie grinste nur.
„Jeder Zauber kann gebrochen werden.“, meinte sie und lehnte sich wieder an ihn. Sisrall konnte nur den Kopf schütteln. Dann versteifte er sich ein wenig, als ihm Artewu wieder einfiel. Verdammt, er hatte ihn im Glauben zurückgelassen, dass er tot war, dabei war er vielleicht nur verletzt und würde überleben, wenn sie ihm rechtzeitig zu Hilfe kamen.
Trizil?
Ja, Blutklinge?
Wie geht es Kerkil?
Er schläft. Seine Brüche heilen langsam. Soll ich ihn wecken?
Nein, lass ihn ruhig liegen. Aber du musst noch einmal in die Stadt. Lauf zu Szar’zriss und sucht zusammen nach Artewu. Er ist vielleicht doch noch am Leben.
Ich bin schon unterwegs. Sisrall konnte ihre freudige Hoffnung spüren. Das ist ja mal eine gute Nachricht. Aber wer musste dann sterben?
Nerglot.
Das ist ja eine noch viel bessere Neuigkeit. Geht es Bluthand gut?
Gut genug, um arme Novizinnen zu ängstigen.
„He, ich kann deine Gedanken auch hören.“, meinte Yetail ohne viel Überzeugungskraft.
Na, dann lass ich euch mal in Ruhe. Ich bin bei Szar’zriss. Ich melde mich, wenn ich Artewu gefunden habe. So oder so.
Damit verschwand die Kriegerin aus Sisralls Gedanken. Sisrall merkte, dass er lächelte. Trizils fröhliche und stets hoffnungsvolle Art hatte etwas Beruhigendes. „Wer hätte gedacht, dass sich ausgerechnet die unschuldige Trizil als die vielleicht größte Heldin der Druchii entpuppen würde?“, meinte er. Yetail sah ihn fragend an.
„Sie ist Todeslied.“, erklärte er. „Sie führte unser Volk über den Ozean und heute war sie es, deren Lied die wilde Flucht des Splitterdrachens stoppte und die sich ihm dann als Opfer anbot, damit ich an ihn herankam, um ihn zu vernichten.“
Weshalb sie das überlebt hatte, verschwieg er vorerst. Er konnte noch nicht über Yerill sprechen. Nicht, solange er nicht wusste, ob sie eine Chance hatte oder nicht. Warum hatte Xiucalta ihn noch nicht rufen lassen? Bedeutete es, dass sie die Hoffnung noch nicht aufgegeben hatte und Yerill noch nicht unmittelbar im Sterben lag? Oder hieß es, dass ihre Versuche, das Leben der jungen Frau zu retten, noch keinen Erfolg gehabt hatten? War Yerill vielleicht sogar schon tot und Xiucalta wagte es nicht, ihn jetzt zu rufen, weil es ihr leid tat, dass er zu spät kommen würde?
„Was ist los, Sisrall?“, fragte Yetail, die ihn aufmerksam musterte. „Du wirkst niedergeschlagen?“
Er schluckte und suchte nach Worten. Er war noch nicht bereit. „Was ist aus Viverla’atar geworden?“, fragte er stattdessen. Ein Funke Eifersucht blitzte in Yetails Augen auf, weil sie seine Niedergeschlagenheit fälschlicherweise mit dem Schicksal der Autarii in Verbindung brachte. Aber sie war zu erschöpft, um ihm böse zu sein.
„Sie war dort, als es … zu Ende ging. Als klar wurde, dass ich gewinnen würde, hat Nerglot sie irgendwie verschwinden lassen. Er hat wohl die Zeit um sie herum manipuliert, sodass sie entkommen konnte. Er sagte ihr, sie würden sich in ihrem Tal wiedertreffen, und dann versuchte er selbst, mit dem Torzauber zu entkommen. Wenigstens ihn konnte ich an der Flucht hindern. Was aus Viverla’atar geworden ist, weiß ich nicht. Ich fürchte, sie lebt noch.“
Sisrall nickte. „Das sind keine guten Neuigkeiten. Aber sie stellt wohl kaum eine Gefahr dar. Jeder von uns könnte sie töten und sie kann vermutlich keine Untoten erschaffen. Außerdem wird Xiucalta uns warnen, wenn sie etwas plant. Hoffe ich jedenfalls.“
„Das hoffe ich auch. Erzählst du mir, was hier bei euch passiert ist?“
Sisrall schüttelte müde den Kopf. „Es ist noch nicht einmal eine Stunde her, seit der Splitterdrache besiegt ist. Lass mir erstmal Zeit, mich zu erholen. Wir sind genauso erschöpft wie du. Außerdem würde mich Xiucaltas Sicht dazu auch interessieren und unsere Gefährten wollen vermutlich genauso gern wissen, wie es dir ergangen ist. Lass uns die Berichte verschieben, bis alle wieder auf den Beinen sind und …“
Doch dann merkte er, dass Yetail ihm schon gar nicht mehr zuhörte. Sie war an seiner Schulter eingeschlafen. Sisrall lächelte und betrachtete sie. Ihre stolze Selbstsicherheit war einer friedlichen Ruhe gewichen. Sie war wirklich schön. Er küsste ihre Haare und wusste, dass es für ihn keine andere Gefährtin geben würde.
Er hoffte, dass er Viverla’atar niemals wiedersehen würde.
 
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