Ok, da ich morgen ziemlich lange an der Uni sein werde und nicht weiß, ob ich es vorher noch schaffen würde, den Rechner anzumachen, poste ich jetzt schon einmal den zweiten Teil des Kapitels, der eigentlich für morgen geplant war.
ACHTUNG: Morgen gibt es entsprechend keinen neuen Teil. Wer glaubt, dadurch möglicherweise an Entzug zu sterben, der möge sich bitte diesen heutigen Abschnitt bis morgen aufheben. Ich übernehme keine Haftung für falsche Konsumierung meiner Geschichten 😉
Nun denn, viel Spaß.
Illusionsmagie (2/2)
In dieser Schlacht waren wir einfache Soldaten nur Spielfiguren am Rand. Die eigentlichen Entscheidungen wurden anderswo getroffen und vermutlich kann niemand genau sagen, was wann wo alles geschah.
[FONT="]— [/FONT]Bericht der Viermächteschlacht
Naggarond; Naggaroth
2567 IC; 8.Vollmond (5.Tag)
1 Stunde vor Mitternacht
Die Seherin hatte ihre Illusion mittlerweile wieder auf die gesamte Stadt erweitert, ansonsten aber ruhig abgewartet. Sisrall bemerkte allerdings, dass ihre Schüssel schon nur noch zur Hälfte mit Trauben gefüllt war. Die junge Frau war wohl wirklich am Verhungern gewesen.
„Dies ist jetzt der Augenblick, als unsere Begegnung beendet ist.“, erklärte sie. Sisrall nickte. Tatsächlich erkannte er die Kinder des Mordes, Szar‘zriss und Xiucalta auf der Turmspitze. Yerill war weiter im Innern der Stadt unterwegs, Nerglot und Viverla’atar im unterirdischen Grab. Der Splitterdrache hockte auf der Wiese vor der Stadt. „Allerdings gibt es jetzt im Prinzip drei Schlachten. Soll ich sie euch nacheinander zeigen, gleichzeitig oder immer abwechselnd?“
„Versuch, so viel wie möglich gleichzeitig zu zeigen, damit wir das Gesamtbild sehen. Vielleicht kannst du einige Stellen ja verlangsamen oder eben wiederholen.“, schlug Sisrall vor und die Seherin nickte.
Und schon kam wieder Leben in die Illusion. Er beobachtete, wie erst Xiucaltas violett umrandete Gestalt den Turm verließ, dann Yetail und wenig später auch die anderen Kinder des Mordes bis auf ihn und Kerkil, die stattdessen auf Szar’zriss Rücken kletterten.
Überrascht hörte Sisrall sein Gespräch mit Meister Drachenfluch noch einmal, während er beobachtete, wie Yetail durch die Stadt eilte. Auch Viverla’atar hatte sich jetzt von Nerglot getrennt und rannte wieder durch die unterirdischen Tunnel. Der Beschwörer tat erst einmal gar nichts.
Und dann startete der Splitterdrache. Er hörte, wie Yetail dicht neben ihm die Luft einsog, als das Duell der Drachen am Himmel entbrannte. Sisrall war selbst beeindruckt von den tollkühnen Manövern, die Szar’zriss in der Luft vollführt hatte, um seinen Feind zu bezwingen. Glücklicherweise übersprang Xiucalta das Gespräch in der Luft. Viele der Kinder des Mordes warfen der Bestie hinter ihnen anerkennende Blicke zu. Noch einmal verfolgten sie, wie Szar’zriss dem Splitterdrachen erst den Rückenkamm nahm, wie der dann mehrfach durch den Warp sprang, den kleineren, schwarzroten Drachen verletzte und letztendlich von Sisrall und Kerkil zu Boden gezwungen wurden.
Als Sisrall abstürzte, schlug Yetail die Hand vor den Mund und er drückte sie an sich. Er mochte es, wenn sie ihre Gefühle so offen zeigte. Es war aber wirklich verdammt knapp gewesen und auch er verspürte Furcht, als Szar’zriss hinter seinem fallenden Abbildung in die Tiefe raste. Gerade noch rechtzeitig fingen die langen Klauen ihn ab und ließen ihn etwas weniger tief auf ein Dach fallen. Anschließend krachte der Drache selbst mit Kerkil in ein Gebäude.
„Warte mal bitte.“, flüsterte Kerkil Xiucalta zu und das Bild erstarrte. Dann trat der Erwählte auf Szar’zriss zu und verneigte sich vor dem Drachen. „Das war der beste Flug meines Lebens. Und ich war schon oft mit Drachen in vielen Schlachten unterwegs. Es war mir eine Ehre, auf deinem Rücken zu fliegen, Szar’zriss. Ich danke dir, mein großer Freund.“ Die mächtige Bestie blickte ihn einen Moment an und schaute dann in Richtung der Seherin. Seine großen Augen wirkten irgendwie fragend. Sisrall musste sich zusammennehmen, um über den Anblick nicht zu lachen.
Das verging ihm ohnehin ganz schnell wieder, als plötzlich Xiucaltas Stimme an seinen Ohren unverständliche Worte sprach, die teilweise viel tiefer waren, als es einer Elfe möglich sein sollte. Es hörte sich wie ein Fauchen und Brummen an. Jetzt jedoch wandte sich Szar’zriss wieder Kerkil zu und stupste ihn sacht mit der Schnauze an. Auch er knurrte etwas, das mit ein wenig Phantasie als Wort zu erkennen war.
„Er hat dich Freund genannt.“, übersetzte Xiucalta für die sprachlosen Erwählten. „Szar’zriss versteht unsere Sprache nur teilweise. So wie für uns einige Worte der Drachensprache zu tief sind, um sie auszusprechen, kann er ab einer gewissen Höhe keine Laute mehr unterscheiden. Leider beherrscht er auch die Drachensprache bisher nur kaum. Er versteht alles, was ich ihm sage, aber er kennt nur wenige Begriffe, die er wiedergeben kann.“ Sie lächelte den mächtigen Drachen an. „Aber wir haben ja Zeit, das zu ändern.“
„Das war vielleicht das erste Wort, das ein Drache seit Tausenden von Jahren zu einem Elfen gesprochen hat. Oder überhaupt von sich gegeben hat.“, meinte Kerkil fassungslos. „Und er hat mich Freund genannt.“
Xiucalta lachte. „Ich möchte dir ungern die gute Laune verderben, aber sein erstes Wort war Meisterin. Und es galt mir.“ Jetzt lachte auch Trizil über Kerkils gespielt traurigen Gesichtsausdruck. Sie legte die Arme um ihn und tröstete ihn übertrieben. „Aydari zählen nicht.“, meinte sie und dem wusste Xiucalta nichts entgegenzusetzen.
„Nun, dann kann uns die Schwarze Aydar nun vielleicht mal zeigen, was sie eigentlich getan hat, um sich diesen Titel zu verdienen.“, stimmte Kerkil zu und zwinkerte Xiucalta an. Die lächelte in Yerills Richtung.
„Ja, kommen wir zurück zur Schlacht. Bevor ich jedoch auf meinen und Yerills Anteil zu sprechen komme, seht bitte noch einmal zum Khainetempel. Oder dem, was davon übrig ist.“ Sie hob den Bereich hervor, sodass die Erwählten verfolgen konnten, wie Yetail über die Trümmerlandschaft langsam in Richtung des Turms ging, aus dem wenig später Viverla’atar kletterte. Überrascht stellte Sisrall fest, wie dicht die Zauberin ihrer verhassten Konkurrentin gekommen war – und sie dennoch hatte entkommen lassen. Als Yetail in dem Turm verschwand, erstarrte das Bild.
„Weshalb hast du sie nicht getötet?“, fragte Sisrall. Yetail zuckte die Achseln und wandte sich stattdessen an Xiucalta. „Das hatte ich dich ohnehin fragen wollen. Weshalb hast du mich mit so einer unklaren Vorhersage dorthin geschickt, statt mir zu sagen, wo ich Viverla’atar hätte abfangen können?“
„Aus zwei Gründen. Zum einen wurdet Ihr so vor die Wahl gestellt. Eurem Hass nachgeben, was eine Vergeudung von Zeit und Magie bedeutet hätte, oder auf Eure Vernunft hören und sich auf das wichtigere Ziel konzentrieren. Ich bin froh, dass Ihr Euch richtig entschieden habt. Der andere Grund war, dass Viverla’atar auch noch eine Rolle zu spielen hatte. Wie Ihr sicher wisst.“
Yetail verzog das Gesicht, nickte aber. Als sie nichts weiter dazu sagte, ließ Xiucalta ihre Illusion wieder ein paar Minuten zurückspringen. Jetzt bekämpften sich die Drachen hoch am Himmel erneut. Dieses Mal hob sie aber einen anderen Bereich hervor, auf den vorher niemand geachtet hatte. Dort lief Yerill und schien etwas zu suchen.
Neugierig beobachtete Sisrall, wie seine Tochter über das Trümmerfeld eines kleinen Palastes lief und dann auf die beiden Hochgeborenen mit ihren Wachen traf. Xiucalta gab das Gespräch der beiden wieder und der Erwählte verzog vor Abscheu das Gesicht, als einer der Männer Yerill als Lustsklavin fangen wollte und gleich darauf dem anderen einen Dolch in den Hals schleuderte.
„Verdammte, adlige Feiglinge.“, fluchte Artewu, woraufhin Xiucalta das Bild anhielt. „Es gibt immer welche, die große Macht haben, aber ihren Dienst an Khaine auf Opfer und Gebete reduzieren. Dort stehen zwei Dutzend Soldaten, die gegen die Untoten eher von Nutzen gewesen wären.“
„Oh, ich glaube, ich weiß, was jetzt kommt.“, meinte Sisrall, dem Artewus Worte das Gespräch zwischen den beiden Kriegern im Krankensaal wieder in Erinnerung gebracht hatten. Tatsächlich beobachtete er nun lächelnd, wie die Unsterbliche ihre Angreifer mühelos zu Boden warf, den überlebenden Hochgeborenen umbrachte und dann die fliehenden Soldaten einfing.
Während die Kinder des Mordes die Predigt des Mädchens verfolgten, hoben einige erstaunt die Augenbrauen. „Beeindruckende Worte von einer Frau, die erst einen Tag alt ist und noch nie zu Khaine gebetet hat.“, meinte Yetail und Sisrall musste dem zustimmen. „Oder hast du ihr das vorgegeben, Xiucalta?“
„Nein, ich wusste davon nichts. Ich erfuhr erst davon, als man mich plötzlich Schwarze Aydar nannte. Wie gesagt, war das nicht meine Idee. Auch wenn sie mir gefällt.“
„Und was ist nun am Platz der Heiligen passiert?“, fragte Kerkil. „Wieso glüht der von Drachenfeuer und weshalb hat Yerill die Krieger dorthin geschickt?“
„Ich habe gesagt, dass ich sie dort erwarte, weil Xiucalta mir gesagt hat, dass sie mich dort sehen will. Allerdings erst später. Das war der einzige Bezugspunkt gewesen, den ich hatte.“, erklärte die Unsterbliche.
„Und das war genau richtig.“, lobte die Seherin, was das Mädchen strahlen ließ. Xiucalta deute wieder auf ihre Illusion und hob nun sich selbst hervor. Sie kniete auf einem Balkon an der Prachtstraße, in der Mitte zwischen dem Platz der Heiligen und dem Kriegslager.
„Mir ist eingefallen, dass ich vergessen hatte, mit euch die Frage zu diskutieren, wie wir die Untoten aufhalten.“, erklärte sie. „Ich habe lange überlegt, was ich tun könnte, und schließlich habe ich mich für dies entschieden.“ Nun kam wieder Leben in das erstarrte Bild und kurz unter ihr erschien eine leuchtende Gestalt, die mehr und mehr die Formen eines Elfen annahm und dann zu einem lebensechten Abbild von Reckdis wurde. Sisrall lächelte, als er nun endlich verstand.
Die anderen Kinder des Mordes verfolgten neugierig, wie die Illusion auf das Kriegslager zu lief und dann mit täuschend echter Stimme die Krieger in den Kampf rief. Yetail wirkte tief beeindruckt.
„Glaubt mir, das war nicht leicht.“, beantwortete Xiucalta die Frage, die in der Miene der Meisterin zu lesen war. „Es ist einfach, die Ströme der Magie wiedergeben zu lassen, was gesagt wurde, aber für das da musste ich meine eigene Stimme mit den Erinnerungen an Reckdis verzerren, sonst hätte es nicht echt gewirkt. Das war vermutlich das Komplizierteste, was ich je getan habe. Wenn auch nicht das Anstrengendste.“
„Das glaube ich gerne.“, murmelte Yetail und beobachtete dann mit den anderen zusammen, wie Reckdis die Druchii zum Platz der Heiligen führte und dort formierte. Kurz erstarrte das Bild, als Xiucalta die Sicht verschob und dafür sorgte, dass die Erwählten gleichzeitig den Platz und das darunterliegende Grab sehen konnten, in dem Nerglot nun einen machtvollen Zauber vorbereitet hatte.
Dann hob der Beschwörer den Stab und das Pflaster unter Reckdis explodierte. Sisrall konnte noch die Worte hören, die einer der Befehlshaber über den Tod des Fürsten sprach, dann brach die Schlacht los, als die Untoten an die Oberfläche stürmten und sich auf den Ring der Verteidiger warfen. Wenig später erschuf Nerglot dann noch den Wirbel und der Regen aus Skeletten brachte die Stellungen stark ins Wanken.
„Sind die aus Metall?“, fragte Zalandra erstaunt.
„Nein, sie sind aus Knochen, aber dank des Drachenamulettes hatte Nerglot genug Macht, um sie mit Bronze zu überziehen. Allerdings nicht dick genug, um einem Bolzen oder einem Schwert wirklich Widerstand leisten zu können. Aber es sieht beeindruckend aus und schützt vor dem einen oder anderen halbherzigen Treffer.“, antwortete Xiucalta.
Xiucalta stellte nun die Illusion der gesamten Stadt wieder her, sodass die Erwählten ihren eigenen Kampf gegen den Splitterdrachen verfolgen konnten. Dalehon fiel ziemlich schnell durch die scharfe Schuppenhaut des Splitterdrachens. Sisrall sah sich selbst, wie er von Yerill und Viverla’atar verfolgt wurde, nachdem Artewu ihn allein gelassen hatte. Verdammt, er sah echt fertig aus.
„Dich scheint es ja genauso getroffen zu haben, wie mich.“, meinte Kerkil und deutete dorthin, wo Trizil ihn gerade aus den Trümmern schaffte. Szar’zriss hatte sich schon davon geschleppt. Sisrall nickte nur. Wenig später wurde auch Lokira ausgeschaltet, nachdem einer der Krieger dem Splitterdrachen ein paar Krallen abgeschlagen hatte.
Dann verlangsamte Xiucalta das Geschehen und alle konnten genau miterleben, wie Sisrall beinahe von zwei Seiten getötet worden wäre, und wie Yerill ihn in beiden Fällen gerettet hatte. Auch das Gespräch gab die Seherin in aller Klarheit wieder, auch wenn die Unsterbliche dabei sichtlich betreten dreinblickte.
„Da hast du Viverla’atar aber einen schönen Vortrag gehalten.“, meinte Trizil. Xiucalta beugte sich vor und küsste das Mädchen. Von einem Augenblick zum anderen war die Illusion verschwunden, während die beiden sich aneinander schmiegten. „Das finde ich auch. Ich bin stolz auf dich.“
Jetzt lächelte Yerill zufrieden und als die Seherin sich zurückzog, breitet sich auch das Abbild der Stadt wieder um sie herum aus. Sisrall war auf einmal ziemlich froh, dass er wenigstens Yetail die ganze Zeit berühren konnte, während sie die Schlacht noch einmal erlebten. Es war beruhigend, einen Arm um sie zu schlingen und ihren Körper zu spüren, während sich um sie herum das Schicksal ihres Volkes zu entscheiden schien.
Jetzt zeigte Xiucalta ihnen, wie sie Trizil und Kerkil vor dem Angriff des Splitterdrachens gerettet hatte. Das darauf folgende Gespräch übersprang sie allerdings. Stattdessen gab sie nun kurz wieder, wie Yerill Viverla’atar verfolgt und beinahe gestellt hätte.
„Du hattest also das Horn schon, als wir uns begegnet sind.“, meinte Sisrall. „Warum hast du es mir nicht gegeben?“ Überrascht sah er mit an, wie die Unsterbliche es verwendete, um die Autarii zu stoppen, bevor Trizils Lied ihre Jagd unterbrach.
„Weil das den Tod eines von euch bedeutet hätte.“, meinte Xiucalta, ohne sich umzudrehen. Wieder sprang sie ein Stück zurück und hob das unterirdische Grab hervor, bis es erneut beinahe so aussah, als stünden sie inmitten der zum Leben erweckten Leichen. Vor ihnen begann nun das Duell zwischen Nerglot und Yetail. Sisrall glaubte, die Macht der Zauber beinahe zu spüren, auch wenn er wusste, dass die Seherin das nicht darzustellen vermochte. Mit angehaltenem Atem verfolgten die Kinder des Mordes den magischen Schlagabtausch und auch Yetail schaute interessiert zu.
Plötzlich wurde es um sie herum eiskalt und es begann zu schneien. Xiucalta hielt überrascht das Bild an, auf dem Nerglots Seelentornado und Yetails Blizzardsturm einander gerade mit aller Macht bekämpften. Dennoch pfiffen weiter eisige Böen über sie hinweg und wirbelten die weißen Flocken durch die Luft.
„Tut mir ja leid.“, lachte Yetail. „Ich wollte Xiucalta nicht den ganzen Spaß überlassen.“ Schlagartig verschwand die Kälte wieder. „Außerdem wirkt es doch so viel echter.“ Sisrall drückte sie eng an sich und schüttelte den Kopf. Manchmal konnte auch sie für Überraschungen gut sein.
Lächelnd wandte sich die Seherin wieder ihrer Illusion zu und wenig später zuckten die Kinder des Mordes zusammen, als eine mächtige Druckwelle auf sie zuraste und Eismassen vor sich herschob. Dieses Mal war die aber nicht echt und löste sich kurz vor ihnen auf. Dann schrien sie wutentbrannt auf, als Nerglot ihre toten Körper mit unheiligem Leben erfüllte. Als Yetail ihn mit einem Feuerball zerschmetterte, schnappte Dalehon laut nach Luft.
„Immerhin bleibt so nichts mehr von unseren alten Leibern übrig, das missbraucht werden kann.“, meinte Trizil, deren untoter Version es gleich darauf nicht besser erging. Dann schleuderte Nerglot Yetail mit einem neuen Wirbelsturm in die Höhe. Grinsend beobachtete Sisrall, wie Yetail kurz unterhalb der Decke aus der Windhose heraus schwebte und dort erst einmal hängen blieb, während die erweckten Erwählten aus der Halle katapultiert wurden. Der Beschwörer wandte sich den beiden großen Knochenstatuen zu.
„Oh nein, das tut er nicht, oder?“, fragte Kerkil, aber auch er wusste es besser. Wenig später erhob sich die männliche Figur des Khaine und wurde ebenfalls an die Oberfläche gerissen. Xiucalta zeigte ihnen noch, wie Yetail die zweite Statue verzauberte und wie Nerglot sie zerschmetterte, dann erstarrte das Bild wieder einmal.
„Ich denke, an dieser Stelle sollten wir erst einmal wieder zum Rest der Schlacht zurückkehren.“ Sisrall nickte. Er hatte fast vergessen, dass es außerhalb dieser Halle noch mehr gab. Die Illusion war einfach zu echt. Die Seherin beschleunigte die Verfolgungsjagd des Splitterdrachens zwischen dem Moment, als Trizil ihm die Reißzähne genommen hatte, und dem, als er auf die verletzten Druchii traf und sie fraß. Danach zeigte sie in verlangsamter Geschwindigkeit, wie Zalandras Bolzen seine Klaue traf und wie er sie beinahe ebenfalls verspeiste, bevor sie ihm ins Auge schoss. Die Erwählten beobachteten, wie die Autarii vom mächtigen Schädel getroffen und beiseite geschleudert wurde. Dann zuckte auch Sisrall zusammen, als sein Abbild den Boden unter den Füßen verlor und beinahe zertrampelt wurde. Allerdings stellte er mit einer gewissen Befriedigung fest, dass die reflexartige Reaktion, mit der er dem Splitterdrachen dann die dritte Pranke genommen hatte, sehr geschmeidig aussah.
Xiucalta stellte ihnen noch die Verwandlung des Drachens zum Basilisken dar, dann hielt sie abermals inne. Da niemand eine Frage stellte, sprang sie zurück zum Platz der Heiligen und in den Moment, als gerade die untoten Kinder des Mordes an die Oberfläche kamen.
„Inzwischen ist die Verteidigung schon deutlich geschwächt worden. Die Schützen haben keine Munition und die Magier keine Kräfte mehr. Die meisten haben sich den Nahkämpfern angeschlossen, nur wenige haben sich zurückgezogen, um sich zu erholen.“, erklärte sie. Außerdem war deutlich zu erkennen, dass es den ursprünglichen Ring nicht mehr gab. Die Druchii waren jeweils in die Mündungen der Straßen zurückgetrieben worden. Und nun drohten die falschen Erwählten, diese Stellungen zu brechen.
Mit einem unguten Gefühl beobachtete Sisrall, wie der Knochenkoloss über dem Platz auftauchte und die Moral der Krieger erschütterte. Gleich sein erster Schlag ließ die Soldaten auf dem östlichen Teil der Prachtstraße die Flucht ergreifen.
Allerdings stand dort Xiucaltas violett markierte Gestalt. Von hier war deutlich zu erkennen, wie die meisten Männer einen deutlichen Bogen um die Schwarzgewandte machten. Sie stand so ruhig wie ein Fels in der Brandung und ließ die Fliehenden an sich vorbeilaufen.
Dann spannte sich ein blau leuchtender Schild über die gesamte Breite der Straße, fing die Soldaten ein und schloss die Untoten aus. Yetail nickte anerkennend. Ein roter Strahl zerschmetterte den Knochenriesen und Sisrall hob die Augenbrauen, als sich sieben übergroße Skelettmonster auf Xiucaltas Kuppel stürzten, die jetzt von roten Adern durchdrungen war. Selbst aus der Entfernung war zu sehen, welche Anstrengungen es die Seherin kosten musste, die Barriere aufrecht zu erhalten. Dafür wurden die Untoten dann allerdings auch ziemlich schnell vernichtet.
„Bin ich das dort?“, fragte Kerkil und Xiucalta nickte. Tatsächlich schlug sein untotes Gegenstück immer wieder leicht gegen den Schild – bis der plötzlich verschwand und ein weißer Blitz die Seherin fortriss. Bevor die Erwählten nachfragen konnten, wiederholte Xiucalta das Geschehen noch einmal langsam und dieses Mal war deutlich zu sehen, wie Yerill die Kuppel brach und sich ihre Geliebte schnappte.
Genauso schnell kehrte sie zurück und unterstützte die Verteidigung. Xiucalta hob allerdings das Innere des Gebäudes hervor und mit deutlichem Respekt verfolgte Sisrall, wie sie die Untoten vernichtete.
„Sieht ja so aus, als könne unsere Geheimniswahrerin auch kämpfen.“, grinste Kerkil, als sein ursprünglicher Körper zerschmettert wurde. „Das zahl ich dir irgendwann heim.“ Dann sog er scharf die Luft ein, als Xiucaltas Abbild beinahe von einem versteckten Skelettkrieger erwischt wurde. Die Illusion zeigte nun wieder die gesamte Straße und Yerills Kampf, während die Seherin auf einem Balkon erschien. Wenig später kamen die von Yerill manipulierten Krieger anmarschiert. Xiucalta gab nun erneut alle Worte wieder, sodass deutlich wurde, dass es tatsächlich nicht ihre Idee gewesen war, sie als Schwarze Aydar zu bezeichnen. Wenig später erschuf sie allerdings zum ersten Mal die schwarzgewandte Gestalt mit der leeren Kapuze, die das Bild der Soldaten von ihr so geprägt hatte. Wie Sisrall schon von den beiden verletzten Kriegern gehört hatte, rief sie nun alle mit Namen oder Zugehörigkeit auf und organisierte auf diese Weise die Verteidigung.
„An dieser Stelle möchte ich noch einmal Szar’zriss für all die Anstrengungen loben, die er auf sich genommen hat.“, erklärte die Seherin, nachdem die letzten Soldaten zu ihren Positionen aufgebrochen waren. Die Illusion sprang ein ganzes Stück zurück und verdeutlichte den Erwählten nun den langen, qualvollen Weg des Drachens durch die Stadt. Sie beschleunigte es ein wenig, aber dennoch war zu erkennen, wie sehr die mächtige Bestie dabei gelitten hatte.
Schließlich erreichten sie wieder den Moment, an dem Xiucalta die Krieger einwies. Jetzt hob sie zwei Bereiche besonders hervor. Einmal konnten die Erwählten verfolgen, wie Yerill sich durch die Untoten schlug und nach und nach ihre wiedererweckten Körper vernichtete. Zum anderen war zu sehen, wie die Seherin versuchte, Szar’zriss voranzutreiben, bis sie schließlich dazu überging, ihm Kraft zu spenden.
„Ich konnte leider nicht viel für ihn tun. Ich habe kaum Heilungsfähigkeiten und nachdem ich die Soldaten aufgehalten und Euren Wiedergänger“, sie wandte sich dabei an Kerkil, „vernichtet hatte, waren meine eigenen Kräfte beinahe am Ende. Ich konnte Szar’zriss gerade so viel geben, dass er seinen Blutverlust ausgleichen und sich weiterschleppen konnte.“
Tatsächlich war ihrem Abbild anzusehen, dass auch sie am Rande des Zusammenbruchs gestanden hatte. Sisrall konnte sich nur zu gut vorstellen, wie viel Magie nötig war, um so einen gewaltigen Leib wieder zusammenzuflicken. Umso mehr fragte er sich, welche Macht den Drachen letztendlich wieder auf die Beine gebracht und geheilt hatte.
Xiucalta beschleunigte ihre Illusion abermals, aber dennoch zog sich der Weg, den sie und Szar’zriss zusammen zurücklegten, lange hin. Schließlich brach die Bestie kurz hinter den Soldaten, die die Prachtstraße hielten, zusammen. Inzwischen waren einige der anderen Stellungen schon gefallen. Diese eine wurde nun aber von Yerill verteidigt, nachdem sie alle untoten Kinder des Mordes ausgeschaltet hatte.
„Ah, deshalb wolltest du, dass wir diese Straße halten.“, erkannte die Unsterbliche. „Damit die Skelette dich und Szar’zriss nicht umbringen.“ Die Illusion erstarrte jetzt wieder.
„Ganz genau. Ich wusste, du würdest mich nicht enttäuschen.“, bestätigte die Seherin.
„Aber was wolltest du mit ihm da überhaupt?“, fragte Kerkil. „In dem Zustand konnte er doch kaum mehr tun, als sie Soldaten zu erschrecken.“
„Das stimmt. Aber bevor ich diese Frage beantworten kann, solltet ihr erfahren, wie es Meisterin Bluthand unterdessen ergangen ist.“ Das Bild schob jetzt wieder die unterirdische Halle nach vorne und sprang in den Moment zurück, als Nerglot die große Knochenstatue zerstört hatte. Als niemand protestierte, ging das Duell der beiden Magier atemberaubend schnell und heftig weiter. Jetzt hatte sich der Stil der beiden Kontrahenten verändert. Inzwischen gingen sie mit aller Macht und allem Können gegeneinander vor.
Schließlich schien es, als habe Yetail verloren. Sie machte keine Anstalten, sich gegen Nerglots nächsten Zauber zu schützen. Sisrall drückte sie eng an sich, konnte den Blick aber nicht von der Illusion lösen. Dann grinste er, als sie überraschend und ziemlich spät Schwarze Magie benutzte, um die beiden Kugeln abzufangen. Selbst Xiucaltas Illusion erzitterte und flackerte angesichts der Macht, die Yetail in den Händen hielt, als sie Nerglots Zauber mit ihrer eigenen Kraft speiste und so übernahm.
„Tut mir leid.“, erklärte die Seherin. „Wie gesagt, Ihr habt die Winde der Magie selbst bis zum Zerreißen erschüttert.“ Die Kinder des Mordes jubelten, als ihre Zauberin den feindlichen Schild zerschmetterte und Nerglots Zauberstab zerbrach. Das Bild erstarrte. Sisrall küsste Yetail auf die Wange. Das war wirklich ein grandioser Sieg gewesen.
„Ähm.“, machte Xiucalta. „Es ist noch nicht vorbei.“ Alle starrten sie an und jetzt bemerkte Sisrall die rot umrandete Silhouette, die nicht weit entfernt hinter der Zauberin stand. Viverla’atar! „Ich wollte nur fragen, ob Ihr wirklich wollt, dass ich das alles wiedergebe.“, wandte sich die Seherin an Yetail. „Ihr wisst, dass es … nicht wirklich schön war.“
Sisrall schluckte. Wenn die sonst so schwer zu beeindruckte Xiucalta etwas derart betont unverfänglich ausdrückte, dann war er sich nicht sicher, ob er das tatsächlich sehen wollte. Auch Yetail schien einen Moment zu überlegen. Dann drückte sie die Schultern durch.
„Zeig es uns. Zeig ihnen allen, was sie getan haben. Miteinander und … mit mir.“ Sie erschauderte und Xiucalta nickte. Sie holte tief Luft, bevor sie sich wieder ihrer Illusion zuwandte. Das Bild schob sich ein Stück von ihnen weg, damit die Szenerie nicht mehr ganz so deutlich zu sehen war. Sisrall bereitete sich auf das Schlimmste vor.
Jetzt konnten sie beobachten, wie Viverla’atar Yetail erschoss und wie Nerglot die Zauberin folterte, indem er ihre Haut mit ihrer eigenen Magie verbrannte. Die Kinder des Mordes schnappten laut nach Luft. Sisrall fühlte Übelkeit und grenzenlosen Hass in sich aufsteigen. Er konnte nicht daran denken, dass dieser entstellte Leib dort seiner geliebten Gefährtin gehörte. Das durfte nicht sein!
Umso stolzer war er, dass sie trotz allem Nerglot nicht die Genugtuung gegönnt hatte, laut zu schreien. „Wie hast du das ausgehalten?“, flüsterte. Es musste ungefähr genauso schlimm gewesen sein wie damals, als ihm die Rüstung angelegt worden war. Nur dass er Betäubungsmittel bekommen hatte.
„Ich habe mich selbst geheilt, als Nerglot angefangen hat, mir meine Kraft zu entziehen. So konnte ich mich zumindest betäuben und vom Schmerz befreien.“ Sisrall nickte und fühlte, wie sie sich an ihn drückte, während sie weiter den schrecklichen Bildern folgten. Äußerlich war Yetails verbranntem Leib tatsächlich nicht anzusehen, dass sie sich geheilt hätte.
„Oh, das ist … widerlich.“, würgte Yerill, als die beiden Untoten anfingen, sich auf dem – wie Sisrall zornig bemerkte, für ihn vorgesehenen – Sarg zu vereinigen. Er fragte sich, was in der Unsterblichen vorgehen mochte. Immerhin war Viverla’atar ja trotz allem ihre leibliche Mutter und Nerglot war irgendwie etwas wie ihr Meister gewesen. Außerdem war das vermutlich gerade das erste Mal, dass sie ein richtiges Paar beim Geschlechtsakt sah. Er allerdings wollte sich die beiden jungen Frauen auch lieber nicht zusammen vorstellen.
Immerhin blendete Xiucalta nun die Geräusche aus, während die Kinder des Mordes Yetail dabei zusahen, wie sie sich um den Sarg herumschleppte. „Zur Erklärung: Ich wollte einfach nur Viverla’atars Armbrust haben, um einen von ihnen beiden mit in den Tod zu nehmen. Das war alles, worauf ich noch zu hoffen wagte.“
„Ja, und damit habt Ihr mir ganz schön viel Sorgen bereitet.“, warf Xiucalta ein. „Wisst Ihr eigentlich, dass dieser Augenblick, in dem Ihr den Sachenhaufen durchsucht, der einzige war, in dem Erfüllung und Scheitern meiner Visionen gleich wahrscheinlich waren?“
Aber soweit waren sie noch nicht. Yetail hatte erst die Hälfte der Strecke zurückgelegt. Jetzt gab Xiucalta die Geräusche doch kurz noch einmal wieder und Sisrall ballte vor Wut die Hände um die Schwertgriffe zu Fäusten, als Viverla’atar sich auf Nerglot sinken ließ und behauptete, ihn zu lieben.
„Warte mal kurz.“, meinte Yetail. „Was war das eigentlich für ein Zauber, den er da gewirkt hat?“ Von Magie war nichts zu sehen, abgesehen von dem halbdurchsichtigen Schild, aber vermutlich hatte die Zauberin damals etwas gespürt, das die Illusion nicht wiedergeben konnte.
„So genau kann ich das auch nicht sagen, denn er hat ihn in ihr gewirkt. Dort kommen auch die Winde der Magie nicht mehr hin und ich kann seine Gedanken nun einmal nicht lesen. Ich vermute aber, dass es ein dauerhafter Zauber war, der eine mentale Verbindung geschaffen hat, die es ihm ermöglicht hat, ihren Geist zu berühren. So konnte er ihre Lust steigern, wie genau, will ich gar nicht wissen. Dieselbe Verbindung hat er später genutzt, um die Kontrolle über sie zu übernehmen.“
„In Ordnung. Das hat mich in dem Moment echt erschreckt.“, meinte Yetail, deren Abbild inzwischen den Sarg umrundet hatte und nun den Haufen der abgelegten Kleidung begutachtete. Sisrall grinste, als sie das Drachenamulett nahm und es dann für ihre Zwecke benutzte. Während sich ihre Illusion selbst heilte, erklärte die echte Zauberin, was es mit dem Talisman und den Drachensteinen auf sich gehabt hatte.
Einen Augenblick später verschob Xiucalta die Abbildung wieder, sodass gleichzeitig auch die Geschehnisse oben am Platz der Heiligen zu sehen waren. Dort hatte Szar’zriss sich nun aufgesetzt und stieß ein lautes Brüllen aus, das auch durch die Illusion ohrenbetäubend war.
„Ah.“, machte Yetail, als sich der Drachenstein in ihrer Hand plötzlich zu einer geflügelten Miniaturbestie verwandelte und zur der Decke hinauf flog – seinem Herrn entgegen. Jetzt wurde auch endlich die Frage beantwortet, wie Szar’zriss geheilt worden war.
Was anschließend unten im Grab geschah, musste Xiucalta mehrmals wiedergeben. Zusammen erklärten sie und Yetail, wie die Zauberin Nerglot unter Druck gehalten hatte, wie der Viverla’atar mithilfe einer Zeitmanipulation und Gedankenkontrolle in Sicherheit gebracht hatte und wie er selbst gerade noch an der Flucht gehindert worden war. Die Kinder des Mordes jubelten, als das Horn des Splitterdrachens in seiner nicht mehr ganz untoten Brust versank.
Den Flug der Zauberin aus der Halle verkürzte die Seherin und zeigte dafür stark verlangsamt, wie sie, Yerill und Szar’zriss Yetail beschützt und die Untoten vernichtet hatten. Kerkil pfiff anerkennend durch die Zähne, als grell loderndes Drachenfeuer auf den blau leuchtenden Schild traf und den Platz in einen See aus rot glühendem Gestein verwandelte.
„Ihr beiden habt mich also gerettet. Ich dachte schon, es wäre jetzt doch um mich geschehen, als diese Untoten auf mich zu kamen.“
„Gern geschehen. Es war schön, dass Nerglot ihnen den Befehl gegeben hat, Euch aufzuhalten. So konnten wir sie alle auf einmal vernichten. Und wieder einmal gebührt Szar’zriss großes Lob. Ohne ihn wäre mir das nicht möglich gewesen.“
„Aber es zeugt von großem Mut, sich freiwillig einer solchen Flammenattacke auszusetzen.“, meinte Kerkil. „Deine Kräfte müssen beachtlich sein. Hättest du das gewagt, Yetail?“
„Ich hätte die Untoten lieber selbst in Asche verwandelt, aber die Option hatte Xiucalta wohl nicht. Ich denke, ich würde eine solche Feuerprobe überleben, doch es gibt nur wenige Hexen, denen ich das ebenfalls zutrauen würde. Ja, unsere Seherin verfügt über gewaltige Magiereserven. Gut, dass das nicht alles ist, was man zum Zaubern braucht, sonst könnte sie mir eines Tages meinen Rang streitig machen.“
„Mir gefällt die Position der Seherin viel besser.“, lachte Xiucalta. „Da muss man nicht ganz so oft sein Leben riskieren. Wissen bedeutet mir mehr als Macht.“ Damit steckte sie sich die letzte Traube aus ihrer Schüssel in den Mund und hauchte ihrer Illusion wieder Leben ein. Yetail wurde von den überlebenden Magiern ins Kloster gebracht, während Xiucalta Yerill mit dem Horn losschickte und dann auf Szar’zriss Rücken kletterte.
„Halt.“, rief die Untersterbliche, als der Drache sie von der Straße pflückte und in die Höhe riss. „Wieso hast du das eigentlich getan? Das frag ich mich schon lange.“
„Weil du die einzige bist, die einen Sprung aus der Höhe überleben konnte.“ Yerill öffnete den Mund, aber die Seherin fuhr fort. „Oder meinst du, weshalb ich dich nicht mit auf Szar’zriss Rücken genommen habe? Weil es absolut wichtig war, dass du genau im richtigen Moment springst. Das hätten wir niemals so genau hinbekommen. Szar’zriss dagegen konnte meine Gedanken empfangen und wusste so genau, wann er dich loslassen musste.“
„Aber du hättest mich vorwarnen können. Ich habe mich zu Tode erschreckt.“
Die Seherin wurde rot. „Ach so … ich wollte dich nur ein wenig ärgern.“
Das Mädchen blinzelte einen Moment ungläubig, dann grinste sie. „Dafür schuldest du mir was.“, flüsterte sie mit geschlossenen Augen ihrer Geliebten ins Ohr. Als sie sich anzüglich die Lippen leckte, stockte Sisrall der Atem. Für Yerill konnte es tatsächlich niemals einen Mann geben. Wer konnte bei solcher Schönheit nicht den Verstand verlieren, vor allem, wenn sie sich so einladend verhielt? Selbst Xiucalta schien Mühe zu haben, sich wieder auf ihre Illusion zu konzentrieren.
Das kurze Gespräch der beiden Frauen war schnell wieder vergessen, als die Kinder des Mordes nun verfolgten, wie der Splitterdrache von Trizils Lied gestoppt wurde, wie zwei weitere Erwählte von grünen Lichtzungen ausgeschaltet wurden und Blutklinge sich dann ebenfalls auf die übermächtige Bestie werfen wollte. Er erschauderte, als er noch einmal sah, wie knapp Yerill ihn vor der Lichtpeitsche gerettet hatte. Lautes Erstaunen war zu hören, als Szar’zriss den langen Schlangenleib in die Höhe hob. Dabei gingen Trizils Rettung und Yerills Opfer beinahe unter.
Nicht zuletzt deshalb musste Xiucaltas diese kurzen Augenblicke mehrmals wiederholen. Nun, da die Erzählung der Schlacht vorüber war, überschütteten die Kinder des Mordes sie mit Fragen und Bitten. Viele wollten das Duell der Magier noch einmal sehen, dann sollte sie noch einmal den ganzen zweiten Teil des Tages im Gesamtbild darstellen, was sie allerdings stark beschleunigte. Fragen nach Viverla’atar wurden laut. Xiucalta zeigte ihnen alles, nur wie sie Yerill nach deren Opfer gerettet hatte, wollte sie weder zeigen noch näher erklären.
So zog sich der Abend in die Länge und es musste lange nach Mitternacht sein. Immer wieder baten die Erwählten um die eine oder andere Szene und einmal versuchte auch Szar’zriss, etwas zu sagen. Es dauerte eine Weile, bis Xiucalta verstanden hatte, dass er den ersten Sieg über den Splitterdrachen sehen wollte – also Kerkils Kampf vor sechstausend Jahren. Sie tat ihm den Gefallen, da die Geschichte der Drachenbeschwörer und der Herrschaft der Bestie über Ulthuan auch für die Kinder des Mordes interessant war.
Als dann aber einige noch einmal die ersten Tage der Schlacht sehen wollten, die ja nur Sisrall und Yetail wirklich miterlebt hatten, vertröstete die Seherin diese auf die nahe Zukunft. Dafür zeigte sie ein ums andere Mal das Luftduell der beiden Drachen, Yerills Kampf gegen Darmal, auch wenn sie sich hier ebenfalls weigerte, wiederzugeben, wie die Unsterbliche sie gepflegt hatte. Sisrall unterstützte sie dabei. Das ging nur die beiden Frauen etwas an und war vermutlich auch kaum interessant. Das Problem war, dass erst ihre Weigerung besonderes Interesse daran wachrief.
Dafür gab sie noch einmal alle drei Teile der Schlacht am vergangenen Nachmittag einzeln in deutlicher Beschleunigung wieder und füllte so auch die Lücken, die vorher durch das häufige Springen entstanden waren. Sisrall, Yetail und auch Kerkil und Trizil erklärten an vielen Stellen, was sie bei bestimmten Handlungen im Sinn gehabt hatten, woraufhin verstärkt Fragen nach Xiucaltas Plänen und der Art ihrer Vorhersagen gestellt wurden. Die Seherin gab sich überraschend offen, teilte ihnen die Schwierigkeiten und alternativen Möglichkeiten mit und zeigte ihnen am Beispiel besonders wichtiger – wenn auch manchmal erstaunlich unscheinbarer – Momente, was geschehen wäre, wenn die eine oder andere Entscheidung anders ausgefallen wäre. In fast allen Fällen stand am Ende die gesamte Stadt in grauen Flammen oder lag in Trümmern. Je nachdem, ob Nerglot oder der Splitterdrache siegten.
Schließlich fingen Xiucaltas Illusionen an, unscharf zu werden und sich an den Rändern aufzulösen, während die Seherin gähnte. Sie machte doch eine Weile weiter, aber als sie gerade noch einmal die Vernichtung der Untoten durch Szar’zriss wiedergab, flackerte das Abbild der Stadt und zerfaserte, bis nur noch kurz das grelle Drachenfeuer zu sehen war und dann ebenfalls verschwand.
Als die nächtliche Stadt um sie herum auftauchte, sah Sisrall sich blinzelnd um. Der Horizont verfärbte sich bereits leicht. Dann fand er Xiucalta und lächelte. Sie war vor Erschöpfung eingeschlafen und lag jetzt in Yerills Armen. Das Mädchen hob sie sanft von den Beinen und lehnte ihren Kopf an ihre Schulter. Dann verabschiedete sie sich rasch von den Erwählten und brachte die Seherin ins Innere des Turms. Szar’zriss legte die Schnauze auf die Vorderpfoten und schloss die großen Augen. Er schien überzeugt, dass nun nichts Interessantes mehr passieren würde.
„Vielleicht sollten wir nun ebenfalls zu Bett gehen.“, meinte Sisrall. „Auch wenn wir nicht so viel Schlaf brauchen mögen, war das für uns alle ein schwerer Tag. Die Marilim ist erschöpft und wir sollten sie allmählich wieder füllen. Also schlaft euch aus und genießt die Ruhe nach dem Sieg. Wir haben es uns verdient.“
Die Kinder des Mordes nickten und gingen die Treppe hinab. Trizil nahm Xiucaltas Traubenschüssel mit. Sisrall und Yetail standen eine Weile eng umschlungen auf dem Turm und blickten über die verwundete Stadt. Schwarz und Gold vereint zu einem Bild, das gleichzeitig Ruhe und Stärke demonstrierte. Sie wussten, dass, egal, was die Zukunft bringen würde, sie ihr gemeinsam begegnen würde. Sie würden wieder kämpfen, wenn die Zeit kam. Und zusammen würden sie beide die Druchii anführen und ihre Feinde zerschmettern.
[FONT="] Ihre lange Reise war endlich zu Ende.[/FONT]
____________________________________________________________
Dies ist nun auch das offizielle Ende für die beiden Hauptcharakter Sisrall und Yetail. Sie werden zwar im letzten Kapitel nochmal vorkommen, aber eigentlich keine große Rolle spielen. Deshalb gehören die letzten Zeilen hier ihnen. Ich denke, das ist angemessen, ohne das Ganze allzu sehr in die Länge zu ziehen.