Ethik beim Medienkonsum

Ahnenzorn

Fluffnatiker
17 Januar 2020
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27.011
Vorweg, ich hoffe das Thema geht nicht zu weit für dieses Forum!

Wie seht ihr das?

Um zu erklären was ich meine, sollte ich vielleicht direkt zu Anfang ein paar Beispiele bringen:
Nehmen wir mal einen Film, der eigentlich ziemlich gut ist, nämlich "Die 9 Pforten". Allerdings ist der Regisseur (Roman Polanski) wohl ein Vergewaltiger. Der Ruf von Johnny Depp ist seit der Sache mit Amber Heard auch nicht mehr ganz astrein.
Und wenn man schon in diese Kerbe schlägt, sind da natürlich Weinstein Produktionen. Bei Weinstein ist es mittlerweile unzulänglich nachgewiesen und somit quasi sicher, dass er ein mehrfacher Sexualstraftäter ist.

Auch in der Musikbranche gibt es solche Probleme. Sänger einer Band, der Minderjährige verführt oder gar missbraucht (Name ist mir leider gerade entfallen :censored:).
Bei der Musik kommt dann noch der politische Aspekt hinzu. Pantera war früher echt eine coole Band. In meinem ersten Auto hatte ich damals im MP3 CD Player bloß eine CD mit sämtlichen Pantera Alben (und einem von Strapping Young Lad 😁). Heutzutage ist Phil "White Pride" Anselmo seeehr fragwürdig unterwegs, nämlich explizit rassistisch.

Gerade in der Metal Szene sind gewisse Bands fragwürdig. Böhse Onkelz, die sich eigentlich von der rechten Szene distanzierten zu einem gewissen Zeitpunkt. Oder Black Metal Bands, die eigentlich kaum politisch unterwegs sind, aber irgendwo doch mit Varg Vikernes (Burzum, nachgewiesener Mörder, nachgewiesener Kirchenanzünder und Faschist) zu tun hatten, wie z. B. Darkthrone.



Soweit zu den Beispielen. Mittlerweile sollte klar sein, worauf ich hinaus möchte. Und deswegen nun meine eigene Einschätzung:

Ich persönlich finde eine generelle Antwort gibt es hier nicht, deswegen entscheide ich von Fall zu Fall.
Ich trage mittlerweile bewusst keines meiner Pantera Shirts mehr in der Öffentlichkeit (höchstens daheim beim Malen oder so 🤷‍♂️).
Ich höre noch immer Darkthrone, weil es einfach geiler skandinavischer Black Metal ist und die Band selbst politische Statements vermeidet.
Die Onkelz haben zwar paar Lieder, die ganz nett sind, aber deren "Klientel" ist mir eindeutig zuwider.

Bei Filmen finde ich die Sache noch komplexer. Etliche Schauspieler, Set-Crew und so weiter haben mitgewirkt um etwas Tolles abzuliefern. Würde ich hier ebenfalls Alles konsequent verweigern, was ethisch / moralisch fragwürdig ist, bliebe kaum Etwas übrig. Auf der anderen Seite stößt mir mittlerweile ziemlich sauer auf, wenn im Vorspann eines Filmes Namen wie "Weinstein" zu lesen sind.
So ging es mir aktuell beim wiederholten Schauen von Sin City. Aber selbst Quentin Tarrantino hatte mit Weinstein zu tun.


Deswegen würde mich interessieren wie ihr dieses durchaus schwierige Thema für euch selbst betrachtet. In den Sinn kam mir das Ganze, weil ich eben beim Schauen von Sin City auch wieder den ekelhaften Namen "Weinstein" lesen musste 😬
 
Zuletzt bearbeitet:

Ignazius

Fluffnatiker
29 September 2010
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Ich finde man muss es schlicht trennen können, solang das Kunstwerk nicht unmoralisch ist.

Wobei man da auch manchmal schaun muss wann lebten die Leute und wann sind die Werke entstanden.
Bei Tolkin streitet sich das Netz ja teilweise (und wohl eher als Vorwand) ist das teilweise rassistisch oder nicht? Oder H.P.Lovecraft hat durchaus auch so einige rassistische Tendenzen. Aber die lebten auch in einer völlig anderen Zeit von der sie auch geprägt wurden und da war Rassismus halt auch in den "guten" Ländern weit verbreitet und "normal". Vergessen wir alle nur zu gerne.

Ich hatte diese Frage ähnlich vor kurzen aber auch in ner Diskussion, um Rowling. Und meine Ansicht ist da im Grunde wie folgt.

Meistens haben diese Leute soviel Geld, das sie es nicht mal mitbekommen, wenn ich sie boykottieren würde. Ich mag die Welt von Harry Potter und die Bücher und es war eine schöne Zeit wo ich sie gelesen habe. Wenn ich nun mitbekomme, das von der Autorin wieder ein neues Werk kommt, kann ich davon ausgehen, dass es mir wieder gefällt. Die Welt ist so scheisse und eigentlich sind wir so am Arsch und die Zukunft wird so düster, da will ich mich vielleicht einfach mal ablenken. All den Scheiss vergessen. Und wenn ich weiß das ich durch ein neues Buch zum Beispiel, von einer Person die mir schon vorher so einen "Realitätsurlaub" geschenkt hat, mal alles negative der Welt vergessen habe, würde ich mich ja selbst bestrafen wenn ich es nicht tu. Klar könnte ich sagen, "Ja aber ich war moralisch im Recht, weil die Ansichten der Autorin sind scheisse". Nur das wird die Autorin nicht interessieren, weil sie meinen "Protest" ja nicht mal mitbekommt. Was bringt es also?

Von daher finde ich, sollte man als erstes Kunst und Künstler trennen. Ich kann ein Werk, sei es eine Geschichte, Musik, Film oder Serien, gut finden, die Meinung der Macher aber dennoch scheisse. Und dann kann ich auch sagen "Tolles Werk, aber eure Meinung ist scheisse."

Weil wenn man mal das zuende spinnt, warum soll ich eigentlich nur "große" Leute boykottieren, deren Meinung mir vielleicht nicht gefällt? Wir sind alle Menschen und haben zu verschiedenen Dingen unsere Meinungen. Wir könnten ja nun einfach mal hier im Forum sagen, wer wie politisch steht, was er wählt, wie er zu diversen Fragen wie andere Herkunft, andere Glaube, andere Sexualität usw. steht. Und dann sollten wir vielleicht auch anfangen das wir zum Beispiel die Arbeiten, die User hier vorstellen, von denen wir aber wissen das sie Ansichten haben die unseren nicht wiederspiegeln zu ignorieren. Kein Like, kein Kommentar. Oder sie sogar fertig machen. Egal wie toll ihre Arbeiten die sie zeigen eigentlich sind. Weil das ist es am Ende, worauf es konsequenterweise hinauslaufen würde.

Es spricht ja nichts dagegen, jemanden, den man vielleicht in manchen Dingen bewundert, auch mal kontra zu geben wenn diese Person Ansichten vertritt, die man nicht für Ok findet. Ich denke das dieses "dissliken" auch was mit ner Mischung aus "ich tu was" und "Ich halte mich moralisch für überlegen" zu tun hat. Man aber nicht weiter darüber nachdenkt. Weil man denkt, das diese Leute sich wegen eines Shitstorms ändern. Passiert aber eher das Gegenteil. Und was hat man dann gewonnen? Nix.

Wenn ich jemanden Arschloch nennen, dann brauch ich mich nicht wundern, dass diese Person mir auch nicht mehr zuhört und vielleicht auch mal über meine Argumente nachdenkt, warum seine Meinung falsch sein könnte.
 

Ahnenzorn

Fluffnatiker
17 Januar 2020
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Ich finde man muss es schlicht trennen können, solang das Kunstwerk nicht unmoralisch ist.

Wobei man da auch manchmal schaun muss wann lebten die Leute und wann sind die Werke entstanden.
Bei Tolkin streitet sich das Netz ja teilweise (und wohl eher als Vorwand) ist das teilweise rassistisch oder nicht? Oder H.P.Lovecraft hat durchaus auch so einige rassistische Tendenzen. Aber die lebten auch in einer völlig anderen Zeit von der sie auch geprägt wurden und da war Rassismus halt auch in den "guten" Ländern weit verbreitet und "normal". Vergessen wir alle nur zu gerne.

Ich hatte diese Frage ähnlich vor kurzen aber auch in ner Diskussion, um Rowling. Und meine Ansicht ist da im Grunde wie folgt.

Meistens haben diese Leute soviel Geld, das sie es nicht mal mitbekommen, wenn ich sie boykottieren würde. Ich mag die Welt von Harry Potter und die Bücher und es war eine schöne Zeit wo ich sie gelesen habe. Wenn ich nun mitbekomme, das von der Autorin wieder ein neues Werk kommt, kann ich davon ausgehen, dass es mir wieder gefällt. Die Welt ist so scheisse und eigentlich sind wir so am Arsch und die Zukunft wird so düster, da will ich mich vielleicht einfach mal ablenken. All den Scheiss vergessen. Und wenn ich weiß das ich durch ein neues Buch zum Beispiel, von einer Person die mir schon vorher so einen "Realitätsurlaub" geschenkt hat, mal alles negative der Welt vergessen habe, würde ich mich ja selbst bestrafen wenn ich es nicht tu. Klar könnte ich sagen, "Ja aber ich war moralisch im Recht, weil die Ansichten der Autorin sind scheisse". Nur das wird die Autorin nicht interessieren, weil sie meinen "Protest" ja nicht mal mitbekommt. Was bringt es also?

Von daher finde ich, sollte man als erstes Kunst und Künstler trennen. Ich kann ein Werk, sei es eine Geschichte, Musik, Film oder Serien, gut finden, die Meinung der Macher aber dennoch scheisse. Und dann kann ich auch sagen "Tolles Werk, aber eure Meinung ist scheisse."

Weil wenn man mal das zuende spinnt, warum soll ich eigentlich nur "große" Leute boykottieren, deren Meinung mir vielleicht nicht gefällt? Wir sind alle Menschen und haben zu verschiedenen Dingen unsere Meinungen. Wir könnten ja nun einfach mal hier im Forum sagen, wer wie politisch steht, was er wählt, wie er zu diversen Fragen wie andere Herkunft, andere Glaube, andere Sexualität usw. steht. Und dann sollten wir vielleicht auch anfangen das wir zum Beispiel die Arbeiten, die User hier vorstellen, von denen wir aber wissen das sie Ansichten haben die unseren nicht wiederspiegeln zu ignorieren. Kein Like, kein Kommentar. Oder sie sogar fertig machen. Egal wie toll ihre Arbeiten die sie zeigen eigentlich sind. Weil das ist es am Ende, worauf es konsequenterweise hinauslaufen würde.

Es spricht ja nichts dagegen, jemanden, den man vielleicht in manchen Dingen bewundert, auch mal kontra zu geben wenn diese Person Ansichten vertritt, die man nicht für Ok findet. Ich denke das dieses "dissliken" auch was mit ner Mischung aus "ich tu was" und "Ich halte mich moralisch für überlegen" zu tun hat. Man aber nicht weiter darüber nachdenkt. Weil man denkt, das diese Leute sich wegen eines Shitstorms ändern. Passiert aber eher das Gegenteil. Und was hat man dann gewonnen? Nix.

Wenn ich jemanden Arschloch nennen, dann brauch ich mich nicht wundern, dass diese Person mir auch nicht mehr zuhört und vielleicht auch mal über meine Argumente nachdenkt, warum seine Meinung falsch sein könnte.

Insgesamt muss ich nochmal darüber nachdenken. Aber mir gefällt deine Sichtweise bzw. Argumentation (y)
(JK Rowling hatte ich beispielsweise gar nicht im Sinn)
 

beetlemeier

Hüter des Zinns
28 März 2016
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Deswegen würde mich interessieren wie ihr dieses durchaus schwierige Thema für euch selbst betrachtet.

Ich finde Dein Ausgangsthema auch durchaus interessant und relevant, glaube aber nicht, dass dieser thread sehr lange offen bleiben wird....

Die Frage nach der Trennung zwischen "Werk" und "Künstler" stellt sich ja sehr oft sowie es auch ein alter Hut ist, und die von Dir genannten Beispiele könnte man fast beliebig in jedem Mediun (Kino/TV/Musik/Literatur/Medien usw.) verlängern.

Spontan fallen mir noch als Ergänzung -ohne eine Gewichtung- ein: Woody Allen, Richard Wagner, Jimmy Saville, Garry Glitter, Bill Cosby, D.W. Griffith.
Und dann gibt es Leute, die irgendwann mal zugegeben selten, aber trotzdem sehr seltsame Dinge von sich gegeben haben: Eric Clapton, Elvis Costello, Loddar Matthäus zB.
Schließlich noch die Kategorie von Künstlern, wo man nix wirklich belegbares weiß, die einem aber nicht nur wegen der Musik in Erinnerung bleiben, zB Michael Jackson.
Und je weiter man in der Geschichte zurück geht, desto mehr -zwangsläufig vor allem Autoren- (die wirklich "Verpönten" nenne ich mal nicht) mit problematischen Meinungen findet man da: Nietzsche, Luther, Steiner usw.

Bei vielen der genannten Leute kann man zugegeben lange Einzeldiskussionen führen, aber das würde diesen thread komplett sprengen.
Mein -rein subjektiver- Vorschlag wäre, dass man auf konkrete Namensnennungen im weiteren Verlauf verzichtet, und "abstrakt" bleibt.
Nur so könnte man mMn ein derailen in kleine, personenbezogene Argumentationen vermeiden.

Und nun die Antwort auf Deine Ausgangsfrage:
Ich finde eine strenge Trennung von Werk und Künstler sehr schwierig, und mit diesem Prinzip würde man es sich als Konsument (ich mir selbst oft auch) irgendwann zu bequem machen. Den Schaffer hinter dem Erzeugnis ganz auszublenden, darf eigentlich nicht sein und kann auch nicht klappen; zu groß ist da oft die Verpflechtung zwischen Biografie und Werk und ebenso oft kann man bestimmte Themen/Inhalte ohne das Leben des Verfassers garnicht richtig zuordnen oder begreifen.

Zugegeben dürfte man aber von diesem Prinzip ausgehend, heute sehr, sehr viele Dinge nicht mehr hören, lesen, ansehen, konsumieren.
Ich halte das für ein Dilemma, welches eigentlich nicht zu lösen ist. Grundsätzlich immer "genau hinsehen" kann dabei aber nie verkehrt sein! ;)
 
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Lord Protector

Tabletop-Fanatiker
11 April 2012
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Denke es kommt immer drauf an, ob man denn Künstler und Kunst von einander trennen kann

Bei Filmen ist das in meinen Augen verhältnismäßig einfach, man denke mal nur an Tom Cruise, Tarantino usw.
Die haben alle ne Schraube locker, aber dennoch sind die Filme nicht selten ziemlich unterhaltsam und echte Kassenschlager

Bei Bands fällt es mir Persönlich schwerer, gerade wenn es der Frontmann ist, oder die Band als ganzes ne Gruppe von Menschen anspricht die einem milde gesagt Suspekt ist.

Aber @Ignazius bringt hier finde ich auch einen wertvollen Hinweis.
Die Werke sind immer Kinder Ihrer Zeit. Und sollten dem entsprechend auch bewertet werden.
Wir werden alle früher oder später von dem Mainstream überholt.
 
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Sadem

Grundboxvertreter
5 August 2009
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München
Ich denke das ist entweder gesetzlich geregelt, wenn die Werke von einem Künstler irgendeinen Straftatbestand erfüllen (Volksverhetzung, etc.) oder wenn nicht muss es jeder selber wissen. Die Freiheit sollte man haben.

Kleine Ausnahme vielleicht, wenn der Autor/Künstler noch lebt und Sachen verzapft die mir nicht passen will ich ihn vielleicht nicht mehr finanziell unterstützen, dann würde ich den nicht mehr Streamen. Aber ne CD die man eh schon zuhause hat und die man sich da anhört oder ein Buch das man ließt. Muss jeder selber wissen.

Bei Autoren ist es so eine Sache. Wenn mir die "privaten" Aussagen oder polit. Ansichten eines Autors zu sehr gegen den Strich gehen würden, könnte ich wahrscheinlich auch sein Werk nicht mehr richtig genießen, weil man dann hinter Bildern oder Metaphern vielleicht immer nach dessen polit. Überzeugung sucht.

Bei Musik und Film hab ich nicht so das Problem, da denkt man irgendwie weniger nach.
 
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exilant

Hintergrundstalker
27 Dezember 2017
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Das irritierende an der Fragestellung für mich ist: warum braucht man scheinbar einen "gesellschaftlichen Persilschein"?
Entweder habe ich ein Problem damit und verzichte eben, oder halt nicht und konsumiere. Warum sollte da die Meinung anderer irgendwie relevant sein?

Bei konkreten Werken kann ich es verstehen. Gefällt mir da der Inhalt nicht der da transportiert wird, muss ich es nicht konsumieren.
Ist es der Künstler selbst kann ich das canceln auch noch irgendwie nachvollziehen, wenn es mir in vielen Fällen auch übertrieben erscheint: Kevin Spacey z.B. ist und bleibt einer der begnadetsten Schauspieler seiner Generation, auch wenn es in seinem Sexualleben eben ziemlich derbe zugeht. Sieben, L.A. Confidential, american beauty, die üblichen Verdächtigen usw. bleibende herausragende Filme. Warum sollte man das nicht mehr ansehen? Zumal es ja oft einfach viele Gerüchte sind wie sagen wir bei Jackson. Erfolg hat einfach auch viele wie man heute sagen würde "Hater" zur Folge und eben auch gerne Falschbeschuldigungen.

Aber spätestens bei eher abstrakten Verbindungen wie Weinstein muss ich einfach nur sagen "hä?".
An einem Film arbeiten hunderte bis tausende Menschen. Es ist als statistisch fast vollkommen zwingend, dass irgend einer davon in seinem Leben eine moralisch vollkommenen inakzeptable Tat begangen hat. Ob er nun dabei erwischt wurde oder nicht kann ja nicht der Maßstab sein. Wenn also irgend eine abstrakte Rolle wie "Produzent", was faktisch nix anderes bedeutet als Geldgeber, releant für die Konsumentscheidung ist, dann kann ich im Grunde gar nichts mehr konsumieren, weil irgend einer in der Wertschöpfungskette wird sicher scheiße gebaut haben.

Und damit sind wir bei ner Art von Doppelmoral: man stört sich ja damit faktisch nicht an der Tat als solches, sondern an der Aufklärung davon. Denn wüßte ich nicht, dass Weinstein ausgiebig von der Besetzungscouch gebrauch gemacht hat, würde mich ja nichts stören. An den Filmen selbst merkt man es ja nicht.
 
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Und damit sind wir bei ner Art von Doppelmoral: man stört sich ja damit faktisch nicht an der Tat als solches, sondern an der Aufklärung davon.
Das finde ich eine sehr merkwürdige Sichtweise. Man kann sich nunmal nur an Dingen stören die man auch weiß und wenn es dann ans Tageslicht kommt zu sagen: "Ja aber vielleicht haben andere auch was schlimmes getan." Ist für mich irgendwie die perversierte Version von whataboutism.

@Ignazius
Grundsätzlich Stimme ich dir bei deiner Ausführung ziemlich zu aber diese Aussage empfinde ich immer etwas als Ausrede:
Meistens haben diese Leute soviel Geld, das sie es nicht mal mitbekommen, wenn ich sie boykottieren würde.

Klar wird das keiner merken ob du auf das eine Buch verzichtest oder nicht aber es geht vielmehr darum ob man selbst mit der Tatsache leben kann diese Person zu unterstützen.


Ich selbst habe auch schon öfters darüber nachgedacht bzw. mit anderen darüber gesprochen und wenn ich ein Werk von jemandem konsumiere dessen Ansichten oder Taten ich persönlich ablehne kommt die Frage wenigstens kurz in meinen Kopf.
Vielleicht ist das aber auch schon ein wichtiger Punkt, dass man eben reflektiert und die Sache für sich trennt.
Ich lese gerne Geschichten von H.P. Locvecraft zum Beispiel und da ist eindeutiger Rassismus enthalten welcher halt auch "Normal" für diese Zeit war. Wenn ich das lese kann ich nicht anders als darüber zu stolpern weil es nach heutigen Maßstäben (zum Glück) nicht mehr durchgehen würde.
Dadurch ist für mich aber klar dass ich diese Aussagen nicht einfach übernehme und beginne negativ beeinflusst zu werden.
Solange die Person nicht mehr davon profitiert weil Tod oder mir das Medium bereits gehört usw.
Ist es kein Problem solange man halt reflektiert denke ich.
 
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keinPonyhof

Hüter des Zinns
28 September 2017
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Praktisch gesehen ist mir das vollkommen egal. In meinen YT Playlisten findet sich linksextremes, sexistisches, gewaltverherlichendes und sogar Liedgut von offen rechtsextremen Künstlern.
Der Umgang damit ist nicht immer einfach und ich würde das alles in keinster Weise verbreiten, aber ich bilde mir ein, selbst damit umgehen zu können.

Theoretisch ist das ganze schon interessanter.
Bei Filmen hängen mir einfach zu viele Personen mit drin, als das ich das Kunstwerk aufgrund einer/weniger Personen ablehnen würde.
Bei älteren Künstlern muss man wirklich deren Zeitgeist berücksichtigen, ansonsten könnte man kaum etwas, das älter als 20 Jahre ist irgendwie rechtfertigen.

Ich würde einige Künstler aufgrund ihres privaten Handelns allerdings in keinster Weise finanziell unterstützen.
 

exilant

Hintergrundstalker
27 Dezember 2017
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Das finde ich eine sehr merkwürdige Sichtweise. Man kann sich nunmal nur an Dingen stören die man auch weiß und wenn es dann ans Tageslicht kommt zu sagen: "Ja aber vielleicht haben andere auch was schlimmes getan." Ist für mich irgendwie die perversierte Version von whataboutism.
Grundlegender skeptischer Pessimismus: Projekte, Gruppen etc. ab einer bestimmten Größe können nicht "moralisch sauber" sein. Es senkt das Erregungspotential dann eben erheblich wenn sowas rauskommt. Bitte nicht falsch verstehen: Täter gehören angemessen bestraft, sobald man es ihnen nachweisen kann. Bloß resultiert ein cancel-Gedanke ja doch irgendwie aus der Idee, dass das Produkt als solches durch den Täter "beschmutzt" worden wäre. Wenn man aber von vorne herein davon ausgeht, dass es kein "sauber" gibt, fällt es schwer sich darüber aufzuregen wenn mal was rauskommt. Zumal Kollektivstrafen eh nicht so meins sind: was kann sagen wir die Cast vom Herrn der Ringe für Weinstein?
 

beetlemeier

Hüter des Zinns
28 März 2016
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Bei Filmen hängen mir einfach zu viele Personen mit drin, als das ich das Kunstwerk aufgrund einer/weniger Personen ablehnen würde.

Da stimmte ich Dir grundsätzlich zu, obwohl es schon einen Unterschied macht, welche Position diese eine Person inne hatte:
Wenn CGI-Programmierer Nr. 83 in einer Blockbuster-Produktion ein mieser Verbrecher ist, wäre das etwas anderes, als wenn es der Produzent dieses Blockbusters und seit Jahrzehnten einer der mächstigsten Männer Hollywoods ist.

Oder man der Kerl ist, der für einen Studiomusiker den Kaffee in den Pausen holt oder R.Kelly persönlich.

Oder ob in einer TV-Serie "nur" der 3. Assistent des zweiten Kammeramanns ein Krimineller ist oder der gleichzeitige Namensgeber/Hauptdarsteller dieser Senung usw.

Wie ich schon oben schrieb, ist das für den Konsumenten ein Dilemma:
Mir nochmal Folgen der "Cosby Show" zu geben, darauf kann ich ohne Probleme verzichten oder auf Musiker, deren Lieder mich sowieso nicht interessieren. Wenn ich aber alle Filme, in denen Weinstein als Produzent oder ausführender Produzent wer weiß was hinter den Kulissen getrieben hat, aus meiner Sammlung schmeißen müsste, wäre das nicht so dolle: Nix mehr mit Herr der Ringe, goodbye Tarantino-Filme und viele andere Werke.

Ist das ebenso opportunistisch wie inkonsequent von mir? Leider ja...
Deshalb begrüße ich jede effektive Entwicklung in der Unterhaltungs-Branche (weit gefasst), welche zukünftige Fälle dieser Art hoffentlich auf das äußerste Minimum beschränken wird und als indirekter Nebeneffekt auch beim Endkunden kein schlechtes Gewissen mehr beim Konsum bestimmter Filme/Musik erzeugt.
 

Lord Protector

Tabletop-Fanatiker
11 April 2012
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Da stimmte ich Dir grundsätzlich zu, obwohl es schon einen Unterschied macht, welche Position diese eine Person inne hatte:
Wenn CGI-Programmierer Nr. 83 in einer Blockbuster-Produktion ein mieser Verbrecher ist, wäre das etwas anderes, als wenn es der Produzent dieses Blockbusters und seit Jahrzehnten einer der mächstigsten Männer Hollywoods ist.

Oder man der Kerl ist, der für einen Studiomusiker den Kaffee in den Pausen holt oder R.Kelly persönlich.

Oder ob in einer TV-Serie "nur" der 3. Assistent des zweiten Kammeramanns ein Krimineller ist oder der gleichzeitige Namensgeber/Hauptdarsteller dieser Senung usw.

Wie ich schon oben schrieb, ist das für den Konsumenten ein Dilemma:
Mir nochmal Folgen der "Cosby Show" zu geben, darauf kann ich ohne Probleme verzichten oder auf Musiker, deren Lieder mich sowieso nicht interessieren. Wenn ich aber alle Filme, in denen Weinstein als Produzent oder ausführender Produzent wer weiß was hinter den Kulissen getrieben hat, aus meiner Sammlung schmeißen müsste, wäre das nicht so dolle: Nix mehr mit Herr der Ringe, goodbye Tarantino-Filme und viele andere Werke.

Ist das ebenso opportunistisch wie inkonsequent von mir? Leider ja...
Deshalb begrüße ich jede effektive Entwicklung in der Unterhaltungs-Branche (weit gefasst), welche zukünftige Fälle dieser Art hoffentlich auf das äußerste Minimum beschränken wird und als indirekter Nebeneffekt auch beim Endkunden kein schlechtes Gewissen mehr beim Konsum bestimmter Filme/Musik erzeugt.
Sehe darin ehrlich gesagt kein Dilemma.
Warum sollte man Pulp Fiction oder die HdR Triologie heute nicht mehr schauen könne? Wegen Weinstein?
Mir geht das viel zu weit und sehe da auch keine Moralische Verantwortung für den Zuschauer.
Die Sachen sind im Kasten und haben zu recht Filmgeschichte gemacht, die jetzt wegen Weinstein zu meiden kommt mir schon wirklich arg übertrieben vor.
Der Typ hat seine Strafe kassiert und wird wahrscheinlich hinter Gitter sterben.
Das sollte eigentlichen allen beteiligten reichen, hier müssen nicht auch noch die Werke boykottiert werden.
 

beetlemeier

Hüter des Zinns
28 März 2016
2.800
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Greift dieser Irrsinn jetzt auch hier um sich?

In diesem thread hat sich bislang jeder die Mühe gemacht, ein kontroverses Thema ausführlich bgründet und sachlich zu diskutieren.
Was soll so ein Beitrag Konstruktives bringen?

Sehe darin ehrlich gesagt kein Dilemma.
Mein Dilemma bezieht sich jetzt nicht alleine auf die beiden konkret genannten Filme! Mit diesen Werken habe ich tatsächlich die wenigsten Bedenken. Es geht mir eher darum, dass ich allgemein für mich persönlich noch kein Patentrezept gefunden habe, was für mich weiter konsumierbar bleibt und was einem eher einen schlechten Beigeschmack gibt.

Ich habe versucht, da eine "Bandbreite" aufzuzeigen, an deren einen Ende Filme wie HdR usw. stehen und am anderen Ende Dinge wie "Jim´ll fix it". Ab wo es einem dann persönlich zu "heikel" wird, ist jedem selber überlassen; ich habe nur meine subjektive Sicht geschildert, und wollte und will niemandem diese Bewertung aufdrängen!
 
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Blood Angel

Adeptus Administratum
Teammitglied
Administrator
30 März 2001
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München
Als Medienschaffender sehe ich das für mich persönlich etwas differenzierter:

Ich finde man muss zwischen Werk und Künstler trennen können. Aber wie immer gibt es hier einen Spielraum. Ein Film ist in der Regel ein Werk, welches von einem großen Team gemacht wurde. Da sollte man die Bewertung des einzelnen Beitrages abwägen. Will sagen: Einen Polanski mit einer Rowling zu vergleichen find ich schwierig. Ein Polanski profitiert (auch heute) viel weniger von seinen Filmen, als das bei einer Rowling der Fall ist.

Des Weiteren sind Medien und Kulturgüter immer auch im Licht ihres Schöpfungs-Zeitgeistes zu betrachten. Die Fälle, in denen ich ein Werk ablehnen würde, weil es nicht mehr in den aktuellen Zeitgeist passt, sind für mich sehr, sehr selten. Was aber IMMER erlaubt sein muss ist diese Werke zu kontextualisieren. Sprich klar zu benennen, warum ein bestimmtes Werk mittlerweile problematisch ist.
 

Sniperjack

Hüter des Zinns
7 Mai 2011
2.736
1.170
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Forgeworld Mobile
Ich würde initial auch den Künstler von seiner Kunst getrennt sehen, insbesondere wenn es wie ein Film ein Gemeinschaftswerk ist.
Der Künstler an sich kann umstritten sein, aber müssen es seine Werke sein?
Bei Büchern oder Kunstwerken ist das schon schwierig. Die sind in der Regel schon sehr persönlich (Ich denke da teils an John Ringo, irgendwann wurde mir das zu blöde).
Die Frage sich mir hier stellt, hat der Künstler seine Vorstellungen, seine Amoralität oder seine Verbrechen mit in das Werk eingebracht.
Hier würden schon viele Beispiele gebracht:
H.P. Lovecraft -> Ja vermutlich ein Rassist, obwohl er mit einer ukrainischen Jüdin verheiratet war. Hier war der Rassismus wie damals üblich wohl gegen die schwarze Minderheit in Amerika gerichtet, aber auch andere Ethnien gerichtet. Würde so heute keiner mehr schreiben und ist auch gut so. Darf man das noch so lesen?
Monty Phyton Flying Circus -> Himmel ist das teils rassistisch und da werden reihenweise benachteiligte Menschen aufs Korn genommen, auch wenn wenn sie versucht haben der Zeit einen Spiegel vorzuhalten, sind nicht alle Sketche heute so noch gut schaubar. Obwohl die Jungs reihenweise in Frauenkleider aufgetreten. Aber wenn ein Mann als Frau auftritt, hat das nicht unbedingt etwas damit zu tun, dass er homosexuell ist. Würde auch aber keiner mehr so heute drehen. Einer der Macher von Little Britan distanziert sich auch von seiner Arbeit (Wir sind Ladies).
Persönlich denke ich in Comedy und insbesondere in der Satire ist fast alles erlaubt. Ausser wirkliche Verbrechen (Hallo Hr. Joker).
Ich störe mich nicht an dieser österreichischen Dame. Wen es stört sollte abschalten. Sogar die Juden machen Witze über sich selbst (ist auch ihr recht, so wie die Deutschen über sich selbst). Cancel culture ist nur ein Schlagwort derjenigen, deren Veranstaltung niemand in seinen Haus haben möchte. Ich sag da nur Hausrecht (anyone AFD).
Mein Kampf und Adolf Hitler oder Albert Speer und seine Entwürfe für Germania -> Buch verbrennen und oder den Name tilgen? Entwürfe verbrennen und Name tilgen? Sollte man nicht. Sollte man weiter drüber diskutieren. Diese Menschen haben sich mit ihren Werken und ihrer Rhetorik entlarvt. Jeder sollte davon wissen und Antennen für solch ein Wahnsinn entwickeln. Gerade der aufkeimende Populismus in Europa sollte uns alle warnen. Wieder spriessen diese Eiferer überall aus den Boden.
Eigentlich habe ich mich hiermit selbst von meinen initialen Satz getrennt. Man sollte die Kunst nicht getrennt vom Künster setzen. Es gehört aber immer ein Kontext dazu.
Und jetzt Weinstein, sollte man seinen Name aus den Filmen schneiden. Nein auf gar keinen Fall. Jedes Mal wenn wir einen Film von ihn sehen und das gilt ja auch für die Filmschaffenden in Hollywood, dann sollte uns das daran erinnern, dass niemals wieder so ein Mensch in eine solche Position kommt, wo er seine Mitmenschen so mißbrauchen kann. Es braucht Regeln, einen Verhaltenscodex oder Schutz für die Menschen, die ggf. in eine solche Situation geraten können. Das passiert leider viel zu oft, dass Menschen in Machtpositionen ihre Position ausnutzen, um sexuelle Gefälligkeiten von anderen Menschen einzufordern (Bunga Bunga?).
Somit bleibt als nur am Ende. Man muss das Ergebnis und die Person immer im Kontext sehen. Es gibt keine einfache Antwort. Wie in der Ethik, man muss immer abwägen.
 

Destrofred

Bastler
24 Januar 2013
748
3
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9.501
Greift dieser Irrsinn jetzt auch hier um sich?
Dafür will ich jetzt hier aber eine Lanze brechen.
Wenn Statuen von vermeintlichen Verbrechern geschleift, und andernorts wieder Bücher verbannt werden, sollte man wenigstens kurz innehalten und überlegen ab wann es übertrieben ist.
Der Thread und sein Inhalt sind es bislang keine Meinung nach noch nicht.
 

Ignazius

Fluffnatiker
29 September 2010
2.623
2.728
18.091
47
Mal ein weitere Gedankengang.... wenn man sagt, man kann einen Künstler aus moralischen Gründen finanziell nicht mehr unterstützen (sprich seine Kunst nicht mehr kaufen und so dem Künstler Geld zukommen lassen).... wie geht ihr dann eigentlich mit dem Rest der Welt um? Habt ihr jetzt eure Gasheizungen abgedreht, weil Russland? Habt ihr jetzt nie wieder was bei Amazon bestellt? Fahrt ihr keine Autos mehr weil ihr letztlich damit Konzerne Geld gebt die die Umwelt kaputt machen? usw.

Ich stell mir immer oft die Frage, wo zieht man eigentlich die Grenze? Ist es nicht eine Art Doppelmoral wenn man sagt "Das schau/lese/höre ich nicht mehr weil der Künstler ne beschissene Meinung hat oder ein Verbrecher ist" und dann im nächsten Moment sein Geld Konzernen zu geben, die auch nicht gerade besser sind?