Joah, machen wa ma gnädigerweise weiter... 😉
„War das wirklich nötig, Sir?“, fragte Haller, nachdem van Bent das Mikrofon des Funkgeräts wieder gesenkt hatte. Er musste brüllen, um sich über den Lärm des Gefechts hinweg verständlich zu machen. Hinter der Hügelkuppe lagen sie einigermaßen geschützt, doch die Salven der Orks rasten noch immer beunruhigend nah über ihre Köpfe. Um sie herum pressten sich die Soldaten des Zuges an den Boden, vom Beschuss zum untätigen Ausharren verdammt.
„Ich habe eine Aufgabe zu erledigen, Leutnant.“, antwortete van Bent, und schaffte es, der Antwort, obwohl seine Stimme sich beim Schreien überschlug, den Tonfall einer schulmeisterlichen Belehrung zu verleihen. „Sie führen ihren Zug, und ich habe darauf zu achten, dass die Männer sich verhalten, wie man es von imperialen Soldaten erwarten kann. Ich werde nicht dulden, dass ein Unteroffizier die Kontrolle über seine Männer verliert.“
„Solche Dingen passieren im Gefecht, Sir. Es hat nichts mit fehlender Disziplin zu tun. Es gibt keine disziplinierteren und loyaleren Truppen als das Todeskorps von Krieg.“
Van Bent schüttelte beinahe ärgerlich den Kopf. „Hochmut ist keine Tugend, Leutnant. Überlassen sie mir die Beurteilung ihrer Männer, und ich überlasse ihnen die Führung im Gefecht. Wir beide wissen, wofür wir ausgebildet wurden.“
„Sie...“, setzte Haller an, hörte aber mitten im Satz auf, als er aus dem Augenwinkel eine Bewegung wahrnahm. Eine gestalt kam mühsam über die Kuppe des Hügels gekrochen, das Lasergewehr mit beiden Händen fest umklammert, sich mit den Beinen vorwärtsschiebend. Ein Streifschuss hatte den Rücken des Korporals Burgsmüller aufgerissen, seinen Uniformrock mit Blut getränkt, und sein Gesicht war unter dem Helm zu einer Grimasse verzerrt, die Schmerz und Anstrengung gleichermaßen verriet. Haller kroch ihm ein Stück entgegen, und van Bent tat es ihm nach.
Burgsmüller richtete sich ein Stück weit auf, brachte sich in eine halb sitzende Position, kaum dass er den schützenden Erdwall des Hügels hinter sich wusste. Haller sah Angst in seinen Augen, als sein Blick den des Korporals streifte. Es war keine Furcht vor den Orks oder dem Tod im Feindfeuer, wie er erkannte, es war die Angst vor dem gnadenlosen Urteil des Kommissars, der an seiner Seite war und dessen Zorn nicht nur den Tod, sondern auch die Verweigerung der Erlösung in den Augen des Imperators bedeuten konnte. Haller spürte mehr als dass er es tatsächlich hörte, wie van Bent das verzierte Holster seiner Laserpistole aufknöpfte und die Waffe zog.
„Burgsmüller!“, bellte er, so scharf er nur konnte, in der Hoffnung, dem Kommissar-Kadetten zuvor zu kommen. „Warum waren sie nicht bei ihrem Trupp?“
Burgsmüller blickte ihn verständnislos und voller Angst an. Seine Lippen formten Laute, die Haller im Lärm der Schlacht nicht verstehen konnte. „Orientierung verloren...“, drang schließlich doch an sein Ohr. „Andresen gefallen.“
Haller blickte zu van Bent, doch der Kommissar-Kadett überprüfte unbeeindruckt und ohne jede Reaktion auf das Gesagte die Ladeanzeige seiner Laserpistole. Mit einem routinierten Handgriff stellte er die Waffe auf maximale Energie und Einzelfeuer ein, schlug mit der Linken über dem Lauf der Waffe ein I, das Zeichen der Gnade des Imperators.
„Sir!“, rief Haller. „Bitte, Sir!“
Van Bent richtete sich auf. Die Stiefelabsätze fest in den Boden gerammt, der Mantel im nachtwind wehend stand er da, die Waffe auf Burgsmüller gerichtet. Sein junges Gesicht zeigte keine Spur des Mitgefühls oder auch nur des Bedauerns. „Im Namen des Imperators!“, rief er, bereit, sein eben gefälltes Todesurteil zu vollstrecken.
Es kam nie dazu. Mit dem dumpfen Geräusch berstenden Fleisches explodierte Van bents Torso in einer Fontäne aus Blut, als eine Salve großkalibriger Geschosse ihn in Brust und Bauch traf. Auf seine Aufgabe fixiert hatte er sich über die Kuppe des Hügels erhoben, direkt hinein in die todbringende Wand des Sperrfeuers. Die Laserpistole fiel aus seinen plötzlich kraftlosen Fingern zu Boden, der Kommissar-Kadett selbst brach in die Knie, ungläubig auf die drei faustgroßen Löcher in seinem Leib starrend, aus denen unaufhörlich Blut auf die schwarze Erde strömte.
„Sanitäter!“, schrie Haller reflexhaft und war so schnell es seine gebückte Haltung erlaubte bei van Bent, hielt den Kommissar an den Schultern aufrecht, bemühte sich, seinen Blick auf sich und fort von den schrecklichen Wunden zu lenken.
„Ich sterbe.“, sagte van Bent ausdruckslos.
„Nein.“ antwortete Haller, obwohl er wusste, dass es nicht stimmte. Kein Mensch, auch kein Kommissar, konnte diese Wunden überleben. „Sie dürfen nicht sterben, Sir. Die Männer brauchen sie.“
„Ich habe versagt.“, stellte van Bent fest. Tränen schwammen in seinen glasig gewordenen Augen. Er schien auf einen Punkt irgendwo am Nachthimmel zu starren, direkt an Hallers Gesicht vorbei.
„Wir werden sie hier herausbringen, Sir.“, versuchte Haller sich selbst einzureden, so als wäre das auch die Erlösung aus seiner eigenen, hoffnungslosen Situation.
Van Bent gurgelte, und Haller begriff verspätet, dass es die grässliche Parodie eines Lachens war, das sich aus der blutgetränkten Kehle des Kommissars rang. Ein Ausdruck des Erstaunens, einer geradezu kindlichen Neugier trat mit einem Mal auf van Bents Gesicht. „Sagen sie, Leutnant, hören sie auch die... die Musik?“
Haller schüttelte den Kopf, lauschte aber trotzdem, zunächst nur, um van Bent nicht in dem Gefühl wahnsinnig zu sein sterben zu lassen. Doch nur Augenblicke später hörte er es auch, erst ganz schwach, dann immer lauter über den Lärm der Schlacht hinweg.
Die wohlvertrauten Klänge des „Flug der Seraphim“.
Mit heulenden Turbinen und flammenden Bordwaffen jagten am Himmel zwei Valkyries und ihre Begleitung aus drei Vultures über das Schlachtfeld hinweg. Links und rechts von Haller begannen die Männer angesichts der Luftunterstützung zu jubeln.
Als von jenseits der Hügelkuppe Explosionen und das Knistern niedergehenden Promethiums zu hören war und das Gegenfeuer der Orks zu einzelnen Schüssen verebbte, hielt Haller den toten van Bent wie ein Kind in seinen Armen und weinte tränen der Trauer und der unendlichen Erleichterung.