Hauptgefreiter Kruppke hatte auf einer Pferdekoppel einen waschechten Übungsschießstand improvisiert. An einem Ende des gut zweihundert Meter langen Areals hatten er und die Männer seines Unterstützungstrupps drei schwere Bolter aus den Lagerbeständen der Kalopulosi aufgebaut, am anderen Ende simulierte Ziele aus Strohballen und Jutesäcken. Eine Gruppe verschüchtert aussehender Einheimischer in mehr oder minder ärmlicher Kleidung drängte sich im Kreis um Kruppke, der mit deutlicher Stimme und untermalenden Gesten Handhabung und Wartung eines schweren Bolters erläuterte.
Haller hatte es sich auf dem Begrenzungszaun der Koppel bequem gemacht, in der einen Hand einen Rationsriegel, in der anderen einen Becher heißen Kaffees. Sein Zug benötigte seine Anwesenheit im Moment nicht, die Männer kamen bei der Pflege ihrer Ausrüstung gut allein zurecht. Hier, abseits des Landsitzes, hatte Haller für einige Minuten seine Ruhe vor den beiden anderen Leutnants der Kompanie, und ganz besonders vor dem ehrgeizigen Kommissar-Kadetten.
Kruppke ließ sechs der Einheimischen jeweils zu zweit Position an den schweren Boltern beziehen. Die Zivilisten hatten sichtliche Mühe, die schweren Waffen überhaupt in Anschlag zu bringen, geschweige denn, sie in erfolgversprechender Weise auf das Ziel auszurichten. Einen weiteren Bissen von seinem Rationsriegel nehmend bedauerte Haller, dass es nicht möglich war, die Kalopulosi an benutzerfreundlicheren Waffen auszubilden. Ein Dreibein unter den schweren Boltern hätte die Küchenmägde und Stallburschen zumindest von der Anstrengung entbunden, im Liegen mit eigener Körperkraft die Waffe in Balance zu halten.
Die ersten Schüsse donnerten über den Platz. Kruppke ließ die Kalopulosi zur Eingewöhnung einzelne Patronen abfeuern, anstatt die Munition schon jetzt durch Dauerfeuer zu verschwenden. Der brutale Rückstoß wirkte sich merklich auf die Präzision der ungeübten Schützen aus, aber alles in allem schien die eilige Ausbildung schon jetzt Ergebnisse hervorzubringen. Etwa jeder dritte Schuss traf eins der menschengroßen Ziele und wirbelte Strohhalme und Stofffetzen auf.
Zufrieden drückte Haller die leere Verpackung des Rationsriegels in der Rechten zusammen, leises Surren untermalte die Bewegungen seiner Handprothese. Der Leutnant ließ sich vom Zaun heruntergleiten, steckte die zerknüllte Folie in die Tasche und ging zum Schießstand herüber.
Kruppke stand hochaufgerichtet zwischen den schießenden Kalopulosi, die Fäuste in die Seiten gestemmt. Er begrüßte Haller mit einem Nicken anstelle des eigentlich angemessenen Saluts. Haller nahm es ihm nicht übel: Vor nicht allzu langer Zeit, noch in den Schützengräben von Myrmillio III, war es Haller gewesen, der vor Kruppke hätte salutieren müssen. Der alte Hauptgefreite war ein zu guter und erfahrener Soldat, als dass Haller sich hätte anmaßen können, auf der Respektsbezeugung zu bestehen.
„Sie kommen voran, wie ich sehe, Kruppke.“, stellte Haller fest, auch wenn es mehr ein Kompliment als das Fazit einer Inspektion durch einen Offizier war.
„Ja, Sir.“, bestätigte Kruppke. „Die Waffen sind in gutem Zustand, und unsere neuen Rekruten scheinen mir durchaus lernwillig zu sein. Möchten sie...“
Kruppke wurde durch das Bellen eines Schusses unterbrochen. Er wartete auch den nächsten ab, bevor er weitersprach. „Möchten sie vielleicht selbst einmal einen Schuss abgeben, Sir?“
Kruppke machte schon Anstalten, zwei der Kalopulosi von ihrem schweren Bolter fortzuwinken, doch Haller gebot ihm mit einem Abwinken innezuhalten. „Die Ausbildung dieser Leute geht vor, Hauptgefreiter. Nebenbei bemerkt war ich nie ein sonderlich guter Schütze, woran auch ihre Ausbildung nichts ändern konnte, wie sie vielleicht noch wissen.“
Es stimmte, was Haller da sagte. Nur zu gut erinnerte er sich noch an das Übungsschießen an den schweren Waffen, das Kruppke als leitender Ausbilder beaufsichtigt hatte, und an die miserablen Ergebnisse, die der junge Gefreite erzielt hatte. Alles, was schwerer als ein Lasergewehr war, war in Hallers Händen nie zu einer echten Gefahr für den Feind geworden. An Kruppkes Nicken sah Haller, dass auch der alte Hauptgefreite sich an diese Tage erinnerte.
„Nun, Sir, ich habe einige Lasergewehre hier.“, setzte Kruppke an. „Vielleicht möchten sie den Rekruten demonstrieren, wie man damit umgeht.“
Haller nickte. In Kruppkes Augen blitzte es verschwörerisch.
Haller nahm das ihm gereichte Gewehr und wog es prüfend in seiner verbliebenen organischen Hand. Die Waffe war schwerer und sperriger als die Standardkarabiner des Todeskorps, mit fester Schulterstütze und verstärkter Verkleidung. Es war eine der robusten, auf Kantrael hergestellten Waffen, die vor allem für den Einsatz aus befestigten Stellungen heraus konzipiert waren, nicht für das Gewühl des Nahkampfs, in dem es mehr auf Handlichkeit ankam. Haller legte die Waffe an der Schulter an, blickte prüfend durch die Zielhilfe und schaltete die Waffe auf Halbautomatik. Das Gewehr summte leise, als die Energiezellen ihre Ladung auf den Feuermechanismus übertrugen.
Hallers Hände und Augen arbeiteten in perfektem Einklang. Er mochte kein guter Schütze am schweren Bolter sein, aber die Kämpfe, die er als gewöhnlicher Infanterist in unübersichtlichem Gelände durchgestanden hatte, hatten ihn schnell und genau mit einem Lasergewehr schießen gelehrt. Ohne den Blick auch nur einmal von der Zielhilfe über dem Lauf zu heben setzte er nacheinander in jedes der improvisierten Ziele einen Laserimpuls. Wo seine Schüsse auftrafen, begann das Stroh zu schwelen.
Gelassen setzte er das Gewehr wieder ab und gab es Kruppke zurück. Um sie herum hatte sich eine Traube staunender Kalopulosi gebildet.