Kurzvorstellung: Twilight of Empire
Format: Hörbücher (ungekürzt)
Autor: Ian Ross
Sprecher: Jonathan Keeble
Noch im alten Jahr war selbst der themenfremde Hörstoff aufgebraucht. Was Neues musste her. Die Bücher von Ian Ross hatte ich schon länger auf der Merkliste. Jetzt hab ich ihnen mal 'ne Chance gegeben. Und traue mir inzwischen ein Urteil zu.
Zugegeben, die Handlung setzt gaaanz am Ende des 3. Jahrhunderts ein. Außerdem bloß in einer Art Vorspann. Die ganze Serie ist dagegen in den ersten Jahrzehnten nach dem Jahr 300 angesiedelt. Insofern ein kleiner Blick über den Tellerrand für dieses Projekt. Inhaltlich sind wir aber voll auf Linie: Wie bei den Ballista-Romanen warpen wir uns in ein Römisches Reich, das längst nicht mehr unbesiegbar ist, sich gegen Barbaren behaupten muss (die gar nicht so barbarisch sind) oder sich in Bürgerkriegen aufreibt. Alles wie gehabt.
Überhaupt liest (bzw. hört) sich Ian Ross wie ein gelehriger Schüler von Harry Sidebottom. Viele Begriffe und Aussprüche kommen einem bekannt vor, wenn man Sidebottom im Ohr hat. Allerdings macht Ross vieles dann doch etwas anders und, für meinen Geschmack, auch besser.
Zuallererst: Die Serie abgeschlossen. Der sechste und letzte Band erschien 2019, und der Autor fängt gerade eine neue Reihe in einem Mittelalter-Setting an. Das Thema und die Protagonisten werden also aller Voraussicht nach nicht weiter ausgequetscht. In Zeiten endloser Serien mit dann meist blödem, weil erzwungenem Ende finde ich das bemerkenswert.
Zum Zweiten: Der Autor ist zuerst Schriftsteller. Er kennt sich in seinem Thema aus, aber er reibt es einem nicht ständig unter die Nase. Stattdessen werden eine Story und da hineinpassende Figuren entwickelt. Das ist immer noch keine hoch anspruchsvolle Literatur. Aber sehr viel angenehmer zu lesen.
Drittens: Die Charaktere funktionieren. Mit dem Helden, Aurelius Castus, muss man sicher erst warm werden. Auf den ersten Blick ist er ein eher schlichtes Gemüt. Er ist ungebildet, weder adlig von Geburt noch ein edler Barbar, sondern stammt aus Römisch-Hintertupfingen und identifiziert sich durchaus mit seinem Soldatenjob und "der römischen Sache". Die persönlichen wie politischen Konflikte, in die er dennoch dauernd rutscht, wirken dadurch weniger aufgesetzt, die Figur nicht so gewollt edgy. Weil Castus außerdem eigentlich nur nicht auffallen will, lässt er Raum für andere interessante Figuren. Und, Schockschwerenot, das können sogar Frauen sein! Denen wird zu allem Überfluss eine eigene Agenda zugestanden, die über die Rolle als Mutter und Sexspielzeug hinausgeht. Unvorstellbar.
Für den
vierten und letzten Punkt kann der Autor eigentlich nur bedingt was: Der Vorleser hat hörbar Spaß an der Sache. Das Latein ist wacklig. Dafür ist die stimmliche Charakterisierung großartig und teils urkomisch. Warhammerfans dürfte Jonathan Keeble eh bekannt sein – er hat z. B. "Helsreach" eingelesen. Und jetzt wünsche ich mir 'ne Animationsserie für die Castus-Bücher…
Gibt's Kritik? Klar, geht nicht ohne. Die Bücher sind zum einen etwas zu lang. Ich fühlte mich manchmal wie im Kino, wo man schon aufspringt, um dann zu merken, dass nach der Schwarzblende noch was kommt. Und dann noch was.
Zum andern ein bloßer pet peeve: Britannien ist als Schauplatz einfach super ausgelutscht. Na gut, den ersten Band dort anzusiedeln, ist dem Setting geschuldet (die Karriere von
Kaiser Konstantin, die hier begleitet wird, beginnt nun mal in York) und zielt marketingmäßig klug auf ein angloamerikanisches Publikum. Trotzdem lag der Roman bei mir genau deshalb lange auf Halde. Seid nicht wie ich, lest das Ding, es geht nur aufwärts.
Insgesamt kann ich die Serie – oder zumindest diesen ersten Band zum Probehören – ehrlich und vorbehaltlos empfehlen.
10/10 Lorbeerbäumchen ?