Vorstellung: Late Roman Legionaries (1) von Wargames Atlantic
Preis, Box & Vermarktung
Das Set enthält 24 Figuren zum UVP von ca. 34 Euro; jede Figur kostet also ca. 1,40 Euro. Das ist für historische Plastiksets nur ganz leicht über dem Schnitt, und bei deutschen Händlern kommt man fast überall etwas günstiger weg. – Zum Vergleich: Die "Late Roman Unarmoured Infantry" von
Victrix kostet beim Hersteller direkt knapp 40 Euro für 36 Figuren (ca. 1,10 Euro pro Figur),
Warlord Games bietet 26 "Early Imperial Roman Auxiliaries" für 31 Euro an (ca. 1,20 Euro pro Figur).
Vermarktet wird das Set als Teil einer Reihe für die
Spätantike. Ziemlich spezifisch geht es um die Zeit zwischen 284 und 476 n. Chr. – das meint vom Antritt Kaiser Diokletians, der das Römische Reich verwaltungsmäßig neu aufteilte, bis zur Absetzung des dann wirklich letzten weströmischen Kaisers Romulus. So steht's in den Schulbüchern, im jahrgenauen Zuschnitt ist es aber etwas willkürlich.
Die Coverillustration von Peter Dennis soll dann gleich die ganze Spannweite der Box demonstrieren: Im Vordergrund steht ein Soldat in fürs 3. Jahrhundert typischen Kleidung und Ausrüstung; der Kamerad hinter ihm zeigt dann schon die Optionen, die in die restlichen anderthalb Jahrhunderte gehören sollen.
Gussrahmen
Die Box enthält
6 identische Gussrahmen. Das heißt auch, die Ausrüstungsoptionen für Anführer, Hornist und Standartenträger sind ebenfalls sechsmal vorhanden. Eine der Standarten, das Vexillum, ist zudem mit dem Chi-Rho-Zeichen eindeutig christlich belegt, was den Nutzen etwas einschränkt. – Die Waffenauswahl beschränkt sich auf Schwert und Speer. Alternativ kann man je 3 Soldaten Wurfpfeile (
plumbatae) in die Hand geben, die auch auf der Schildinnenseite mitgeführt werden.
Die größte Variation gibt es bei den Köpfen: Man bekommt 19 Optionen pro Rahmen, davon 4 mit Mützen/Hüten (dem
pileus pannonicus) und 1 ohne Kopfbedeckung. Der Rest trägt Helm, wobei je 4 Helme vom Typ "Niederbieber" (3. Jahrhundert), Kammhelme (4./5 Jahrhundert) bzw. Spangenhelme (5./6. Jahrhundert) vorkommen. Dazu kommen 1 Kammhelm für den Chef und einmal der "Fifi" für Standartenträger/Hornisten. Je 4 optionale Haarschweife und Federbüsche runden das Ganze ab.
Why so serious?
Insgesamt bekommt man also einiges an Auswahl an die Hand. Die Modellierung ist gut gelungen, die Details weder überzeichnet noch unscharf – die Darstellung der Ringpanzer gefällt mir besonders. Und ganz allgemein spricht absolut nichts dagegen, die Figuren für den aufgedruckten Zweck, eben als "Spätrömer" einzusetzen.
Allerdings heißt – für mich! – Historical Wargaming auch, auf eine möglichst stimmige Darstellung zu achten. In vielen Details gehören die Figuren hier in die Zeit
vor dem angegebenen Stichdatum um 300 n. Chr. Anders gesagt, als Basis der Figuren für das 4. und 5. Jahrhundert soll hier Ausrüstung dienen, die ein- bis zweihundert Jahre früher genutzt wurde. Das ist etwa so passgenau, wie US-Truppen in Afghanistan aus Sets für bestenfalls Vietnam oder aber den Sezessionskrieg zu basteln.
Nichts davon scheint die Jahrhundertwende überlebt zu haben. Einiges (wie der Dolch) ist wahrscheinlich schon früher aus der Mode gekommen. Klar ist auch, dass der riesige Schild solche Details leicht überdeckt und von ihnen ablenkt. (Die Schilde sind sowieso ein Highlight des Sets, weil kein anderer Anbieter diese Form im Programm hat, sie aber ab dem späten 2. Jahrhundert in der römischen Armee weit verbreitet scheint.) Trotzdem, wer's einmal gesehen hat, wird den Look immer wiedererkennen.
Warum dann dieses Durcheinander? Einen Hinweis gibt die einzelne barhäuptige Kopfvariante. Sie ist nämlich eindeutige Hommage an eine
Illustration von Angus McBride (die ich wegen Urheberrechten
nur verlinke, bei Bedenken auch das einfach löschen). Und so sind auch die restlichen Details ganz offenbar von dieser Vorlage inspiriert. Das Bild ist ursprünglich erschienen im Osprey-Heft
"Imperial Roman Legionary, 161–284 AD" und stellt laut Legende einen Soldaten des "mid to late 3rd century" dar. So weit, so korrekt.
Dass
Wargames Atlantic daraus ein Set für die Spätantike gepresst hat, ist wahrscheinlich einer Mischung aus Ahnungslosigkeit und Geschäftssinn geschuldet. Das eine deshalb, weil dem
angekündigten nächsten Römerset eine solche Vorlage zu fehlen scheint und es entsprechend unsinnige Ausrüstung zeigt. Das andere, weil die Spätantike besonders im englischen Kulturraum bekannter und als "Age of Arthur" auch unter Wargamern beliebt ist.
Irgendwie hoffe ich noch drauf, dass sie bei Nummer 2 des Sets wirklich nur das Panzerhemd ändern, die sonstige Ausrüstung gleich lassen. Noch lieber wäre mir natürlich ein Set mit mehr und möglichst auch verschiedenen Helmen fürs 3. Jahrhundert. Die vier bisher beiliegenden sind definitiv zu wenig, gerade bei Kombinationen verschiedener Sets.