Jetzt
Freunde unter Feinden
Tiberius brachte seine zerzausten Haare wieder in Ordnung. Die dunkelblonden Locken staken in alle Richtungen.
Immer das Selbe mit diesem elenden Teleportieren.
Erst als er wieder mit dem zufrieden war, was er in dem psionischen Spiegel vor sich sah, begann er, seine Umgebung zu betrachten. Das Teleportieren war geglückt. Nicht das er Zweifel gehabt hätte, ob er auch ankommt. Allerdings funktionierte die Ortsangabe bei der psionischen Teleportation sehr schlecht. Er hätte aus Versehen auch zwanzig Meter über dem Boden oder unter der Erde landen können. Beides wäre allerdings kein Problem gewesen.
Nun achtete er auch auf die Details. Er stand auf einem roten Hügel. Nicht sehr hoch, aber höher als der größte Teil des Landes und somit ein guter Aussichtspunkt.
Plötzlich bemerkte er, dass nicht der Hügel rot war, sondern dass der Himmel sich rot verfärbt hatte und deswegen alles rötlicher erschien, als es war. Denn auch die Schädel, Pfähle und andere chaotische Dinge, die in seiner Nähe lagen, waren rötlich verfärbt.
Er blickte in die Ferne. Rote Ebenen, so weit das Auge zu sehen vermag. Und ein psionisch verstärktes Auge sieht weit. Am Horizont konnte er allerdings einen weiteren Hügel ausmachen. Auf dem Hügel hatte sich eine Streitmacht aus Chaosmarines und Dämonen gesammelt. Ebenfalls befand sich auf dem Hügel ein violettes Energietor. Ein Riss, durch den die Kreaturen des Immateriums in die materielle Welt eindrangen.
Und er konnte erkennen, wie zwei größere Chaos Space Marines zum Tor hechteten.
Gallos und Lucius
Er ging leicht in die Knie und richtete seinen Körper in Richtung des anderen Hügels. Die Erde unter seinen Füßen kam in Wallung. Sand und Staub wehten davon, Risse bildeten sich um seine Stiefel. Und mit einem harten Ruck stieß er sich ab und schnellte wie ein Pfeil durch die Luft. Die Luft schnellte vorbei. Er schnitt sie.
Na toll, ich hab mir grade erst die Haare zurechtgemacht!
Als er über dem Hügel war, wo er in wenigen Sekunden auch war, rollte er sich (wieder einmal) zu einer Kugel zusammen und erzeugte einen Schild um sich. Er erhöhte das Gewicht seines Schildes, indem er mehr Energie hineinleitete. Er stürzte zu Boden und… direkt auf den geparkten Land Raider.
Die verderbte Maschine verging in einem gewaltigen Feuerball. Gleißendes Licht blendete alle Umstehenden. Fliegende, brennende Fahrzeugteile schossen durch die Luft und erschlugen mehrere Verräter.
Tiberius erhob sich aus dem Schutt und klopfte sich langsam die Schärpen und Umhänge ab. Seine Haare hatten glücklicherweise nicht zu sehr gelitten. Nur einige Strähnen standen ab.
Immer diese Locken! Ich will glatte Haare!
Er streckte sich.
„Einen wunderschönen Guten Morgen, meine Herren und Dämonen.“
Er blickte sich um. Die Chaos Space Marines hatten zwar ihre Waffen auf ihn gerichtet, drückten aber nicht ab, denn sie wussten alle, dass es ihnen nichts bringen würde.
„Äh…, wo ist euer Obermotz?“
Ein Leutnant trat hervor.
„Lord Waquega ist unterwegs. Geduldet euch bitte, Bruder Ordensmeister.“
„Danke Bruder. Ich werde warten.“
Tiberius schwebte einige Zentimeter in die Höhe und zog dann die Beine zum Schneidersitz zusammen. Unter den misstrauischen Blicken der menschlichen Anwesenden. Die Dämonen wanden sich ausnahmslos alle am Boden. Sie ertrugen seine Aura nicht.
Nach einiger Zeit verschwamm plötzlich das riesige, pulsierende Portal vor ihnen. Und eine große Gestalt, flankiert von zwei anderen seiner Art, trat durch die Barriere.
„Sei gegrüßt, Settak.“
„Folg mir. Wir müssen reden.“
Tiberius drehte sich auf dem Absatz um und ging gemächlich ins Ödland hinein. Immer weiter durch den roten Staub, die verbrannte Erde und die verblichenen Gebeine. Den gesamten Weg über vernahm er ein leises, metallisches Klacken hinter sich. Metallene Absätze!
Nach einigen Minuten hielt er an und drehte sich wieder einmal um. Waquega war ihm gefolgt. Allein. Weit entfernt, am vernebelten Horizont konnte er ein leichtes Schimmern entdecken. Seine Sinne verrieten ihm, dass im Umkreis eines Kilometers kein lebendes Wesen war.
„Was willst du, Halbeldar?“
„Jetzt fängst auch du noch an.“
„Egal, also?“
„Nun ja. Wie es aussieht ist das Ende diese Konflikts nah.“
„Das glaube ich allerdings nicht. Es kann noch viel passieren. Siehst du nicht die Schicksalsstränge vor dir. Wie viele Verstrebungen, wie viele Kreuzungen. Allerdings sehe ich, dass dieser Planet noch vor einer großen Kreuzung mit dem Strang meiner Armee steht. Und dem der Orks, natürlich.“
„Und unsere sehe ich noch in weite Zukunft. Leider.“
„Freu dich doch. So können wir noch länger unseren Spaß haben.“
„Ich weiß ja nicht? Nach vierzig Jahren habe ich keine Lust mehr.“
„Aber der Sarlak- Kreuzzug, bei dem wir uns kennenlernten, ist noch keine fünfzehn Jahre her.“
„Die vierzig war nicht unbedingt auf dich und mich, sondern auf das Bestehen der Masters of War bezogen.“
„So schnell? Hält ein Space Marine nicht länger durch, bevor ihm Zweifel und Müdigkeit überfallen?“
„Möglich. Aber ich spreche als Alpha Psioniker. Die Stimmen, die Sinneseindrücke, Der Warpraum. Das alles geht mir auf die Nerven.“
„Selbstmord?“
„Hättest du wohl gerne. Nein, ich muss lediglich eine Auszeit vom Kampf gegen das Chaos nehmen. Ich schwöre dir, mein nächster Gegner wird ein Tyrranid oder ein Dark Eldar.“
„Schade.“
„Jedenfalls, ich wollte dir nur sagen, dass ich es habe.“
„Ja, ich sehe es. Es ist ein wunderschöner Stein. Mächtig. Verführerisch. Wohltuend, wie das Chaos.“
„Versuchs gar nicht erst.“
„Ich werde jetzt nicht versuchen ihn dir wegzunehmen. Die Gelegenheit wird sich noch bieten.“
„Gut.“
„Wie geht es K’ari?“
„Warum fragst du?“
„Glaub es oder nicht, aber dieses Mädchen ist viel zu liebenswert, als dass man sie nicht mögen könnte. Ich bin doch kein gefühlloses Ungeheuer.“
„Und deswegen bist du so gefährlich. Nun, ihr geht es den Umständen entsprechen. Krieg ist nicht immer angenehm.“
„Außer für zwei wie uns.“
„Da hast du recht.“
„Sag mal, spielst du noch E-Gitarre?“
„Natürlich.“
Neben ihm erschien plötzlich eine dämonische Gitarre aus dem Warpraum.
„Beschwöre deine. Lass uns ein letztes Mal spielen. Mögen unsere Gitarren nicht die letzte Musik diese Planeten sein.“
„Wie meinst du das?“
„Wenn diese Welt eine Dämonenwelt werden sollte, werden wunderbarer Gesang und unsere Gitarren erklingen.“
„Wir werden sehen. Kennst du Kill with Power?“
Aueliun schlich langsam vorwärts. Neben ihm war dieser Chem- Pan Sey, Eliades Nemaides, bewegte sich genauso vorsichtig vor. Aueliun war erstaunt, dass ein Mensch solche Fähigkeiten besaß.
„Aueliun, was sagt Euer Auspex?“
„Mein was?“
„Euer Scanner!“
„Hm Auspex…, keine Feinde. Wir haben nur noch zweihundert Meter vor uns.“
Der Mensch überprüfte ein letztes Mal sein Scharfschützengewehr, Marke Armageddon. Das Gewehr mit verbesserten Schalldämpfer und Hochgeschwindigkeitsprojektilen mit Franciummantel, somit giftig, lag gekonnt in seinen Händen. Dieser Mann war kein Amateur.
„Sagt Mensch, was ist so wichtig? Die ehrenwerte Runenprophetin hat mich euch zugeteilt, aber ich weiß immer noch nicht, was wir tun sollen?“
„Zwei Weirdboys der Orks ausschalten. Diese beiden sind besonders gefährlich und das Departemento hatte eigentlich das Officio Assassinorum beauftrag. Doch sie werden wohl zu spät eintreffen, Also habe ich es in die Hand genommen.“
„Verstehe.“
„Was habt Ihr, Eldar?“
„Wir werden nun doch wohl an Eurer Seite stehen. Allerdings ist es mir unverständlich.“
„Wisst ihr, Runenprophetin Macha steht in einem besonderen Verhältnis zu einem unserer Kommandanten.“
„Zu wem?“
„Das geht euch nichts an. Allerdings ist dieses Verhältnis tiefgehend.“
„Gehört die Runenprophetin zu den Fehlgeleiteten? In letzter Zeit kommen immer mehr weibliche Eldar auf dumme Gedanken.“
„So ist es nicht. Sie ist eher…, weiter sollte ich nicht reden. Wenn ihr es wissen wollt, fragt sie doch.“
Mittlerweile waren sie den Hügel hinaufgekrochen und in Schussposition.
„Anlegen.“, flüsterte Nemaides.
Sie Schüsse waren vollkommen geräuschlos und präzise gewesen. Und die Orks liefen wie kopflose Hühner durch die Gegend.
Auf dem Rückweg fiel nur ein einziger Satz. Aueliun hielt seinen menschlichen Kollegen kurz an und meinte:
„Vielleicht könnten wir noch ein, zwei Mal zusammenarbeiten?“
Der Imperiale hatte den restlichen Weg über ein breites Grinsen auf dem Gesicht und pfiff fröhlich vor sich hin.