Kapitel 9
„Ihr seid alle Blind! Blind! Blind! Blind! Ich werde euch helfen zu sehen! Ich werde euch die Augen öffnen!“
-Über Lautsprecher übertragene Propaganda des Erzfeindes, dem selbsternannten Erzketzer Sinrai von den Augenlosen zugesprochen-
Der Taktikraum wuselte förmlich vor Aktivität. Rheinländische Stabsoffiziere rannten hektisch mit Stapeln von Akten hin und her, Verbindungsoffiziere der anderen Regimenter riefen Boten ihre Befehle zu und andere wie die Dienerinnen der Sororitas halfen den Soldaten wo sie nur konnten.
Rossmann stand in der Mitte des Raumes und beugte sich über die große Taktikanzeige. Überall blinkten Sektoren auf der ansonsten blauen Anzeige in tiefem rot auf. Sie standen für die vielen Kampfmeldungen, in die die Späher rund um den Hirtenberg verwickelt waren. De Vall hatte mittlerweile schon drei andere Funker als Unterstützung und rotierte immer noch, um die Anfragend er vorgeschobenen Beobachter zu bearbeiten.
Die Nachrichten die von der Front kamen waren allesamt schlimm. Schon nach nur einem Tag, musste die gesamte erste Postenlinie komplett geräumt werden, weil der Ansturm einfach zu enorm war. Auch die Verlustmeldungen waren kaum noch erträglich, aber Rossmann hoffte, dass der Zeitgewinn seine Entscheidung später rechtfertigen würde.
Als wäre das alles nicht schon schlimm genug, schwirrte dem Alten zusätzlich auch noch das Gespräch mit Kardinal Firnis im Kopf herum.
Nachdem er das Buch erwähnt hatte und vor allem die Umstände, in denen er es gefunden hatte, war der gebrechliche Geistliche nicht mehr zu halten gewesen. Er hatte gedrängt, dass Rossmann ihm doch das Buch bitte aushändigen würde und da er absolut nicht locker ließ, gab er es ihm auch schließlich, da wichtigere Dinge anstanden. Kaum hielt er den schweren alten Wälzer in seinen gichtigen Händen, da machte er sich auch schon förmlich aus dem Staub. Die Erregung, die er in seiner Stimme hatte, beunruhigte Rossmann ungemein.
Seit er das Buch damals in der zerstörten Bibliothek von Goldtorstadt gefunden hatte, war ein Teil von ihm immer beunruhigt gewesen. Die Umstände, durch die er an das Buch gelangt war, waren einfach von Anfang an zu merkwürdig gewesen. Zusätzlich nun auch noch der Kampfeinsatz auf Sabbit I, einer ehemaligen Hauptpilgerstätte für Fausturnus…
Rossmann musste sich zwingen, aus seinen Gedanken aufzutauchen, schließlich galt es hier einen Krieg zu gewinnen und das würde er nicht schaffen, wenn er nur über alte Bücher und womöglich noch ältere Kardinäle nachdachte.
Rossmann schaute vom Lageplan auf und sah General Fork in die Augen: „Irgendwelche Einfälle General?“ Fork schnaubte. Nach seinem Rückzug von den nördlichen Landungsfeldern hatte sich seine Einstellung deutlich verändert. Er wusste nun wie gefährlich der Feind war und hatte kein Interesse, noch einmal eine solche Aktion durchzuführen. Missmutig rang er sich zu einer Antwort durch: „Mein Einsatzfeld ist im Moment beschränkt Herr Oberst. Der Feind hat sich mittlerweile der bewaldeten Gebiete im Norden bemächtigt und sich dort fest gebissen. Der Weg zu den Steppen ist damit blockiert und somit auch das einzige Gebiet, wo ich meine Einheiten Offensiv einsetzen könnte. Meine Leman Russ sind nicht für die Kämpfe auf so kurze Entfernung, wie sie in diesen Imperator verlassenen Wäldern vorherrschen gedacht. Das einzige, was ich zu diesem Zeitpunkt vielleicht beisteuern könnte, wäre meine Schwadron Punisher.“ Rossmann nickte: „Ich komme bei Gelegenheit darauf zurück.“
Mit einigen geübten Fingerbewegungen auf dem Kontrollfeld vergrößerte Rossmann den nördlichen Kartenabschnitt der Taktikanzeige. Kleine grüne Dreiecke und Kreise, jede stellvertretend für eine imperialen Einheit, begannen sich zu festigen und gaben die Positionsangaben durch. Überall blinkte es rot, der gesamte Norden stand mittlerweile unter Feuer. Rossmann seufzte kurz innerlich, um sich dann wieder auf zu rappeln: „Wie sie bereits wissen General, haben die Streitkräfte des Erzfeindes im Norden mit ihrer bedingungslosen Offensive begonnen. Meine Späher halten sich tapfer, werden die Front aber trotz der Hilfe der PVS und der heiligen Schwestern nicht mehr lange halten können. Der Verlust an Menschenleben, den wir an der Front zu verbuchen haben, wiegt einfach nicht mehr die Zeit auf, die wir dadurch gewinnen können.“
Fork sagte nichts, nickte aber zustimmend. Sein kampfgezeichnetes Gesicht war in grünen Schein und dunklen Schatten gehüllt, die vom schwummrigen Licht der Taktikanzeige in den Raum geworfen wurden. Rossmann fand, dass das Lichtspiel den General sehr alt aussehen ließ. „Ich würde einen geplanten Rückzug innerhalb der nächsten vierundzwanzig Stunden vorschlagen, hätte aber gerne noch eine zweite Meinung.“ Fork schaute auf, was das Schattenspiel auf seinem Gesicht durch einander wirbelte und somit eine ganz neue Betonung des Gesichtes schuf: „Ein Gegenangriff ist unter den momentanen Bedingungen für uns nicht möglich und ich gebe ihnen auch Recht, dass es uns nichts mehr bringt, die Linien zu halten. Ich wäre auch für den Rückzug.“
Der Alte ließ sich ein lächeln entlocken: „Ich bin froh, dass wir übereinstimmen. Wir sollten besser so schnell wie möglich damit beginnen, die Aufgabe der ersten Front zu planen. Unsere Einheiten werden vermutlich schwere Unterstützung benötigen, damit das Ganze Reibungslos verläuft.“ Rossmann hatte den Satz kaum beendet, als er sich plötzlich an den Ohrstöpsel des Helmkomms hielt. Mit jeder Sekunde wurde seine Gesichtsfarbe blasser. Mit entgeisterten Augen richtete er sich auf.
„Der Süden ist gefallen“, wisperte er mehr zu sich selbst, als zu den umstehenden Männern, schnell fand er jedoch seine Stimme wieder: „An alle Kommunikationsoffiziere! Sämtliche vorgeschobenen Einheiten sollen sich umgehend zur Festung zurückziehen, ohne Ausnahme! Geben sie an alle verfügbaren Jardi Batterien durch, dass sofort schweres Sperrfeuer auf den Südwest und den Südost Sektor gegeben wird. Höchste Alarmstufe für alle Einheiten.“
Sein Name war Sinrai, Sinrai von den Augenlosen. Jeder Mann in den Gräben wusste das mittlerweile, schließlich war sein Name kaum zu überhören. Es war eine sehr simple Form der Propaganda, entschied Leutnant Brinkner für sich selbst, simpel aber nicht uneffektiv. Irgendwo vor ihrer Position, weiter hinten im Wald, hatte der Erzfeind Lautsprecher aufgebaut. Eben diese infernalischen Maschinen plärrten nun schon seit über neun Stunden die Botschaften von Sinrai herüber.
Sinrais Botschaften waren vor allem irgendwelche Versprechen. Sinrai wird euch die Augen öffnen, Sinrai wird euch reinigen und natürlich, das Sinrai kommen wird.
Die Rheinländer und die Männer der PVS warteten nun schon seit einiger Zeit bei der Mühle, aber bis jetzt hatte Sinrai ihnen weder die Augen geöffnet, noch war er zu ihnen gekommen, was viele Männer ziemlich betrübte, da sie ihm gerne einmal persönlich begegnen würden um ihm ein Bajonett in die Brust zu rammen.
Was jedoch kam, waren seine Anhänger.
Die Einheit hatte vor knapp fünfzehn Stunden Stellung bei der Mühle bezogen, in dieser relativ kurzen Zeit hatte sich das Gelände schon dermaßen verändert, dass es kaum noch wieder zu erkennen war. Der einstmals stolze Mühlenkomplex war durch konstanten Mörserbeschuss des Erzfeindes zu wenig mehr, als einer zweistöckigen Ruine reduziert worden und das satte Grün des dichten Waldes war von den eigenen Basilisken gründlich zerfetzt worden.
Brinkner hatte einige Verluste hinnehmen müssen, um die Stellung zu halten. Zwölf seiner Männer waren mittlerweile in den andauernden Kämpfen gefallen, darunter auch Feldwebel Hirte, einer seiner Fähigsten Truppführer und die Männer von Sabbit hatte fast ein Drittel ihrer Stärke eingebüßt, annähernd fünfzig Mann.
Trotzdem spiegelten diese Verluste nicht im Ansatz die Härte der Kämpfe wieder. Über dreißig Panzer hatten sie mittlerweile zerstört, hauptsächlich Schützenpanzer und leichte Panzer, aber mit jeder Stunde schienen sie größer zu werden. Öliger Rauch lag in der Luft, da viele der Wracks immer noch lichterloh brannten und die Rheinländer waren mittlerweile wieder in voller Kampfmontur inklusive Gasmaske. Überall lagen die Leichen der grün gewandeten Kultisten herum.
„Feldwebel Thorn, wie viele Batterien haben wir noch für die Laserkanonen?“, Brinkner kauerte tief geduckt in einer der Geschützstellungen, da unablässig leichtes Mörserfeuer auf ihre Position niederging und die Splitter über dem Graben umher pfiffen. Feldwebel Thorn wandte seinen Blick von der Baumlinie oder zumindest, was davon übrig war ab, um seinem Offizier direkt in die Augen zu schauen. Die großen, dunklen Gläser der Gasmaske verliehen ihm etwas Anklagendes.
„Wir haben noch neunzehn Ladungen, aber wenn die in dem Tempo weitermachen, lösen die sich schnell in Nichts auf.“ Die beiden Soldaten zogen die Köpfe ein, da eine Basiliskengranate besonders tief über den Gräben hinweg kreischte und mit einem erschütternden Knall hinten im Wald explodierte.
„Wann bekommen wir den endlich Nachschub her Leutnant? Die kommen mit Panzern! Sollen wir die den mit Steinen bewerfen?“ Brinkner schüttelte den Kopf: „Ich weiß es auch nicht Thorn. Wir hätten schon vor zwei Stunden Munition und Verpflegung bekommen sollen und zum HQ komm ich nicht mehr durch. Die Wixer stören mit diesem scheiß Gelaber auch den Funk“, er klopfte seinem Mann auf die Schulter, „Machen sie erst einmal einfach so weiter, viel ändern können wir an der Situation im Moment so wie so nicht. Wenn wir keine Munition mehr haben, können wir dann immer noch gucken ob wir ein paar große Steine finden.“
Geduckt ging Brinkner weiter, den flachen Graben entlang, um in Richtung der PVS zu gelangen. Seitdem sämtliche Frequenzen von Sinrais verbalem Durchfall überlagert wurden, saßen sie wirklich bis zum Hals drin, da nicht einmal mehr das Helmkomm funktionierte. Der einzige Lichtblick war, dass man beim HQ scheinbar schon Notiz davon genommen hatte, da die Basilisken immer noch feuerten, auch wenn sie von hier keinen Feuerbefehl mehr erhielten. Die Granaten kamen zwar unkoordiniert herein, aber wenigstens kamen sie noch herein.
Brinkner hatte sich endlich bis zum ‚Gefechtsstand’ der PVS vorgearbeitet. Der Gefechtsstand war genau genommen nur ein tieferer Grabenabschnitt, über den man etwas Holz und Erde gelegt hatte. Im Gefechtsstand selbst war nicht viel los. Ein schweres Maschinengewehr war in der Schießscharte befestigt und in der Ecke waren ein klobiges Auspex zusammen mit einigen Karten aufgebaut worden. Hier hatte Leutnant Horatio das Sagen, ein bärbeißiger Berufssoldat mit dichtem Rauschebart von der PVS. Brinkner kam gut mit ihm aus, da er ein fähiger Zugführer war und einen guten Charakter hatte. Horatio war mittlerweile nach Brinkner der zweite Kommandant der Einheit, da die anderen beiden Zugführer der PVS zum einen gefallen, zum anderen schwer verletzt waren.
„Imperator beschützt Leutnant Brinkner, was kann ich für sie tun?“ Brinkner erwiderte sofort die Imperiale Geste und nahm sich als Zeichen der Höflichkeit die Gasmaske ab. „Ich wollte nur wissen, wie viele Raketen sie noch haben.“ Horatio setzte ein resigniertes lächeln auf: „Schade, ich hatte schon gehofft, dass sie mit guten Nachrichten kommen würden. Wir laufen langsam leer. Auf die Teams verteilt, haben wir denke ich noch um die siebzig Raketen und wenn alle Stricke reißen, sind noch die Haftladungen da.“ „Viel ist das nicht… Wenn die Basilisken wenigstens diese verdammten Lautsprecher mal erwischen würden.“
Der junge Stabsgefreite, der am Auspex saß drehte sich plötzlich aufgeregt vom grünen Schein des Scanners weg und blickte auf die zwei Leutnants: „Signale Sir! Wieder Signale im Norden!“
Sofort war Aufregung im Graben. Pfeifen jaulten durch die Gräben und lösten hektisches Handeln aus. Positionen wurden Besetzt und Waffen entsichert. Zwischen dem ständigen pfeifen der feindlichen Mörser und dem ächzen der verdammten Lautsprecher waren erste Kettenfahrzeuge zu hören.
Horatio wendete sich an Brinkner: „Wollen sie noch zurück in ihren Abschnitt? Wir können ihnen Deckung geben.“ Der Leutnant dachte einen kurzen Moment nach, schüttelte dann aber mit dem Kopf: „Nein, Kommissar Nietfeld wird das auch ganz gut ohne mich hinbekommen und ich muss meinen Arsch ja nicht für umsonst riskieren.“
So etwas wie eine Ruhe vor dem Sturm gab es hier nicht mehr. Beständiges Wummern von Explosionen, sowohl der eigenen Artillerie, als auch der feindlichen Mörser lag in der Luft und zusammen mit dem heulen der verschiedenen Granaten und dem fürchterlichen Propagandageschwätz bildete sich ein nervtötender Grundtenor. Irgendwann schrie jemand aus den Gräben ‚Panzer’ und dann ging es einfach los.
Die gesamte Straße, die am Mühlenkomplex vorbei führte war inzwischen übersäht mit den Ausgebrannten Wracks der verschiedensten Fahrzeuge, weshalb man beim ersten feindlichen Panzer zuerst dessen Bewegungen sah, bevor er sich selbst zeigte. Wracks wurden weggestoßen und man konnte das fürchterliche Geräusch von Panzerplatten hören, die von deutlich stärkeren Kräften zermalmt wurden.
Leutnant Horatio wandte sich zu Brinkner, während er sein Lasergewehr fest umklammerte: „Muss verflucht groß sein das Ding.“ Brinkner schluckte nur. Ein letztes Wrack, das eines leicht gepanzerten Halbkettenfahrzeugs, erbebte kurz und wurde dann wie eine Rationsdose unter der gewaltigen Masse des Panzers pulverisiert. Es war ein Leman Russ, der sich den Weg zu den Imperialen Linien bahnte und in seinem Kielwasser folgten weitere leichte Kettenfahrzeuge, die nun endlich wieder eine freie Trasse durch das Trümmermeer hatten.
Der schwere Panzer war entsetzlich entstellt. Rostige Dornen und Eisenzacken ragten überall aus dem Fahrzeug heraus, bestückt mit grausigen Trophäen und weit aufgerissene Dämonenfratzen ersetzten die ehemaligen Geschützmündungen. Überall waren häretische Symbole hingeschmiert worden und etliche tiefe Narben in der Panzerung zeugten von der Erfahrung, die das Fahrzeug wohl schon im töten von Imperialen gesammelt hatte. Die Maschine fuhr in Stellung und richtete ihr Hauptgeschütz aus, während hinter ihr die leichten Fahrzeuge aus schwärmten, um das Feuer auf sich zu ziehen.
„Sagen sie ihren Männern, dass sie die Raketen auf die anderen Panzer konzentrieren sollen Horatio. Dieses Ding kriegen wir mit ihnen nicht klein, dass können nur die Laserkanonen schaffen.“ Umgehend gab der Sabbiter zwei von seinen Stabsgefreiten Order, die daraufhin die Gräben entlang rannten, um die Raketenwerfer zu informieren. Donner erfüllte die Luft, als das Kampfgeschütz des schweren Panzers zu feuern begann. Gleich der erste Schuss saß und zeriss einen Grabenabschnitt und mit ihm zwei Rheinländer. Zum Glück hatte das Teil keine Seitenkuppeln.
Waffenteams begannen ihre Kanonen aus zu richten und dicke rote Strahlen zischten dem Ungetüm entgegen. Wenn keine Sturmpioniere oder Panzer verfügbar waren, waren die Laserkanonen das einzige effektive Mittel zur Panzerbekämpfung der Rheinländer. Raketenwerfer gab es beim ersten, außer in der Späherkompanie schlichtweg nicht. Die Späher schätzten die hohe Mobilität und Flexibilität der Waffe, im Grabenkampf brauchte man jedoch eine Waffe, mit der man schwere Panzer auch frontal und ohne Kompromisse angehen konnte, dafür waren die Werferrohre ungeeignet.
Tiefe Löcher brannten sich durch den Laserbeschuss in die dicke Frontpanzerung der Maschine, aber es war noch nicht absehbar, ob diese Treffer auch zum Ziel führen würden, lediglich ein paar zweitrangige Aufbauten nahmen Schaden.
Die Kakophonie der Schlacht schraubte sich immer höher. Brinkner konnte hören, wie leichte Projektile im Sand und Holz des Unterstandes einschlugen, da auch das feindliche Fußvolk nicht untätig war. Wieder stürmte die grüne Welle aus den zerfetzten Überbleibseln des Waldes und zwischen den qualmenden Panzerwracks vor, wieder begannen die Maschinengewehre und –Kanonen mit ihrem tödlichen Gesang. Leuchtspurgeschosse flogen über das offene Gelände und hinterließen glühende Nachbilder in den Augen jener, die sie betrachteten. Jeder Kultist starb im Kreuzfeuer auf seine Art und Weise.
Einige wurden im vollen Ansturm getroffen und vor Wucht des Treffers einfach umgehauen, andere sackten nach einem Treffer erst auf die Beine, um dann schlichtweg Tod liegen zu bleiben. Einige starben, noch bevor ihr verseuchter Körper den Boden berührte, andere quälten sich noch über Stunden mit einem Bauchschuss. Was sie jedoch alle verband, was sie alle gleich machte, war die Tatsache, dass sie starben.
Den Abschaum des Erzfeindes störte es nicht, wenn neben ihm ein Kamerad zusammenbrach, er stürmte einfach weiter heulend vor, wohl wissend, dass weitere ihm folgten. Leutnant Thorn hatte sich an schon an die Schießscharte gestellt, damit er mit seinem Lasergewehr Feuer geben konnte, während neuerliches Grollen den zweiten Schuss des Leman Russ ankündigte. Diesmal kam die Granate etwas zu kurz herein und explodierte wirkungslos auf offenem Feld. Als Antwort darauf zuckte ein Laserstrahl auf den Panzer zu und richtete dort den ersten wirklich sichtbaren Schaden an, indem er die Kette des Tanks zerfetzte. Zeit zum Jubel gab es jedoch keine, nur weil ein Leman Russ sich nicht mehr bewegen konnte, war er nicht ungefährlich.
Der Gestank nach Schwarzpulver und Ozon mischte sich immer mehr in den Geruch nach verbranntem Öl. Wenn sie dieses Biest nicht bald zur Strecke brachten, wird es noch ein Loch in die Linie sprengen. Mit starrem Blick lud er seine Fabrikneue Boltpistole durch. Er hatte das gute Stück erst ein paar Mal auf dem Schießstand benutzt, aber wie es aussah, würde er sie wohl bald unter richtigen Bedingungen testen können.
Zu beschäftigt mit der Situation, merkte er fast gar nicht, wie jemand an seinem Arm zupfte. Es war der junge Gefreite, der im Gefechtsstand das Auspex bediente. „Was gibt es Soldat?“ Der Mann war bleich im Gesicht, als er das Wort ergriff: „Fahrzeuge nähern sich vom Süden, Herr Leutnant.“ Brinkner handelte sofort und rannte aus dem Gefechtsstand. Es war nicht gesagt, dass es sich um feindliche Einheiten handelte, aber die Front befand sich mittlerweile in einem solch desolaten Zustand, dass so gut wie alles möglich war.
Er schnappte sich den nächst besten Feldwebel der PVS, mitsamt Trupp und Raketenwerfern und machte sich sofort auf den Weg zu den nach Süden gerichteten Ruinen. Hinter ihnen tobte immer noch die volle Schlacht und es widerstrebte den Männern sichtlich, ihre Kameraden in den Gräben alleine zu lassen. Granaten detonierten um sie herum, einer der Männer im grün braunen Drillich brach getroffen zusammen. Sie hatten keine Zeit, um zu sehen, ob er noch lebte oder nicht.
Mit einem gewagten Hechtsprung schaffte es Brinkner nach einem Spießrutenlauf durch das mit Kratern gesäumte Feld, mit dem Rest des Trupps in die relative Sicherheit der Ruinen. Mit geübten Bewegungen stieg der Trupp über Trümmer und Schutt, um sich in den südlichen Flügel vor zu kämpfen. Die Äußerlichen Schäden der einst stolzen Gebäude waren zwar mittlerweile enorm, die innere Struktur war jedoch noch erstaunlich intakt.
Kaum hatten sie die Fenster an der Südseite erreicht, wurden schon die zwei Raketenwerfer, die sie mitgenommen hatten geladen und auf die Straße gerichtet. Jeder versuchte so gut wie er konnte und dem Hintergrundlärm zum Trotz nach Geräuschen zu lauschen.
Sie waren alle verflucht nervös. Sollte es auch nur ein schwerer Panzer geschafft haben, an ihren Linien vorbei zu kommen, um ihnen in den Rücken zu fallen, hätten sie verloren. Er würde sie einfach von hinten aufrollen.
Als dann plötzlich ein Fahrzeug hinter dem noch intakten grün des Waldes hervorstach und mit hoher Geschwindigkeit auf sie zu raste, passierte es. Einer der Raketenschützen war zu nervös und schoss einfach beim ersten Anzeichen von Bewegung. Die Rakete sauste los, noch bevor Brinkner etwas sagen konnte und bohrte sich mit einem langen weißen Kondensstreifen hinter sich, direkt neben dem gepanzerten Jeep in die Straße. Die Sprengladung ging hoch und der Jeep wurde wie ein Spielzeug durch die Luft gewirbelt, um im nächsten Graben zu landen. Es war ein sauberer Treffer und auf eine solch hohe Entfernung, kurz vor einem erfolgreichen Kunstschuss. Grund zur Freude gab es jedoch nicht.
„Scheiße“, brachte Brinkner noch hervor, als er den weißen Aquila auf der Motorhaube sah.