Das Glimmen des Lagerfeuers spiegelte sich auf der Klinge seines Schwertes, während er den Schlag ausführte. Mit dem vertrauten Geräusch reißender Muskeln drang die Schneide in den Leib seines Gegners und ließ ihn kampunfähig zu Boden sinken. Der Ork jaulte, ob vor Schmerz oder vor Überraschung ließ sich nur schwer sagen.
Logan of Greywood versank beim Zurücktreten tief in dem lockeren Sand zu seinen Füßen.
„Herrin, gewähre mir deinen Segen. Leite meinen Arm mit deinem gerechten Zorn“, flüsterte er, als ein weiterer Ork mit einem gutturalen Brüllen auf ihn zusprang. Die grobschlächtige Axt schmetterte in Logans Schild, doch der Ritter hielt stand und beantwortete den Angriff mit einem Gegenschlag, der die Grünhaut zurückdrängte und ihm ein wenig Luft verschaffte. Sein Schwert, das nach den Bräuchen seines Heimatherzogtums schon zu seiner Geburt für ihn geschmiedet worden war, leuchtete erneut im Schein der Glut auf, bevor es die Deckung des Orks beiseite fegte.
Ein Kopfstoß der Grünhaut ließ Logan zurücktaumeln, bevor er zum entscheidenden Schlag ausholen konnte. Der folgende Axthieb schmetterte auf seine, von einem engmaschigen Kettenhemd geschützte, Brust und riss ihn von den Füßen. Sich im Sand neu orientierend, hob er seinen Schild vor das Gesicht und fing so den nächsten Schlag ab. Er spürte, dass sein linker Arm von der Wucht des Schlages taub wurde, als er seine eigene Klinge im Bauch der Grünhaut versenkte. Die groben Lederschuppen hielten sein Schwert nicht auf. Mit einem kehligen Keuchen ging der Ork zu Boden. Logan wuchtete seinen schwer gerüsteten Körper wieder auf die Beine und machte sich auf den nächsten Angriff gefasst. Durch den Sichtschlitz seines Helmes sah er eine ganze Horde von Orks. Für einen Moment weiteten sich seine Augen vor Schreck. Er war fern der Heimat. Doch auch wenn einige der Grünhäute hier wie die verfluchten Arabianer einen Turban auf dem Kopf trugen, waren sie doch nicht anders als ihre Artgenossen in Bretonia. Die Orks kamen nicht näher auf ihn zu, sondern begannen in der mondhellen Nacht damit, sich untereinander zu streiten und zu schlagen. Logan of Greywood lächelte unter seinem Helm und dankte stumm der Herrin des Sees. Im Gegensatz zu den meisten seiner Standesgenossen wusste er seine Chancen einzuschätzen und erkannte, dass er, allein wie er war, gegen diesen Mob nicht bestehen konnte. Er drehte sich um, hob seinen Lederbeutel und seinen Wasserschlauch neben dem heruntergebrannten Lagerfeuer auf und fing an, so schnell zu laufen, wie es der Sand und seine schwere Rüstung erlaubten. Er würde nicht ewig Zeit haben und die Grünhäute waren mit Sicherheit schneller auf dem losen Sand als er. Seine einzige Chance war es, die Felswand zu erreichen, die er am Abend entdeckt hatte, bevor er sein Nachtlager aufgeschlagen hatte. Wenn er dort eine Höhle oder einen Felsspalt fand, würde die zahlenmäßige Überlegenheit der Orks nicht mehr gegen ihn wirken können und seine überlegene Ausbildung und Disziplin würden ausreichen, um sie aufzureiben.
„Ein wenig Vertrauen in die Herrin könnte auch nicht schaden“, unterbrach Logan schnaufend seinen Gedankengang. Seine linke Hand umschloss das Amulett, das um seinen Hals hing. Es war sein einziges Schmuckstück, ein reiner, tränenförmiger Kristall, den ihm einst die Maid Sophie geschenkt hatte.
Damals…Vor ihrem Tod, den ich nicht verhindert habe, dachte Logan bitter, als er in ein weiteres Dünental stolperte. Ein aus vielen, rauen Kehlen heraus gebrülltes „WAAAGH!“ brachte ihn zurück in die Wirklichkeit. Die Orks hatten anscheinend ihre Streitigkeiten geregelt und somit wieder Zeit, sich ihm zu widmen.
Er strauchelte und rollte den Dünenhang in einer Sandwolke hinunter in eine Senke. Fluchend stemmte er sich wieder auf die Beine und hackte sich mit seinem Schwert einen Weg durch das Dornengesträuch, das hier wuchs. Logan konnte die Orks hinter sich grölen hören. Trotz seines schweren Helmes konnte er wahrnehmen, dass sie näher kamen. Doch noch gab er nicht auf. Entschlossen überquerte er die nächste Düne und lief dann, so schnell es ihm auf dem weichen Sand möglich war, den flachen, langen Abhang hinunter. Eine Wüsteneule heulte irgendwo über seinem Kopf, als er die Felswand vor sich erkannte. Es war schwer, in der Wüste Entfernungen abzuschätzen, noch dazu in der Nacht, doch Logan schätzte, dass er noch ein paar hundert Schritt zu bewältigen hatte. Und er schätzte, dass er es unmöglich schaffen konnte, bevor die Orks ihn einholen würden.
Mit den Worten: „Ehre ist alles. Ritterlichkeit ist alles“, versuchte er, sich Mut zu machen. Einen Herzschlag später stellte er sich die Gegenfrage: „Und weshalb laufe ich dann vor dem Feind weg?“ Er wurde dennoch nicht langsamer. Ehre war eine Sache. Sein Leben war eine andere. Und er sah keine Ehre darin, sich von Orks irgendwo in der Wüste abschlachten zu lassen. Zumal niemand dabei war, der seine Heldentat besingen konnte.
Ein heiseres Brüllen einige dutzend Schritte hinter ihm verriet Logan, dass der erste Ork die Düne hinter ihm überquert und ihn gesehen hatte. Er war sich nicht sicher, doch es schien als ob auch vor ihm Schritte den Sand aufwühlten, doch durch den Sichtschlitz seines Helms konnte er nichts in der monderleuchteten Dunkelheit erkennen. Sein Herzschlag beschleunigte sich noch einmal. Mit gesenktem Kopf rannte er vorwärts, auch wenn ihn seine Rüstung dabei behinderte. Es war ihm egal. Sollte er straucheln, würde das sein Leben ziemlich sicher beenden. Wenn er vorsichtiger, und damit langsamer lief, dann würden die Orks ihn einholen. So sicher wie Gilles der Einiger war.
Er sah nur einmal auf. Vielleicht rettete es ihm das Leben, denn er erkannte ein fahl schimmerndes Pferd, das auf ihn zuraste. Mit einem Hechtsprung, den man einem so gerüsteten Mann nicht zugetraut hätte, warf er sich zur Seite. Er landete in dem nachtkalten Sand und warf sich herum, um einen Blick auf das Pferd zu werfen, dass ihn beinahe überrannt hätte. Es war nicht allein. Acht dieser Tiere liefen um ihn herum, direkt auf die Orks zu. Auf ihren Rücken trugen sie Männer in dunklen, den ganzen Körper verhüllenden Rüstungen, deren Lanzenspitzen auf die Orks zeigten. Logan vernahm das vertraute Geräusch splitternden Holzes, als die Lanzen in die Grünhäute gerammt wurden. Grunzen, Quieken und kehliges Stöhnen war zu hören, als die Reiter ihre schimmernden Klingen zogen und auf die zurückweichenden Orks einschlugen.
Logan kämpfte sich wieder auf die Beine, nahm seinen Topfhelm ab und hängte ihn an seinen Gürtel. Für einen Moment war er dankbar für seine Rettung, doch dann schlug die Dankbarkeit in Wut um. Er sah sich in seiner Ehre gekränkt. Nicht nur hatte soeben Jemand seinen Kampf ausgefochten, ohne dass Logan ihn darum gebeten hatte. Nein, abgesehen davon hatte er sich von dem Unbekannten gezwungen gesehen, in den Staub zu fallen. Mit einem Knurren umfasste er sein Schwert fester und trat den zurückkehrenden Reitern in den Weg.
„Halt! Ich fordere Euch zu einem Duell auf Leben und Tod heraus! Ihr habt meine Ehre mit Euren Taten beschmutzt!“, rief Logan dem anscheinenden Anführer der Gruppe entgegen. Er konnte ein Schaudern nicht unterdrücken, als er sie ansah, auch wenn es ihm unerklärlich war, obgleich die Reiter ihn nicht beachteten. Sie machten einen Bogen um ihn, doch weder sahen sie ihn an, noch sprachen sie ein Wort zu ihm. Vor Wut bebend sah Logan der Gruppe nach, die auf die Felswand zutrabte. Er lief den seltsamen, fahlen Pferden nach. Die Gruppe trabte gemächlich, doch Logan hatte zu Fuß Schwierigkeiten, den Anschluss nicht zu verlieren. Während er rannte, sah er auf die Felswand, auf die die Reiter zuhielten. Er war sich zuerst unsicher, doch als er näher kam, erkannte er die Umrisse eines großen Gebäudes in den Felsen. Ein paar Schritte später blieb Logan stehen. Er hatte die letzte, flache Düne vor der Felswand überquert und sah einen riesigen Gebäudekomplex, der anscheinend in die Felswand hinein gehauen worden war. Die Reiter überquerten gerade einen großen, ebenen Platz und durchquerten eines der zyklopischen Tore, die in die glatten Wände geschlagen worden waren. Eine kühle Brise aus der Wüste strich durch Logans kurze Haare und brachte dass Brüllen von noch mehr Orks mit sich. Mit einem Seufzen begann der Ritter den Abstieg. Nachdem er die Düne hinter sich gelassen hatte, stieg er drei flache Stufen zu dem Platz hinauf. Es war still. Viel zu still für seinen Geschmack, denn nicht einmal die normalen nächtlichen Geräusche der Wüste waren hier zu vernehmen. Er umfasste sein Schwert fester.
„Die Herrin ist mein Schutz und Schild. So lange ich mich allen Gefahren stelle, wird sie ihre Hand über mich halten“; wisperte Logan of Greywood, während er vorsichtig weiter ging. Er spähte in jeden Schatten und vergewisserte sich, dass hinter den drei Gebäuden mit Flachdächern zu seiner Linken keine Überraschungen auf ihn warteten. Erst dann ging er weiter auf das Tor zu, das die Reiter passiert hatten. Logan durchschritt den Torbogen und tauchte in die Schatten dahinter ein. Ein langer, glatt verputzter Gang führte in das Innere der Felswand, nur erhellt durch einige vereinzelte Öllampen in kleinen Nischen. Sein linker Arm, an dem immer noch sein Schild befestigt war, bewegte sich wieder zu seinem Hals. Seine linke Hand umschloss erneut den reinen Kristall. Logan kannte die Angst. Sie war ein ständiger Begleiter in der Schlacht und auch sonst in diesen fremden Landen. Doch er war ein bretonischer Ritter. Er hatte schon früh mit der Angst umzugehen gelernt. Und genau das war der Grund, weshalb er, ohne zu verzagen, weiter den Gang hinab schritt. Nach einer Ewigkeit, so kam es ihm vor, erreichte er eine Art Innenhof, von dem aus man die Sterne sehen konnte. Mindestens zehn Fuß Fels waren durchbrochen worden, um diesen Ausblick zu gestatten. Vier Feuerbecken, je eines an jeder Ecke, erhellten den quadratischen Hof. Er ging festen Schrittes in die Mitte des Hofes. In jeder der vier Felswände fand sich ein dunkles Loch, eine in den Stein gehauene Öffnung, die zu einem Gang dahinter führte.
„Nun, ich bin hier. Zeig dich, auf das ich meine Ehre mit Eurem Blut rein waschen kann!“, rief Logan in der Hoffnung, auf den Reiter zu treffen, in die Dunkelheit des Ganges vor ihm. Seine Augen huschten von einem Gang zum Nächsten. Es war still, bis auf das Knistern der Flammen in den Feuerbecken. Logans Herzschlag beschleunigte sich und seine linke Hand umschloss erneut sein Kristallamulett. Im Augenwinkel glaubte er eine Bewegung ausfindig zu machen und drehte sich ruckartig um, nur um in die tanzenden Schatten hinter einem der Feuerbecken zu starren. Nichts.
Logan schreckte auf, als eine eindeutig weibliche Stimme wisperte: „Wollt Ihr wirklich mein Blut nehmen? Obwohl ich Euch nichts tat, außer meinen Kriegern den Befehl zu geben, Euer Leben zu retten?“ Logan wandte sich nach links und hob unwillkürlich sein Schwert als eine schlanke Silhouette aus dem Schatten des Gangs in das flackernde Licht der Feuer trat. Die Gestalt schälte sich aus den Schatten und Logan erkannte eine Frau mit dunklen, langen Haaren, die ihr völlig glatt über die Schultern reichten. Ein weinrotes Kleid mit weißen Spitzen an den Ärmeln verhüllte ihre Gestalt, betonte jedoch gleichzeitig ihren wohlgeformten Busen durch einen tiefen Ausschnitt. Ihr Gesicht war ebenmäßig, allein die Wangenknochen traten etwas deutlicher hervor, was ihre dunklen Augen jedoch nur betonte. Logan stockte der Atem.
„Wer…Wer seid Ihr?“, fragte er fassungslos. Er hatte nicht erwartet, in der Wüste auf eine so anmutige Frau zu treffen. Dennoch hielt er sein Schwert zwischen sich und der Frau erhoben.
„Man nennt mich Leyla, und ich bin die Herrin dieses Anwesens.“ Sie trat kokett einige Schritte näher und musterte ihn, während sie zuckersüß fragte: „Und wer seid Ihr?“
„Ich bin Logan of Greywood. Ritter der Krone Bretonias.“
„Oh, einen Ritter darf ich in meinem bescheidenen Heim willkommen heißen. Ihr müsst hungrig sein, folgt mir.“ Sie deutete mit einer Geste auf die Gangöffnung, durch die sie gekommen war und Logan folgte ihrer Einladung. Er konnte nicht leugnen, dass er sie anziehend fand. Obwohl sie auf eine subtile Art andersartig wirkte.
„Sagt, Logan of Greywood, was führt Euch aus Euren Heimatlanden in diese trostlose Wüste?“, fragte Leyla wie beiläufig, während sie mit dem hörbaren, anzüglichen Klacken ihrer Absätze durch den Gang ging. Er antwortete lakonisch mit den Worten „Ein Ehrengelübde“, denn bisher hatte er sich noch keine Meinung von seiner Gastgeberin gebildet.
„Das hört sich interessant an. Wem habt Ihr dieses Gelübde gegeben? Und weswegen? Denn soweit ich weiß, gibt es hier draußen nicht viel, was einen stolzen Ritter wie Euch interessieren könnte.“
„Ich besaß die Gunst einer Maid, deren Sicherheit mir anvertraut wurde. Doch ich konnte nicht für ihr Leben garantieren. Ich versagte, als ich sie zu der Festung meines Herrn begleitete. Orks töteten sie. Deshalb habe ich ein Gelübde abgelegt, meinen Ahnherren gleich, in die Wüste zu ziehen und einige Artefakte aus den Ländern der Toten mitzubringen, auf dass die Herrin des Sees mein Versagen durch diesen Beweis meines Könnens entschuldigt.“ Leyla führte ihn in einen großen, in den Fels geschlagenen Saal. Ein langer Holztisch, angefüllt mit den köstlichsten Speisen stand in der Mitte. Auf eine Geste der Dame hin setzte Logan sich. Leyla nahm ihm gegenüber Platz und bedeutete ihm, zu essen. Noch während er sich ein Stück Brot abbrach, begann sie erneut zu fragen: „Ihr habt sie geliebt, habe ich Recht?“
„Ihr seid sehr neugierig“, wandte er ein, nachdem er den Bissen heruntergeschluckt hatte.
„Verzeiht, doch ich bekomme nicht oft Besuch in dieser Abgeschiedenheit.“
„Verständlich. Wenige dürften sich hierher verirren.“
„Nun?“, fragte sie erneut während sie einen Kelch Wein an die vollen Lippen führte. Logan atmete hörbar aus, antwortete dann aber dennoch, da er die Gastfreundschaft achtete, wenn auch in bitterem Tonfall: „Ja, ich liebte sie. Genug davon, mein Herz wird schwer bei solchen Gedanken.“ Seine Gastgeberin lächelte charmant.
„Nur allzu verständlich.“ Logan teilte ein Stück Geflügelfleisch mit einem silbernen Messer in mundgerechte Stücke und kaute ausführlich. Selbst der Hunger konnte seine Erziehung nicht überwinden.
„Verzeiht mir, doch der Morgen graut. Ich werde mich nun zurückziehen. Bedient Euch, so viel Ihr begehrt. Dort findet Ihr ein Schlafgemach. Ich hoffe, es genügt Euren Ansprüchen“, teilte die Dame mit einer Geste auf eine Tür zu Logans Linken mit. „Gegenüber befindet sich meine Bibliothek. Sollte Euch die Zeit lang werden, habt Muße und nehmt Euch einen der Folianten dort. Ihr werdet selten so erlesene Schriften finden.“ Mit einem erneuten, anziehenden Lächeln verschwand Leyla hinter Logan. Der Ritter blieb allein zurück und beendete seine Mahlzeit. Danach ging er in das Schlafgemach. Es war luxuriös eingerichtet. Eine weiche, große, runde Matratze füllte den Großteil des Raumes aus. Einige weiche Kissen lagen darauf und Logan fühlte die Erschöpfung in seinen Gliedern. Müde legte er sich schlafen. Bevor er die Augen schloss, verstaute er sein Schwert griffbereit neben seinem Kopf. Vorsicht war in diesem fremden Landen ein guter Begleiter.
Logan erwachte am späten Nachmittag. Nachdem er sich aus einer gläsernen Karaffe kühles Wasser in einen Becher gegossen hatte, nahm er das Gefäß mit in die Bibliothek. Ein großer, langer Raum mit riesigen Bücherregalen voller Folianten und Schrifttafeln erstreckte sich vor ihm. Logan sah sich um und ging dann wahllos zu einem der Regale, um einen der Titel zu lesen. Eine fremdartige Schrift prangte auf dem Buchrücken und der Ritter ging weiter…
Die Sonne war wahrscheinlich schon untergegangen, als ihn seine Gastgeberin in der Bibliothek aufsuchte. Die Dame trug ein enges, blutrotes Kleid, das mit schwarzen Zierborten abgesetzt war. Ein schmaler, lederner Gürtel fixierte es unterhalb der Brüste, was diesen eine zusätzliche Betonung bescherte.
„Wie geht es meinem werten Gast?“, fragte sie elegant. Ein Lächeln zierte ihre Züge.
„Ich habe mir prächtig die Langeweile vertreiben können“, antwortete Logan und schlug das Buch über die Insel Albion zu, das er grade gelesen hatte.
„Speist mit mir“, bot sie freundlich an und Logan überdachte den Vorschlag nicht lange. Leyla führte ihn zurück in den Speisesaal, wo erneut ein Festmahl auf Logan wartete. Es verwunderte ihn zwar, dass er den ganzen Tag über keine Diener bemerkt hatte, doch der Hunger vertrieb die Gedanken schnell. Ein saftiges Stück Fleisch wanderte auf seinen Teller und wurde in kleine Stückchen zerteilt, bevor er sie mit einer Gabel zum Mund führte und bedächtig zerkaute. Leyla saß ihm lächelnd gegenüber und trank in kleinen Schlucken ein Glas Rotwein. Nachdem Logan sein Mahl beendet hatte, füllte er sich ebenfalls ein Glas mit dem trockenen Wein und Leyla führte ihn zurück auf den unüberdachten Hof.
„Sind die Sterne nicht wunderbar in der Wüste?“, fragte sie verzückt, den Kopf in den Nacken gelegt. Logan tat es ihr gleich und bestätigte ihre Frage mit einem stummen Nicken. Selbst durch seine Rüstung spürte er, wie Leyla sich an ihn schmiegte.
„Kommt, ich möchte Euch etwas zeigen“, bat die Dame und Logan konnte ihr nicht widersprechen. Sie hakte sich bei ihm ein und führte ihn durch den gegenüberliegenden Gang in einen weiteren, lang gestreckten Raum. Schattige Nischen befanden sich an den beiden langen, glatt verputzten Wänden die von ehernen Feuerbecken gesäumt wurden. Am Ende des Raumes erhob sich eine Treppe, die zu einer erhöhten Ebene führte. Ein Thron aus schwarzem Holz erhob sich dort, flankiert von zwei Kriegern in schweren, ihre Gestalten einhüllenden Rüstungen. Logan erinnerte sich an die finsteren Ritter in der Wüste, als Leyla seinen Arm losließ und graziös auf die Treppe zu schritt. Logan folgte ihr einige Schritte und blieb in der Mitte des Raumes stehen. In der Gegenwart der verhüllten Krieger beschlich ihn Vorsicht. Er konnte es nicht mit Gewissheit sagen, doch diese Männer schienen eine Bösartigkeit auszustrahlen, die er so noch nicht erlebt hatte. Obwohl er in Bretonia schon vielen Feinden gegenüber gestanden hatte, war ihm bisher kein Kontrahent untergekommen, der dieses kalte Gefühl der absoluten Unnatürlichkeit ausgestrahlt hatte. Er bemerkte, dass er seinen Schild nicht dabei hatte, als seine linke Hand sich um das Kristallamulett um seinen Hals schloss, was ihm nun als großer Fehler erschien. Logans rechte, gepanzerte Hand schloss sich um den Schwertgriff an seiner Hüfte als Leyla sich, am Thron angekommen, zu ihm umdrehte und die Arme ausbreitete.
„Bisher habt Ihr Euch in einem winzigen Teil meines Reiches aufgehalten. Und ich muss sagen, dass ich Euch bewundere. Ihr seid stark. Und damit meine ich nicht nur Euren Körper, sondern insbesondere Euren Geist. Ihr seid klug.“ Logan nickte langsam als Zeichen, dass er das Kompliment annahm. „Ich möchte Euch ein Angebot machen.“
„Sprecht“, verlangte der Ritter langsam und Leyla antwortete flüsternd: „Der Tod umwölkt Eure Gedanken. Seit Ihr Eure Maid verloren habt, hat Furcht vor dem Tode Euer Herz befallen. Ich kann Euch davon heilen.“ Das Wispern wurde durch den Raum getragen und erschallte als leises Echo von den Wänden. Leyla führte ihre ausgebreiteten Arme zurück zum Körper und legte ihre flache Linke auf ihre Brustansätze, die das Kleid unterhalb des Halses frei ließ. Ihr durchdringender Blick lag auf Logans Gesicht. Der Ritter spürte, wie sein Blut vor Verlangen in Wallung geriet.
„Ich kann Euch Unsterblichkeit gewähren“, hauchte sie anziehend. Logan sah ihr in die Augen. Er konnte keine Täuschung darin erkennen und er hätte ihr in diesem Moment alles geglaubt, wären die beiden Krieger mit ihrer unnatürlichen Aura nicht in der Nähe gewesen. Dennoch brachte er ein Hoffnungsvolles: „Wie?“ heraus. Seine Stimme klang brüchig, da er sich über seine Gefühle nicht klar wurde. Er fühlte sich zu der Frau hingezogen, ging auch einige Schritte auf sie zu, doch etwas verstörte ihn an ihr.
„Wie könnt Ihr mich unsterblich machen?“, fragte er leise. Leylas volle Lippen teilten sich als Antwort. Ihre Eckzähne wuchsen vor Logans schreckerfüllten Augen.
„Bei der Herrin“, stieß er im Zurücktaumeln hervor. „Ihr seid eine Vampirin!“
„Ja, Logan. Und Ihr könntet auch einer werden, wenn Ihr dieses Geschenk annehmt.“
„Nein! Niemals!“, brüllte der Ritter und ging noch ein paar Schritte zurück. In der Mitte des Raumes angekommen, zog er sein Schwert und wollte wieder auf die Vampirin zustürmen, als sie leise zu lachen begann.
„Ihr seid ein Narr. Ihr hättet unsterblich sein können, doch Ihr erkennt Eure Chance nicht.“
„Möge die Herrin des Sees meinen Arm lenken. Mein Schwert soll ihr Zorn sein, durch den Ihr fallen werdet!“
„Ein schöner Versuch, doch Ihr werdet keine Gelegenheit dazu bekommen.“ Leyla wandte sich von dem vor Zorn bebenden Logan ab. Auf eine Geste hin zogen die beiden Krieger an den Seiten ihres Thrones ihre schimmernden Schwerter und gingen stumm auf Logan zu. Der bretonische Ritter sah aus den Augenwinkeln, dass sechs weitere der Gerüsteten aus den Nischen an den Seitenwänden auf ihn zukamen.
„Die Verfluchten werden Euch schon in Kürze getötet haben. Dann könnt Ihr mir wenigstens noch mit Eurem Blut als Stärkung und mit euren Knochen als Lakai dienen“, kündigte Leyla an und verließ durch eine Steintür hinter dem Thron den Raum.
„Das, was geheiligt ist, bewahre ich, das was erhaben ist, beschütze ich, das, was bedrohet, zerstöre ich und mein heiliger Zorn kennet keine Grenzen!“, betete Logan mit einem hasserfüllten Blick auf dem untoten Krieger vor ihm.
Dann krachte sein Schwert auf die Klinge des Verfluchten.
Das Glimmen der Feuerbecken spiegelte sich auf seinem Geburtsschwert wider.