Situation in Libyen

Auch hier wünschte ich mir mehr Konsequenz. Nordkorea wird dauernd mit Sanktionen belegt (zurecht), kann aber seinen Handel mit China aufrechterhalten, was die gesamte Absicht der Völkergemeinschaft konterkariert.

Nach wie vor wünsche ich mir mehr Realismus in deinen Forderungen - Jedes moralische Konstrukt benötigt einen kritischen Abgleich mit den reellen Gegebenheiten. Ich will jetzt nicht zu weit ausholen, aber auch in der Philosophie gibt es dazu ja Beispiele wie das Brett des Karneades.

Deutschland würde eine Einstellung des Außenhandels mit China vielleicht sogar noch "überleben", wenn auch unter massiven Einbußen. Beispielsweise für die USA wäre das aber wirtschaftlicher Selbstmord.

Auch dein bereits häufig erwähntes Beispiel einer hypothetischen Intervention beim Massaker von Tian´anmen bewegt sich in den Ausläufern des kalten Krieges und hätte womöglich einen dritten Weltkrieg herauf beschworen.

Einen solchen Abgleich mit der Realität vermisse ich in deiner Argumentation.

Viel interessanter ist für mich, dass Deutschland sich als Bündnispartner selbst absolut diskreditiert. Es erwartet Schutz, dabei jedoch Souveränität, ist aber nicht bereit (oder in der Lage) etwas handfestes beizutragen.
Mit einer "Na, dann siegt mal schön"-Mentalität hat man sich noch nie Freunde gemacht.

Sehe ich auch so - ich empfinde die Handlungsweise von Merkel und Schwesterwelle als außenpolitisches Desaster.

Aber was leitest Du denn daraus ab? Dass man jeden Einsatz gutheißen soll, solange es eine breite internationale Unterstützung dafür gibt, ganz gleich, wie man selber dazu steht oder wie es völkerrechtlich kodifiziert ist? Hätte Deutschland also auch nicht zögern sollen, mit in den Irak einzumarschieren, weil uns die Verweigerung Ansehen in den USA gekostet hat?

Merkel hat nie gesagt, dass sie den Einsatz "nicht gut findet". Hätte sie offen damit argumentiert, dass sie die Handlungsweise der UN als nicht durch die Resolution abgedeckt sieht und als Eingriff in die internen Angelegenheiten eines Staates sieht würde ich das sogar respektieren. Aber sie argumentiert lediglich darüber, dass sie zu wenig Erfolgsaussichten sieht. Zum Thema des Irak-Krieges im Zusammenhang mit Merkel hat Vovin ja schon einen Beitrag geschrieben.

Warum wir jetzt auch noch unsere Flotte aus dem Mittelmeer abziehen erschließt sich mir dann endgültig nicht.

Man könnte auch sagen, die Katze hat Tyrannenmord am rosa Elefanten begangen.

:lol:
 
Nach wie vor wünsche ich mir mehr Realismus in deinen Forderungen - Jedes moralische Konstrukt benötigt einen kritischen Abgleich mit den reellen Gegebenheiten.
Äh, ja. Es ist natürlich reine Träumerei, sich eine Welt vorzustellen, in der China nicht mit Nordkorea Handel treibt. Oder eine Welt, in der der Sicherheitsrat ausnahmsweise (!) an einem Strang zieht. Je länger ich darüber nachdenke, desto mehr kommt mir der hier angemahnte "Realitätssinn" wie eine Schimäre der Art "Wahrsprecher" und "Gutmensch" vor.
Apropos Realitätssinn, wie deckt sich das denn mit Deiner folgenden Aussage:
Aber sie argumentiert lediglich darüber, dass sie zu wenig Erfolgsaussichten sieht.
?
Ist für Dich eine solche Befürchtung so weit von der tatsächlichen Welt entrückt? Klingt für mich nach Pragmatismus in Reinform. Der eigentliche Scherz ist ja, dass Deutschland aus völlig unideologischen Gründen diesen Einsatz ablehnt, Du aber dauernd davon sprichst, man müsse da eingreifen. Das "außenpolitische Desaster" ist wie erwähnt eine Luftblase (wiederum: Realitätssinn sieht auch nicht vor, ewig solche Unstimmigkeiten nachzuhalten), da kräht bald kein Hahn mehr nach, richtet keinen wirtschaftlichen und auch keinen politischen Schaden an.
 
Äh, ja. Es ist natürlich reine Träumerei, sich eine Welt vorzustellen, in der China nicht mit Nordkorea Handel treibt.

Jetzt werde ich aber langsam ein bißchen sauer :huh:
Du hast hier bereits im Thread gefordert, man hätte zur Zeit des Massakers von Tian´anmen konsequenterweise militärisch intervenieren müssen.

Und ebenfalls wissen wir beide, dass der Weg zu Nordkorea über China führt und man daher China unter Druck setzen müsste - wirtschaftlich oder militärisch. Auch das hast du selbst bereits geschrieben.

Formuliere doch bitte mal aus, wie du dir das vorstellen würdest.

Ist für Dich eine solche Befürchtung so weit von der tatsächlichen Welt entrückt?

Absolut nicht - es ist sogar mehr als nur ein bißchen im Bereich des möglichen, dass es letzten Endes auf eine Pattsituation hinaus läuft.

Das erklärt aber zum Beispiel eben nicht, warum wir jetzt unsere Mittelmeerflotte abziehen oder warum Deutschland sich finanziell durchaus an dem Einsatz in Libyen beteiligt.

Merkel versucht mal wieder auf allen Hochzeiten gleichzeitig zu tanzen. Würde sie eine einzige klare Linie fahren, würde ich das wie gesagt durchaus respektieren, auch wenn ich gegebenenfalls anderer Meinung wäre.

Das "außenpolitische Desaster" ist wie erwähnt eine Luftblase (wiederum: Realitätssinn sieht auch nicht vor, ewig solche Unstimmigkeiten nachzuhalten)

In außenpolitischen Angelegenheiten reicht das politische Gedächtnis durchaus länger, als eine einzelne Legislaturperiode. 😉
 
Du hast hier bereits im Thread gefordert, man hätte zur Zeit des Massakers von Tian´anmen konsequenterweise militärisch intervenieren müssen.
Habe ich doch gar nicht! Ich habe gesagt, dass, wenn man eine Gesetzesmäßigkeit der reinen Vernunft erstellte, die sich an ihre eisernen Prinzipien hält (mit Schwerpunkt auf bewaffnete Konflikte im Inneren), man dann dort hätte eingreifen müssen, wenn man nun auch den Libyern beisteht. Genausogut könnte man heute in Libyen auch nicht eingreifen, dann besteht wieder die Linie.
Und ebenfalls wissen wir beide, dass der Weg zu Nordkorea über China führt und man daher China unter Druck setzen müsste - wirtschaftlich oder militärisch. Auch das hast du selbst bereits geschrieben.

Formuliere doch bitte mal aus, wie du dir das vorstellen würdest.
Dafür setzen sich doch die Damen und Herren zusammen: um eine allgemeingültige Sanktion gegen ein entsprechendes Regime zu verabschieden (wenn das auf der Tagesordnung steht). Das dann formell zu tun, es aber in aller Offenheit zu hintertreiben, macht eigentlich die ganze Sanktion hinfällig, dann kann man es auch gleich sein lassen. Auch hier gibt es wieder zwei Pfade am Scheideweg: entweder ist der Wille da, die Kim-Dynastie abzustrafen, oder man sieht über die Verfehlungen hinweg. Zweiteres wäre Dein Realitätssinn, wenn man so will. Aber Sanktionen aufzustellen, deren Tragweite letztlich auf dem Papier bestehen, sind für mich eine Verschwendung von Zeit, Personalaufwand und moralischen Langmutes.
In außenpolitischen Angelegenheiten reicht das politische Gedächtnis durchaus länger, als eine einzelne Legislaturperiode. 😉
Aber was droht uns denn nun? Das einzige valide Gegenargument wäre wohl, dass die Ambitionen Deutschlands, einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu erhalten, dadurch gefährdet werden. Ob dass aber jemals auf der Agenda stand (Aspiranten wie Indien oder Brasilien werden da in Zukunft wohl klar bevorzugt), möchte ich in Frage stellen. Wie äußert sich denn dieses "Desaster"? Ich möchte es wirklich gerne wissen.
Nicht, dass ich die Bundeskanzlerin in all ihren Libyen betreffenden Entscheidungen in Schutz nehme, aber was sie tut, läuft ja in aller Regel auf einen minimalinvasiven Pragmatismus hinaus - mit wenig Mitteln passable Ergebnisse erzielen. Kann man intellektuell verwerflich finden, ist aber ungemein kompromissbereit, folglich auch realitätsnah.
 
Zuletzt bearbeitet:
Habe ich doch gar nicht! Ich habe gesagt, dass, wenn man eine Gesetzesmäßigkeit der reinen Vernunft erstellte, die sich an ihre eisernen Prinzipien hält (mit Schwerpunkt auf bewaffnete Konflikte im Inneren), man dann dort hätte eingreifen müssen, wenn man nun auch den Libyern beisteht.

Was aber eben - gemessen an den faktisch vorhandenen Gegebenheiten - ein rein hypothetisches Gedankenspiel darstellt. Daher mein Aufruf zum Realismus.

Aber Sanktionen aufzustellen, deren Tragweite letztlich auf dem Papier bestehen, sind für mich eine Verschwendung von Zeit, Personalaufwand und moralischen Langmutes.

Dem stimme ich zu.

Aber was droht uns denn nun? Das einzige valide Gegenargument wäre wohl, dass die Ambitionen Deutschlands, einen ständigen Sitz im Sicherheitsrat zu ernhalten, dadurch gefährdet werden.

Ich bin der Meinung (man möge mich korrigieren), dass Deutschland doch sehr daran gelegen ist "im Gesamtpaket" ernstgenommen zu werden. Dies beschränkt sich dann nicht nur auf wirtschaftliche Leistungsfähigkeit sondern auch militärische Schlagkraft und den Willen, diese in Abstimmung mit Bündnispartnern einzusetzen. Letzten Endes basiert unser Engagement in Afghanistan genau auf diesem Wunsch - Welche Früchte es trägt wird sich langfristig zeigen.

Meiner Meinung nach ist die Konsequenz aus Merkels Verhalten für UNO, NATO und vor allem Frankreich "dass man sich auf Deutschland nicht verlassen kann."

Nicht, dass ich die Bundeskanzlerin in all ihren Libyen betreffenden Entscheidungen in Schutz nehme, aber was sie tut, läuft ja in aller Regel auf einen minimalinvasiven Pragmatismus hinaus - mit wenig Mitteln passable Ergebnisse erzielen. Kann man intellektuell verwerflich finden, ist aber ungemein kompromissbereit, folglich auch realitätsnah.

Tatsächlich stimme ich dir in Bezug auf die Realitätsnähe von Merkels Verhalten durchaus zu. Dies habe ich in diesem Zusammenhang auch nicht bezweifelt sondern nur in Bezug auf deine Argumentation der reinen Vernunft. Tatsächlich ist es einfach so, dass mir, um es mal umgangssprachlich auszudrücken, Merkels Herumgeeiere auf den Sack geht. Ich kann und will Politiker, die einen derart schwammigen Kurs fahren nicht respektieren. Dies ist nun natürlich eine sehr subjektive Einschätzung, aber es ist ja nichts neues, dass subjektiv/emotional basierte Meinungen auch schon mal Wahlergebnisse beeinflussen. 😀
 
Hauptsache das Öl fließt, die Kosten für die militärischen Eingriffe sind begrenzt und man hat bei sich zu Hause gute PR, weil man einen Tyrannen stürzt und den einfachen Bürgern hilft.

Ist zumindest die eine Seite der Medailie.

Die andere Seite ist halt nicht medienwirksam bzw. wird nur beschränkt publiziert.
 
Na dann hat die Raffale nun auch ihren Kampfeinsatz gekriegt, wurde ja Zeit. ^_^



Man hört ja auch immer wieder von direkten Einsätzen gegen Regierungstruppen, und von der Anwesenheit agyptischer und amerikanischer Ausbilder im Land. Bald werden dann auch offiziell Waffen und Mun geliefert, mein linkes Ei drauf.
Soviel zum Thema:NUUUUUUUR Flugverbot, ehrlich!
 
Ich glaub die Resolution lautete auf "Alles außer Bodentruppen". 🙄

MfG
DvM

Natürlich nur um die armen zivlisten zu schützen. Wenn die rebellen artillerie und raketen einsetzen besteht natürlich keine gefahr für zivilisten. Ich glaube die jetzt dort angreifenden staaten werden ihre entscheidung in absehbarer zukunft bereuen.
 
Fthagn - Erhebe dich aus der Asche, du todgeglaubter Thread

Ich habe gerade in der Retroperspektive festgestellt, dass es in diesem Thread seinerzeit hoch her ging. Nun sieht es ja so aus, als seien in Libyen die Würfel gefallen und die Machtverhältnisse hätten sich gedreht. Daher macht es vielleicht Sinn, diese Diskussion wieder aufleben zu lassen

Wie beurteilt ihr das Vorgehen der Nato unter dieser neuen Perspektive? Wo seht ihr die Zukunft des Landes?
 
Wie beurteilt ihr das Vorgehen der Nato unter dieser neuen Perspektive? Wo seht ihr die Zukunft des Landes?
Hmm, noch bin ich da mit einem Fazit unentschlossen. Ich hätte mir gewünscht, dass es schneller geht und weniger Zivile Opfer gibt, aber ob es da vielleicht eine andere Option gegeben hätte, oder ob es so wie es gekommen ist, schon eine sehr gute Vorgehensweise war, kann man glaube ich erst in einigen Wochen beurteilen. Wir müssen mal schauen welche Informationen über die Lage im Land noch so eintreffen, wo Gaddafi denn nun momentan ist usw.
 
Definitiv KEINE Demokratie, NICHT mehr Freiheit für die Menschen dort. Aber viele wollen das ja auch gar nicht, ist halt ein anderer Kulturkreis.

Ob sie faktisch am Ende mehr Freiheit bekommen wird man sehen, aber das sie welche wollen steht meiner Meinung nach außer Frage. Immerhin ist von Tunesien, über Ägypten nach Libyen und anschließend Syrien ein "Flächenbrand der Revolution" hinweg gefegt - Auch wenn in Syrien die Lage nicht gerade rosig aussieht.

Ich finde schon, dass wir unsere Sichtweise auf den Nahen Osten anhand dieser Tatsache ein wenig korrigieren müssen. Klar, du wirst die Menschen dort nicht so schnell von ihrer Religion trennen können und das scheinen sie auch wirklich gar nicht zu wollen. Aber vielleicht wollen sie ja eine Säkularisierung, selbst wenn diese mit dem Islam schwer vereinbar ist. Und ganz sicher wollen sie keine diktatorischen Machthaber mehr.

Ich hab gehört, daß die Deutschen zwar gesagt haben, sie unterstützen den Eingriff militärisch nicht, aber trotzdem bei der Auswahl und Markierung militärischer Ziele geholfen haben.

Merkels Eierlauf - Ich glaube in dieser Angelegenheit hätte sie sich mehr Beine gewünscht, damit sie sich auch wirklich auf jede Position gleichzeitig stellen kann.
 
Immerhin ist von Tunesien, über Ägypten nach Libyen und anschließend Syrien ein "Flächenbrand der Revolution" hinweg gefegt - Auch wenn in Syrien die Lage nicht gerade rosig aussieht.

In Ägypten sieht sie nicht besser aus, dort spricht alles für eine zukünftige Herrschaft der islamistischen Muslimbruderschaft, auch die Armee hat dort bereits ihre vormalige Beliebtheit bei der Bevölkerung eingebüßt.

Soviel also vom "Flächenbrand der Revolution", wer jetzt noch an Freiheit der Völker und Blumen für alle glaubt, ist ein Gutmensch, dem die Scheuklappen zu fest sitzen.