Neuanfang. Antworten.
Das schwarze Schiff war beeindruckend und beängstigend zugleich. Das hatte Rawke direkt im ersten Moment an Bord festgestellt. Er war schon oft und auf verschiedenen Schiffen durch das All gereist, aber auf so einem Schiff noch nicht. Allein die Besatzung. Es gab, abgesehen von den allgegenwärtigen Inquisitionsgardisten, die an jeder Ecke Wache zu stehen schienen, wenige menschliche Besatzungsmitglieder, die Techadepten ausgenommen, die meisten Aufgaben wurden von Servitoren erledigt. Jetzt flogen sie schon eine ganze Woche durch den Warp, zu einem unbekannten Ziel, und bis jetzt hatte Rawke weder Kontakt mit jemandem außerhalb des Regiments gehabt, noch wusste er, wohin sie überhaupt flogen. Man hatte sie nicht eingesperrt, aber an allen Ausgängen aus den Quartierdecks, die Rawke und seine Männer bewohnten, standen Gardisten. Es hatte noch keiner versucht, die Decks zu verlassen, aber Rawke machte sich keine Illusionen. Die Gardisten würden eingreifen, sollten sie es versuchen. Seine Männer waren in Zehn-Mann-Kabinen untergebracht, Rawke selbst bewohnte eine Einzelkabine. Man hatten ihnen alle Waffen abgenommen, mit Ausnahme der Kampfmesser. Die Offiziere trugen zumindest noch ihre Pistolen, und einige Soldaten hatten nicht registrierte Beutewaffen und Erbstücke bei sich, wie etwa Soldat Mill, der einen alten Revolver mit sich führte, oder Sykes, der einen eleganten Nadler führte. Nicht, dass ihnen das etwas gebracht hätte. Mit den Gardisten wären sie sicherlich fertig geworden, aber bei ihrer Ankunft hatte Rawke mehrere Thunderhawks im Hangar stehen sehen, und wenn Space Marines an Bord waren, die den Insignien auf den Fliegern nach Grey Knights waren, war ein Kampf sinnlos. Außerdem war Moore gerade kurz dagewesen und hatte ihm mitgeteilt, dass Inquisitor Thoren auf dem Weg sei, und Rawke am bugwärtigen Ausgang auf Deck 14 erwarte. Rawke nahm an, dass er nun endlich Informationen bekommen würde, und dass er das Ziel der Reise erfuhr. Mit gemischten Gefühlen machte er sich auf den Weg zum Treffpunkt. Vereinzelt standen Türen offen, und die Soldaten grüßten ihn, wenn er vorbei kam, doch Rawke nahm sie gar nicht wahr. Tatsächlich erwartete ihn der Inquisitor bereits. Er war allein. „Folgen sie mir.“, sagte er, und Rawke folgte ihm in einen Lift, aus dem sie 6 Decks höher ausstiegen.
Vor ihnen lag eine Kreuzung. Sie gingen weiter geradeaus, bis sie vor einer Hochsicherheitstür standen, die von zwei Grey Knights bewacht wurde. Wortlos gaben sie den Weg frei, sodass sie passieren konnten. Rawke war mit eins-neunzig zwar nicht unbedingt der größte, aber selbst Thoren, der um die zwei-zehn groß sein musste, wirkte im Vergleich zu den beiden silbern gerüsteten Marines winzig. Die Tür öffnete sich und sie betraten den Planungsraum des Schiffes. Thoren bedeutete den Anwesenden, die sich bei seinem Eintreten erhoben hatte, Platz zu nehmen. Thoren nahm am Kopfende des ovalen Planungstisches Platz. Rawke setzte sich auf den letzten freien Platz, zwischen einem miesepetrig aussehenden Interrogator und einem Space Marine in nachtschwarzer Rüstung, die mit blauen Schulterpanzern versehen war, auf denen eine schwarze Klaue prangte. Der Interrogator würdigte ihn keines Blickes, der Space Marines blickte ihn jedoch an und begrüßte ihn mit einem Nicken. Thoren drückte einen Knopf, worauf hin der Raum verdunkelt und die Holoprojektoren des Tisches aktiviert wurden. Da anscheinend keine Datei ausgewählt war, projizierten sie einen sich um die eigene Achse drehenden Aquila in die Luft.
Thoren ergriff das Wort. „Meine Herren, die letzten Entwicklungen sind nicht nach Plan verlaufen, wie ihnen zweifellos aufgefallen sein dürfte. Unsere Beute ist entkommen, und wir mussten einen Planeten opfern, eine Aktion, die zwar bedauerlich, aber notwendig war. Jedenfalls müssen wir unsere langfristige Planung umstellen. Wir fliegen nach Nova Britia und werden in etwa 16 Wochen eintreffen. Bis dahin gibt es einiges zu tun. Beginnen wir damit, sie mit dem neusten Mitgliedern unserer Jagdgesellschaft vertraut zu machen. Da wären zum einen Bruder-Captain Hellsing von der Night Guard, zum anderen aber auch, von mir kurzfristig auf Trevia rekrutiert, Colonel Maximilian Rawke und sein Regiment, die 1st Royal Nova Britia Commandos. Die Aufstockung des Regiments ist einer der Gründe, warum wir nach Nova Britia fliegen. Der andere ist, dass wir kurz vor unserem Aufbruch von Trevia die Nachricht erhalten haben, dass jemand meine Privatgemächer und die Archive durchsucht, offenbar auf der Suche nach unseren Ermittlungsergebnissen. Wie sie alle, bis auf unsere Neuankömmlinge natürlich, wissen, unterstehen unser genaues Ziel und alle Ergebnisse, die wir bis jetzt erzielt haben, strengster Geheimhaltung, selbst innerhalb de Ordo Nova Britia. Wir werden voraussichtlich einen oder zwei Monate auf Nova Britia verbringen, und dann, je nachdem, zu welchen Ergebnissen wir bezüglich der unbekannten Schnüffler kommen, das weitere Verfahren klären.“
Er machte eine Pause.
Dann fuhr er fort: „Soweit zum organisatorischen Teil. Jetzt werden wir unsere beiden Neuankömmlinge einweisen. Das meiste von dem, was meinen momentanen Fall betrifft, werden sie auf den Datentafeln, die ich in ihre Quartiere haben bringen lasse, nachlesen können. Die jüngsten Entwicklungen werde ich allerdings hier und jetzt erläutern. Ich bin nach Trevia gekommen, weil ich auf der Jagd nach Nox bin, dem Chaosgeneral, der den Angriff auf Trevia geführt hat, und mir leider entkommen ist. Er stellte im Moment eine äußerst große Bedrohung dar…“
Der Space Marine unterbrach ihn. „Warum? Der Großteil seiner Armee ist zerschlagen, und mein Orden räuchert im Moment seine Schlupfwinkel aus. Er ist geschlagen, und er wird sich stellen, oder von der imperialen Flotte gestellt werden und…“
„Es geht nicht um Nox selbst“, sagte Thoren scharf, „, sondern um das, was er seit Trevia mit sich führt. Wenn er es schafft, mit Nox zu entkommen, sind wir in großen Schwierigkeiten.“
„Er? Wer ist “er“?“, fragte Rawke.
„Tel’zaar, der Herr der Schatten.“, antwortete Thoren, und wählte auf dem Touchscreen vor ihm eine Datei aus. Der projizierte Adler flackerte und wich dann dem Abbild eines absolut widerwärtigen Schwertes. Die Projektion farblos und schimmerte bläulich, doch Rawke nahm an, dass das Schwert schwarz war. Es war mit widerwärtigen Runen bedeckt und mit einem Edelstein am Knauf versehen, ansonsten aber schmucklos. „Das“, führte Thoren aus, “ist das Schwert, in das Tel’zaar vor fast siebentausend Jahren gebannt wurde. Tel’zaar ist einer der mächtigsten Dämonen, die nicht einem der vier Hauptgötter zugeordnet werden. Welchem Gott er genau dient, weiß ich nicht, Fakt ist aber, dass er vor siebentausend Jahren einer der größten Anführer während des sechsten schwarzen Kreuzzuges war, und, nach der Zerschlagung des Hauptheeres, mit seiner Flotte durch den Verteidigungsgürtel schlüpfte und wahrscheinlich das Tor von Cadia schon damals ernsthaft ins Wanken gebracht hätte, wäre er nicht von einem jungen Inquisitor namens Zurol in diese Schwert gebannt worden. Dummerweise konnten seine Anhänger das Schwert entwenden, und versteckten es auf der, damals noch nicht bewohnten, Welt Trevia. Nox hat Tel’zaar gefunden und glaubt, mit seiner Hilfe zu Ruhm zu kommen. In Wahrheit ist er nur Tel’zaar’s Mittel um aus seinem Gefängnis zu fliehen. Wir sind der Sicherheit dieses Sektors verpflichtet, also müssen wir alles tun, um Tel’zaar aufzuhalten.“