40k [WH40k] Deathwatch:Xenojäger II

ACHT / IV

Kane saß in einem bequemen Ohrensessel und hielt ein Kristallglas mit sündhaft teurem Amasec darin. „Auf Haus Daldon.“ formulierte er lahm wie üblich einen Trinkspruch. Haus Daldon war ein ehemals einflussreiches Handelshaus gewesen. Im Zuge einer Untersuchung waren sämtlicher Güter beschlagnahmt und Dinge wie teure Zigarren und exotische Spirituosen in Kanes persönlichen Salon überführt worden. Die Marotte, auf die verurteilten Häuser zu trinken, reichte noch auf seine frühen Jahre zurück. Deswegen waren sie auch stets mit einer gewissen Wehmut verbunden, denn ursprünglich hatte er diese mit seinen auserwählten Agenten zelebriert.
Inzwischen waren sie seit mehreren Dekaden tot und Kane konnte sich nur noch schwammig an ihre Gesichter erinnern. Jetzt saß Illisar unsicher auf einem mit Samt bespannten Sofa ihm gegenüber und versuchte gelöst zu wirken. Er dachte darüber nach was es bedeutete, nach all den Jahren in den Salon des Inquisitors eingeladen zu werden. Dass positiv erscheinende Dinge zumeist Blendwerk für etwas Finsteres waren, war ihm durchaus bewusst. „Du sagtest, die Waffe unseres gegenwärtigen Feindes ist die Wahrheit. Aber wie kann das sein?“
Innerlich belächelte Kane die Naivität seines Agenten und überlegte, ob und wie er antworten sollte. Im Laufe seines langen Lebens hatte er tief in die Abgründe des Imperiums der Menschheit geblickt. Sie waren so tief und düster, dass sie wohl von der breiten Masse und auch der dünnen Mittelschicht als ketzerischer Humbug abgetan worden wären. „Wenn das Volk zu schwach ist, die Wahrheit zu ertragen ohne zusammenzubrechen, bleibt nur noch die Möglichkeit sie auf ein Fundament aus Lügen zu sperren, um sie in die richtige Richtung zu lenken zu können.“
„Was soll das bedeuten? Das ganze Imperium ist doch eine nicht zu leugnende Macht, deren Rechtmäßigkeit außer Frage steht.“ hielt Illisar reflexartig dagegen. Worauf wollte der Inquisitor nur hinaus? Begannen Wille und Bewusstsein des Inquisitors nach all der Zeit zu zerbrechen?

„Auf der alten Erde gab es mal eine Weisheit, die zwar alt ist, aber über die Millennien nichts von ihrem Gehalt verloren hat.“ antwortete Kane nach einigem Zögern und machte dann eine erneute Pause ehe er weitersprach. Illisar hielt sein Glas fest umklammert, da er sich fürchtete. Er ahnte bereits, dass er kurz davor war die Schattenseite der Einladung in den Salon zu hören zu bekommen.
„Die meisten Menschen glauben eine große Lüge eher als eine kleine und wenn man sie wieder und wieder wiederholt, wird sie irgendwann zu einer ganz eigenen Wahrheit.“

„Aber der Imperator…“
„Der Imperator wurde in einen Palast aus Lügen gesperrt! Ich maße mir nicht an den Willen des Imperators zu interpretieren, aber was wir aus seiner Vision gemacht haben war bestimmt nicht das was er sich erhofft hatte.“
Illisars Mund wurde trocken und der dünne Stil des Kristallglases zerbrach in seiner Hand. Er hatte Inquisitor Alexander Kane bereits Menschen für weniger blasphemische Worte exekutieren sehen. War dies hier eine Prüfung seines Glaubens? Er hoffte es, da sich sein Verstand gegen jede andere Alternative sperrte.
„Nein Alexander! Niemand kann den Imperator einsperren und er treibt auf seine Art all jene Pläne voran die wir Sterbliche nicht erfassen können.“ widersprach er vehement und dunkle Blutstropfen fielen aus seiner Faust auf den dicken Teppich. Auch nach all den Jahren konnte er Kanes Minenspiel kaum deuten. Die bleierne Melancholie in dessen Augen erinnerte ihn jedoch so sehr an sich selbst, dass er nicht anders konnte als den Worten seines Meisters zu glauben. Auch wenn es ihm das Herz brach.
„Was kann Sophokles schon wissen das dem Imperium gefährlich werden kann?“ versuchte er schließlich zur eigentlichen Frage zurückzukommen und bemerkte erst jetzt das zerbrochene Glas in seiner Faust. Kurzerhand stürzte er den starken Alkohol herunter und legte das zerbrochene Glas auf ein Silbertablett.
„Sophokles weiß von abtrünnigen Spacemarines aus loyalen Orden. Er kennt die Geheimnisse in ihrem Blut. Er weiß, dass die komplette Ekklesiarchie, angefangen bei den Adeptus Sororitas bis hin zur Vergöttlichung des Imperators im Grunde schlimmste Ketzerei sind. Wenn er sein Wissen teilt, wird er das Imperium zerbrechen und den schrecklichen Bruderkrieg wie ein keines Vorspiel erscheinen lassen!“ Illisar drehte sich der Magen um während er dem Ausbruch folgte. Der Inquisitor sprang unterdessen auf und schleuderte sein Glas durch den Raum, woraufhin Illisar zusammenzuckte. „Wenn das alles wahr ist. Wenn er es noch nicht getan hat, ist er möglicherweise doch kein Feind.“
Kane bedachte seinen Agenten mit einem mörderischen Blick, als dieser ebenjenen Gedankengang nachvollzog, der ihn damals zu Sophokles Werkzeug gemacht hatte.
„In einem Haus aus Lügen gibt es nicht zerstörerisches als die Wahrheit. Und letztendlich zwingt sie uns Inquisitoren zu einer unmöglichen Entscheidung, die weitaus brisanter ist als die zwischen Purismus und Radikalität. Wollen wir dem Imperium oder dem Imperator dienen?“

Scarissa schlich durch die schattigen Flure und Hallen der Nihilo. Die Besatzung war zurückhaltend und schien stets in Erwartung größeren Unheils zu sein. Oder zumindest in Sorge um eine mögliche Bespitzelung. Im Imperium wurden allgemein hohe ideologische Ansprüche an die Bürger gestellt. Allen voran galten Loyalität und Opferbereitschaft als höchste Tugenden. Auf einem Schiff der Inquisition war dies noch sehr viel drastischer zu beobachten. Die meisten Sterblichen schienen sich bereits mit ihrem Schicksal abgefunden zu haben, die Nihilo niemals verlassen zu können und nur wenn sie Glück hatten einen friedlichen Tod zu erleiden. Vermutlich wurde eben deswegen besonders großzügig für das leibliche Wohl gesorgt. Alle Besatzungsmitglieder aßen auf Offizierslevel und besaßen auch deutlich größere Quartiere als üblich. Die auch hier allgegenwärtigen Servitoren wurden mithilfe von Masken und Gewändern soweit entmenschlicht, dass sie sehr viel leichter zu einer Hintergrunderscheinung wurden. Scarissa erinnerte sich unweigerlich an ihre kurze Zeit auf der Lachender Scharlatan zurück und daran, dass man dort durchaus auf seine in Servitoren verwandelten Bekannten treffen konnte.
Alle Besatzungsmitglieder trugen hier intakte und saubere Uniformen, jeweils in den Farben die ihren Aufgaben entsprachen. Techniker in rot, Sicherheitsleute schwarz, Versorgungsoffiziere in grün und so weiter. Scarissa hatte weniger als eine Woche gebraucht, sich Uniformen in allen Farben zu besorgen um sich besser auf dem Schiff bewegen zu können. Blieb nur noch das Problem, dass hier niemand bereit war ein Auge zuzudrücken, oder kurze Dienstwege zu gehen. Kurzum halfen all ihre subversiven Fähigkeiten kaum weiter.
So sehr sie es auch hasste, zwei bis dreimal täglich ihre Gesichtsaugmentik zu reinigen, tat sie es dennoch gewissenhaft. Mit kleinen Schwämmen wischte sie trübes Sekret von ihrer vernarbten Haut und dem implantierten Metall. Entgegen aller vorhersagen, schien sich ihr Zustand jedoch zu bessern. Das Nässen der Haut hatte sich enorm reduziert und die quälende Taubheit einiger Gesichtspartien war einem erfrischenden Jucken und Kribbeln gewichen. Selbst ohne medizinische Ausbildung wusste sie, dass dies Zeichen von Heilung und Regeneration waren. Dennoch war auch diese Entwicklung nicht ungetrübt.
Auch wenn ihr nicht ganz klar war, was sie eigentlich erwartet hatte, hatte sie dennoch gehofft mehr Aufmerksamkeit seitens des Inquisitors zu erhalten. Es war als habe die Nihilo sie einfach verschlungen und zusammen mit den unzähligen anderen Agenten, Dienern und Adepten in die Bedeutungslosigkeit gepresst.
Dennoch hatte sie sich eine Aufgabe gesucht. Mit einfallsreichen Verkleidungen, die sie in Versorgungsoffiziere oder auch Servitoren verwandelten, versuchte sie in die Nähe der Astartes zu kommen. Seit ihrer Begegnung mit dem klauenbewährten Black Shield traute sie den Kolossen nicht länger über den Weg. Es schien als wären sie in Rüstungen gehüllte Bestien, die stets nur einen Wimpernschlag davon entfernt schienen ihrem brutalen Temperament nachzugeben. Der Legende nach hatte der Imperator sie ja auch als reine Kämpfer erschaffen und ihre Interaktion mit Sterblichen war sicherlich zu vernachlässigen gewesen.
Nach der Hälfte der Reise gelang es ihr wenigstens sie halbwegs zuverlässig auseinanderzuhalten. Gerade beobachtete sie einen Marine mit grauem Bart und Mähne, der säuerlich aus seinem metallenen Humpen trank, als dieser sich erhob und ihr den Kopf zuwandte. „Was tut ihr hier?“ grollte er und sog dabei Luft in seine flache Nase. Seine honigfarbenen Augen wirkten dabei in keiner Weise warm oder freundlich. „Ich stehe bereit, euch mit Speisen und Getränken zu versorgen, Milord.“
„Lüge!“ donnerte er und warf den leeren Humpen krachend zu Boden. „Wenn ihr mich noch einmal anlügt, nehme ich euren Skalp! Versteht ihr mich?“
Scarissa bekam Angst. Sie hatte ihre Rolle perfekt gespielt. Sie war sogar ohne zu zögern dem Humpen gefolgt um ihn aufzuheben, wie es eine dienstbeflissene Dienerin tun würde. „Ich bin Dienerin der Inquisition und ich suche nach Zeichen der Verderbnis, Milord.“ versuchte sie es mit Selbstbewusstsein und Ehrlichkeit zugleich.
„Und diese Suche führt euch in die Trinkhalle der Todesengel des Imperators?“ Scarissa schluckte und umklammerte den gewaltigen Humpen vor ihrer Brust. „Diese Suche führt mich einfach überall hin, Milord.“ konterte sie mutig und versuchte irgendeine hilfreiche Regung vom Gesicht des Riesen abzulesen. „Und, schon was gefunden?“ fragte er weiter und sein Ton schien sich etwas zu beruhigen.
„In letzter Zeit nicht…“ gab sie zurück und versuchte dabei so mysteriös und gewichtig wie möglich zu wirken. Ob ihr Stoffschleier dabei half?
„Dann bleibt wachsam, aber ihr solltet eure Aufmerksamkeit eher auf den Besitzer dieses Schiffes lenken.“
Irgendwie fühlte sie sich von dem kleinen Angriff auf den Inquisitor getroffen, weshalb sie kurzerhand zurückschoss ehe ihr klar war was sie tat.
„Hätten die Engels des Imperators früher die Aufmerksamkeit erhalten die sie verdienten, wären wir jetzt wohl beide nicht hier.“ Als ihre schnippische Antwort noch im Raum verklang gefror ihr bereits das Blut in den Adern. Astartes auf ihre verräterischen Vettern anzusprechen war niemals eine gute Idee. Sie sah ihr Leben vor ihrem geistigen Auge vorüberziehen und war sowohl von Länge als auch Inhalt enttäuscht. Explosionsartiges Gelächter drang aus der Kehle des Astartes, ließ sie zusammenzucken und entlockte ihr einen spitzen Schrei, der in hysterisches Gelächter ihrerseits überging. Offenbar zufrieden zeigte der Marine eindringlich auf den leeren Humpen und nahm wieder Platz. Zitternd wie Espenlaub und zugleich von Adrenalin durchflutet, ging sie den Humpen auffüllen. Nicht menschlich! Dachte sie bei sich. Einfach nicht menschlich!.

Thyrianos schritt gemächlich durch einen warm beleuchteten Gang als eine verschleierte Dienerin den Quergang vor ihr passierte. Sie hatte ihn nicht bemerkt und die Körperhaltung verriet Furcht und Nervosität. Als er Augenblicke später den Weg einschlug aus dem sie gekommen war, bestätigten ihre Ausdünstungen seinen Eindruck.
Er gelangte zu dem Raum, der kurzerhand in ihre Messe- und Trinkhalle umfunktioniert worden war und blickte auf Skeergards breiten Rücken. Der Spacewolf trug seine Servorüstung, hatte den Helm vor sich auf den Tisch gestellt und aß gierig von einer Groxkeule. Thyrianos zweifelte keinen Augenblick daran, dass der Spacewolf ihn längst bemerkt hatte. Er saß mit Absicht von der Tür abgewandt um Neuankömmlinge in ein trügerisches Gefühl des Vorteils zu versetzen. Als Thyrianos ihn einmal darauf angesprochen hatte, hatte Skeergard erklärt, dass Personen die sich im Vorteil sahen meist mehr von sich preisgaben als jene in Bedrängnis. Dem hatte der Dark Angel beigepflichtet und seine gelinde Überraschung über so viel Verschlagenheit geschickt verborgen. Für ihn war es selbstverständlich, nur bekam er mehr und mehr den Eindruck, dass die Spacewolfs eher ein missverstandener Orden waren. Die Frage die blieb war, ob sie dies genauso haben wollten. Schweigend setzte er sich neben den Spacewolf, goss sich Wasser aus einer großen Karaffe in ein Glas und nahm sich ebenfalls eine Groxkeule aus dem Tischgrill. Nicht dass er Hunger gehabt hätte, aber er hatte festgestellt, dass Skeergard sehr viel umgänglicher war, wenn man mit ihm zusammen aß und ihm nicht in sein Mahl hineinplauderte.
Das Fleisch war außen knusprig und innen saftig weich.
„Ich traue Kane nicht.“ kam Thyrianos gleich zum Punkt, wie Skeergard es bevorzugte. „Ist das nicht normal bei dir?“ antwortete der kauende Spacewolf gut gelaunt.
„Tu nicht so als wäre dir der Unterschied zwischen Mistrauen und Vorsicht nicht geläufig. Er hält nicht nur Informationen zurück, er manipuliert über seine eigene Mannschaft hinaus auch einige von uns.“

„Mach dir keine Sorgen. Solange er nur versucht mich mit vorzüglicher Kost zu beeinflussen, werde ich diese genießen, mich aber davon nicht blenden lassen.“ hielt Skeergard dagegen und biss erneut schmatzend ab.

„Ich meine es ernst Skeergard. Er ist Psioniker und beherrscht subtilere Methoden als das bestechen des Wachhundes mit Wurst.“ provozierte er seinen Schlachtenruder recht gewagt. Das war also der Einfluss von Marines wie Hovis? Der Spacewolf knurrte ein wenig, jedoch mehr als Würdigung der Spitze als aus ernsthaftem Ärger. Immerhin waren sie unter sich.
„Das ist nicht gut, aber doch weder eine Überraschung noch ein Vergehen. Ah, da kommt mein Met!“ kündigte der Spacweolf die Rückkehr der spionierenden Dienerin an. Thyrianos verstand den Wink und schwieg bis sie wieder gegangen war. Dann fuhr er umgehend fort.

„Natürlich nicht. Er ist eben auch Inquisitor. Dennoch sehe ich schwerwiegende Fragen, wenn nicht gar Probleme auf uns zukommen. Dieser Sophokles ist Kane scheinbar gut bekannt und angesichts der Tatsache, dass er unser Ziel ist wäre eine gewisse Offenheit sicherlich doch erfolgsversprechend.“ führte Thyrianos seine Bedenken aus.

„Oh Thyrianos, wenn eure Ordensbrüder euch so reden hören könnten.“ nuschelte Skeergard spöttisch und schluckte dann den letzten Happen hinunter, ehe er fortfuhr. „Warum kommt ihr damit zu mir? Wäre Szandor nicht derjenige, der Forderungen an den Inquisitor stellen sollte?“

„Ich habe mein Anliegen bereits an unseren Sergeant herangetragen, aber es ist nicht meine Art nur einen Weg zu gehen, wenn mehrere möglich sind.“

„Also willst du, dass ich den Spieß umdrehe?“ fragte Skeergard ehe er einen großen Schluck Met nahm.
„Wie bitte?“

Der Spacewolf grinste triumphierend und verzog dann sein Gesicht als er donnernd aufstieß. „Die Dienerin, kam sie dir nicht bekannt vor?“
Thyrianos überlegte, auch wenn er Sterbliche durchaus wahrnahm, so schenkte er ihnen nur selten tiefergehende Aufmerksamkeit. Missmutig deutete er ein Kopfschütteln an.
„Vorgestern war sie noch ein Reinigungsservitor. Vor einer Woche Techadeptin und vor Monaten eine Arbitesagentin und wie letztere riecht sie noch heute.“
„Der Inquisitor lässt uns aktiv belauschen?“ fragte Thyrianos verärgert und überging seine Unaufmerksamkeit so gut es ging.
„Darauf würde ich nicht wetten. Ich glaube sie hat den Zusammenstoß mit Vicesimus nicht gut verkraftet.“
„Sie lebt! Das ist mehr als die meisten nach einem Zusammenstoß mit Vicesimus von sich sagen können.“
Skeergard nickte daraufhin zustimmend. „Das ist wahr, aber ich meine ihr Gemüt. Sterbliche sind schwach und in jeder Hinsicht zerbrechlich. Sie sind ebenso leicht zu beeindrucken wie zu desillusionieren.“

„Wenn das so ist, ja. Dreh den Spieß um Skeergard.“ fasste der Dark Angel sein Anliegen zusammen, leerte seinen Krug in einem Zug und ließ Skeeragd alleine mit dem Tischgrill.
 
Mach das Braider! ich lese ja auch gern;-)

Leider leider hatte mein korrektor keine zeit verzeiht mir bitte eventuelle Fehler.

NEUN / I

Scarissa schritt durch den Quartierkomplex der dem Inquisitor und seinem wichtigsten Agenten vorbehalten war. Auch wenn sie bei weitem noch nicht zu einem inneren Kreis gehörte, von dem sie einfach mal annahm dass es ihn gab, war sie damit immerhin eine unter zweihundert privilegierten. Die Quartiere der Astartes waren zwar im selben Komplex allerdings nah beieinander und so gelegen, dass sie nur selten auf Sterbliche treffen würden.
Ihr Geruch hatte sie also verraten. Natürlich fragte sie sich, ob Chemikalien, Parfum oder andere Geruchsstoffe ihre Fährte überdecken konnten. Allerdings schien die Wahrnehmung, zumindest dieses einen Astartes, übermenschlich scharf zu sein. Ebenso scharf wie seine Fänge und das brutal aussende Kettenschwert welches nie weit von ihm entfernt war. Und, dass Astartes praktisch ohne Sanktion verstümmeln und morden konnten, trug nicht zu einer Stärkung ihrer Entschlossenheit bei. Nichts desto trotz schätze sie die Posthumanen nicht so ein, als dass diese sich unbedeutenden Plaudereien oder sinnlosem Gewäsch hingaben. Darum hatte die Aussage des wolfsgesichtigen Grauschopfes auch zweifellos eine ernsthafte Bedeutung.

Sie wurde aus ihren Gedanken gerissen als sie einen gedämpften heiseren Schrei hörte. Aus Gewohnheit fuhr sie sich mit der Hand über das Gesicht um die Haare aus dem Weg zu streichen, streifte dabei aber auch ihre kühle Gesichtsaugmentik.
Das Geräusch kam aus einem der Quartiere, die den Gang säumten und verwandelte sich in ein wehleidiges Stöhnen. Sie schlich näher an die Tür heran, las den Namen, der in bereits abplatzenden Lettern aufgesprüht worden war und lauschte. Für eine Minute war nichts zu hören und ihr Blick fiel auf das solide, aber nicht besonders komplexe, Schloss in der Tür. Ein neuerliches gequältes Röcheln drang durch die Tür gefolgt von einem Wort welches allerdings nicht zu verstehen war. Entweder Wurde dort jemand Ermordet, Beglückt oder hatte einen Alptraum. Zwei der drei Fälle, würden ihre Ambitionen, sich auf dem Schiff zu vernetzen, weiterhelfen können. Wenn sie ehrlich zu sich selbst war, alle drei. Routiniert förderte sie einige filigrane Metallhaken zu Tage und machte sich an dem Schloss zu schaffen. Als der Riegel mit einem leisen Klicken eingezogen wurde und sie sich auf die nächsten Sekunden konzentrierte, sorgte die Erinnerung an ihre Augmentik für eine gewisse Unsicherheit. Aber sie zog es durch, drückte langsam die Tür auf und betete zum Imperator sie möge nicht quietschen.
Sie sah in einen kleinen ordentlichen Flur, in dem mehrere Paare verschiedenen Schuhwerks standen, alle von derselben Größe. Und eine üppig mit Kleidung und Ausrüstung behängte Garderobe.
Der Blick auf den dahinterliegenden Wohnbereich wurde von einem Vorhang aus filigran geschnitzten Holzröhrchen an Schüren verdeckt. Ein leicht muffiger Geruch stand im Raum und der fehlende Geruch nach frischem Schweiß schloss zumindest die alternative aus, dass sie jemanden beim Sex überraschte. Vorsichtig schob die den exotischen Vorhang auseinander und erkannte jetzt deutlich die komplette Szenerie. Der Boden war aufgeräumt und von exakt ausgerichteten Teppichen bedeckt. Die meisten trugen Muster die zwar nicht schön waren aber selten schienen. Vor der Schlafpritschte standen ordentlich zwei Filzpantoffel und an einem Haken hing ein flauschiger Bademantel. Im Kontrast zu dieser Ordnung, die sich auch auf Regale und Anrichte ersteckte, stand nur der Schreibtisch. Kaffeinränder bedeckten jeden freien Zentimeter, wie eine besonders ausgefallen Maserung. Der Rest war mit Papier, Plastakfolien und Notizbüchern gefüllt. Aus der Mitte erhob sich, kaum noch sichtbar, ein kleiner Cogitator wie ein Ertrinkender aus der Flut der Akten. In dem Bett lag ein Mann mittleren Alters krallte sich in sein Laken und verzog das Gesicht vor ungemacht. Ein kleines Nachtlicht hing direkt über ihn und hüllte ihn und das Bett in geisterhaftes grünliches Licht. Er hatte in schlaf die Decke weggedrückt welche nun halb auf dem Boden hing und so seinen zwar nicht übermäßig aufgepumpten, aber durchaus wohlgeformten Köper enthüllte. Er schüttelte heftig mit dem Kopf und biss knirschend die Zähne aufeinander. Das interessanteste an dem Mann war allerdings, dass er der Agent war, den sie am häufigsten in der Nähe des Inquisitors gesehen hatte und dank der Türbeschriftung nun auch wusste, dass er Illisar hieß. Scarissa setzte sich auf den Rand des Bettes und drehte sich dabei so, dass Illisar, wenn er erwachte nur den unversehrten Teil ihres Gesichts sehen konnte, der von blonden Haaren eingerahmt wurde. „Illisar, wacht auf.“ Flüsterte sie sanft und berührte ihn an der Schulter, als er seine Fingernägel verkrampft in seinen Handballen versenkte.
Er erwachte und nach einer erstaunlich kurzen Überraschungsphase, schien er in keiner Weise glücklich darüber, seinem Alptraum entronnen zu sein. „Musstest du mich unbedingt wecken, ehe du mich tötest?“ fragt er niedergeschlagen und fuhr sich mit der Hand über die Augen. Dabei verschmierte er das Blut welches aus den Handballen austrat in seinem Gesicht. Scarissa war überrumpelt und blickte sich kurz im Zimmer um. Sie sah die ordentlich aufgereihten Tonkrüge die teure Kaffeinsorten enthielten und den zugehörigen verchromten Brühapparat. Einige Auszeichnungen von Administratum und Munitorum lagen in gepolsterten Schatullen neben den Dienstgradabzeichen eines Hauptmanns der Garde.
„Warum sollte ich dich töten?“

„Was für eine blöde Frage. Warum sonst solltest du in mein Quartier einbrechen? Um meinen Kaffein zu stehlen?“ grummelte er niedergeschlagen.
„Du hast geschrien und ich dachte jemand brächte Hilfe.“
Das ließ ihn verstummen und seinen Kopf auf die angewinkelte Hand legen. „Das eine schließt doch das andere nicht aus.“ faselte er und bemerkte, dass er alles mit seinem Blut beschmierte. Ärgerlich wischte er Hände und Gesicht an einem Kissen ab, um es dann an Scarissa vorbei in den Raum zu schleudern.
„Was soll das denn jetzt bedeuten?“ fragte Scarissa irritiert nach, war der Kerl verrückt?
„Wir dienen der Inquisition, früher oder später ist die einzige mögliche Heilung der Tot.“ erklärte er düster und ließ erkennen, dass dieser Gedanke keineswegs neu für ihn war. Merkwürdigerweise schien das auf dem Boden liegende Kissen ihn zu stören. Denn er fixierte es mit Blicken und Scarissa konnte praktisch den Entscheidungsprozess in seinen Augen ablesen, der letztendlich dazu führte, dass er aufstand und das Kissen in einen geflochtenen Wäschekorb warf. Sein Quartiuer war wirklich extrem wohnlich und weit jenseits reiner Zweckmäßigkeit. „Vielleicht hilft ja fürs erste eine Tasse Kaffein.“ schlug sie gespielt gut gelaunt vor und bemerkte erst jetzt, dass er in keiner Weise auf ihre hässliche Augmentik reagiert hatte. Er warf ihr einen müden Blick zu, ließ ihn weitergleiten und endete schließlich bei seinen Pantoffeln. Er stieg geschickt hinein wie er es schon tausende Male gemacht hatte und warf sich dann den Bademantel über ohne ihn zu schließen. „Wenn ich nur für jeden zehnten Kaffein den ich schon getrunken habe, nur eine Nacht ruhig hätte schlafen können würde ich dir vielleicht zustimmen.“
„Vielleicht habt ihr ihn ja nicht richtig gemacht.“ versuchte sie ihn ein wenig aus der Reserve zu locken. Schließlich wollte sie immer noch Informationen und einen Kontakt im inneren Kreis. Illisar ging jedoch nicht darauf ein und ließ sich routiniert in seinen Arbeitssessel fallen.
„Dann fühl dich frei, kannst den Rest auch gleich mitnehmen wenn du willst.“

Vorsichtig versuchte Scarissa die unnötig komplizierte Brühapparatur zu bedienen und sah wie Illisar ins Bad schlurfte. Gerade stieg heißer Dampf aus dem Gerät als sie ein gleichmäßiges Rauschen bemerkte. Duschte Illisar etwa? Echt jetzt?
Mit nicht wenig Stolz gelang es ihr einen kräftigen Kaffeinabsud aus der Apparatur in eine handbemalte Glastasse zu füllen und lauschte kurz, ob ihr Gastgeber zum Ende kam. Ein kurzes quietschen drang aus dem Raum gefolgt von weiterem Gleichmäßigen Rauschen. „Alles in Ordnung?“
Die einzige Antwort die sie erhielt war ein kontinuierliches Rauschen. „Illisar?“

Noch immer antwortete ihr niemand und vorsichtig öffnete sie die Tür. Sie blickte durch den Spalt und eilte sofort hindurch als sie erkannte was in dem gekachelten Raum von Statten ging. Auf dem Boden lagen einige leere Pillendöschen und in Der Dusche hing Illisar an einem Strick, zu dem er seinen Bedamentelband umfunktioniert hatte. Sein Gesicht hatte eine rotblaue Färbung angenommen und schleimiger Schaum stand ihm auf den Lippen. Sein Hals war aufgekratzt, da er wohl instinktiv versuchte sich die Schlinge vom Hals zu ziehen. Blitzschnell zog Scarissa ein Stiefelmesser, durchschnitt den Strick und versuchte Illisar aufzufangen. Auf dem nassen Boden verlor sie jedoch den Halt und stürzte mit dem halbnackten Mann zu Boden. Dabei schlug sie sich heftig den Kopf an und warmes Blut lief ihr in den Nacken. „Thronverdammt!“
Mürrisch verdrehte sie ihrem Arm um an die Armatur zu kommen und das Wasser abzustellen. Das Keuchen, welches aus Iillisars Kehle drang, klang wie eine defekte Gasmaske und die von geplatzten Adern verfärbten Augen rollten unkontrolliert. Nachdem die silbernen Sternchen aus ihrem Blickfeld verschwunden waren, versuchte sie ihr Bein unter Illisar hervorzuziehen der sich matt hängen ließ. Scarissa erhob sich und stellte sich breitbeinig auf um nicht noch einmal den Halt zu verlieren. Mühsam zog sie ihn auf die Füße, was ihr jedoch nur mit äußerster Anstrengung gelang. Er schien zwar bei Bewusstsein, half aber in keiner Weise mit. Fluchend zerrte sie ihn an das Waschbecken, wo sie ihn vornüberbeugte. Aus einem bereits geöffneten Schrank nahm sie eine Zahnbürste und versuchte deren Stiel in seinen Rachen zu schieben. Hier sperrte er sich zunächst, bis mit sie mit dem Daumen seine Wangeninnenseite zwischen seine Zähne schob. Würgend übergab er sich und erbrach eine ganze Handvoll halbaufgelöste Tabletten in milchigem Schleim. Tränen und Rotz rannen ihm übers Gesicht da Scarissa erst aufhörte als er nur noch Schaum hochwürgte.
Mittlerweile stark schwitzend hievte sie ihn zu seinem Bett wo sie ihn ablegte und sich dann in den abgenutzten Sessel fallen ließ. Als sie den Kopf anlehnte zuckte sie zurück weil ihre Platzwunde gequetscht wurde und ärgerlich sog sie die Luft ein. „Was mache ich mit dir?“ Sagte sie mehr zu sich selbst als zum gleichmäßig atmenden Illisar. Sein Blick war starr geradeaus gerichtet und sein ganzer Körper entspannt.
Nun gut sie hatte ihn gerettet, irgendwie hatte sie aber die Ahnung, dass sich seine Dankbarkeit hierfür in Grenzen halten würde. Rückblickend ergaben auch seine irritierenden Worte einen gewissen Sinn, deuteten aber auch auf Geheimnisse hin die Scarissa nun begehrte. Wenn sie externe Hilfe holte, würde ihr die ganze Angelegenheit aus der Hand genommen und Illisar zu einem der diskret dekorierten Servitoren gemacht. So hart es auch schien, wenn sie bekommen wollte was sie wollte, würde sie ihn unter Druck setzen müssen.

Scarissa entschied sich kurzerhand, sich vorerst hier einzuquartieren. Ein breites Ledersofa würde ihr als Bett dienen und wenn sie schlief konnte sie Illisar fesseln. Da Diskretion und Verschlossenheit auf der Nihilo Alltag waren, war es auch kein Problem sich von Servitoren Verpflegung bringen zu lassen. Zumindest für ein Mitglied des inneren Kreises.
„Warum?“ war Illisars erstes Wort, welches ihm am nächsten Vormittag, zäh wie Erbrochenes, über die Lippen kam.
„Nach all den Jahren des treuen Dienstes, solltest du dein Seelenheil nicht einfach wegwerfen.“ Ein abfälliges Zischen drang aus Illisar‘s Mund.
„Seelenheil? Meine Seele ist in den letzten hundertfünfzig Jahren, Stück für Stück in Fetzen gerissen worden. Alles was übrig blieb ist ein Bodenloser Abgrund der mich unendlich tief stürzen lässt weil auch der letzte Halt weggebrochen ist.“ Brummte er bitter und ließ Scarissa hellhörig werden. Nicht nur behauptete er uralt zu sein sondern er deutete auch an, dass jüngst etwas Dramatisches passiert war.
„Hundertfünfzig? Ihr seid zwar ein hochrangiger Agent, aber auch diesem könnte ich die Verjüngungsbehandlungen ansehen.“ Illisar lächelte freudlos. „Du hast das Wesen des Inquisitors noch nicht ganz begriffen oder?“
Schon wieder griff jemand ihren Inquisitor an und sie setzte gerade zu einer bösen Erwiderung an als ihre Gedanken in Bewegung kamen. „Was meinst du damit?“
„Denk nach! Jeder liebt ihn. Die Menschen in seiner Nähe erhalten Vitalität und Gesundheit. Verdammt noch mal, sieh dich doch mal im Spiegel an!“ schweigend dacht sie nach. Als sie die Fakten schließlich korrekt deutete, fühlte sie sich erleuchtet und zugleich unsäglich dumm. Sie war dem Inquisitor mit einer pubertären Hörigkeit hinterhergelaufen, die ganz und gar nicht ihrem Wesen entsprach. Nie entsprochen hatte. Sie war blind dafür gewesen, was sich in ihrem eigenen Gesicht abspielte. „Er ist ein psionischer Manipulator!?“ sagte sie mit fragender Stimme. Illisar sah sie nur eindringlich an. „Er kann ewiges Leben und Gesundheit schenken?“ fragte sie nun entschiedener nach. Illisar nickte. “In der Tat, aber dämpfe deine Euphorie. Weder er, noch ich oder sonst wer, der mehr als ein Menschenleben auf diesem Schiff verbracht hat, würde das als Segen betrachten.“
„Aber ewiges Leben und Gesund…“
„Ewiges Leben am Arsch!“ fuhr er sie an. „Was nützt es einen ewig Gesunden und immer vitalen Körper zu haben, wenn dein Geist zerfällt.“

„Naja ein paar Jahrzehnte mehr werden schon nicht so schlimm sein. Jemand der die nötige Stärke mitbringt…“ hielt Sacrissa dagegen nur um erneut unterbrochen zu werden.
„Ein paar Jahrzehnte in einer schmucken Makropolspitze oder einem ambitionierten Freihandelsschiff sicherlich nicht. Aber wir dienen hier in der Inquisition! Wir befassen uns per Definitionen mit dem finstersten und ruinösesten was das Universum zu bieten hat. Und das, meine Liebe, ist bereits zu viel für ein einziges Leben.“
„Jetzt übertreibt ihr aber ein wenig oder? Ich meine wie kann der letzte Halt wegbrechen, wenn der Gottimperator unleugbar auf seinem Thron sitzt und uns beschützt?“
Illisar sah sie traurig an und er schien zu überlegen. „Stellt keine Fragen deren Antwort euch vernichten könnte. Aber mal was anderes, wie ist eigentlich dein Name?“
„Scarissa. Ihr gehört zu Kanes innerem Kreis oder?“ antwortete sie knapp und versuchte beim Thema zu bleiben, da sie erkannte, dass Illisar sich fing und versuchte das Thema zu wechseln. „Sacrissa Johmark, das neueste Spielzeug unseres Protegés. Ihr seid wirklich ambitioniert, wenn ihr so schnell hier aufschlagt.“

„Untätigkeit und Muße liegen mir nicht.“ rechtfertiges sich Scarissa, während Illisar zusehends an Stabilität und Stärke gewann.
„Das solltest du dringend ändern. Vor allem Zweiteres ist das einzige, was dich hier auf Dauer nicht den Verstand verlieren lässt.“
„Du meinst ich soll anfangen exotische Keffeinsorten und seltene Teppiche zu sammeln?“
„Wenn ihr wollt. Ich sage euch nur, viel hilft viel! Alle meine Hobbys haben keinen Platz in meinem Quartier.“
„Ich werde es im Hinterkopf behalten. Und welche Rolle spielt ihr bei der Jagd auf Sophokles?“ gestattete sich Scarissa einen letzten Versuch etwas aus dem Agenten herauszubekommen.
„An deiner Fragerei solltest du auch arbeiten. Denke immer daran das einmal gegebene Antworten nicht zurückgenommen werden können.“ belehrte Illisar sie erneut und begab sich ins Badezimmer. Scarissa widerstand dem Impuls ihm sofort zu folgen, da er zumindest die Tür aufließ. Er klapperte ein wenig herum und ließ anscheinend Wasser in ein Waschbecken laufen. „Im Grunde ist meine Aufgabe ganz einfach. Ich werte große Datenmengen aus. Ende.“
Als Scarissa sich an den Türrahmen lehnte und den Mann vor ihr betrachtete, hatte sie das Gefühl einen anderen Menschen zu sehen als den, den sie zuvor von der Duschbrause geschnitten hatte. Das festgeknotete Ende des improvisierten Sticks hing noch immer dort. Illisar schäumte seich Gesicht ein und begann sich mit einem sehr schönen Rasiermesser zu rasieren.
„Also kann ich interessante Informationen direkt an dich berichten und dann setzt du sie in Zusammenhang?“
„Zweimal ja, allerdings wirst du keinen bevorzugten Zugriff auf diese Zusammenhänge bekommen.“ enttäuschte er Scarissa während er sie kurz durch den Spiegel ansah. Das war also der Dank für die ganzen Mühen? Er schien ihre Gedanken zu ahnend denn er sprach weiter. „Vertrau mir, es ist besser so. Kane wird dich früh genug zerbrechen. Und jetzt würde ich mich über etwas Privatsphäre freuen. Danke.“ Sie hob eine Augenbraue und sah zu der Duschbrause.
„Der Schub ist vorbei, komm in einem Monat oder so wieder.“ zwinkerte er ihr zu, während er die Badezimmertür vor ihrer Nase schloss. Ein wenig ratlos blickte Scarissa sich im Quartier um, überlegte kurz eine ihrer Wanzen anzubringen und platzierte schließlich einen nicht Sendefähigen Tonaufzeichner im Futter einer Schachteln mit den Orden.
 
Montag montag montag!

NEUN / II

Nachdem er die Agentin in ihre Schranken gewiesen hatte und mit Thyrianos über dessen ständiges Misstrauen geredet hatte, begann Skeergard sich großflächig auf dem Schiff umzusehen. Auch wenn die Besatzung stets vorsichtig und zurückhaltend war, unterschätzten auch sie regelmäßig die verbesserten Sinne der Astartes. So hörte der Spacewolf unzählige geflüsterte Gespräche mit und fragte sich wonach er eigentlich suchte. Der Name Sophokles tauchte gelegentlich auf, aber alle Details klangen wie Mythen und Legenden aus der Zeit ihrer Väter und Großväter.
In der Nähe der Brigg entdeckte er einen abgetrennten Bereich. Nur ein offensichtlicher und wie es schien nur ein verborgener Eingang führte hinein. Nachdem er eine Weile vergeblich dort herumgelungert hatte, um eventuelle Passanten zu beobachten, wurde er selbst aktiv. Er öffnete den Geheimgang mit ein paar kleinen Metall- und Drahtstücken und sog schließlich das Aroma des Verstecks ein. Es war extrem mit Chemikalien angereichert, sowohl Desinfektionsmittel als auch hochwirksame Stimulanzien. Darüber hinaus entdeckte er auch eine Note von ungewaschenen Körpern und nekrotische Fäulnis. War das hier eine Folterkammer und oder ein Gefängnis?
Skeergard zögerte kurz. Bei allem Misstrauen, konnte es durchaus sein, dass der Inquisitor überaus gefährliche Gefangene eingekerkert hatte und Skeergard ungewollt deren Abschottung gefährdete. Aber was wollten Gefangene schon machen? Würden ja kaum einfach frei im Versteck herumlaufen und trugen auch weder die Stärke Fenris‘ noch die Zähigkeit des Omnissiah in sich.
Skeergard zwängte sich durch die Öffnung und schloss die Tür hinter sich. Er gelangte in eine Sackgasse in der zwei kleine Hebel angebracht waren. Nach Betätigung ruckte die Wand ein Stück auf Skeergard zu und schob sich dann geisterhaft leise nach oben. Was zunächst wie eine einfache Servitorenfabrik wirkte, entpuppte sich als Produktions- und Lagerstätte für Arcoflagellanten. Diese unvergleichlich tödlichen Killermaschinen würden im Kampf selbst einem Astartes alles abverlangen und ihre brutal verstümmelten grausamen Seelen dürsteten stets nach Blut und Gemetzel. In zwei der massiven Fixierungseinheiten hingen verwesende Überreste, aus denen unzählige kybernetische und bionische Implantate heraushingen. Ob Saarlock unter seiner Rüstung ähnlich aussah?
Die übrigen zehn Einheiten waren jedoch mit intakten Flagellanten gefüllt, die von einem starken Chemikaliencocktail schlafend gehalten wurden. Skeergard verachtete diese Kreaturen aus tiefster Seele. So qualvoll die Verwandlung in eine dieser Killermaschinen auch war, immerhin war sie in der Regel den schlimmsten der Schlimmen vorbehalten, sollten derartige Individuen keine solche Macht erhalten. Die Mitte des Raumes wurde von einem großen verchromten Operationstisch eingenommen. Darüber hingen zwei medizinische Servitoren deren Gliedmaßen durch feine Instrumente ersetzt worden waren und wie Spinnen von der Decke hingen.
Außerdem sah er die schwere Tür, welche das Versteck vom Rest des Schiffs abtrennte. Irgendetwas stimmte hier nicht. Die Position dieses Verstecks machte wenig Sinn, denn von hier aus würden sie einen unnötig langen Weg vor sich haben. Egal ob sie zur Brücke, zum Reaktorraum oder zu den Gemächern des Inquisitors gerufen wurden. An einer zentraleren Stelle wären sie auch nicht weniger gut zu verstecken und ruhigzustellen gewesen. Der Spacewolf untersuchte Raum und Flagellanten, wobei sich immer wieder seine Nackenhaare aufstellten und ihm kalte Schauer über den Rücken liefen.
Neben ihren tödlichen Energiegeißeln, den taktischen Sensorenphalanxen, Unmengen von Kunstmuskeln und Stimmulanziendrüsen trugen sie merkwürdig gestaltete Stirnreifen und Schmuckstücke. Wozu sollte man sich die Mühe machen, diese Kreaturen mit Schmuckstücken zu behängen? Er würde mit Thyrianos darüber reden, aber den Dark Angel hinterher hoffentlich nicht hierher schmuggeln müssen.
Skeergards Versuch, die Zeichen vom Schmuck der Servitoren und Teilen der Wände skizzenhaft nachzuzeichnen, war nicht besonders erfolgreich. Und auch wenn Thyrianos immer weiter nachbohrte, kamen sie über die Vermutung, dass dort irgendwer oder irgendetwas gefangen gehalten wurde, nicht hinaus. Zu gerne wäre Thyrianos der Spur selbst nachgegangen, allerdings blieb hierfür zunächst keine Zeit. Neben seinen eigenen Studien, war er mit dem von Szandor angeordneten Standardtraining beschäftig gewesen und nun heulte der misstönende Übergangsalarm durch das Inquisitionsschiff. Die Mitglieder des sechzehnten Exterminatorenteams befanden sich auf einem Panoramadeck, von wo aus das sie das sich vor ihnen ausbreitende System betrachten konnten. Dabei fiel ihnen die fleckige Kugel namens Devekel sofort ins Auge. Einige Momente lang ließen sie die Szenerie auf sich wirken, dann wandten sich einige Köpfe erwartungsvoll in Thyrianos Richtung. Der schüttelte nur den Kopf, da er keine psionischen Anomalien entdecken konnte.
Dafür bemerkten Thyrianos und Duron eine sehr viel gewöhnlichere Auffälligkeit. Der Kurs der Nihilo führte sie nicht in die Nähe des Planetoiden, sondern eher in Richtung seines überdimensionalen Bruders namens Devekel XXX. Der Name hatte wohl nichts mit einer Nummerierung zu tun, sondern sollte anscheinend irgendwie die Unwirtlichkeit auf dessen Oberfläche widerspiegeln. Seine mächtige Gravitation machte das Überleben bereits in den oberen Atmosphärenschichten unmöglich. Selbst Astartes oder schwere Bergbaumaschinen würden wie Konserven zermalmt. Fortschrittliche Ausrüstung, die die widrigen Umstände kompensieren könnte, wurde nie hergeschafft und würde es aufgrund Devekel‘s Schicksals auch niemals werden.

„Der Gravitationsschatten von Devekel XXX wäre ein gutes Versteck für ein beschädigtes Schiff. Dort kann man in Ruhe die Schäden beheben ohne von kleineren Schiffen angegriffen zu werden.“ brummte Duron, woraufhin auch den übrigen Marines ihr Kurs auffiel. Thyrianos und Szandor nickten nur und warfen einander Blicke zu. Aus ihren Gesprächen mit dem Inquisitor wussten sie, dass die heißeste Spur ein Seelenverkäufer namens Lachender Scharlatan war.
„Sobald wir angedockt haben, werden sich Duron und Saarlock den primären Schiffscogitator und die verborgenen Speicherbänke vornehmen. Wir übrigen werden uns aufteilen, das Schiff nach Spuren aller Art durchsuchen und wenn möglich die Besatzung aushorchen.“
„Sollten wir uns nicht auf Spuren konzentrieren und die Agenten des Inquisitors mit den Sterblichen sprechen lassen?“ erkundigte sich Ajax und bezog sich dabei auf die zuvor beschlossenen Missionsparameter. Nach einem kurzen wie vielsagenden Blick zu Thyrianos, widersprach Szandor entschieden. „Ich werde uns in alle Aspekte der Mission involvieren.“
Saarlock nickte zustimmend und unterstützte seinen Sergeant. „Je weniger wir in die Hände der Sterblichen legen, desto weniger wird uns nachher auf die Füße fallen.“
Die Marines schlugen sich ihre gepanzerten Fäuste auf die Brust und setzten sich dann in Bewegung.
Die Nihilo glitt geräuschlos durch die Schwärze des Weltraums und als sie den Gravitationsbereich von Devekel XXX gelangten begannen die Schilde in wilden Mustern zu pulsieren. Die Lachender Scharlatan fanden sie erstaunlich schnell, beinahe so, als hätte Kane genau gewusst wo sie war. Die schweren Enterbrücken und Ausleger auf der Backbordseite wurden ausgefahren um möglichst schnell und flächendeckend das ganze Schiff unter die Lupe zu nehmen.

Kapitän Karstolf Dunnbar saß auf seinem abgenutzten Kommandothron und versuchte sich einen Reim aus den zurückliegenden Ereignissen zu machen. Zuerst schienen die Flüchtlinge von Devekel zu einem lukrativen Geschäft zu werden. Nicht zuletzt dank einiger besonders wohlhabender Passagiere. Ob sie Waffen- oder Drogenhändler waren, Söldner oder Glücksritter hatte ihn nicht interessiert. Sie hatten mit Gold und Edelsteinen gezahlt und damit seine Phantasie beflügelt. Allein die Passagen der gewöhnlichen Flüchtlinge sollten die Ausgaben der nächsten Reise decken und sogar einen geringen Gewinn übriglassen. Die Bezahlung der Sondergäste hätte einen gemachten Mann aus ihm gemacht und er hatte sich bereits Pläne geschmiedet wie er sich mit dem Schatz absetzen konnte. Soll der gebrochene Schrotthaufen namens Lachernder Scharlatan doch brennend in eine Sonne stürzen.
Hoffungsvoll war er Richtung Sprungpunkt geflogen, während er in seinen Privatgemächern die Schmuckstücke in Augenschein nahm.
„Annährungsalarm Kapitän!“ war er über das ewig rauschende Interkom informiert worden. So gut gelaunt wie seit Jahren nicht mehr war er zur Gegensprechanlage geeilt und hatte seine Befehle gegeben. „Steuermann!? Standardvorgehen! Wer die geringere Tonnage hat weicht wenn nötig aus.“
„Ähm Kapitän, das andere Schiff ist auf Abfangkurs.“
„Waaas? Etwa Piraten? Wie konnten die so nah…“
„Irgendein mir nicht bekanntes Schlachtkreuzer-Schema. Imperial.“
„Verfluuuucht! Ich komme.“ hatte Karstolf gebrüllt und war aus seinem Quartier gerannt.
Da war er ein einziges verdammtes Mal auf einen verfluchten grünen Zweig gekommen. Nur ein thronverdammtes Mal! Schon trat das Administratum aus dem Schatten und würde seinen Anteil an der Beute drastisch verringern. Wenn sie ihm nicht gleich das ganze Schiff abnahmen. Dafür war natürlich auch immer Zeit und welche bessere Aufgabe gab es schon für ein so mächtiges Kriegsschiff, als einem unbedeutenden Pechvogel sein sauer verdientes Vermögen abzuknöpfen.
Als er auf der Brücke angekommen war, war das andere Schiff bereits mit bloßem Auge zu erkennen gewesen. Es war aus dem Gravitationsschatten von Devekel XXX gekommen und flog schräg vor sein Schiff.
Das Schema war tatsächlich ein fremdartiges. Auch wenn es ihm irgendwie bekannt vorgekommen war, konnte er es nicht benennen. „Kapitän auf der Brücke!“ rief einer der Brückenoffiziere und sofort war Karstolf vom ersten Offizier ins Bild gesetzt worden.
Das Schiff hatte sich als Rasender Weiser identifiziert und seine Zugehörigkeit zum Administratum verkündet. Darüber hinaus bestätigten sich Karstolfs schlimmste Befürchtungen. Sie wollten eine Kontrolle durchführen. Nur wenig später war das blanke Chaos ausgebrochen. Astartes kamen auf sein Schiff und irgendwelche Idioten leisteten Widerstand. Wie blöd kann man denn eigentlich sein??? Ehe er Befehle und oder Durchsagen tätigen konnte sperrte sie der Schiffsgeist ohne Vorwarnung aus den Systemen aus. Und in der Brücke ein.

Als sich das schwere Brückentor schließlich wieder öffnete, hoffte er zunächst auf einen Erfolg seines Piloten, den er in den letzten zehn Minuten unentwegt angebrüllt hatte. Das aus seiner Nase tropfende Blut sprach jedoch dagegen. Hinter der Tür erblickte er zwei Spacemarines. Einer war ein lebendig gewordener Alptraum aus Schatten, der andere trug einen gefährlich aussehenden Mechandrit auf dem Rücken und einen mächtigen Bolter vor der Brust. Die Männer der Brückensicherheit spannten sich, blieben aber wie befohlen inaktiv. „Verzeiht die Unannehmlichkeiten, Milords…“
„Die Passagierliste! Sofort!“ hatte der schattenhafte Riese gegrollt und war durch die Tür zur Seite getreten. Der mit dem Mechandrit schritt einfach an ihm vorbei und verband sich mit dem Kommandothron. Dann trat ein dritter Astartes in die Tür. Seine dunkelblaue Rüstung sah alt aus und der grüne Rosshaarkamm auf dem Helm verlieh ihm irgendwie Autorität. Was dann passiert war, war ihm bis heute nicht so wirklich klar. Nur, dass die Mistkerle sein Schiff schwer beschädigt und viele der Flüchtlinge und Besatzungsmitglieder mitgenommen hatten. Treulose Hunde, geschah ihnen Recht, dass er seinen geretteten Schatz nicht mit ihnen teilen würde. Die Ironie, dass er damit nun lediglich die Treuen betrügen würde, war ihm nicht bewusst.

Er musste nur noch irgendwie den Mistkahn zusammenflicken und wohin fliegen, wo er sich mit seinen Reichtümern absetzen und ein neues Leben beginnen konnte. Er war gerade dabei, den Grundriss für sein neues Haus auf eine Plastekfolie zu schmieren als sich ein Sensorenoffizier bemerkbar machte. “Annährungsalarm, Kapitän.“
Ein kurzer mörderischer Impuls überkam Karstolf als er den blöden Witz vernahm. Er hatte bereits die Laserpistole in der Hand als er das andere Schiff selbst sah. „Dreimal verfluchter Drecksthron, das kann doch jetzt nicht wahr sein!“ tobte er und schleuderte die Laserpistole wutentbrannt gegen das massive Aussichtsfenster. Wie konnte es sein, dass ein Schlachtkreuzer sich hier verstecken konnte und sein Schiff an derselben Stelle so zielstrebig angesteuert wurde, als würde er Funkfeuer senden. „Hier spricht Inquisitor Alexander Kane an Bord der Nihilo. Stellen sie ihre Schilde auf die im Folgenden übermittelten Frequenzen ein.“ dröhnte eine hämische Stimme aus dem Brückenlautsprechern, während der leichte Kreuzer näherkam.
Tränen der Wut stiegen Karstolf in die Augen. Er machte eine bestätigende Geste zu seinen Offizieren und verließ die Brücke in Richtung Privatquartier, wo er seiner Wut und seiner Frustration freien Lauf ließ.

Szandor stand mit seinem Trupp auf einer der Enterbrücken, die sich langsam auf das deformierte Schiff zuschob. Zuvor waren die Schilde der Schiffe in einem flackernden Spektakel miteinander verschmolzen und waren damit nun beide gegen die mächtigen Gravitationskräfte abgeschirmt. Auch wenn die Lachender Scharlatan ihre beste Zeiten längst hinter sich hatte und niemals ein vollwertiges Kriegsschiff hatte sein sollen, sahen sie auf eine mächtige Perimeter Abwehr. In Giebeln, Vorsprüngen und Türmen waren Flugabwehrgeschütze unterschiedlicher Kaliber verschanzt. Selbst das kleinste, stark genug eine Servorüstung wie Pappe zu durchschlagen. Auf der Enterbrücke waren duzende Sturmschanzen ausgeklappt worden, die den Entertruppen stabile Deckung bieten sollten. Dennoch hoffte Szandor, dass sie nicht gezwungen würden Deckung zu suchen. Duron befand sich mit seinem Melter an der Spitze der Formation. Sollten die Schleusen sich seinen Kommandos widersetzen, würde er sie eben mit Gewalt öffnen. Dies würde aber nicht nur verhältnismäßig viel Zeit in Anspruch nahmen, sondern auch eine böse Überraschung für die Menschen auf der anderen Seite werden.
Jedoch schienen weder die Schiffssysteme, noch die Schiffsbesatzung Widerstand leisten zu wollen. Duron und Saarlock setzten sich frühzeitig vom Rest der Gruppe ab um sich die Daten und Logikmaschinen an Bord zu untersuchen. Zweitgenannter trug hierfür einen sperrigen mit kleinen Kristallen gefüllten Cogitator, den der Inquisitor zur Verfügung gestellt hatte. Selbstbewusst hatte er behauptet dass Alle Datenbestände des Schiffes darauf Platz hätten. Ebenso selbstbewusst hatte er verkündet, sich persönlich auf die Brücke der Lachender Scharlatan zu begeben. Weder Thyrianos, Skeergard oder Szandor waren davon sonderlich begeistert. Der Mortificator bereute es außerdem, seinen Skriptor nicht auf die von Skeergard entdeckte Geheimkammer angesetzt zu haben. Aber nichts desto trotz würden sie ohne zu Zögern oder inne zu halten ihre Pflicht tun.

Scarissa betrat die Lachender Scharlatan über eine verstärkte Transferröhre, von denen die Nihilo mehrere ausgefahren hatte. Sie trug eine saubere Arbitesuniform, die unter anderem aus einem verstärkten Sturmmantel einem Brustpanzer und wuchtigen Schulterstücken bestand. Auch wenn sie eigentlich im Rang einer Geheimagentin stand trug sie die Rangabzeichen einer Proktorin und war in Begleitung zweier bewaffneter Begleiter. Sie hatte alleine gehen wollen aber Kane hatte darauf bestanden, dass sie Schutz in Anspruch nahm. Anders als auf der Nihilo gab es hier schließlich sehr vielseitige Gefahrenquellen.
Als sie durch die Schleuse trat und die abgestandene Luft des Großraumfrachters einatmete, wurde sie kurz wieder zu Urna Loblow, dem kleinen verängstigten Mädchen, welches einem kurzen aber arbeitsreichen Leben entgegensah. Entschlossen zwang sie sich dazu, sich ihr Unwohlsein nicht anmerken zu lassen. Ob ihr dies Gelang war ungewiss, da ihre Begleiter geschlossene Helme mit martialischen Visieren trugen. Sie hielten hochwertige Sturmschrotflinten vor der Brust und trugen wie Scarissa verkratzte Schockstäbe am Gürtel.
Aus dem Ärger über ihr eigenes Unbehagen wurde Wut und sie marschierte in regelrechtem Stechschritt durch die siffigen Gänge. Ihr Ziel waren die Privatgemächer des Kapitäns, zu denen Kane sie als Vertrauensbeweis oder als Prüfung ihrer Fähigkeiten geschickt hatte. Vermutlich war es etwas von beidem. Irgendwie genoss sie die Furcht die sie verbreitete, denn alle Besatzungsmitglieder denen sie begegnete machten hektisch Platz oder verschwanden in schlecht beleuchteten Abzweigungen. Zugegebenermaßen spielten ihre Begleiter hierbei auch eine tragende Rolle.
Es schien ihr als wäre das Schiff in den vergangenen zwanzig Jahren noch weiter heruntergekommen und hätte sich von einem gespenstischen Labyrinth in eine klaustrophobische Müllhalde verwandelt. Selbst als sie bei den Offiziersdecks ankam bot sich ihr ein Bild der Verwahrlosung und halbherzigen Reparaturen. Dafür wurde hier zumindest Versucht den Gestank nach alten Socken mit süßlichen Chemikalien zu überdecken. Als sie vor dem Quartier des Kapitäns stand, hielt sie kurz inne, rückte ihre Schirmmütze zurecht und zückte ihren großkalibrigen Revolver, der durchaus als Schlagstock durchgehen mochte. Als ihre Begleiter sich anschickten, sich an ihr vorbeizuschieben und die vermeintlich gefährliche Aufgabe zu übernehmen die Tür aufzureißen, hielt sie sie mit der Linken zurück und schüttelte entschieden den Kopf.
„Aufmachen! Adeptus Arbites!“ rief sie mit energischer Stimme und hämmerte mit dem Pistolenknauf gegen die Tür. An den Türrahmen gelehnt lauschte sie auf eine Reaktion und sah dabei wie professionell ihre Begleiter die Tür sicherten. Einer hielt seine entsicherte Schrotflinte auf die Tür gerichtet der andere eine scharfe Schockgranate in der Hand.
 
Endlich den Großvater abgeschüttelt.Weiter gehts!

NEUN / III

Hinter der Tür zerbrach ein Glas und ein dumpfes Poltern drang ebenfalls hindurch. Scarissa führte ihren Universalschlüssel zum Schloss und stellte dabei fest, dass nicht abgeschlossen war. Weniger als drei Sekunden nach ihrer Aufforderung die Tür zu öffnen stieß sie sie selbst auf und eilte hindurch.
Sie stand in einem großzügigen Salon, dessen Boden mit einem fleckigen, ausgedünnten Teppich bedeckt war. Der Geruch der ihr entgegenschlug erinnerte sie an die Obscurahöhlen, die sie in ihren frühen Arbitesjahren gelegentlich unterwandert oder hochgenommen hatte. An den Wänden hingen verblichene Bilder und verrostete Ehrentafeln die auf bessere Zeiten und hohen Besuch hindeuteten. Auch wenn einige der Wände recht frisch gestrichen waren, konnte man erkennen, dass ohne viel Aufhebens über Rost und Dreck hinweglackiert worden war. Ein fettig verstaubter Kronleuchter tauchte den ausladenden Raum in schmutziggelbes Licht und beschien eine Frau die leblos auf einer abgenutzten Couch lag. Die Brandflecken auf Polster und Haut, sowie die unverwechselbaren Entzündungen im Gesicht, brandmarkten sie als Obscuraabhängige. Die verschlissene Reizwäsche deutete, in Kombination mit ihren mehr oder weniger offensichtlichen Schönheitsoperationen, darüber hinaus auch ihre weiteren wenig appetitlichen Qualitäten an. Ein Neuling hätte sie vermutlich ignoriert, aber Scarissa wusste es besser. Lass niemals einen Obscurasüchtigen unbeobachtet in deinem Rücken.
„Aufheben und mitnehmen.“ wies sie ihre Begleiter an. Zügig schritt der nächste von den beiden zu dem Häufchen Elend und ergriff den ungesund dünnen Arm. Die Frau stöhnte widerwillig, öffnete aber weder die Augen oder zeigte sonst eine Regung. Der Soldat nahm kurzerhand beide Handgelenke in seine gepanzerte Faust und schleifte sie über den dreckigen Boden. Am entlegenen Ende des Salons war der Durchgang von einem schweren Vorhang verdeckt. Er war ebenso abgenutzt wie der Rest des Salons und Scarissa schob ihn langsam mit dem Lauf des schweren Revolvers beiseite. Dahinter sah sie den Kapitän auf einem heruntergekommenen Sofa liegen. Daneben lag ein umgestürzter Servierwagen in einer Pfütze aus verschiedenen Alkoholsorten. Auf dem speckigen Couchtisch befanden sich neben überfüllten Aschenbechern auch eine beachtlichen Menge Obscura, diverse Glaspfeifen und Spritzen.
Der Kapitän trug kein Hemd und versuchte seinen fetten, teigigen Körper hinter einer weiteren Frau zu verbergen die nackt auf ihm lag. Offensichtlich auch eine Süchtige, die gegenwärtig weniger komatös als ihre Kollegin schien, aber in keiner Weise gesünder. Die erste Frau wurde in einem Sessel mit hoher Lehne abgelegt und methodisch sicherten die Bewacher den Raum und die anderen Zugänge.
Der Kapitän hatte seinen bleichen Schwabbelarm locker um den Hals der nackten Frau gelegt, womit er allerdings weniger Zuneigung als Macht proklamieren wollte. Bei gleichzeitiger Feigheit. Er schien ernsthaft zu glauben, Scarissa hätte auch nur die geringste Hemmschwelle den Menschenmüll auf seinem Wanst ohne zu Zögern zu entsorgen. Diese Kreatur zog nicht nur das weibliche Geschlecht in den Dreck, sondern die ganze Spezies Mensch und war damit in keiner Weise besser als ein Deserteur. Nur, dass ihr drogenzerfressenes Hirn nicht mal mehr für die Servitorenfabriken taugte.
„Ziehen sie sich was an, Kerl. Und stehen sie gefälligst, wenn sie mit mir reden.“ fauchte Scarissa um von vorne herein Druck aufzubauen.
„Aber er steht doch Prinzessin.“ faselte die nackte Frau und fummelte dem Kapitän anzüglich in der Leistengegen herum. Ehe der Kapitän oder sonst jemand etwas erwidern konnte, schmetterte Scarissa der Nutte ihre Pistole vor den Schädel woraufhin diese wie ein nasser Sack vom Kapitän herunter glitt. Der wurde schlagartig unterwürfig und Scarissa erkannte angewidert, dass die nun Bewusstlose nicht gelogen hatte. Die Bewacher trugen die Szene mit Fassung und einer griff sich die Jacke des Kapitäns von einer Stuhllehne und warf sie dem bleichen Fettsack zu.
Scarissa presste zornig die Lippen aufeinander, ehe ihr bewusst wurde, dass diese von ihrer Augmentation verdeckt wurden. Der Kapitän erhob sich, strich sich die krustigen Reste der Frohsteine vom Gesicht und warf sich umständlich die Jacke über. Wankend schritt er zu einem Regal, um seine Kapitänsmütze zu nehmen und aufzusetzen. Als sie ihm entglitt, beugte er sich vor und erbrach sich in das Zeichen seiner Autorität. Scarissa schnaubte und war überrascht, dass sich ihre Laune tatsächlich noch verschlechtern konnte. „Setzt ihn auf einen Stuhl und gebt ihm die hier.“ presste sie betont ruhig hervor und reichte ein Röhrchen mit Entgiftungstabletten. Diszipliniert gehorchten die Bewacher, für deren Anwesenheit Scarissa langsam doch dankbar war und inspizierte währenddessen das Zimmer.
Verwahrlosung war allgegenwärtig und mit jedem Schritt entdeckte sie eine andere Note abstoßenden Gestanks. Wie konnte ein Kapitän der imperialen Navy nur so tief sinken? Während sie umherstreifte und ihre Bewacher versuchten die Tablette zu verabreichen, bemerkte sie eine Auffälligkeit. Auch wenn der ganze Raum ebenso wie der Salon ein einziges verwahrlostes Durcheinander war, entging ihr nicht die mehr oder weniger geschickt versperrte Tür. Ein löchriger Vorhang war davor gezogen worden und eine massive Kommode ebenfalls. Die Löcher im Teppich, wo sie zuvor Ewigkeiten gestanden hatte, waren noch zu sehen. Hinter ihr erklang ein Husten und Würgen und Scarissa drehte sich um. Tränen standen dem Kapitän in den Augen und er war nur noch Augenblicke davon entfernt, den heftigsten Kater seines Lebens komprimiert auf eine Stunde zu erleben.
„Was ist dahinter?“ fragte sie mit beiläufiger Stimme nach. Schuldige waren meist offener wenn die Aufmerksamkeit von ihnen auf etwas Anderes überging.
„Badezimmer, aber es ist…kaputt.“ antwortete er lallend, nur um im Anschluss vor Schmerzen aufzustöhnen, als die Tablette ihre Arbeit aufnahm. Scarissa mochte diese Tabletten sehr. Sie hätte sie auch verabreicht, wenn der Kapitän nüchtern gewesen wäre, denn die Nebenwirkungen waren dieselben und bei einem Verhör stets sehr hilfreich gewesen. Was sie jedoch gar nicht mochte, war es belogen zu werden, obendrein so ungeschickt. Mit einer Geste trug sie ihren Bewachern auf den Raum dahinter zu inspizieren. Unterdessen begann der Kapitän Rotz und Wasser zu heulen und sich in Krämpfen zu winden.
Mit einem Ruck wurde der verwahrloste Vorhang von den goldfarbenen Metallringen gerissen und zur Seite geworfen. Dann hob einer der Bewacher die Kommode auf einer Seite an woraufhin deren Inhalt geräuschvoll darin herumpolterte. Mit einem neuerlichen Ruck ließ er die Kommode sich über die kurze Seite überschlagen und einen Beistelltisch zerschmettern. Scarissas Begleiter waren wohl auch nicht erfreut darüber in so ein Loch geraten zu sein. Dann trat er die Tür ein, ohne zu prüfen ob sie verschlossen war und machte einen Schritt in den Raum in dem diffuses Licht brannte. Der Soldat aktivierte die Lampe an seiner Schrotflinte und Scarissa hörte wie unter den schweren Stiefel Scherben zerbrachen. „Leiche. Liegt schon länger hier.“ brummte der Soldat trocken, als hätte er gerade irgendwelche Essenreste gefunden, und nicht die sterblichen Überreste eines menschlichen Wesens.
„Wer ist das da drinnen?“ fauchte Scarissa den würgenden Kapitän an, ohne sich dem Bad zuzuwenden. Irgendwie genoss sie es eine vermeintlich so hochgestellte Person zu behandeln wie einen gewöhnlichen Kriminellen. „De…De…Del…“ stammelte er und fing sich eine schallende Ohrfeige. „Sprechen sie deutlich Kerl, sonst vergesse ich mich endgültig!“ Insgeheim fragte sie sich wie viel Freiraum ihr der Inquisitor tatsächlich ließ und was er davon halten würde, wenn der Zeuge vorzeitig verstarb. Aber das Bedürfnis, jemanden für ihre traumatische Kindheit bezahlen zu lassen, war erstaunlich stark.
„Delia, Proktorin. Sie ist…“ antwortete er kleinlaut und als er zu einer Lüge ansetzte holte Scarissa bereits zu einer weiteren Rückhand aus. „Ich stehe hier gewaltig unter Druck und mir ist die Hand ausgerutscht. Sie ist auf die Wanne gefallen…es war ein Unfall. Sie war doch nur…“
„Sie war doch nur was?“ bohrte Scarissa nach, wissend was der Kapitän hatte sagen wollen. Der bemerkte seinen Fehler jedoch rechtzeitig und entschärfte die Situation ein klein wenig. “Totschlag also. Auch wenn sie es nicht verdienen, kann ihnen dies vielleicht vergeben werden.“ fuhr sie mit ruhiger Stimme fort und lehnte sich an einen Beistelltisch. Zeit die Ernte einzufahren.
„Ihr Schiff wurde von Renegaten angegriffen und da sie hier jetzt vor mir sitzen können, haben sie wohl mit ihnen kooperiert. Ist das korrekt?“ fasste sie die eigentliche Anklage zusammen und versetzte den Kapitän damit auf eine völlig neue Ebene der Furcht. Sie bemerkte, wie er wehmütig zu dem auf dem Tisch liegenden Frohsteinen blickte und ihr dann flehentlich direkt in die Augen sah. „Nein, Proktorin. Sie kamen auf mein Schiff, haben sich an den Passagieren vergriffen und mich zunächst in der Brücke festgesetzt.“
„Was für Passagieren?“ fragte sie mit zusammengekniffenen Augen weiter nach.

„Naja, allen möglichen. Armen, reichen und selbst Teile meiner eigenen Besatzung wurden entführt.“
„Was war das für ein Schiff und wie haben die Entführer ausgesehen?“
In den folgenden zweieinhalb Stunden holte Scarissa alles aus dem gebrochenen Mann raus was es zu holen gab. Als die Wirkung der Entgiftungstablette nachließ, gewann er ein wenig von dem Selbstbewusstsein zurück, dass mit seinem Berufsstand einherging. Es war deutlich zu merken, dass er gerade alles tat um am Leben zu bleiben, was dafür sprach, dass es etwas für ihn gab, für das es sich zu leben lohnte. Das war für das Verhör von großem Vorteil, denn Leute ohne Perspektive konnten wahrlich ermüdende Zeugen sein. Natürlich ging sie auch dem auf den Grund, aber ohne Konsequenzen daraus zu ziehen. Ein wenig bereute sie, dass sie keinen Adepten mitgenommen hatte, der alles mitschrieb. Denn das Protokollieren wollte sie, so ungern sie auch schrieb, nicht ihren Bewachern überlassen. Die Süchtige, die sie niedergeschlagen hatte, war zwischenzeitlich erwacht und hatte dann wimmernd die Hühnerei große Beule auf ihrem Jochbein betastet. Darauf hatten die Bewacher die beiden Frauen kurzerhand in eines der dekadenten Schlafzimmer gesperrt.

Als die Proktorin endlich gegangen war, wuchs in Kapitän Karstolf Dunnbar eine hoffnungsvolle Nervosität heran. Er war noch am Leben und noch immer hatte niemand das kleine Vermögen konfisziert, welches in seinem Tresor ruhte. Sollte sich das Blatt doch endlich zu seinen Gunsten wenden? Er wollte kein Risiko mehr eingehen und begann Dinge zu tun die er seines Wissens noch nie getan hatte. Nachdem er die Huren rausgeworfen hatte und von einem Servitor die Leiche hatte entfernen lassen, begann er eigenhändig sein Quartier auf Vordermann zu bringen. Eine schicksalhafte Minute lang war er mit einigen Frohsteinen in der Hand dagestanden und hatte sie schließlich ebenfalls entsorgt. Vielleicht hatte er Glück und die Inquisition hatte das Interesse an ihm verloren. Aber wenn er doch noch einmal Besuch erhielt, wollte er sich als geläuterten Mann präsentieren. Darüber hinaus hatte er einem seiner leidgeprüften Leibdiener aufgetragen, seine Uniform und insbesondere die Mütze zu reinigen und zu stärken.

Sacrissa verließ die Brücke mit gemischten Gefühlen. Nach dem Verhör des Kapitäns hatte sie dem Inquisitor dort Bericht erstattet und krampfhaft versucht seine Zufriedenheit einzuschätzen. Sie selbst war innerlich mehr als zerrissen gewesen, da sie gespürt hatte, wie eine regelrecht hemmungslose Euphorie von ihr Besitz ergriff als sie die Brücke betreten hatte. Da sie mittlerweile aber die Ursache kannte, schien ihr Unterbewusstsein dagegen anzukämpfen. Die dümmlich grinsenden Gesichter der Brückencrew hatten verdeutlicht, wie mächtig der Inquisitor war. Misstrauisch hatte sie die beiden schwarz gepanzerten Astartes beäugt, die sich an den Hauptcogitatoren zu schaffen machten.
Außerhalb der Brücke war sie dann wieder mit ihren Bewachern allein gewesen und der Widerwillen, mit dem die beiden den Inquisitor zurückließen widerte sie an. Sie war auf dem Weg zum Aussichtsdeck des Schiffs, wo sie auf Befehl des Inquisitors mit den übrigen Marines zusammentreffen sollte. Kein Auftrag der sie besonders reizte, jedoch stand ihr Gehorsam dennoch außer Frage.
Auch wenn man das gepanzerte Dach des Panoramadecks von der Brücke aus hatte sehen können, war der Weg von beachtlicher Länge. Viele Aufzüge waren außer Betrieb oder wirkten so unsicher, dass sie freiwillig die Treppen nahm. Diese waren selbstverständlich kaum besser in Schuss, aber ungleich stärker frequentiert. Dadurch bemerkte sie im Anschluss auch sehr deutlich, wie allein sie auf einmal war, als sie die Zielebene erreicht hatte. Dort hatten nur wenige Personen Zutritt und Durchgangsverkehr gab es hier auch praktisch gar nicht. Somit war es nicht verwunderlich, dass die Beleuchtung eher spartanisch ausgeprägt war und dass viele der Wandverkleidungen fehlten. Sie nutzte die Zeit, um sich auf das Zusammentreffen mit den Posthumanen vorzubereiten und folgte den rhythmisch klappernden Stiefeln ihrer Bewacher. Als einer von ihnen aus dem Tritt kam, hob sie den Blick und eine Augenbraue um zu ergründen was auf diesem ebenerdigen Gang die Ursache sein könnte. Das Schnauben das aus seiner Maske drang klang beinahe amüsiert. Der andere drehte seine schwarze Sturmschrotflinte zu seinem Kameraden was Scarissa an dessen Verstand Zweifel ließ. „Wenn euch Kane so fehlt, geht doch zurück.“ versuchte sie es mit ein wenig Häme und als der gestolperte herumruckte spuckte er ihr ins Gesicht. Fassungslos hielt sie inne bis ihr zwei Dinge bewusst wurden und ihre Eingeweide zu Eis gefroren. Wie sollte er durch die Maske hindurch spucken und wie hatte er so unglaublich viel Spucke sammeln können? Die Flüssigkeit lief ihr in die Augen und sie sah verschwommen, wie der Soldat zusammensackte. Das Klicken der Sicherung der Flechettwaffe ließ sie instinktiv nach ihrem eigenen schweren Revolver greifen. Wie eine Puppe hob sich der stehende plötzlich in die Luft, als der Gang noch dunkler wurde und sie erinnerte sich an den tödlichen Schatten der ihr in Colber Primus begegnet war und sie beinahe getötet hatte. Vor Schreck und Angst ließ sie sich auf den Boden fallen und hob die schwere Pistole vor sich, während sie versuchte die Flüssigkeit die nach Blut schmeckte aus ihren Augen zu wischen. Wieder bewegt sich ein Schatten vor ihr und aus Reflex zog sie den Abzug des Revolvers durch. Der ohrenbetäubende Knall war nicht im Vergleich zu dem Schmerz der ihr durch das Gesicht fuhr als der Lauf der Pistole ins Gesicht schlug. Thronverdammt, sie kämpfte wie eine hysterische Kammerzofe. Der Schreck wandelte sich in Entsetzen, als sie dank des zurückgeruckten Kopfes sehen konnte, dass der Angreifer von hinten kam. Wie konnte er so schnell…“Nein!“ entfuhr es ihr und sie richtete in einem letzten Aufbäumen die Pistole über ihren Kopf auf den rennenden Angreifer. Ihr Alptraum war erneut wahr geworden, denn ein nachtschwarzer Marine mit Energieklaue hechtete mit einer aberwitzigen Anmut auf sie zu. Wie konnte er hier sein, warum sollte er sie erneut… ihr zweiter Schuss unterbrach ihre Gedanken und der Schatten wurde davon scheinbar abgelenkt und flog über sie hinweg. Mit zur Fratze verzogenem Gesicht wollte sie nachsetzen und sah, dass der Schatten scheinbar mit einem anderen Schatten kollidiert war. Hatte sie möglicherweise zu viel von dem drogenversetzten Miasma im Quartier des Kapitäns eingeatmet?
Heftige Schläge und Tritte krachten irgendwie gedämpft gegen massive Oberflächen und sie konnte die Gewalt der Attacken im Boden spüren. Verstörender Weise kämpften die Kontrahenten, die beide Astartes zu sein schienen, vollkommen schweigend und gemessen an der investierten Kraft erstaunlich leise. Ein Lichtblitz blendete sie kurz, als sich die Energieklauen aktivierten um kurz darauf mit einem viel zu harmlosen Schlürfen durch einen gepanzerten Unterarm schnitten. Beide Krieger gingen in einem Handgemenge zu Boden, das trotz ihrer Statur elegant und durch und durch gekonnt wirkte. Knochen und oder Rüstungsgelenke knackten während sie sich immer wieder gegenseitig abwarfen und niederrangen. Erneut flammte die Energiewaffe auf und einen kurzen Moment lang dachte sie einer der Kämpfenden wäre enthaupte worden. Der Helm rollte gegen ihre Füße wo sie ihn perplex anstarrte. Erneut hob sie die Pistole, unsicher was sie tun sollte und sah zu Dolchen gefeilte Zähne und schuppenartig in die Haut getriebene Metallscheibchen, die im spärlichen Licht funkelten. Dann krachte das unnatürlich grinsende Gesicht auf den Fußboden, wieder und wieder so, dass Zähne abbrachen und scharf riechendes Blut spritzte.
Plötzlich erlahmte das Schuppengesicht und der andere Marines erhob sich offensichtlich unter Schmerzen. Er musterte sie kurz wortlos und machte sich daran Ausrüstung und Energietornister vom Besiegten zu zerren.
„Vicesimus. Gut euch wiederzusehen.“ grollte eine tiefe Stimme von der Scarissa wusste, dass sie dem Anführer der Spacemarines gehörte. Wie sie das Näherkommen dieses Kolosses hatte übersehen können war ihr unbegreiflich.
„Viel zu lange hat es gedauert. Verzeiht mir meinen Alleingang.“
„Ich verzeihe Garnichts. Und zwar weil es nichts zu verzeihen gibt, Bruder. Wenn überhaupt bin ich dir zu Dank dafür verpflichtet, dass du einen Gefangenen gemacht hast wo ich es nicht vermochte.“
Aus dem Schatten des Kolosses traten der schweigsame Hexer und der Marine mit dem gelben Schulterpanzer hervor und untersuchten den Gefangenen.
„Ich dagegen, weiß nicht ob ich ausgerechnet euch verzeihen kann, dass ihr mich als Köder benutzt habt!“ fauchte Scarissa erfüllt von brennendem Adrenalin. Das folgende Schweigen war regelrecht ohrenbetäubend und gerade als Scarissa wutentbrannt dachte sie würde einfach ignoriert werden, meldete sich der Bannerträger zu Wort. „Eure Diener starben im ehrenhaften Kampf gegen die Feinde des Imperators. Eine größere Ehre gibt es nicht. Nicht für sie. Nicht für euch. Nicht für uns!“ Dabei schritt er andächtig auf die Leichname zu und nahm vorsichtig deren Erkennungsmarken auf. „Trauert, wütet, hasst. Tut was ihr tun müsst. Aber euer Leben wurde mit der Währung des Imperators erkauft, sorgt dafür, dass es einen Unterschied macht!“ Mit den Worten überreichte ihr der Marine die Marken wie einem Waisenkind dessen Eltern in der Schlacht den höchsten Preis bezahlt hatten. Im Anschluss durchlebte Scarissa genau die Gefühle, die der Bannerträger erwähnt hatte. In eben jener Reihenfolge.