Guten Morgen zusammen, viel Spaß mit dem letzten Teil von Kapitel 10.
Zehn / III
Auf dem Weg zu seinem Einsatzort, betastete Vorys laufend seinen neuen Arm. Er sah aus wie ein Standardmodell. Das bedeutete, er würde nicht viel stärker als sein natürlicher Arm sein und vermutlich bei weitem nicht so geschickt.
Auf der ganzen Station war geschäftiger Betrieb, immer wieder gab es Ausfälle an Subsystemen und tauchten Bereiche in absolute Dunkelheit. Die Besatzung reagierte allerdings sehr gefasst auf das Durcheinander, auch wenn automatische Türen nach Möglichkeit umgangen wurden. Es gab Gerüchte, dass einige Diener durch plötzlich zuschlagenden Türen Gliedmaßen oder gar ihr Leben verloren hatten. Als er bei der Vorhalle des Reliquiariums eintraf war die allgegenwärtige Zerstörung überwältigend. Auch wenn bereits sämtliche Spacemarine-Leichen weggeschafft worden waren, so war die ehemals prunkvolle Vorhalle ein Mahnmal der Brutalität. Verstörend deformierte Körper von Toten waren auf Haufen gestapelt worden und warteten nun darauf, von Servitoren entsorgt zu werden. Der ehemals blank polierte Boden war kaum noch wieder zu erkennen, alles war mit versengtem Blut und zersplitterten Trümmern übersäht. Direkt vor dem Portal war ein besonders tiefes Loch im Boden welches bis in das darunter liegende Deck reichte. Die Explosion hatte das verzierte Tor mit Schrapnellen entstellt und es, wie die ganze Vorhalle, mit einer fettigen Staubschicht bedeckt. Der Corditgeruch in der Luft brannte in Augen und Nase, da der automatische Luftfilter in diesem Bereich noch immer nicht funktionierte.
Nach mehreren Stunden harter Arbeit ließ die Wirkung der Schmerzmittel nach und alles bis auf seinen künstlichen Arm brannte aufgrund der massiven Überanstrengung. Am Ende der Schicht war die Vorhalle zumindest frei von Abfällen und Trümmern. Es blieben nur noch unzählige Reparaturen zu erledigen und im Anschluss daran eine abschließende Säuberung.
An Vorys Quartiertür hing eine weitere auf Folie gedruckte Depesche. Morgen sollte er sich vor Schichtantritt in der Versammlungshalle einfinden die jenen Ordensdienern vorbehalten war, die im direkten Kontakt mit den Astartes dienten. Sein Quartier war leer. Er hatte gehofft dort auch Jeri vorzufinden. Wenn sie von dem Massaker in der Hangarsektion gehört hatte nahm sie vermutlich an er wäre tot. Seinem Wissen nach war die Kommunikationszentrale nicht in direkte Bedrängnis gewesen und wenn Jeri ihren Arbeitsplatz erreicht hatte, sollte sie unversehrt geblieben sein. Der Weg dorthin war jedoch alles andere als ungefährlich gewesen und er erinnerte sich noch gut an den ausgelöschten Trupp, den er auf dem Weg zu seinem Einsatzort entdeckt hatte. Von dunklen Vorahnungen erfüllt, machte er sich auf den Weg zu ihrem Quartier, unsicher ob er für die mögliche Antwort bereit war. Die Ungewissheit war jedoch noch schlimmer zu ertragen. Er blieb mehrere Minuten vor ihrer verschlossenen Türe stehen, ehe er den Mut fand den Summer zu betätigen. Als sie die Tür öffnete und sie einander sahen, stiegen beiden sofort Tränen in die Augen und sie fielen sich erleichtert in die Arme.
Waffenmeister Apox Mollecht hatte kommissarisch das Kommando übernommen. Er prüfte Schadens- und Reparaturberichte während er im Apothekarium über den Watchcaptain wachte. Aus medizinischer Sicht bestand hierzu keine Notwendigkeit, immerhin waren Apothekarius Sultar und inzwischen auch ein Techmarine vor Ort. Apox blieb bei seinem Schlachtenbruder, weil es ihm half Entscheidungen zu treffen, wie Hopitz es seiner Meinung nach getan hätte. Das fahle Gesicht seines Freundes hatte nichts von seiner Ausdrucksstärke verloren wirkte nur extrem ausgezehrt. Möglicherweise war es das letzte Mal das er sein Gesicht zu sehen bekam. Der Sarkophag eines Cybots würde ihn für alle Zeit einschließen und in animotischer Flüssigkeit schwebend, langsam alles Menschliche verlieren lassen. Sie würden Hopitz noch einmal aufwecken bevor sie ihn in seine letzte Ruhestätte hüllen würden. Apox Vorfreude darauf war jedoch nicht ungetrübt. Letztendlich hatte er herausbekommen was der Plan der Alphalegion gewesen war und was noch schlimmer war, dass er ein voller Erfolg gewesen war.
Die marodierenden Trupps der Legionäre waren ebenso ein Ablenkungsmanöver gewesen wie der vermeintliche Hauptangriff selbst. Irgendwie hatten es ein paar Verräter geschafft, ungesehen und ungehindert zu einer verborgenen geheimen Lagerstätte für die Gensaat jener Black Shields zu gelangen, die im Dienste der Deathwatch ihr Leben gegeben hatten. Diesen kostbaren Schatz, der aus duzenden Progenoiddrüsen bestand, hatten die Alphalegionäre mit auf ihr Schiff genommen. Was sie in die Lage versetzte, mindestens eine halbe Kompanie neuer Verrätermarines heranzuzüchten. Die einstelligen Verluste die sie bei der Operation erlitten hatten verloren damit völlig an Bedeutung. Dass die Operation überhaupt in dem Ausmaß und mit so durchschlagendem Erfolg durchgeführt werden konnte, legte darüber hinaus noch einen weiteren Verdacht nahe. Es musste mindestens einen Infiltrator auf Argenteus Irae geben, den es nun zu enttarnen galt. Das würde für Streit und Zwietracht in den Rängen der Spacemarines von Argenteus Irae sorgen, da rein theoretisch absolut jeder hierfür in Frage kam. Entsprechend seiner Verpflichtung hatte er bereits Watchcommander Solomon Portoss per Astropathen über den Angriff und Hopitz‘ Schicksal informieren lassen. Dieser Schritt war ihm, so nötig und richtig er auch war, sehr schwer gefallen.
Er war dem uralten Veteranen der aus dem Orden der Blood Angels stammte, nur einmal vor über fünfzig Standardjahren begegnet. Apox war bereits ein Black Shield gewesen und Hopitz noch ein Hüter. Er hatte die Ausstrahlung dieser lebenden Legende vom ersten Moment an bewundert. Würde Solomon Davius persönlich herkommen? Wer würde ausgewählt Renus Hopitz Platz als Watchcaptain einzunehmen? Oder würde der Watchcommander Hopitz die Ehre des Schlafes verwehren und ihn auf seinem Posten belassen? So wenig wie er den Watchcommander kannte, war das alles jedoch reine Spekulation und Apox wandte sich anderen Dingen zu.
Watchcaptain Renus Hopitz fragte sich ob er Tot war. Er war alleine in der Finsternis. Seine Augen brannten und alle seine Bewegungen waren schwerer als sie es sein sollten. Als würde er sich durch zähflüssiges Gelee bewegen. Das Atmen fiel schwer und erst als er den unstoffliche Odem inhalierte, fühlte es sich an als hätte er eine Ewigkeit nicht mehr geatmet. Die Zeit war hier relativ und während er versuchte den Druck auf seinen Ohren loszuwerden, klärte sich langsam sein Blick. Er betrachtete seine Hände und stellte fest, dass sie filigraner und vor allem kleiner waren als in seiner Erinnerung. Hopitz sah an sich herunter und sah einen fremden Körper, dünne Glieder und vernarbte Haut, die sich über einen viel zu kleinen Brustkorb spannte. Ebenso träge wie er seinen Körper zu bewegen vermochte, verhielten sich auch seine Gedanken.
Astartes träumten nicht! Dass wusste er ganz genau und dennoch war er hier. Wenn er tot war, sollte er sich jedoch an der Seite des Imperators der Menschheit befinden, um ihm am Ende aller Tage im letzten Gefecht beizustehen. Doch er war allein. Verloren? Verstoßen? Verraten?
Hopitz versuchte sich daran zu erinnern was geschehen war bevor er hier gelandet war, was ihm jedoch außer betäubenden Kopfschmerzen nichts einbrachte. Er konnte sich nicht entsinnen, sich jemals so schwach gefühlt zu haben. War er hier um geprüft zu werden? Oder gar als Strafe? Nichts ergab in dieser Hölle einen Sinn. Er fühlte Panik in sich aufbranden, was unmöglich sein sollte und ihn dadurch in eine Abwärtsspirale der Verzweiflung hinabwarf. Ein urtümlicher Fluchtinstinkt, der ebenso wie die Fähigkeit Furcht zu empfinden, nicht länger ein Teil von ihm sein sollte ließ ihn rennen. Ob er sich bewegte, geschweige den in welche Richtung, konnte er nicht sagen. Ebenso wenig, wie lange er gerannt war. Schließlich ließ ihn Erschöpfung zu Boden sinken wo er keuchend und doch atemlos liegenblieb. Er schloss die die Augen und rief im Geiste nach dem Imperator, seinem Primarchen und nach seinen Schlachtenbrüdern. Er erhielt keine Antwort und als er resigniert die Augen öffnete störten graue Tupfen sein Sichtfeld. Es dauerte eine Weile, in denen er sich auf die Tupfen konzentrierte, bis er bemerkte, dass die Tupfen keine Sehstörung seiner Augen waren. Anders als zuerst gedacht, waren sie auch nicht willkürlich geformt sondern bildeten kleine Fußabdrücke die vor ihm in der Leere schwebten. Er fasste neuen Mut, richtete sich auf und versuchte der Spur in die Schwärze hinein zu folgen. Größe und Abstand deuteten auf die Spuren eines Kindes hin. Nach einer Weile, die er nach wie vor nicht genau beziffern konnte, gelangte er an eine Art Gabelung. Die Spur teile sich in eine weiter geradeaus verlaufende und eine die seitwärts anstieg. Instinktiv wählte er die Ansteigende und als er dem Pfand folge, zerbrachen die Spuren unter seinen Füßen. Seine Eingeweide verkrampften sich als er ins Nichts stürzte und Bilder vor seinen Augen flackerten. Er sah ein kleines Kind. In ärmliche Kleidung gehüllt hatte es die Hände über den Kopf erhoben. Entsetzliche Angst lag in den bodenlosen dunklen Augen und versprühten ein Leid in dem er zu ertrinken drohte. Er versuchte zu sprechen, dem Kind zu sagen dass er ihm nichts tun würde, doch seine Lippen lösten sich nicht voneinander. Gesichtslose Gestalten mit Waffen in den Händen näherten sich gemächlich. Geschwungene Schrift bedeckte ihre Kleidung und verlieh ihnen das Aussehen von Kultisten. Das Kind blieb vor Angst erstarrt stehen und die Kultisten versuchten Hopitz zur Seite zu schieben wie einen Vorhang. Hinter den Kultisten flammte ein Licht auf und enthüllte eine steinerne Treppe. Eine der Gestalten griff nach dem Kind, über dessen pausbäckiges Gesicht Tränen herabliefen. Egal was diese Illusion, denn für das hielt Hopitz diese Umgebung inzwischen, ihm zeigte - er war ein Astartes. Streiter des Imperators und Beschützer der Menschheit. Er ergriff den Arm der Gestalt und merkte sofort, dass er bei weitem nicht die Kraft besaß die er gewohnt war. Bestürzt erkannte Hopitz, dass er selbst das Kind war und die Szene in einer Art von Spiegel betrachtete. Er gab sein Bestes, jedoch schlugen sie ihn problemlos nieder und begannen ihn zu fesseln. Er war kein Kind er war ein Astartes! Entschlossen zog er ein Messer aus dem Gürtel des Angreifers umfasste den dicken Griff und rammte ihm das Messer ins Gesicht. Der Getroffene taumelte zurück während seine Kameraden vorstürmten. Sie weideten Hopitz aus und er starb unter entsetzlichen Schmerzen. Er hoffte so wenigstens diesen Ort verlassen zu können.
Erneut fiel er und landete schmerzhaft wieder auf dem Pfad aus Fußabdrücken. Der abzweigende Weg war nun ebenso Blutbefleckt wie seine Hände. Irgendeine Kraft hinderte ihn daran den Weg erneut zu beschreiten und in Ermangelung einer Alternative ging er weiter geradeaus. Die Fußabdrücke wurden ein wenig größer und neben ihm zeichneten sich weitere ab. Einige kreuzten seinen Weg, andere schienen ihn zu begleiten. Seine Nackenhaare stellten sich auf als er hinter sich eine Gefahr spürte. Die Dunkelheit blieb allumfassend und doch zeichnete sich in der Finsternis ein formloser Schrecken ab, dessen Appetit greifbar schien. An den Spuren neben sich konnte er erkennen, dass die Verursacher rannten, und sich abmühten dem Schatten zu entkommen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn der Schatten war schneller und schien sich nicht zu erschöpfen. Hopitz gewann zunehmend den Eindruck, dass er geprüft wurde. Erst das Kind, das sich ergeben oder wehren konnte. Nun Flucht oder Tod. Daher stellte sich Hopitz dem Schrecken und stellte sich breitbeinig auf um ihm mit all seiner Kraft entgegenzutreten. Doch zu seiner Überraschung fuhr die Finsternis, die er zweifelsfrei für den Tod hielt, einfach durch ihn hindurch. Er fühlte übernatürliche Kälte und einen Druck auf seinem Körper der ihn früher oder später zermalmen würde. Doch Hopitz fühlte, dass er die Aufmerksamkeit des Todes verloren hatte wohingegen die Furcht der anderen Flüchtlinge den Schatten wie eine zielsuchende Rakete anzuziehen schien. So plötzlich wie Kälte und Druck ihn ergriffen hatten fiel zumindest auch der Druck von ihm ab. Er spürte deutlich, dass er den Tod betrogen hatte und aus dem Druck wurde ein Vakuum, welches ihn auseinanderzerrte. Auch die Kälte ließ jetzt nach und eine wohlige Wärme umschloss ihn. Seine Fußspuren wurden erneut größer als er voranschritt. Das Vakuum zerrte an ihm und ihm war klar, dass es über kurz oder lang einen Tribut fordern würde. Er war allein und erst in weiter Ferne sah er Fußspuren seinen Weg kreuzen, wobei die meisten in seiner Nähe endeten. Gestalten, ähnlich gesichtslos wie die Kultisten, aber anscheinend nicht seine Feinde, begleiteten ihn ein Stück. Bis sich bei ihm Gefühl der Zugehörigkeit einstellte. Jedoch war nur noch wenig von seinem Köper übrig. Er hatte schon bemerkt, dass sein schmächtiger Leib zu verdorren schien als das Vakuum ihm alles aussaugte. Viel schmerzhafter war jedoch der Moment, als seine Begleiter ihn geschlossen verließen. Oder verließ er sie? Es schien keine Rolle zu spielen wer wen verließ denn die Konsequenz war dieselbe. Er war allein. Und er konnte auch in der Ferne keine Spuren außer seinen eigenen mehr erkennen. Einsamkeit und Vakuum waren seine einzigen Begleiter. Aber er sah, dass der Tod ihm zwar auf den Versen blieb, jedoch nicht näher kam. Wenn dies bedeutete, dass er damit den anderen ebenso mehr Zeit erkaufte konnte er jedoch seinen Frieden damit machen. Es spendete ihm sogar Trost und erfüllte ihn mit Stolz. Gerade als er am Horizont weitere Spuren neben seinen eigenen ausmachen konnte geschah etwas mit seine Ohren.
Er vernahm ein Knacken und spürte wie sich von seinen Ohren ausgehend langsam ein Gefühl der Kälte ausbreitete. Und er hörte Stimmen. Er konnte die Worte nicht verstehen, da die tiefen Stimmen klangen, als würden sie hinter dickem Glas gesprochen werden. Licht drang schmerzhaft in seine Welt aus Finsternis ein und verdeckte den Blick auf seinen Pfad. Er hatte das Gefühl sein Herz würde mit tödlicher Geschwindigkeit rasen ehe ihm bewusst wurde, dass dies der normale Herzschlag seiner zwei Herzen war.
Die sich ausbreitende Kühle wich einem Prickeln wie von tausend Nadelstichen, stoppte jedoch auf Bauchhöhe. Seine Augen gewöhnten sich an das Licht und zugleich kam seine jüngste Erinnerung zurück. Er war der Watchcaptain von Argenteus Irae. Verräter hatten seine Station angegriffen und ihn schwer verwundet.
„Irisreflexe normalisieren sich. Atmung und Herzfrequenzen stabilisieren sich ebenfalls. Er müsste uns jetzt hören können.“ Hopitz verstand endlich die Worte die gesprochen wurden und er kannte die tiefe Stimme. Auch wenn ihm kein Name dazu einfiel. Hinter einer Glasscheibe sah er drei Spacemarines stehen, einer von ihnen war Waffenmeister Apox Mollecht. Die Namen der anderen waren ihm entfallen. Was nicht möglich sein sollte!
„Atmung und Herzfrequenzen beschleunigen sich, soll ich...“
„Beruhige dich alter Freund.“ wandte Apox sich an ihn. „Du wurdest tödlich verwundet, aber Apothekarius Sultar, Techmarine Kalados und nicht zuletzt dein trotziges inneres Feuer haben dich am Leben gehalten.“ fuhr der Waffenmeister mit ruhiger Stimme fort.
„Der Angriff…?“ versuchte Hopitz seinerseits zu sprechen, was jedoch mehr einem gurgelnden Röcheln glich.
„Der Angriff ist vorbei.“ antwortete Apox, wobei Hopitz trotz seiner Lage auffiel, wie merkwürdig und unwillig sein Freund diese Antwort formulierte. Erst jetzt, als er gewohnheitsgemäß versuchte beim Sprechen zu gestikulieren bemerkte er, dass er fixiert war. Er sah an sich herunter und über die Gegensprechanlage konnte er hören, wie Überwachungsgeräte Warntöne von sich gaben, als er an sich herabsah. Am Leben gehalten, buchstäblich. Die Bedeutung seines Traumes schlug wie eine Sturmflut über ihm zusammen und er fühlte, wie sich Beruhigungsmittel warm in seinem Organismus ausbreiteten. Oder in dem was davon übrig war. Er sammelte seine Gedanken und ergriff erneut das Wort. „Nur im Tod endet die Pflicht!“ Hopitz konnte förmlich sehen wie eine Last von Apox‘ Schultern fiel. Offensichtlich hatte der Waffenmeister entschieden, ihn in den Sarkophag eines Cybots zu stecken. Ihm wurde klar, dass dies wohl das letzte Gespräch sein würde welches er mit seiner Fleischstimme und von Angesicht zu Angesicht führen würde. Apox offenbarte die traurigen Details des jüngsten Angriffes und, dass er Watchcommander Solomon Portoss informiert hatte. Für all das dankte Hopitz seinem alten Weggefährten und nahm so auch die übrigen Lasten von dessen Schultern.
Es war die Verantwortung des Watchcaptains gewesen Argenteus Irae vor Schaden zu bewahren und er hatte versagt. Er hielt sich nicht für würdig, in das Gehäuse eines ehrwürdigen Cybots eingebettet zu werden. Der Watchcommander würde das sicherlich ebenso sehen. Dies würde dann weiterhin bedeuten, dass ihm der traumlose Schlaf, welcher ihn die Erosion seines Verstandes zumindest nicht direkt spüren lassen würde, verwehrt bleiben würde. Nach dem langen Gespräch, welches er zuletzt mit Apox allein geführt hatte erschienen schließlich wieder Kalados und Sultar. Zuvor angebrachte Kontakte in Hopitz Körper wurden mit dem Cybot verbunden. Und als der Sarkophagdeckel für immer versiegelt wurde, überkam ihn dasselbe isolierte Gefühl, wie in seinem Traum. Der Moment in dem seine Lunge von Beatmungsschläuchen durchdrungen und sein Tank mit animotischer Flüssigkeit gefüllt wurde war der schlimmste. Es fühlte sich an wie der Tod. Nur starb er nicht, da die Lebenserhaltungssysteme dies verhinderten. Nach und nach aktivierten sich seine externen Sensoren und der Status seines Metallkörpers wurde ihm auf einer Art HUD präsentiert. Die Anzeigen waren sehr viel umfangreicher als die seiner alten Rüstung und gaben einen Vorgeschmack auf die Zerstörungskraft seines neuen Körpers. In den geweihten Maschinenhallen ließ man ihn Motorik- und Sensorentests durchführen. Dabei hatte er das Gefühl, dass der schlafende Cybot Thorbjarn ihn kritisch beobachtete. Auch wenn er wusste, dass der ehrwürdige Spacewolf ihn nicht wirklich sehen konnte solange er schlief, verspürte er das Bedürfnis, sich dieses elitären Kreises als würdig erweisen zu müssen. Später kam der ehrwürdige Cybot Kubilay zurück in die Halle und stampfte in seinen Alkoven. Während Techmarine Kalados, mit Hilfe spezieller Servitoren, das provisorisch reparierte Bein zu alter Stärke brachte, öffnete Hopitz einen internen Kanal zu seinem Waffenbruder. Zorn und Kampfeswut drangen dem älteren Cybot aus jeder Pore und dennoch. Hopitz konnte sich nicht des Gefühls erwehren, mit einem zwar unglaublich weisen, aber dennoch einem Kind zu sprechen. Es war ein Paradox mit dem es nicht leicht war umzugehen, auch wenn er das Gefühl hatte, dass seine eigene Situation ihm dabei half.
Wobei ihm die gegenwärtige Situation jedoch überhaupt nicht half, war die richtigen Worte und die richtige Botschaft zu finden, die er an die übrigen Schlachtenbrüdern richten sollte. Normalerweise hatte er nicht die geringsten Vorbehalte gehegt, vor die Spacemarines der Deathwatch zu treten und leidenschaftliche Brandreden zu halten. Doch was wollte er, eingehüllt in ein riesiges Monument des Scheiterns, ihnen nun erbauliches mitteilen? Er sehnte sich nach einem Gespräch mit Karras oder seinem ersten Epistolarius Adalwin. Er rechnete es Apox Mollecht hoch an, dass er den Scherbenhaufen zusammenfegte den Hopitz hinterlassen hatte.
So blieb er zunächst alleine und ersann im Stillen Pläne, den oder die Infiltratoren zu enttarnen. Wie er es auch drehte und wendete, er war gezwungen, jedem einzelnen noch so verdienten Schlachtenbruder sein Misstrauen auszusprechen. Allein der Gedanke, seinen Freund Apox Mollecht ebenso unter Generalverdacht wie alle anderen stellen zu müssen, beschämte ihn. Wenn der Watchcommander oder dessen Abgesandte hier erschienen, würde zweifellos genau das passieren.
Zehn / III
Auf dem Weg zu seinem Einsatzort, betastete Vorys laufend seinen neuen Arm. Er sah aus wie ein Standardmodell. Das bedeutete, er würde nicht viel stärker als sein natürlicher Arm sein und vermutlich bei weitem nicht so geschickt.
Auf der ganzen Station war geschäftiger Betrieb, immer wieder gab es Ausfälle an Subsystemen und tauchten Bereiche in absolute Dunkelheit. Die Besatzung reagierte allerdings sehr gefasst auf das Durcheinander, auch wenn automatische Türen nach Möglichkeit umgangen wurden. Es gab Gerüchte, dass einige Diener durch plötzlich zuschlagenden Türen Gliedmaßen oder gar ihr Leben verloren hatten. Als er bei der Vorhalle des Reliquiariums eintraf war die allgegenwärtige Zerstörung überwältigend. Auch wenn bereits sämtliche Spacemarine-Leichen weggeschafft worden waren, so war die ehemals prunkvolle Vorhalle ein Mahnmal der Brutalität. Verstörend deformierte Körper von Toten waren auf Haufen gestapelt worden und warteten nun darauf, von Servitoren entsorgt zu werden. Der ehemals blank polierte Boden war kaum noch wieder zu erkennen, alles war mit versengtem Blut und zersplitterten Trümmern übersäht. Direkt vor dem Portal war ein besonders tiefes Loch im Boden welches bis in das darunter liegende Deck reichte. Die Explosion hatte das verzierte Tor mit Schrapnellen entstellt und es, wie die ganze Vorhalle, mit einer fettigen Staubschicht bedeckt. Der Corditgeruch in der Luft brannte in Augen und Nase, da der automatische Luftfilter in diesem Bereich noch immer nicht funktionierte.
Nach mehreren Stunden harter Arbeit ließ die Wirkung der Schmerzmittel nach und alles bis auf seinen künstlichen Arm brannte aufgrund der massiven Überanstrengung. Am Ende der Schicht war die Vorhalle zumindest frei von Abfällen und Trümmern. Es blieben nur noch unzählige Reparaturen zu erledigen und im Anschluss daran eine abschließende Säuberung.
An Vorys Quartiertür hing eine weitere auf Folie gedruckte Depesche. Morgen sollte er sich vor Schichtantritt in der Versammlungshalle einfinden die jenen Ordensdienern vorbehalten war, die im direkten Kontakt mit den Astartes dienten. Sein Quartier war leer. Er hatte gehofft dort auch Jeri vorzufinden. Wenn sie von dem Massaker in der Hangarsektion gehört hatte nahm sie vermutlich an er wäre tot. Seinem Wissen nach war die Kommunikationszentrale nicht in direkte Bedrängnis gewesen und wenn Jeri ihren Arbeitsplatz erreicht hatte, sollte sie unversehrt geblieben sein. Der Weg dorthin war jedoch alles andere als ungefährlich gewesen und er erinnerte sich noch gut an den ausgelöschten Trupp, den er auf dem Weg zu seinem Einsatzort entdeckt hatte. Von dunklen Vorahnungen erfüllt, machte er sich auf den Weg zu ihrem Quartier, unsicher ob er für die mögliche Antwort bereit war. Die Ungewissheit war jedoch noch schlimmer zu ertragen. Er blieb mehrere Minuten vor ihrer verschlossenen Türe stehen, ehe er den Mut fand den Summer zu betätigen. Als sie die Tür öffnete und sie einander sahen, stiegen beiden sofort Tränen in die Augen und sie fielen sich erleichtert in die Arme.
Waffenmeister Apox Mollecht hatte kommissarisch das Kommando übernommen. Er prüfte Schadens- und Reparaturberichte während er im Apothekarium über den Watchcaptain wachte. Aus medizinischer Sicht bestand hierzu keine Notwendigkeit, immerhin waren Apothekarius Sultar und inzwischen auch ein Techmarine vor Ort. Apox blieb bei seinem Schlachtenbruder, weil es ihm half Entscheidungen zu treffen, wie Hopitz es seiner Meinung nach getan hätte. Das fahle Gesicht seines Freundes hatte nichts von seiner Ausdrucksstärke verloren wirkte nur extrem ausgezehrt. Möglicherweise war es das letzte Mal das er sein Gesicht zu sehen bekam. Der Sarkophag eines Cybots würde ihn für alle Zeit einschließen und in animotischer Flüssigkeit schwebend, langsam alles Menschliche verlieren lassen. Sie würden Hopitz noch einmal aufwecken bevor sie ihn in seine letzte Ruhestätte hüllen würden. Apox Vorfreude darauf war jedoch nicht ungetrübt. Letztendlich hatte er herausbekommen was der Plan der Alphalegion gewesen war und was noch schlimmer war, dass er ein voller Erfolg gewesen war.
Die marodierenden Trupps der Legionäre waren ebenso ein Ablenkungsmanöver gewesen wie der vermeintliche Hauptangriff selbst. Irgendwie hatten es ein paar Verräter geschafft, ungesehen und ungehindert zu einer verborgenen geheimen Lagerstätte für die Gensaat jener Black Shields zu gelangen, die im Dienste der Deathwatch ihr Leben gegeben hatten. Diesen kostbaren Schatz, der aus duzenden Progenoiddrüsen bestand, hatten die Alphalegionäre mit auf ihr Schiff genommen. Was sie in die Lage versetzte, mindestens eine halbe Kompanie neuer Verrätermarines heranzuzüchten. Die einstelligen Verluste die sie bei der Operation erlitten hatten verloren damit völlig an Bedeutung. Dass die Operation überhaupt in dem Ausmaß und mit so durchschlagendem Erfolg durchgeführt werden konnte, legte darüber hinaus noch einen weiteren Verdacht nahe. Es musste mindestens einen Infiltrator auf Argenteus Irae geben, den es nun zu enttarnen galt. Das würde für Streit und Zwietracht in den Rängen der Spacemarines von Argenteus Irae sorgen, da rein theoretisch absolut jeder hierfür in Frage kam. Entsprechend seiner Verpflichtung hatte er bereits Watchcommander Solomon Portoss per Astropathen über den Angriff und Hopitz‘ Schicksal informieren lassen. Dieser Schritt war ihm, so nötig und richtig er auch war, sehr schwer gefallen.
Er war dem uralten Veteranen der aus dem Orden der Blood Angels stammte, nur einmal vor über fünfzig Standardjahren begegnet. Apox war bereits ein Black Shield gewesen und Hopitz noch ein Hüter. Er hatte die Ausstrahlung dieser lebenden Legende vom ersten Moment an bewundert. Würde Solomon Davius persönlich herkommen? Wer würde ausgewählt Renus Hopitz Platz als Watchcaptain einzunehmen? Oder würde der Watchcommander Hopitz die Ehre des Schlafes verwehren und ihn auf seinem Posten belassen? So wenig wie er den Watchcommander kannte, war das alles jedoch reine Spekulation und Apox wandte sich anderen Dingen zu.
Watchcaptain Renus Hopitz fragte sich ob er Tot war. Er war alleine in der Finsternis. Seine Augen brannten und alle seine Bewegungen waren schwerer als sie es sein sollten. Als würde er sich durch zähflüssiges Gelee bewegen. Das Atmen fiel schwer und erst als er den unstoffliche Odem inhalierte, fühlte es sich an als hätte er eine Ewigkeit nicht mehr geatmet. Die Zeit war hier relativ und während er versuchte den Druck auf seinen Ohren loszuwerden, klärte sich langsam sein Blick. Er betrachtete seine Hände und stellte fest, dass sie filigraner und vor allem kleiner waren als in seiner Erinnerung. Hopitz sah an sich herunter und sah einen fremden Körper, dünne Glieder und vernarbte Haut, die sich über einen viel zu kleinen Brustkorb spannte. Ebenso träge wie er seinen Körper zu bewegen vermochte, verhielten sich auch seine Gedanken.
Astartes träumten nicht! Dass wusste er ganz genau und dennoch war er hier. Wenn er tot war, sollte er sich jedoch an der Seite des Imperators der Menschheit befinden, um ihm am Ende aller Tage im letzten Gefecht beizustehen. Doch er war allein. Verloren? Verstoßen? Verraten?
Hopitz versuchte sich daran zu erinnern was geschehen war bevor er hier gelandet war, was ihm jedoch außer betäubenden Kopfschmerzen nichts einbrachte. Er konnte sich nicht entsinnen, sich jemals so schwach gefühlt zu haben. War er hier um geprüft zu werden? Oder gar als Strafe? Nichts ergab in dieser Hölle einen Sinn. Er fühlte Panik in sich aufbranden, was unmöglich sein sollte und ihn dadurch in eine Abwärtsspirale der Verzweiflung hinabwarf. Ein urtümlicher Fluchtinstinkt, der ebenso wie die Fähigkeit Furcht zu empfinden, nicht länger ein Teil von ihm sein sollte ließ ihn rennen. Ob er sich bewegte, geschweige den in welche Richtung, konnte er nicht sagen. Ebenso wenig, wie lange er gerannt war. Schließlich ließ ihn Erschöpfung zu Boden sinken wo er keuchend und doch atemlos liegenblieb. Er schloss die die Augen und rief im Geiste nach dem Imperator, seinem Primarchen und nach seinen Schlachtenbrüdern. Er erhielt keine Antwort und als er resigniert die Augen öffnete störten graue Tupfen sein Sichtfeld. Es dauerte eine Weile, in denen er sich auf die Tupfen konzentrierte, bis er bemerkte, dass die Tupfen keine Sehstörung seiner Augen waren. Anders als zuerst gedacht, waren sie auch nicht willkürlich geformt sondern bildeten kleine Fußabdrücke die vor ihm in der Leere schwebten. Er fasste neuen Mut, richtete sich auf und versuchte der Spur in die Schwärze hinein zu folgen. Größe und Abstand deuteten auf die Spuren eines Kindes hin. Nach einer Weile, die er nach wie vor nicht genau beziffern konnte, gelangte er an eine Art Gabelung. Die Spur teile sich in eine weiter geradeaus verlaufende und eine die seitwärts anstieg. Instinktiv wählte er die Ansteigende und als er dem Pfand folge, zerbrachen die Spuren unter seinen Füßen. Seine Eingeweide verkrampften sich als er ins Nichts stürzte und Bilder vor seinen Augen flackerten. Er sah ein kleines Kind. In ärmliche Kleidung gehüllt hatte es die Hände über den Kopf erhoben. Entsetzliche Angst lag in den bodenlosen dunklen Augen und versprühten ein Leid in dem er zu ertrinken drohte. Er versuchte zu sprechen, dem Kind zu sagen dass er ihm nichts tun würde, doch seine Lippen lösten sich nicht voneinander. Gesichtslose Gestalten mit Waffen in den Händen näherten sich gemächlich. Geschwungene Schrift bedeckte ihre Kleidung und verlieh ihnen das Aussehen von Kultisten. Das Kind blieb vor Angst erstarrt stehen und die Kultisten versuchten Hopitz zur Seite zu schieben wie einen Vorhang. Hinter den Kultisten flammte ein Licht auf und enthüllte eine steinerne Treppe. Eine der Gestalten griff nach dem Kind, über dessen pausbäckiges Gesicht Tränen herabliefen. Egal was diese Illusion, denn für das hielt Hopitz diese Umgebung inzwischen, ihm zeigte - er war ein Astartes. Streiter des Imperators und Beschützer der Menschheit. Er ergriff den Arm der Gestalt und merkte sofort, dass er bei weitem nicht die Kraft besaß die er gewohnt war. Bestürzt erkannte Hopitz, dass er selbst das Kind war und die Szene in einer Art von Spiegel betrachtete. Er gab sein Bestes, jedoch schlugen sie ihn problemlos nieder und begannen ihn zu fesseln. Er war kein Kind er war ein Astartes! Entschlossen zog er ein Messer aus dem Gürtel des Angreifers umfasste den dicken Griff und rammte ihm das Messer ins Gesicht. Der Getroffene taumelte zurück während seine Kameraden vorstürmten. Sie weideten Hopitz aus und er starb unter entsetzlichen Schmerzen. Er hoffte so wenigstens diesen Ort verlassen zu können.
Erneut fiel er und landete schmerzhaft wieder auf dem Pfad aus Fußabdrücken. Der abzweigende Weg war nun ebenso Blutbefleckt wie seine Hände. Irgendeine Kraft hinderte ihn daran den Weg erneut zu beschreiten und in Ermangelung einer Alternative ging er weiter geradeaus. Die Fußabdrücke wurden ein wenig größer und neben ihm zeichneten sich weitere ab. Einige kreuzten seinen Weg, andere schienen ihn zu begleiten. Seine Nackenhaare stellten sich auf als er hinter sich eine Gefahr spürte. Die Dunkelheit blieb allumfassend und doch zeichnete sich in der Finsternis ein formloser Schrecken ab, dessen Appetit greifbar schien. An den Spuren neben sich konnte er erkennen, dass die Verursacher rannten, und sich abmühten dem Schatten zu entkommen. Ein hoffnungsloses Unterfangen, denn der Schatten war schneller und schien sich nicht zu erschöpfen. Hopitz gewann zunehmend den Eindruck, dass er geprüft wurde. Erst das Kind, das sich ergeben oder wehren konnte. Nun Flucht oder Tod. Daher stellte sich Hopitz dem Schrecken und stellte sich breitbeinig auf um ihm mit all seiner Kraft entgegenzutreten. Doch zu seiner Überraschung fuhr die Finsternis, die er zweifelsfrei für den Tod hielt, einfach durch ihn hindurch. Er fühlte übernatürliche Kälte und einen Druck auf seinem Körper der ihn früher oder später zermalmen würde. Doch Hopitz fühlte, dass er die Aufmerksamkeit des Todes verloren hatte wohingegen die Furcht der anderen Flüchtlinge den Schatten wie eine zielsuchende Rakete anzuziehen schien. So plötzlich wie Kälte und Druck ihn ergriffen hatten fiel zumindest auch der Druck von ihm ab. Er spürte deutlich, dass er den Tod betrogen hatte und aus dem Druck wurde ein Vakuum, welches ihn auseinanderzerrte. Auch die Kälte ließ jetzt nach und eine wohlige Wärme umschloss ihn. Seine Fußspuren wurden erneut größer als er voranschritt. Das Vakuum zerrte an ihm und ihm war klar, dass es über kurz oder lang einen Tribut fordern würde. Er war allein und erst in weiter Ferne sah er Fußspuren seinen Weg kreuzen, wobei die meisten in seiner Nähe endeten. Gestalten, ähnlich gesichtslos wie die Kultisten, aber anscheinend nicht seine Feinde, begleiteten ihn ein Stück. Bis sich bei ihm Gefühl der Zugehörigkeit einstellte. Jedoch war nur noch wenig von seinem Köper übrig. Er hatte schon bemerkt, dass sein schmächtiger Leib zu verdorren schien als das Vakuum ihm alles aussaugte. Viel schmerzhafter war jedoch der Moment, als seine Begleiter ihn geschlossen verließen. Oder verließ er sie? Es schien keine Rolle zu spielen wer wen verließ denn die Konsequenz war dieselbe. Er war allein. Und er konnte auch in der Ferne keine Spuren außer seinen eigenen mehr erkennen. Einsamkeit und Vakuum waren seine einzigen Begleiter. Aber er sah, dass der Tod ihm zwar auf den Versen blieb, jedoch nicht näher kam. Wenn dies bedeutete, dass er damit den anderen ebenso mehr Zeit erkaufte konnte er jedoch seinen Frieden damit machen. Es spendete ihm sogar Trost und erfüllte ihn mit Stolz. Gerade als er am Horizont weitere Spuren neben seinen eigenen ausmachen konnte geschah etwas mit seine Ohren.
Er vernahm ein Knacken und spürte wie sich von seinen Ohren ausgehend langsam ein Gefühl der Kälte ausbreitete. Und er hörte Stimmen. Er konnte die Worte nicht verstehen, da die tiefen Stimmen klangen, als würden sie hinter dickem Glas gesprochen werden. Licht drang schmerzhaft in seine Welt aus Finsternis ein und verdeckte den Blick auf seinen Pfad. Er hatte das Gefühl sein Herz würde mit tödlicher Geschwindigkeit rasen ehe ihm bewusst wurde, dass dies der normale Herzschlag seiner zwei Herzen war.
Die sich ausbreitende Kühle wich einem Prickeln wie von tausend Nadelstichen, stoppte jedoch auf Bauchhöhe. Seine Augen gewöhnten sich an das Licht und zugleich kam seine jüngste Erinnerung zurück. Er war der Watchcaptain von Argenteus Irae. Verräter hatten seine Station angegriffen und ihn schwer verwundet.
„Irisreflexe normalisieren sich. Atmung und Herzfrequenzen stabilisieren sich ebenfalls. Er müsste uns jetzt hören können.“ Hopitz verstand endlich die Worte die gesprochen wurden und er kannte die tiefe Stimme. Auch wenn ihm kein Name dazu einfiel. Hinter einer Glasscheibe sah er drei Spacemarines stehen, einer von ihnen war Waffenmeister Apox Mollecht. Die Namen der anderen waren ihm entfallen. Was nicht möglich sein sollte!
„Atmung und Herzfrequenzen beschleunigen sich, soll ich...“
„Beruhige dich alter Freund.“ wandte Apox sich an ihn. „Du wurdest tödlich verwundet, aber Apothekarius Sultar, Techmarine Kalados und nicht zuletzt dein trotziges inneres Feuer haben dich am Leben gehalten.“ fuhr der Waffenmeister mit ruhiger Stimme fort.
„Der Angriff…?“ versuchte Hopitz seinerseits zu sprechen, was jedoch mehr einem gurgelnden Röcheln glich.
„Der Angriff ist vorbei.“ antwortete Apox, wobei Hopitz trotz seiner Lage auffiel, wie merkwürdig und unwillig sein Freund diese Antwort formulierte. Erst jetzt, als er gewohnheitsgemäß versuchte beim Sprechen zu gestikulieren bemerkte er, dass er fixiert war. Er sah an sich herunter und über die Gegensprechanlage konnte er hören, wie Überwachungsgeräte Warntöne von sich gaben, als er an sich herabsah. Am Leben gehalten, buchstäblich. Die Bedeutung seines Traumes schlug wie eine Sturmflut über ihm zusammen und er fühlte, wie sich Beruhigungsmittel warm in seinem Organismus ausbreiteten. Oder in dem was davon übrig war. Er sammelte seine Gedanken und ergriff erneut das Wort. „Nur im Tod endet die Pflicht!“ Hopitz konnte förmlich sehen wie eine Last von Apox‘ Schultern fiel. Offensichtlich hatte der Waffenmeister entschieden, ihn in den Sarkophag eines Cybots zu stecken. Ihm wurde klar, dass dies wohl das letzte Gespräch sein würde welches er mit seiner Fleischstimme und von Angesicht zu Angesicht führen würde. Apox offenbarte die traurigen Details des jüngsten Angriffes und, dass er Watchcommander Solomon Portoss informiert hatte. Für all das dankte Hopitz seinem alten Weggefährten und nahm so auch die übrigen Lasten von dessen Schultern.
Es war die Verantwortung des Watchcaptains gewesen Argenteus Irae vor Schaden zu bewahren und er hatte versagt. Er hielt sich nicht für würdig, in das Gehäuse eines ehrwürdigen Cybots eingebettet zu werden. Der Watchcommander würde das sicherlich ebenso sehen. Dies würde dann weiterhin bedeuten, dass ihm der traumlose Schlaf, welcher ihn die Erosion seines Verstandes zumindest nicht direkt spüren lassen würde, verwehrt bleiben würde. Nach dem langen Gespräch, welches er zuletzt mit Apox allein geführt hatte erschienen schließlich wieder Kalados und Sultar. Zuvor angebrachte Kontakte in Hopitz Körper wurden mit dem Cybot verbunden. Und als der Sarkophagdeckel für immer versiegelt wurde, überkam ihn dasselbe isolierte Gefühl, wie in seinem Traum. Der Moment in dem seine Lunge von Beatmungsschläuchen durchdrungen und sein Tank mit animotischer Flüssigkeit gefüllt wurde war der schlimmste. Es fühlte sich an wie der Tod. Nur starb er nicht, da die Lebenserhaltungssysteme dies verhinderten. Nach und nach aktivierten sich seine externen Sensoren und der Status seines Metallkörpers wurde ihm auf einer Art HUD präsentiert. Die Anzeigen waren sehr viel umfangreicher als die seiner alten Rüstung und gaben einen Vorgeschmack auf die Zerstörungskraft seines neuen Körpers. In den geweihten Maschinenhallen ließ man ihn Motorik- und Sensorentests durchführen. Dabei hatte er das Gefühl, dass der schlafende Cybot Thorbjarn ihn kritisch beobachtete. Auch wenn er wusste, dass der ehrwürdige Spacewolf ihn nicht wirklich sehen konnte solange er schlief, verspürte er das Bedürfnis, sich dieses elitären Kreises als würdig erweisen zu müssen. Später kam der ehrwürdige Cybot Kubilay zurück in die Halle und stampfte in seinen Alkoven. Während Techmarine Kalados, mit Hilfe spezieller Servitoren, das provisorisch reparierte Bein zu alter Stärke brachte, öffnete Hopitz einen internen Kanal zu seinem Waffenbruder. Zorn und Kampfeswut drangen dem älteren Cybot aus jeder Pore und dennoch. Hopitz konnte sich nicht des Gefühls erwehren, mit einem zwar unglaublich weisen, aber dennoch einem Kind zu sprechen. Es war ein Paradox mit dem es nicht leicht war umzugehen, auch wenn er das Gefühl hatte, dass seine eigene Situation ihm dabei half.
Wobei ihm die gegenwärtige Situation jedoch überhaupt nicht half, war die richtigen Worte und die richtige Botschaft zu finden, die er an die übrigen Schlachtenbrüdern richten sollte. Normalerweise hatte er nicht die geringsten Vorbehalte gehegt, vor die Spacemarines der Deathwatch zu treten und leidenschaftliche Brandreden zu halten. Doch was wollte er, eingehüllt in ein riesiges Monument des Scheiterns, ihnen nun erbauliches mitteilen? Er sehnte sich nach einem Gespräch mit Karras oder seinem ersten Epistolarius Adalwin. Er rechnete es Apox Mollecht hoch an, dass er den Scherbenhaufen zusammenfegte den Hopitz hinterlassen hatte.
So blieb er zunächst alleine und ersann im Stillen Pläne, den oder die Infiltratoren zu enttarnen. Wie er es auch drehte und wendete, er war gezwungen, jedem einzelnen noch so verdienten Schlachtenbruder sein Misstrauen auszusprechen. Allein der Gedanke, seinen Freund Apox Mollecht ebenso unter Generalverdacht wie alle anderen stellen zu müssen, beschämte ihn. Wenn der Watchcommander oder dessen Abgesandte hier erschienen, würde zweifellos genau das passieren.