Er musste sich spuren, um die Ausbildung nicht zu verpassen. Und damit muss er einem Befehl nachkommen. Und das ist jetzt indiskutabel.
😛
Für mixerria: Wer hat denn was davon gesagt, dass sie schwere Wafe mitnehmen. Sie werden nur in ihnen Ausgebildet. Oder jedenfalls zeigt man sie ihnen.
SO!: Ist, glaube ich, bis jetzt das längste Kapitel.
„Die zwei unbefestigten Stützpunkte der Tau werden erstürmt, um ein wenig die Muskeln spielen zu lassen. Es dürfte nicht schaden, den Feind einzuschüchtern. Oder es wenigstens zu versuchen. Der Stützpunkt, der auf den Ruinen einer alten Stadt der ersten Besiedelung des Planeten errichtet wurde, wird ein kleines Problem, doch habe ich bereits auch dafür eine Lösung.“
Bednjagin machte eine vielsagende Geste.
„Bombardieren?“, fragte General Wolany.
„Unmöglich. In der Luft sind uns diese Aliens überlegen. Wir haben nicht genug Kampfflieger und Raumjäger, um in einem Luftkampf gegen die Luftkaste zu bestehen.“
„Verzeihung, was ist die Luftkaste?“, unterbrach ihn der Ministerpräsident. Die anderen Männer schienen es ebenfalls nicht zu wissen.
„Unwichtig. Ein Begriff aus der Xenologie. Jedenfalls können wir in einem Luftkampf nicht überstehen und die Bomber brauchen Geleitschutz. Und Orbitale Bombardements sind ebenfalls auszuschließen, da die Manöver zur Ausrichtung der Raumschiffe einige Stunden benötigen. Die Tau würden bemerken, dass wir etwas Planen und die Flotte angreifen. Wir haben zwar durchaus eine reelle Chance gegen ihre Flotte, das Bombardement könnten wir dann allerdings vergessen.
Nein, meine Überlegung ging in eine andere Richtung. Nicht an den Himmel habe ich gedacht, sondern an den Untergrund. Denn die Stadtruine hat ein weit verzweigtes und über die Stadt hinaus reichendes Kanalsystem. Sicherlich haben die Tau es abgeriegelt oder befestigt, doch dürfte ein Durchkommen dort einfacher sein. Einer unserer Kommandotrupps könnte irgendwo in der Wildnis eindringen und bis zur Stadt vorrücken. Dort müssten sie sich dann bis zum Zentrum vorarbeiten und dann lediglich den riesigen Atomgenerator im Inneren mit Sprengstoff bestücken. Sobald sie wieder in sicherer Entfernung sind, müssen sie einfach den Zünder betätigen und die Physik erledigt den Rest.“
Der Gouverneur räusperte sich leicht. Es schien ihm nicht leicht, zu widersprechen, aber sein Anliegen schien ihn doch zu gewichtig.
„Muss das wirklich sein? Ich meine, wird das das Gebiet nicht für Jahrtausende kontaminieren?“
„Dies ist jedenfalls die schnellste, verlustärmste und wohl endgültigste Methode.“
Im Gesicht des planetaren Oberhauptes konnte man den Kampf förmlich ablesen. Er musste abwägen, Sieg und das Wohlwollen seiner Verbündeten oder Unversehrtheit des Ökosystems eines großen Landstücks. Schließlich obsiegte eine der beiden Alternativen. Nach einer schieren Ewigkeit nickte er nur, gab dem Samarianer somit sein Einverständnis. Wenn auch immer noch mit Widerwillen.
„Dann ist es beschlossen. Kommen wir also zum finalen Punkt. Die Zitadelle der Tau befindet sich laut Satellitenbildern auf einer Felsinsel, die unmöglich einzunehmen ist. Weder per Landungsschiff, noch per Hubschrauber. Außerdem haben wir Aufnahmen von unüberwindbarer Luftabwehr. Alles in allem eine uneinnehmbare Festung, ideal, um einen Planeten zu besetzten. Doch wie eigentlich alles hat sie eine Schwäche. Ihre Sensoren reichen nicht bis ganz unter Wasser. Und auch nicht unter die Klippen. Und da setzt unser Plan an. Ein Kommandotrupp kann per Unterseeboot die Insel erreichen, die Felswände erklimmen und sich in die Stadt schleichen. Ich habe bereits neuartige sensorstörende Tarnanzüge aus Samara angefordert. Damit können unsere Männer die LA lahm legen oder zerstören, ohne von den Tau gesehen zu werden. Und habe ich erwähnt, dass unsere Auspex- Scanner Geistanzüge der Tau ausmachen können.“
„Und was sind Geistanzüge?“, fragte General Rimkov.
„Das werden Sie schon noch herausfinden, wenn Sie gegen die Tau kämpfen. Jedenfalls werden wir versuchen, die Luftabwehr auszuschalten. Dann schicken wir Landungstransporter und nehmen die Stadt ein. Und da kommen Sie ins Spiel. Da unsere Truppen die Tau- Basen stürmen werden, obliegt die Einnahme der Zitadelle Ihren Truppen. Diese sind doch auf Luftlandeoperationen spezialisiert, nicht wahr?“
Die Generäle nickten.
„Gut. Und das ist unser Konzept.“
„Konzept“, unterbrach der Ministerpräsident. „Das ist ein umfangreicher Plan.“
„Dann haben Sie noch nie einen samarianischen Plan gesehen.“, antwortete Bednjagin schmunzelnd.
„Und nun, meine Herren, sollten wir etwas essen. Ich habe mir schon den Mund ganz trocken geredet.“
Die nicht sehr helle Lampe flackerte auf und ließ die Schatten an den Zeltwänden tanzen und fliegen. Undefinierbare Formen setzten sich zusammen und trennten sich wieder zu dunklen Schlieren und kleinen Punkten. Schließlich beruhigten sich die Schatten wieder und nahmen ihre gleichmäßigen Formen an, die Formen von müden Menschen.
„Wie soll man bei diesem Licht etwas lesen?“, beschwerte sich Semjon, der aufgrund der Fluktuation von seinem Buch aufgesehen hatte.
„Halt die Klappe, Semjon.“, antwortete Victor mit müder Stimme.
„Oh, geht’s unserem Kleinen nicht gut?“
„Ich zeig dir gleich wie’s geht.“
„Jetzt reicht es auch Jungs.“, ging Alexandra dazwischen. Sie reckte sich kurz und massierte dann weiter Victor, welcher auf dem Bauch unter ihr lag. Hätte man nicht sein Wortgefecht mit Semjon gehört, könnte man meinen, er schlafe.
„Entspann dich einfach, Victor. Morgen geht’s wieder los.“
Die einzige Antwort bestand aus einem Stöhnen, wenn auch einem leisen. Victor drehte seinen Kopf zur anderen Seite, erblickte Semjon und ihren Scharfschützen Gallik, die beide ihren Beschäftigungen nachgingen, Lesen und Schnarchen, und schloss dann müde die Augen. Er spürte Alexandras Hände und ihren Körper, spürte ihre Wärme. Er ließ sich von ihr in einen Schlummerzustand treiben. Und sah den Tag noch einmal Revue passieren.
Früh am Morgen hatte man sie aus ihren Betten posaunt und sie gleich in den heißen, nowgorodschen Tag geworfen. Sie mussten Truppweise Parcours durchlaufen, die besondere Situationen, wie schultertiefes Wasser oder eingestürzte Tunnel simulierten. Sie wurden in Sprengstoffkunde und Gebäudestatik eingeführt und lernten, wie man Stolperfallen stellt und Türen knackt. Die praktische Anwendung von Sprengstoff würde am nächsten Tag kommen. Ihre Ausbildungszeit hatte man, so wurde es ihnen am Abend mitgeteilt, um einen Tag verlängert, doch damit war das Maximum erreicht.
Mosovich hatte ihnen gesagt, sie würden lernen, elektronische Systeme auszuschalten, nur Kopfschüsse zu verteilen, Gegner zu entwaffnen und Tunnel gezielt zum Einsturz zu bringen. Sie würden Schnupperkurse im Einsatz verschiedenster Granaten bekommen und lernen, wie man effizient Feuer legt. Zum Abschluss waren ein Endparcour und eine theoretische Prüfung angesetzt. Dann würden sie von allem, was sie brauchen würden, schon einmal gehört haben. Die Übung mussten sie sich allerdings im Einsatz verschaffen.
Als ob nicht alles schon zu viel wäre, bekamen sie am Abend die Stadtkarten ihres Ziels und allerlei Wissen über die Tau vorgebetet. Ihr Kompaniekommissar hatte ihnen Allen die Wichtigkeit ihrer Mission vor Augen geführt, indem er ihnen erzählte, dass das Überleben ihrer Kameraden in ihren Händen lag. Man hatte sie mit den verschiedenen, bekannten Waffengattungen der Tau vertraut gemacht, über die man zuverlässige Informationen hatte. Man trichterte ihnen ein, dass sie beim Kampf gegen die Tau immer den Nahkampf suchen sollten. Ihnen wurde erzählt, dass in Deckung gegen sie nichts nützen würde. Schließlich hatten sie alle einige Extragutscheine bekommen, die Victor gegen seine Gewohnheit sofort für Amasec verprasste.
Das Training würde zeigen, ob sie bereit waren.
Victor atmete auf, als die Sprengladung detonierte und der Holzturm lehrbuchmäßig zur Seite kippte. Beim Aufprall auf den Boden zerbarsten die meisten Stämme der trockenen Savannenbäume zu kleinen Splittern und flogen noch meterweit durch die Luft. Einige kamen gefährlich nah an diverse Betrachter des Schauspiels.
„Gut, Kulikow. Aber nächstes Mal eine Granate weniger nehmen. Oder gleich zwei.“, sagte Mosovich und klopfte ihm auf die Schulter.
Victor nickte bloß und schlenderte zum Pausenbereich. Der Sprengstoffeinsatz ging ihm sehr leicht von der Hand. Genauso wie viele andere Dinge. Nur im Schleichen war er eine Niete. Deswegen, und weil Mosovich schon etwas in die Richtung angedeutet hatte, war er sich sicher, dass die zweifelhafte Ehre, ein Kommando zu werden, ihm zuteil werden würde. Er war immer noch schrecklich müde, doch am dritten Tag hatte er sich wenigstens unter Kontrolle. Die meisten körperlichen Übungen waren bereits absolviert. Semjon hatte ebenfalls ein Talent entwickelt. Ein Talent für Technik und Türschlösser.
Er erreichte die mit Zeltplanen überdachten Sitzbänke und ließ sich auf eine fallen. Er stieß einen Seufzer aus und kratzte sich an der Nase, bevor er ein kleines Heft aus seiner Tasche entnahm und eine kurze Notiz einfügte.
„Was gibt’s zu Schreiben?“, fragte plötzlich eine Frauenstimme hinter ihm. Als er sich langsam umwandte, entdeckte er Leutnant Perechina, die an einen Baum gelehnt, in der Sonne stand. Da sie weder salutiert hatte, noch irgendwie offiziell vor ihm stand, ersparte er es sich, zu salutieren.
„Ich notiere mir, dass ich nur zwei Granaten zum Sprengen von leichten Konstruktionen verwenden sollte.“, antwortete der Soldat und steckte das Heft wieder weg. Der Leutnant lies ihm die Unverfrorenheit durchgehen und verließ einfach seinen Platz in der Sonne. Die Frau näherte sich ihm und musterte ihn von oben bis unten.
„Weist du, Junge, du wirst nie alles notieren können. Du wirst im Notfall auch nicht die Zeit haben, es nachzuschlagen. Am Besten, du verwahrst diese Informationen hier drin.“ Dabei tippte sie sich an den Kopf.
„Mir wurde beigebracht, immer alles zu notieren. So kann ich es wiederholen und verinnerlichen, Sir.“
Sie verzog das Gesicht.
„Hat dir das dein Schullehrer beigebracht?“ Victor nickte. „Dann vergiss es schnell. Hier musst du nicht wissen, du musst sein. Nicht denken, tun. Auf dem Schlachtfeld kannst du es dir nicht erlauben, eine Denkpause einzulegen. Egal, ob sie Sekunden oder Millisekunden dauert. Jeder kleinste Moment entscheidet über Leben und Tod.“
Victor stand auf, um dem Leutnant auf gleicher Ebene zu begegnen. Als er jedoch aufgestanden war, überragte er seinen Vorgesetzten um beinahe zwei Köpfe. Sie musste zu ihm aufsehen. Um jedoch zu unterstreichen, dass er sie mal konnte, strich sie sich gekonnte eine hellbraune Haarsträhne aus dem Gesicht.
„Sir. Wenn wir so handeln, benehmen wir uns wie Tiere.“
„Aber das müssen wir. Menschen überleben den Krieg nicht. Wir müssen Tiere sein, einem Instinkt folgen. Während des Kampfes sind wir keine Menschen, wir sind Waffen. Waffen im Dienste des Imperators. Mensch sein kannst du vorher und nachher.“
„Aber das kann ich nicht. Ich muss immer denken. Ich habe schon immer gedacht und ich kann es auch nicht abstellen.“
Sie trat einen Schritt von ihm zurück, um den Kopf nicht so weit heben zu müssen und sah ihm in die Augen. Ihre hellbraunen Augen passten perfekt zu ihrer Haarfarbe. Und sie strahlten Wissen aus. Sehr selten bei Menschen in ihrem Alter.
„Victor. Ich bete zum Imperator, dass du verstehen wirst. O bitte, mein Herr, lass es nicht zu lange dauern. Leute wie du sind etwas Besonderes. Wenn solche Menschen sterben, dann verliert das Imperium etwas.“
Der junge Soldat strich sich verlegen durch die kurz geschorenen, schwarzen Haare.
„Aber Sir. Was soll denn an mir Besonders sein?“, fragte er sehr leise. „Ich bin doch nur ein kleiner Wicht, der erst vor einem Monat seine Grundausbildung beendet hat.“
Jetzt lächelte der Leutnant und legte den Kopf schief. Sie blickte Victor eine Sekunde lang an und schüttelte dann den Kopf. Dieses Lächeln nahm ihrem Gesicht wieder das Alter und lies sie wie ein junges Mädchen aussehen. Dann, als das Lächeln erlosch, kamen wieder die fünfzehn Jahre Kriegsdienst zurück.
„Ich kann es nicht genau beschreiben. Du hast einfach das, was die Helden in den Geschichten immer an sich haben.“, antwortete sie mit resignierter Stimme. Irgendetwas schien in ihr vorzugehen. Gleich einer alten Erinnerung. Plötzlich machte sie abrupt kehrt und ging wieder auf den Schießplatz zu.
„Du erinnerst mich an einen jungen Mann, der vor etwa fünfzehn Jahren viele Gemeinsamkeiten mit dir hatte.“, rief sie ihm noch zu. Und ließ ihn wie einen begossenen Pudel im Regen stehen.
Er blickte ihr eine Weile nach, schüttelte sich dann und ging wieder den Weg zurück zu dem Sprengstoffübungsplatz. Da sein Chronometer anzeigte, dass er zu viel Zeit mit dem Leutnant verquatscht hatte, musste er sich sputen. Er rannte über das trockene, zertrampelte Gras und aktivierte wieder die Verdunkelung seiner Tropenbrille. Einen Helm trug er während des Trainings nicht. Leicht stolpernd erreichte er seinen Trupp, von denen jetzt Alle die Sprengprüfung hinter sich hatten.
„Da bist du ja, wir hätten schon fast ohne dich angefangen.“, begrüßte ihn Semjon. Der Ausbilder, ein Mann wie ein Fass in einer ärmellosen Tropenuniform, brachte ihn allerdings mit einer deutlichen Geste zum Verstummen. Mit seinen Baumstammarmen deutete er nach links. Bei seinen riesigen Muskeln wurde Victor mulmig. Ein Mann wie er konnte sicherlich einem Ork im Nahkampf trotzen.
„Also Mädels. Da wir nun endlich vollständig sind, kommen wir zur nächsten Lektion.“ Seine Stimme klang wie ein Reibeisen. Victor vermutete, dass Whisky sicherlich seinen Teil zu diesem dissonanten Bass beigetragen hatte.
„Eigentlich brauchen Kommandos das normalerweise nicht und eigentlich habt ihr schon einen Schnupperkurs während eurer Grundausbildung für diese Babys bekommen, aber wir sind zu dem Schluss gekommen, dass es nicht schaden könnte, euch das gleich mal dazu beizubringen. Sozusagen als Extratortur, weil wir euch so lieb haben.“
Mit einem breiten Grinsen, welches eine Reihe perfekter, weißer Beißerchen freigab, deutete er auf mehrere massive Waffen.
„Dies sind einige der exotischeren Waffen, welche von uns eingesetzt werden. Außerdem haben wir, nicht ganz legal, eine Alienwaffe, deren Benutzung ihr euch einprägen solltet.“
Vor ihnen lagen ein Schwerer Bolter, eine Laserkanone, eine Sturmkanone und eine klobiger, riesiger Block. Ein Rechteck. Sehr fremdartig.
„Du hast also schon die Pulskanone entdeckt, Soldat. Ein hässliches Ding, findest du nicht?“
„Ungewöhnlich, ja.“
„Da ihr schließlich alle wisst, wie man einen Abzug durchdrückt, beschränke ich mich darauf, euch die Pulskanone zu erklären. Um ehrlich zu sein, habe ich selbst keine Ahnung, was ich von dieser Waffe halten soll. Ich kann lediglich sagen, dass man diesen Punkt…“ Er deutete auf eine kleine Mulde an der rechten Seite der Kanone. „berühren muss, um dieses Ding abzufeuern. Ungefähr so.“
Der legte an, zielte auf einen Baum in einiger Entfernung und fuhr mit dem Finger über die Mulde. Ein blauer Strahl schoss aus dem Alienkonstrukt, flog schnell wie ein Laserstrahl zu dem Baum und lies ihn in einer Symphonie aus Feuer, Holz und Dreck detonieren. Die Soldaten um ihn herum machten Laute des Erstaunens.
„Da wir es hier mit Tau zu tun haben, werden euch sicherlich solche Kanonen begegnen. Frohes Ballern.“ Er deutete auf die Waffen.
„Jeder nimmt sich eine Waffe und macht sich ein wenig mit ihr vertraut. Wechselt euch im Minutentakt ab. Und keine Sorge um Munition, davon haben wir genug.“
Victor nahm sich kurzerhand den Schweren Bolter und griff ihn so wie die Männer von den schweren Waffentrupps, die er oft beim Training beobachtet hatte. Mit einer Hand an den hinten gelegenen Abzug, mit der anderen an den Greifbügel der Oberseite. Er stellte seine Beine schulterbreit auf, brachte sich in halbwegs stabile Haltung und stellte fest, dass der Schwere Bolter mindestens achtzig Kilo wiegen musste. Dann drückte er ab.
Nachdem zwei Schüsse den Bolter verlassen hatten, musste er seine Waffe abstellen und taumelte einige Schritte zurück. Der Rückstoß wirkte ihn ihm nach, das Dröhnen des Feuerns hallte in seinen Ohren wider.
„Komm schon, sei ein Mann!“, brüllte der Ausbilder herüber.
Victor biss die Zähne zusammen, ballte die Fäuste und ließ sie wieder locker. Er trat erneut vor, griff den Schweren Bolter wie gehabt und brachte sich wieder in eine stabile Haltung. Doch im letzten Moment erleuchtete ihn eine Eingebung. Prompt ließ er sich auf ein Knie nieder und stellte die Nase des kleinen Raketenwerfers auf einen Stein vor ihm. Dann drückte er den Abzug durch.
Der Rückstoß warf ihn erneut nach hinten, doch er konnte sich fangen, presste mit seinem gesamten Gewicht dagegen und drückte den Finger noch fester um den Abzug.
Das Knattern und Dröhnen zerfloss zu einem lang gezogenen Knall, der ihm eine Ewigkeit zu dauern schien. Dann plumpste die letzte Hülse zu Boden und die Munitionsschnur war verschossen.
Erleichtert atmete er auf und drehte sich mit einem zufriedenen Lächeln um. Halb umgewandt erstarrte er jedoch augenblicklich in seiner Handlung, als er den General erblickte, der sich mit Sergeant Mosovich, Leutnant Perechina und seinem Ausbilder für schwere Waffen außer Hörweite unterhielt. Alle sie blickten in seine Richtung. General Bednjagin nickte ihm zu.
In seiner linken Hand ruhte ein kleines Heft. Bednjagin salutierte, und entfernte sich wieder von den anderen Leuten. Im Gehen kritzelte er etwas in das kleine Heft.
Verdutzt blickte er dem Befehlshaber der ersten Division nach, der anscheinend die letzten Stunden des Trainings überwachte. Schließlich legte er den Schweren Bolter weg und nahm sich die Laserkanone, mit welcher ein kleiner Typ aus seinem Trupp, seinen Namen konnte sich Victor nie merken, gerade fertig geworden war. Er hievte sich die Kanone auf die Schulter und setzte das Zielvisier ans Auge. Gerade als er abdrücken wollte, fühlte er sich seltsam beobachtet.
Er wandte den Kopf zur Seite. Neben ihm stand sein Leutnant. Sie hielt sich mit einer Hand ihre Brust. Die Stelle, an der jeder Soldat eine Innentasche hatte. Sie zwinkerte ihm zu.
Victor hatte verstanden.
Der Samarianer kroch langsam durch das hohe Gras der Savanne. Die Sonne war längst untergegangen und die schützende Decke der Dunkelheit hatte das dritte Regiment erfasst. Leise Schatten zogen über die noch warme Erde, näherten sich der Beute. Er wusste seine Kameraden in der Nähe, also kroch er unbekümmert weiter.
Bloß in den Nahkampf kommen und die pelzigen Viecher mit den Schrotflinten schön auf Abstand halten. Das hatte ihnen ihr Leutnant pausenlos eingetrichtert. Während des Antretens, während des Fluges und sogar, als sie schon auf die Basis der Tau zumarschiert waren.
Neben ihm raschelte etwas, ein Arm ragte aus einem Busch. Dann erschien ein Gesicht. Der Kamerad vom siebten Trupp deutete nach links. Er war also zu weit von seinem Trupp entfernt. Der Samarianer nickte und kroch weiter, wobei er seine Bahn leicht nach links verlagerte. Die Lichter der Taubasis kamen immer näher. Er konnte schon vereinzelt Rufe in einer tiefen Sprache vernehmen.
Plötzlich, ein Scheinwerferkegel. Er presste sich an den Boden. Seine Muskeln erstarrten zu Stein, sein Atem setzte aus.
Waren sie entdeckt worden, ging es ihm durch den Kopf. Doch nach einer schier endlosen Zeit des Verharrens erlosch das Licht wieder. Wohl nur Routine.
Er kroch weiter. Unmittelbar vor sich machte er einen Truppkameraden aus. Die abgenutzten Stiefel kannte er auch, konnte sie sofort seinem Sergeant zuordnen.
Er passierte den letzten Baum, sie waren nur noch einhundert Meter von den äußersten Gebäuden entfernt. Irgendwo in der Ferne surrte ein Generator.
Er hatte von den Drohnen der Tau gehört. Warum waren hier keine unterwegs? Rechneten die Aliens nicht mit einem Angriff? Schließlich hatten sie keinerlei Satellitenaufnahmen, da die samarianische Flotte dies verhindern würde. Ihn beschlich Angst, die Sensoren der Tau könnten ihn im letzten Moment entdecken. Nur eine Handbreit vor dem Ziel scheitern… gab es eine größere Demütigung?
Vor ihm kniete der Sergeant hinter hohem Gras. Zwei Tau standen nur eine Armlänge entfernt und unterhielten sich. Sie trugen keine Helme und die blauen Köpfe waren in der Dunkelheit schwarze Schemen. In der Nähe schien blaues Licht. Sein Sergeant gab ihm ein Zeichen, die schallgedämpfte Pistole aus dem Halfter zu ziehen.
Mit einer langsamen, vorsichtigen Bewegung zog er die kleine Pistole aus dem Oberschenkelhalfter und legte auf den Kopf des rechten Feindes an. Er griff die Waffe mit beiden Händen und presste das linke Auge zu, um besser zielen zu können. Sein Sergeant war nun neben ihm, er hatte ebenfalls seine Pistole zur Hand genommen. Er richtete sie auf den anderen Feind.
„Ich zähle bis drei.“, flüsterte er sehr leise.
Der Soldat hielt die Luft an. Der Schuss musste sitzen, sonst würden sie die gesamte Operation gefährden. Daneben und die Hölle würde über sie hereinbrechen.
„Drei!“
Er drückte ab. Der Schalldämpfer minimierte das Geräusch auf ein leises Zischen. Die beiden Tau brachen zusammen und fielen sofort ins weiche Gras. Erleichtert entließen beide Männer die Luft aus ihren Lungen und sahen einander an. Der Offizier nickte.
Der Angriff würde bald beginnen, sie mussten in Position sein.
„Alle herhören!“
Victor wandte sich um. Der Mann, der in ihr Zelt getreten war, trug die unverkennbare Uniform der Verwaltungstruppen. Mit viel Gold und einem unpraktischen Schnitt.
„Aus eurem Trupp wurden der Unteroffizier Kulikow und Soldat Simjenko in die Kommandotruppen berufen.“ Ihre Kameraden applaudierten.
„Morgen früh meldet ihr euch vor Sonnenaufgang auf dem Exerzierplatz. Frühstück und Instruktionen gibt’s auf dem Weg zum Einsatz. Der Rest von euch meldet sich morgen zur normalen Zeit zum Appell.“
Victor ließ sich auf sein Bett plumpsen und atmete aus. Er hatte es also geschafft. War er froh darüber?
„Und noch eines.“, sagte der Offizier beim Rausgehen. „Unsere Truppen, die die Basis im Norden angegriffen haben, haben es geschafft. Sorgt ja dafür, dass ihr ihnen keine Schande macht. Viel Glück, Jungs.“
Er verließ das Zelt. Die Plane raschelte noch einen Augenblick, dann herrschte Stille.