Langsam wird´s wohl ein bißchen OT, aber zum Kernthema gibt´s wohl auch nicht mehr allzu viel zu sagen. ^_^
So meinte ich das gar nicht. Mich stört viel mehr, dass in meinen Augen wissenschaftliches Arbeiten immer weniger ernst genommen wird und die Geisteswissenschaften darunter noch am wenigsten. Liegt vor allem daran, dass die Universitäten sich selbst immer mehr ökonomischen Interessen unterwerfen. Und ich würde sogar soweit gehen, dass dort, wo wissenschaftliches Arbeiten durch wirtschaftliches Arbeiten ersetzt wird, bei Doktorarbeiten deutlich wahrscheinlicher betrogen wird. Denn da geht es dann ja nur noch um das Kosten-Nutzen-Verhältnis.
SdK hat ja schon ein bißchen was dazu geschrieben. Ich denke, vielfach liegt das Problem einfach darin, dass sich die etablierten Strukturen an den Hochschulen mittlerweile selbst ad absurdum führen. Hierbei meine ich nicht einmal unbedingt die tägliche Praxis in Labors oder Vorlesungen, sondern eben die Anforderungen und Arbeitsweise bei eben wissenschaftlichen Facharbeiten wie z.B. Diplom- und Doktorarbeiten.
Einen allzu großen Widerspruch zwischen "wirtschaftlich" und "wissenschaftlich" kann ich grundsätzlich erst einmal nicht erkennen. So ist es ja doch einfach vielerorts so, dass die Wirtschaft stark von der Wissenschaft profitiert und in den Unternehmen gerade die akribische = sorgfältige & geplante Vorgehensweise von Akademikern geschätzt wird.
Diese Praxis angewandter Forschung hat jedoch wenig bis gar nichts mit den Abschlussarbeiten die Studenten an Hochschulen anfertigen zu tun. Ich möchte es einmal in einem stark überspitzten Beispiel formulieren:
Die Erkenntnis, dass die Erde rund und keine Scheibe ist, hat die Menschheit letzten Endes wissenschaftlicher Arbeit zu verdanken. Schreibt man heute jedoch in einer wissenschaftlichen Abschlussarbeit "Die Erde ist rund" ohne eine brauchbare Quellenangabe, so ist dies eine unbelegte Behauptung, welche dem Studenten negativ ausgelegt wird.
Dieses Beispiel ist wie gesagt überspitz formuliert, aber es zeigt die Crux an wissenschaftlichen Texten, insbesondere denen theoretischer Natur. Da man durch das "formelle Regelwerk" mehr oder weniger dazu gezwungen wird, alle Aussagen mit Quellen und Definitionen zu belegen, nehmen eben diese einen sehr großen Raum in der Arbeit ein. Schreibt man also eine Arbeit über einen bestimmten Versuch oder eine empirische Untersuchung, so bestehen ca. 80% der Arbeit aus der Beschreibung des Versuchs-/Untersuchungsaufbaus sowie der Definition aller verwendeten Hilfsmittel, Formeln, Kennzahlen, Berechnungen etc.
Das eigentliche Ergebnis lässt sich dann auf wenigen Seiten abhandeln und steht auch bei der Benotung der Arbeit häufig gar nicht so sehr im Vordergrund.
Hier besteht natürlich eine enorme Diskrepanz zu den Anforderungen an einen Akademiker in der Praxis. Sagen wir einmal, ein Team aus Ingenieuren entwickelt den Entwurf für ein neues Fahrzeugchassis für BMW und präsentiert das vor dem Vorstand, dann interessiert der sich vermutlich recht herzlich wenig für die einzelnen Versuchsaufbauten, die auf den Weg bis zum fertigen Entwurf notwendig waren, sondern für die Ergebnisse. Der Vorstand will dann konkret wissen, inwiefern das neue Chassis besser ist als seine Vorgänger, wo die Optimierungen bei Luftwiderstand bzw. Spritverbrauch oder der Sicherheit des Fahrzeugs liegen etc.
Forschung sollte eben nicht rein um der Forschung willen betrieben werden, sondern auch Ergebnisse hervor bringen. Der Praktiker interessiert sich für genau diese, der Professor vielleicht eher für die Forschung an sich. Wenn man jedoch "schummeln" muss, um ein praxistaugliches Ergebnis hervor bringen zu müssen, dann läuft ja auch irgendwo in der Wissenschaft etwas schief.
Das war jetzt ein kleiner Exkurs und soll natürlich auf keinen Fall das Verhalten von zu Guttenberg entschuldigen, sondern dient eher einer Grundsatzdebatte über wissenschaftliches Arbeiten an sich. ^_^