Nachdem ich schon händisch auf diesen Beitrag von Arkon hingewiesen wurde, vielleicht noch etwas Geschwafel von meiner Seite:
Natürlich kann ich gut nachvollziehen, wenn einem tiefere Politik, eine präzise Zeitlinie und relevante Ereignisse fehlen.
Ich muss mich selbst häufig anstrengen, auf das Plumpe, das es schon seit einiger Zeit nur zu häufig gibt, die Augen zu verschließen und nur das dahinter zu sehen, was ich sehen möchte.
Und wenn ich davon lese, wie das Augenmerk darauf liegt, die jeweiligen Helden in Aktion zu setzen statt über plausible Politik oder Kriegsführung zu erzählen, fällt mir ganz besonders eine Quelle ein:
End-80er-Stackpole-Romane zu Battletech!
Mal ehrlich, die sind furchtbar.
Und die spielen noch vor Clan-Invasion, Dark Age und whatever, also als der Fluff noch angeblich in Ordnung war.
Ja, 40k-Codizes setzen auch ihr jeweiliges Volk in Szene und fischen sich aus dem Fluff die Ereignisse raus, wo es jeweils Erfolge zeigte. Das ist nicht schlecht. Ich lese gerade ein BT-Quellenbuch (Jahr 2000) über verschiedene Regimenter und Abteilungen einer der Fraktionen und bei einigen davon steht dann sowas wie „Sie haben dort auf die Mütze bekommen, danach hatten sie Pech und sind in dem-und-dem Jahr auch noch auf den Spaten getreten“. Denkt man: OK, sie mussten wohl für irgendeinen mittelbegabten Romanautor die Bösen spielen und hatten nie anderen Fluff. Und was können sie nun eigentlich gut statt schlecht?
Aber ich schweife ab.
Bei 40k hat man die meiste Zeit keinen kontinuierlichen Metaplot gehabt. Es gab das Jetzt, es gab das Damals vor 10k Jahren, zum Zeitalter der Helden, und es gab vereinzelte Geschichtsereignisse dazwischen, über die aus verschiedenen Gründen geschrieben worden war (meist um Gründungen bestimmter Unterfraktionen zu datieren), aber die eigentlich bei dieser Art Ansatz ein Fremdkörper, eine Abweichung von der Regel sind. 40k ist eine Geschichte über 10 Tausend Jahre Stagnation und Verfall, ein Drama über eine Sackgasse, in der sich die Menschheit befindet; die solang es Ging vom Bestand gezehrt und er irgendwann sich der Erschöpfung neigt. Auch die meisten Nicht-Menschen haben sehr viel Geist in ihrem Fluff.
Es geht nicht (hauptsächlich, ursprünglich) um Bobast, der besonders auf Jugendliche seinen eigenen Reiz entfaltet. Vielleicht nicht mehr, als es bei BT zum gleichen Zweck um coole und physikalisch unplausible Riesenroboter, gesteuert von Actionhelden ging.
Man muss schon so ehrlich sein, die einander entsprechenden Ebenen der jeweiligen Systeme zu vergleichen.
40k macht es einem vordergründig einfach, es nicht zu mögen. Der plumpe Bonbast ist sehr präsent.
Das tut auch DSA mit dem kleinlichen Gezanke zwischen Provinzfürsten, dem moralistischen Heldenanspruch und dem auf den ersten Blick fehlenden Dunkelgrau.
Das tut auch BT mit dem enttäuschenden „Favorizing“ in den Romanen und der Galaxis-umspanndenen einfallslosen Homogenität.
40k ist gewissermaßen schizophren, da es einerseits mitunter epische Ereignisse in der Gegenwart wollte, andererseits aber aus zwei festgefrorenen Momentaufnahmen (jetzt und damals) bestehen wollte, die ein Setting entfalten aber keine Geschichte erzählen. Das ließ sich nur vereinbaren, indem die Ereignisse trotz ihrer Größe mit einem Puffer aus noch viel größerer Galaxis umgeben wurden, um die Momentaufnahme nicht zu stören.
Erst jetzt bekommt es einen Metaplot.
Und im Prinzip begrüße ich es. All das, was du, Arkon, forderst (Politik, Daten, Relevanz) ist nur mit Metaplot möglich.
Durchdachte und detaillierte Beschreibungen kannst du noch so viele haben – und hast du auch, musst nur an geeigneter Stelle suchen.
Biografien und Personen in den Romanen.
Politik und liebevolle Details in den P&P-Werken zu Dark Heresy.
Und in den Codizes hast du eben Einführung zum jeweiligen Volk und seine In-Szene-Setzung mit Augenmerk auf Truppentypen. Das ist eine Notwendigkeit des Mediums, eine Ausrichtung des Produkts, das ein Mass-Skirmisch für größere Gefechtsabschnitte ist.
Aber Relevanz der Geschichte wirst du in keinem davon entdecken, solange es keinen Metaplot gibt.
In einem P&P ist Metaplot der natürliche Weg:
Ein Abenteuer wird geschrieben, es gibt einen Ausgang, der, wenn relevant genug, als Ereignis gut verwendbar ist, Landesgrenzen ändert, Regenten stürzt und einsetzt. Das kann von Charakteren gespielt werden aber für den offiziellen Plot gibt es einen bekannten Ausgang.
In einem TT, das Gefechte zwischen zwei Seiten ohne größeren Rahmen beschreibt, muss man sich künstlich für oder gegen einen Metaplot entscheiden. Es geht beides, beides mit bekannten Konsequenzen.
In einer Welt mit verschiedenen fantasievollen Spezies muss man aber auch noch zusätzlich aufpassen:
Es besteht große Gefahr, sie zu sehr zu vermenschlichen. Zu etwas grobschlächtigen oder feinfühligen Menschen zu machen, die unter anderen Umständen eigentlich auch miteinander leben könnten, wären sie anders kultiviert – siehe Earthdawn (auch FASA!) als Negativbeispiel. Es ist eher die Ausnahme, wenn ein Autor es schafft, sich in etwas derart Fremdes hineinzuversetzen und es adäquat zu beschreiben. Aber genau das müsste jeder von ihnen tun, wenn die Politik nicht bloß pan-imperial beschränkt bleiben sollte.
Mit anderen Worten:
Wäre BT nicht so konventionell menschenzentriert, käme nichts Gutes bei raus.
Die kreative Vielfalt einer (wie auch immer abgewandelten) Fantasy-Welt hat aber sehr großen eigenen Wert, den es ebenfalls zu erhalten gibt!
Mehr durchdachte Kriegsführung und Politik und weniger Deus ex Machina würden der Welt sicherlich gut tun, aber wir werden erst noch sehen müssen, ob das nicht vielleicht erst mit dem nun begonnenen Metaplot in Gang kommt. Gathering Storm war ja ungenießbar, d.h. was auch immer da kommen man, muss erst noch erscheinen.
Meine These lässt sich aber vielleicht am ehesten formulieren als:
Ja, 40k lässt sich stellenweise nur wie ein Man’o’War-Song konsumieren, aber seine Stärken liegen nicht darin, einer zu sein!