Vendetta - Die Flegeljahre des Flavion Conari
Vorwort
Vorwort
Wir schreiben das Jahr 40771. Die Menschheit hat ein gewaltiges Imperium mit weit über einer Million bewohnter Welten über die ganze Milchstraße verteilt errichtet. Vor zehntausend Jahren opferte sich der Gottimperator im Kampf gegen die Schlange Horus und ist seitdem an seinen Goldenen Thron auf Terra gekettet, von wo aus sein absoluter Wille und sein unsterblicher Geist die Menschheit vor den unaussprechlichen Schrecken des Warps beschützt. Weit ab vom beschützenden Licht des von der Menschheit angebeteten Gottimperators befindet sich am Rande des Imperiums der weit abgelegene Calixis Sektor, welcher vor zweieinhalbtausend Jahre vom Angevin Kreuzzug erobert wurde. Die über zweihundert besiedelten Welten werden von der stolzen Makropolwelt Scintilla aus regiert. Mit eiserner Hand herrscht der Adel über die rechtlosen Massen. Die meisten Adligen suhlen sich in ihrer Dekadenz und gehen ihren perversen Gelüsten nach, während das Leben der einfachen Menschen meist darin besteht, sich in gigantischen Manufakturen zu Tode zu schuften und dies als Privileg zu begreifen. In dieser Welt wuchs der Adlige Flavion Conari auf und beginnt nun, seinen eigenen Weg zu gehen. Dies ist die Vorgeschichte zu die "Fahrten der Audacia".
1996 begann ich mit der zweiten Edition das WH40K Universum zu erforschen. Allerdings haben die unzähligen Preissteigerungen und der Jahrzehnte lange dauernde Unwille der Firma Games Workshop, die Armeen wirklich zu balancieren, dazu geführt, mit der fünften Edition aufzuhören. Aber ich blieb dem System durch das Rollenspielsystem Freihändler, basierend auf Schattenjäger treu. Inzwischen ist die Lizenz leider erloschen, aber dieser Hintergrund ist der für mich gültige. Was nach der fünften Edition kam, spielt für diese Geschichte und für mich keinerlei Rolle. Wer damit ein Problem hat, sollte jetzt hier aufhören zu lesen. Auch wer Probleme mit realistischer Gewaltdarstellung und/oder expliziten Erotikszenen hat, sollte jetzt aufhören zu lesen.
1996 begann ich mit der zweiten Edition das WH40K Universum zu erforschen. Allerdings haben die unzähligen Preissteigerungen und der Jahrzehnte lange dauernde Unwille der Firma Games Workshop, die Armeen wirklich zu balancieren, dazu geführt, mit der fünften Edition aufzuhören. Aber ich blieb dem System durch das Rollenspielsystem Freihändler, basierend auf Schattenjäger treu. Inzwischen ist die Lizenz leider erloschen, aber dieser Hintergrund ist der für mich gültige. Was nach der fünften Edition kam, spielt für diese Geschichte und für mich keinerlei Rolle. Wer damit ein Problem hat, sollte jetzt hier aufhören zu lesen. Auch wer Probleme mit realistischer Gewaltdarstellung und/oder expliziten Erotikszenen hat, sollte jetzt aufhören zu lesen.
Kapitel I
Ich schaue etwas müde durch die fingerdicken kugelsicheren Seitenscheiben der Limousine nach draußen auf die vorbeiziehenden Anwesen von unwichtigen oder verarmten Adligen von Scintilla. Jedes Gebäude hat seinen eigenen Stil, da steht pompös ein mit barocken Zierrat überladenes Lustschlösschen neben einem waffenstarrenden Hochbunker, gefolgt von einem wuchtigen gotischen Schloss mit bröckelnder Fassade. Wer hier an der vierspurigen Solomon Haarlock Promenade wohnt, gehört zwar zum privilegierten Adel, aber wer was auf sich hält, residiert in den Türmen der schwindelerregenden Spitzen der Makropolgebirge über den Wolken nah der Sterne. Die über drei Kilometer hohen Berge der Engelsstadt liegen links, die bis über die Wolken hoch aufragende Gebirge der Hauptmakropole Sibellus rechts. Hinter uns verschwinden die Türme der hoch angesehenen St. Drusus Militärakademie. Vor uns liegen die Trümmer einer einst imposanten Statue eines Space Marines von den Söhnen der Medusa, welche einst halfen, meine Heimatwelt Scintilla aus den Klauen der verdammenswerten Xenos zu reißen.
Die Hauptstadt des Calixissektor ist bekannt für ihre gigantischen Statuen von teilweise über einer Kilometer Höhe, die vor fast 2500 Jahren nach Ende des Angevin Kreuzzuges hier als ewiges Zeichen des glorreichen Sieges über die verdammungswürdigen Xenosreiche der Enoulianer, Bale Childer und vieler anderer vernichteter Xenos errichtet wurden. Ausgelöscht zu werden ist nun mal das Schicksal des Xenos, so hat es unser lebendiger Gott auf Terra vor über zehntausend Jahren bestimmt. Schieße als erster, halte drauf, schieße als letzter und stelle sicher, dass keiner überlebt hat. Und stelle danach niemals dämliche Fragen.
Die Straße verläuft nun über eine leicht gewundene Stahlrampe hoch in die Mündung des gigantischen Bolters des Astartes, durch den nun ein Tunnel verläuft. Die Scheinwerfer der Limousine schneiden eine Schneise des Lichts in das Dunkel, trotzdem bildet sich eine Gänsehaut und meine Nackenhärchen stellen sich auf. Für einen Moment höre ich das infernalische Hämmern von Kleists Maschinengewehr und sehe diesen unglaublich schnellen Kreaturen in dem von Leuchtspurmunition erhellten Tunnel auf mich zustürmen. Sechs Beine, wie schwarzes mattes Metall schimmernd mit einem zusätzlichen Gelenk. Auf mich zu peitschende fleischige Tentakelarme die in Elmsfeuer getauchte Klingen enden. In der Mitte des kopflosen Torsos ein kreisrundes Maul mit viel zu vielen spitzen Zähnen wie ein Mahlwerk. Ich stehe neben Kleist, mein Monoschwert zur Abwehr erhoben. Ganz knapp hat mich einer der Tentakel der monströsen Kreatur gestreift und diese Berührung hatte ausgereicht, meinen Gardistenkürass aus Adamantium bis zur darunter liegenden Schicht aus Aramid aufzureißen. Nur etwas tiefer und das Ding hätte mein Herz heraus gerissen.
Ich schüttle kurz den Kopf und bin wieder hier im Jetzt. In Sicherheit der schwer gepanzerte Limousine mit drei Achsen und von einem zugstarken Zwölfzylinder angetrieben, dessen gut gelaunter Maschinengeist zufrieden vor sich hin blubbert und eifrig Promethium aus den über 200 Liter fassenden Tank säuft. Die Große Jagd ist vorbei, die Kreatur ist tot, da ein gut platziertes 20 mm massereaktives Geschoss aus dem Unterlauf meiner Puritanter Exekuter Maschinenpistole in sein großen Maul für ein sehr schnelles Ende seiner verdorbenen Existenz geführt hat. Die große Jagd, jedes Jahr war das die letzte Prüfung, die eine Abschlussklasse der St. Drusus Akademie absolvieren musste. Nur wer Blut vergossen hatte, war würdig, den einen Ring zu erhalten, den man sich nicht mit Thronen kaufen konnte. Eine Fassung aus gehärtetem und poliertem Adamantium, der rote Diamant wie ein Blutstropfen geformt. Manche sahen darin auch eine blutige Träne. In zwei Tagen würde ich ihn wie alle anderen Überlebenden in einer großen feierlichen Zeremonie in Anwesenheit meiner Familie auch verliehen bekommen.
"Ich verstehe es immer noch nicht", wende ich mich an Kleist, der neben mir im geräumigen Fond der Gnadenvoll Limousine sitzt. Es riecht hier nach dem Qualm von Lho-Stäbchen und dem Lederbezug der bequemen Sitze. Der dunkelhaarige junge Mann richtet nun seinen Blick auf mich, da er wie ich wohl noch einmal die letzten Ereignisse rekapituliert hat.
"Was?", fragt er mich und ich kann deutlich sehen, dass er letzte Nacht genau so schlecht geschlafen hat wie ich. Schließlich sind wir erst gestern Abend zurück gekommen. In einem geschlossenen grünen Vierachser, wie profane Verbrecher im ungefederten Laderaum zusammen gepfercht.
"Das die Inquisition uns so einfach zurück zur Akademie gebracht hat", erkläre ich ruhig.
"Die Kleinen kommen auf den Autoscheiterhaufen, die Adligen bekommen einen Orden", zitiert Kleist ein gängiges Sprichwort.
"Lass das mal nicht meinen Vater hören", meine ich belustigt drohend und werde dann wieder ernst. "Beim Thron, wir sind tatsächlich von der Inquisition verhört worden!"
"Und wir haben das überlebt. Damit können wir übermorgen beim Abschlussball richtig bei unseren Verwandten und den schönen Damen angeben." Der durchaus pragmatische Kleist bringt es auf dem Punkt. Das ist die Art von Geschichten, welche selbst eine weltgewandte adlige Dame durchaus zu beeindrucken weiß. Vielleicht so stark, dass sie mit feuchten Höschen in Kleists Bett landet, um seiner Lanze zu huldigen.
"Unschuld beweist gar nichts!", zitiere ich die Interrogatorin ihren letzten Satz, als ich nach einem langen Verhör aus dem Raum geführt wurde.
"Ich dachte wirklich, sie leiten die Abgase des Lastwagens in den Innenraum, um uns am Ende doch noch zu beseitigen", meint Kleist nun abgeklärt.
"Ja, dachte ich auch und behaupten dann, ein missgelaunter Maschinengeist wäre Schuld an unserem Ableben."
"Aber der Imperator hat uns beschützt!", verkündet Kleist und verschränkt die Hände vor die Brust, wo sie den Doppelköpfigen Adler des Imperiums bilden, dass Zeichen unseres lebendigen Gottes auf Terra.
"Der Imperator beschützt!", erwidere die tröstliche Schutzformel und forme ebenfalls den Aquila. Wobei ich überzeugt bin, dass es eher unser Nachname und der damit verbundene Statuts war, der uns alle beschützt hat. Nicht einmal die Inquisition tötet einfach so mal kurz Sprösslinge der ältesten und angesehensten Häuser des Calixissektors. Unsere Vorfahren haben diesen Sektor erobert, ihn geformt und letztendlich zu dem gemacht, was er heute ist. Ein Hort der menschlichen Zivilisation am Rande zum buchstäblichen Nichts der Halosterne. Es gab wahrlich wenige von Menschen besiedelte Orte, die noch weiter vom leuchtenden Mitteepunkt des Imperiums, unserer heiligen Heimat Terra, entfernt liegen.
Der Tunnel öffnet sich nun und wir befinden uns einem Mischgebiet mit sakralen Bauten, weitläufigen Commercias, steil aufragenden Wohntürmen und einschlägigen Vergnügungsetablissements von erstklassigen Ruf für den gehobenen Geschmack und ebenso großem Geldbeutel.
Die "Goldene Dose" befindet sich in einer gigantischen steinernen Bolterhülse, die einst wohl zum inzwischen umgestürzten Monument des Astartes gehört hat. Die aufwendigen Gravuren der Hülse mit einer eingravierten Litanei auf Hochgotisch sind gerade so noch zu erkennen, da der von den industriellen Abgasen saure Regen doch die Struktur der Skulptur im laufe der letzten Jahrtausende angegriffen hat. Auf dem Auszugsring der Patronenhülse führt nun eine Treppe hoch zu einem Eingang ins Innere. Ein spitzes, vergoldetes Dach mit vielen Erkern und verspielten Türmchen deckt die Hülse ab. Von Außen gibt es keinen Hinweis, was sich für ein erstklassiges Bordell sich im Innern befindet.
"Thronverdammt!", zischt Kleist hörbar erbost und fährt erklärend fort: "Crestus Cascandor ist auch hier. Hast du das gewusst?"
"Der goldene Thron blende mich, davon hatte ich keine Ahnung! Offensichtlich haben sie diesen Groxdung leider schon aus dem Hospital entlassen", meine ich, da ich nun auch seinen protzigen Gleiter mit Gold und Silber verkleideter Karosserie auf dem Parkplatz vor dem Bordell sehe. Selbst bei vermögenden Adligen sind Gleiter dieser Güte selten zu sehen und streicht den märchenhaften Reichtum der Familie Cascandor deutlich heraus. Sein Chauffeur grüßt uns lässig, in dem er an seine silberfarbenen Mütze mit goldenem Emblem aus sechs Münzen tippt, die zu einer Pyramide arrangiert sind. Genau so lässig grüße ich den ehemaligen Soldaten der Imperialen Armee zurück, was man leicht an seinem über dem Gesicht tätowierten Aquila erkennt. Auch daran, dass seine linke Gesichtshälfte aus einer bionischen Prothese besteht. Sein linkes Auge ist durch eine hochwertige Optik ersetzt.
"Lass uns vielleicht lieber wo anders hinfahren", meint Kleist unbehaglich, als die Limousine vor dem Eingang ausrollt. Der Parkplatz ist gut besucht, dreiachsige Limousinen dominieren, aber es gibt auch zweiachsige sportliche Fahrzeuge für den Selbstfahrer. Manche tun sich das wirklich an, sich selbst ans Steuer zu setzen.
"Ich lass mir von diesem Haufen stinkenden Groxdungs nicht den Abend vermiesen. Das nächste wirklich gute Bordell ist fünfzig Kilometer von hier entfernt. Keine Lust, gutes Petrochem zu verfahren zu lassen, ganz abgesehen, dass ich mal wieder Lust auf Theodora habe. Keine bläst so gut wie sie."
"Er könnte Thronverdammt sauer auf dich sein...", spielt Kleist auf ein Ereignis der Großen Jagd an.
"Wenn dieser Haufen stinkenden Groxdunges wirklich wüsste, was ich ihm angetan habe, würde er mir schon längst seine vier Vasallen samt seiner Leibwächter auf den Hals hetzen", stelle ich richtig.
"Wenn du meinst", erwidert Kleist wenig überzeugt. Inzwischen ist mein Leibwächter und Chauffeur Cussak ausgestiegen und hält mir die Tür auf. Er trägt die rot schwarze Hausuniform des Hauses Conari und ist mit einer großkalibrigen Schnellfeuerpistole aus Stahlstadt bewaffnet, dass er in einem Tiefziehholster aus schwarzem Groxleder trägt.
"Danke, Cussak", bedanke ich mich bei meinem Untergebenen, da Höflichkeit zu seinen Untergebenen kein Makel ist.
"Gerne, Meister Flavion!", erwidert er zackig.
"Könnte sein, dass es irgendwann im laufe des Abends da drin etwas eskalieren könnte. Wenn du siehst, dass sich Leute von Haus Cascandor in die Goldene Dose hinein stürmen, folgen Braddok und du. Falls die auf Kleist und mich losgehen, weißt da, was zu tun ist", instruiere ich meinen Vasallen. Leibwächter des Hauses Conari sind immer Vasallen, nie Schuldknechte oder freie Talente. Blut bindet stärker als jede Börse mit güldenen Thronen.
"Jawohl, Meister Flavion", bestätigt Cussak meine Anweisung.
"Gut, Kleist, gehen wir rein", meine ich zu meinen Kameraden.
Draußen sehe ich mich kurz um. Einen halben Klick südlich von uns schnauft selbst hier noch hörbar ein von vier riesigen Lokomotiven gezogener Güterzug in Richtung der Hauptmakropole vorbei. Auf der Oberseite der riesigen Frachtcontainer sind angeseilte Wächter zu sehen, die gerade ein paar weniger betuchte und äußerst verzweifelte Randbewohner von dem langsam fahrenden Zug mit gezielten Laserschüssen vertreiben. Anhand der auffälligen Lackierung der Container ist zu sehen, dass sie Rationsriegel transportieren, die von Feldern und Manufakturen meiner Familie stammen, denn in großen schwarzen Lettern auf rotem Grund ist zu lesen: Ein Imperium, ein Imperator, ein Riegel, der Conari muss es sein. Dieser Werbespruch hat ein Vorfahr von mir mal vor über tausend Jahren für pfiffig gehalten. Leider ist es sehr schwer, so etwas zu ändern. Vor hundertfünfzig Jahren wurde von meinem Urgroßvater versucht, diesen Spruch weg zu lassen, da wir inzwischen der unangefochtene Marktführer für Rationsriegel im gesamten Calixissektor sind. Die ungebildeten Massen konnten sich aber mit dem neuen Aussehen nicht anfreunden und verlangten vehement die alten Riegel, obwohl der Inhalt exakt gleich geblieben war. Nach dem es zu unerquicklichen Unruhen mit über hunderttausend Toten gekommen war, sah sich der Familienrat gezwungen, zur alten Verpackung mit der bekannten Aufschrift zurück zu kehren. Ein Conari muss es eben sein.
Etwa einen Klick über uns ist ein riesiger, bunt beleuchteter Vergüngungszeppelin zu sehen, der langsam seine Kreise um die Makropole zieht. Ein noch größerer Frachtzeppelin kommt gerade aus Richtung Tarsus, meiner Heimatstadt, um auf dem Raumhafen zu landen. Vier schwere Thunderbold Jäger fliegen in versetzter Doppelformation wohl auf Patrouille gerade nach Süden. Mehrere Schlepper brechen gerade Meteoren gleich durch die obere Atmosphäre, einen glühenden Schweif verbrennender Gase hinter sich herziehend. Ein kalter Wind weht von der im Westen liegenden Küste her, was für eine angenehme Kühle im Frühsommer führt. Aber der Wind trägt auch den Gestank der Kloake mit, zu dem das verdreckte Meer vor den schwarzen Klippen der Makropole schon lange geworden ist.
Unwillkürlich fährt meine Hand zum Kragen, um zu prüfen, ob der oberste wie ein Totenkopf geformte Knopf auch geschlossen ist. In den letzten zwei Jahren auf der St. Drusus Militärakademie habe ich gelernt, dass es essentiell wichtig ist, Soldaten mit vollständig zugeknöpfter Jacke in den Tod zu schicken. Man muss perfekt rasiert und frisiert sein, die Stiefel auf Hochglanz poliert, wenn ein blutrünstiger Mob von aufständischen Mutanten die Stellung stürmt. Natürlich habe ich auf dem Grundkurs für Offiziere auch noch einiges anderes gelernt. Die St. Drusus gilt nicht umsonst als die beste Militärakademie des gesamten Sektors. Throne allein reichen im Normalfall nicht aus, um auf diese Akademie zu kommen, sondern man braucht auch einen passenden Nachnamen, körperliche Voraussetzungen und sogar etwas Verständnis von militärischen Dingen.
Wir durchschreiten zusammen das reich verzierte gotische Tor, welches vom stämmigen Türsteher im dunklen Livree aufgehalten wird und landen im relativ nüchtern wirkenden Empfangsraum des Bordells. Hier steht auf einem ehernen Podest ein wuchtiger Kassenautomat mit einem guten Dutzend Reinheitssiegel auf dem barocken Gehäusen und ich führe meinen Siegelring mit dem Wappen der Conaris in den dazu vorgesehenen Slot. Damit verbürge ich mich mit meinem Namen dafür, für alle Kosten aufzukommen. Die Rechnung des heutigen Abends wird dann an meinem Lebenswart Caine geschickt werden, der die nötigen Throne von meiner Apanage nehmen wird.
"Zwei!" Der im Automat fest eingebaute Servitor beschriftet mit seinen aus Füllerfedern bestehenden Fingern zwei Papierstreifen, auf denen später die geleisteten Dienstleistungen eingetragen werden.
"Übertreibe es nicht, Kleist!", meine ich halb scherzhaft, halb im Ernst zu ihm, als ich ihm seinen Streifen gebe. Im Gegensatz zu mir hat der junge Mann an meiner Seite keine eigene Apanage, sondern wird von der meinen mitfinanziert, da er mein persönlicher Vasall ist.
"Zu Befehl, Meister Flavion!", meint Kleist ernst salutierend zackig die Hacken zusammenschlagend, bevor er herzlich auflacht. Ich falle in sein ehrliches Lachen mit ein und gebe ihm einen freundschaftlichen Knuff auf den Oberarm. Hinter dem Empfangsraum mit Garderobe, an der wir nichts abzugeben hatten, betreten wir das Erdgeschoss der "Goldenen Dose". In einem Halbrund zieht sich eine steinerne Bar mit gotischen Verzierungen an der Wand entlang. Mit schwarzem Leder überzogene Hocker laden zum geselligen trinken ein. In der Mitte stehen ein paar Tische mit Sofas, die zum verweilen animieren. Einige durch ihre aufwendige Kleidung als Adlige zu identifizierende wie auch einige andere Kadetten haben sich schon mit Damen des horizontalen Gewerbes zu Gesprächen nieder gelassen. Weder Crestus Cascandor noch seine vier Vasallen sind hier auszumachen. Auf der anderen Seite sind aufreizend bekleidete Fräuleins zu betrachten, die sich auf einer gestaffelten Tribüne in aufreizenden Posen auf Canapes räkeln. Auf Tafeln stehen Abkürzungen, an denen ein Eingeweihter erkennen kann, für was für Praktiken die Dame zu haben ist oder eben auch nicht. Die Dienstleistungen sind hier eher unspektakulär, da dieses Haus nicht auf abartigen Praktiken, sondern auf die Kultiviertheit der Kunden und die Schönheit sowie der Kunstfertigkeit der Dienstleiterinnen setzt. Wer es extrem haben will, muss schon in die etwas zwielichtigen Gegenden in den Mittel oder gar Unterebenen der Makropole fahren. Da, wo der Magistrat dezent nicht vorhanden und alles erlaubt ist, was man bezahlen kann, einschließlich des Totalverlustes des Lustobjektes jedwelchen Alters und Geschlechts.
Für gehobene Musikuntermalung sorgt hier ein Damenquartett in halb durchsichtigen und äußerst knapp bemessenen Gewändern auf einer Empore. Für Beleuchtung sorgen mehrere Kronleuchter, um die ein bionischer Cherubin herumflattert, der emsig abgebrannte Kerzen mit neuen ersetzt. Es riecht nach abgebrannten Zigarren und Lho-Stäbchen, dazu der Duft vieler Duftwässerchen, die in der Summe nach einem Blumenstrauß riecht, der schon gestern auf den Komposthaufen gehört hätte.
Wir nehmen in zwei bequemen Sesseln mit einem roten Lederbezug platz und lassen uns von einer hellblonden Bedienung, die nur eine knappe Schürze und ein Lächeln auf den rot glänzenden Lippen trägt, zwei Amasec mit Eis der Marke Red Prime Star bringen. Nach wenigen Augenblicken schwebt sie auf ihren Pumps mit ungesund aussehenden Absätzen wieder heran und serviert unsere Getränke. Individuelles Trinkgeld ist hier nicht üblich und wird über eine Servicepauschale am Ende abgerechnet, so setzt sie auf meinen Zettel nur den entsprechenden Vermerk. Also bedanke ich mich nur artig bei der Bedienung, ein wirklich gut aussehendes Habmädchen mit den nötigen Kurven an den richtigen Stellen in Ausbildung und nippe am geschliffenen Kristallglas, welches wie die gigantische Bolterhülse graviert ist, in dem sich dieses Etablissement befindet.
Normalerweise ist eine schwarzhaarige junge Hure mit dem wohlklingenden Künstlernamen Theodora meine Favoritin. Ich nenne sie scherzhaft immer "Kleiner Welpe", weil die Geräusche, die sie ausstößt, wenn sie kommt, wie das kläffen eines jungen Hundes klingt. Ich mag das Habmädchen, weil es nicht nur kurvenreich, schön und geschickt mit dem Mund ist, sondern weil ich merke, dass sie mit mir wirklich Spaß hat, wenn wir es miteinander treiben. Und sie ist gerade so frech, dass es amüsant und nicht unverschämt ist. Dieses Spiel beherrschen nur wenige so bravourös wie Theodora. Leider ist ihr Canape verweist und ihr Schild ist weiß verschleiert, sie ist also schon für den ganzen Abend gebucht. Dummerweise habe ich nicht reserviert, da ich heute so viel um die Ohren hatte, dass ich nicht daran gedacht habe. Nun gut, dann muss ich mich wohl mit einem anderen Mädchen vergnügen. Oder auch zwei oder drei.
Noch während Kleist und ich über die Vorzüge einzelner Damen fachsimpeln, kommt die Bedienung ein zweites mal heran geschwebt und "serviert" mir einem verschlossenen blauen Umschlag auf einem silbernen Tablett. Als Adressat steht da nur "An den feschen Offizier". Damit bin wohl ich gemeint, obwohl ich immer noch nur ein Kadett bin. Der Umschlag riecht wie eine frische Blumenwiese und mir fällt ein handgeschriebene, aber sonst schmucklose Karte entgegen.
"Gutschein für eine Nacht, Vier Null Acht", unterzeichnet mit "Lady Augusta". Die Buchstaben sind elegant geschwungen und zeigen, dass die Verfasserin wirklich schön schreiben kann. Wenn sie so schön ist, wie sie schreiben kann, dann ist diese wirklich außergewöhnlich hübsch.
"Sieht so aus, als hätte jemand mich heute ausgewählt", verkünde ich breit grinsend, als ich Kleist die Karte zeigen.
"Du Glückspilz! Sieht so aus, als sucht eine notleidende Kurtisane einen neuen Gönner", gratuliert mir Kleist und ich vermeine einen Hauch von Neid aus seiner Stimme heraus lesen zu können. Er wird sich nie eine eigene Kurtisane leisten können, so lange er nur mein Vasall ist. Und wahrscheinlich wird er das bis zu seinem Lebensende bleiben. Aber ich denke, es gibt viel schlimmeres, als mein Gefolgsmann zu sein.
"Sieht ganz so aus", meine ich immer noch erfreut, mir davon meine gute Laune nicht verderben lassend. "Caine hat ja gemeint, es wäre an der Zeit mir eine feste Konkubine zuzulegen und so wie es aussieht, habe ich hier schon die erste Kandidatin. Ich nehme an, du kommst alleine klar?"
"Viel Spaß, Flavion. Und auch ich werde Spaß haben", seine Stimme klingt jetzt so, als würde es ihn wirklich freuen, dass ich von einer Kurtisane zu einer Gratisprobe eingeladen wurde. Aber mir ist klar, dass dies wohl leider nur gespielt ist. Wir haben gemeinsam gelernt, eine Maske zu tragen. Das ist in unserem Stand nun mal so üblich.
"Tu nichts, was ich nicht auch tun würde." Mit diesen Worten verabschiede ich mich und gehe nun die Treppe hoch, die sich Kreisförmig nach oben windet und die einzelnen Stockwerke miteinander verbindet. Das Zimmer 408 befindet sich wenig überraschend im vierten Stockwerk. Die Holztür verfügt über einen Klopfer, der an eine Vulva erinnert und den betätige ich. Einen Moment später öffnet auch schon eine junge Frau mit hochgesteckten blonden Haaren. Sie trägt nur einen bunt bedruckten Morgenmantel mit einem zu ihrem Geruch passenden Blumenmuster, welcher großzügigen Einblicke auf ihre wohlgeformte Hügellandschaft gewährt, da sie einen ganzen Kopf kleiner ist als ich.
"Meister Flavion Conari nehme ich an?", fragt sie mich mit einer lieblichen Stimme und ihr lächeln zeigt makellose Zähne. Das ist wohl eine der wenigen Dinge, die sie mit Theodora gemeinsam hat, die etwas größer, schwarzhaarig und Kurvenreicher ist. Ihr Hochgotisch hat das typische leicht langgezogene e, für das Malfi so berühmt ist. Ich bin mit dem Dialekt durchaus vertraut, da meine Mutter von dieser Welt stammt, welche Scintilla deren Statuts als Sektorhauptstadt neidet, da sich dort lange das Hauptquartier und Nachschubdrehkreuz für den Kreuzzug befunden hat. Aber Scintilla liegt zentraler und deutlich Verkehrsgünstiger.
"Da nehmt ihr richtig an, Lady Augusta", erwidere ich und hauche ihr galant einen Kuss auf den dargebotenen Handrücken. Ihre Hände sind gepflegt, ihre für eine Frau recht kurzen Nägel schwarz lackiert. Sie trägt nur zwei schmale Ringe. Einer ist aus Gold mit einem verschnörkelten Muster aus eingelegten Elektrum, der andere aus einem mir nicht bekannten Material mit kleinen blauen Diamanten. Kein Wappenring oder dergleichen, was bei ihrer Profession nicht weiter verwunderlich ist. Weiterer Schmuck sind zwei Ohrstecker aus Elektrum, die eine zwölfzackige Korona zeigen, in der Mitte ein blauer Diamant mit dem passenden Schliff dazu. Um den Hals trägt sie ein Halsband aus schwarzer Seide mit einem Ring aus poliertem Stahl, was andeutet, dass sie durchaus zu besonderen Diensten bereit ist. Auch zeigt ihr Schmuck, dass sie ganz und gar nicht notleidend ist. Oder der ist geliehen, um genau das einem vorzugaukeln.
"Dann kommt doch bitte herein und leistet mir etwas Gesellschaft, werter Meister Flavion", bittet sie mich hinein. Das Zimmer ist luxuriös eingerichtet. Das äußerst großzügig dimensionierte Bett steht auf einer Empore an der Außenwand. Es gibt ein Tisch mit einem Spielbrett für Königsmord, um das sich zwei Sessel gruppieren. Eine kleine Bar steht gegenüber mit einer Auswahl exklusiver Alkoholika. Links geht es zu einer Nasszelle und Toilette.
"Aber gerne doch", erwidere ich der Einladung folgend. Lüsterweibchen mit Leuchtgloben an den Wänden sorgen für ein gedämpftes Licht. Sie schließt hinter mir die Tür und wir sind allein.
"Wenn ich bitten dürfte?" Da ihr Blick in Richtung meines Wehrgehänges aus einem Breitschwert, auf dessen Korb eine Statuette des heiligen St. Drusus moduliert ist und ein Kampfmesser mit einer Doppelköpfigen Vogel als Knauf, besteht, denke ich, dass ich diesen an einen Halter hängen soll. Wie entwaffnet man einfach und problemlos einen Adligen? Man bittet ihn ganz höflich um seine Waffen.
Schon früh habe ich gelernt, dass Paranoia nicht bedeutet, dass man nicht verfolgt wird. Zwar habe ich persönlich wenig Feinde, aber mein Haus ist älter als dieser Sektor und sehr groß. Momentan laufen über den ganzen Calixissektor drei aktive Vendetta und sicherlich weitere hundert, die gerade nur vor sich hinköcheln. Zwar bin ich nur der fünfte Sohn und das achte Kind meines Vaters mit seiner angetrauten Gemahlin, aber mein Vater ist das aktuelle Familienoberhaupt und mein Tod würde ihn durchaus persönlich treffen und schwächen. Also werfe ich unverfänglich einen kurzen Blick in Richtung Bad und sondiere den Raum. Keine weiteren potentiellen Attentäter zu sehen und die Möglichkeiten sich hier zu verstecken sind äußerst begrenzt. Lady Augusta trägt nur diesen dünnen Morgenmantel, der ihre durchaus kurvenreiche und doch schlanke Figur körperbetont umschmeichelt. Waffen scheint sie keine zu tragen. Ihre hochgesteckten Haare sind mit zwei Stäbchen fixiert. Es gibt durchaus einige Assassinen, die in solche Stäbchen vergiftete Klingen einbauen. Nach einigen Sekunden des analysieren komme ich zu dem Schluss, dass es wohl eher unwahrscheinlich ist, dass es sich bei Lady Augusta um eine Attentäterin handelt. Und falls es sich um eine versierte Assassine eines der berüchtigten Todeskulte handelt sollte, würde es keine Rolle spielen, ob ich meine Waffen freiwillig ablege oder nicht. Also hänge ich mein Wehrgehänge an die Wand und nehme in einem der Sessel platz.
"Etwas Schaumwein gefällig?", fragt sie mich und ich nicke. Sie öffnet eine frische Flasche und befüllt zwei kleine Kristallgläschen auf einem Silbertablett. Dann kommt sie zu mir, sinkt geschmeidig in die Knie und präsentiert mir das Tablett. Diese Geste der Unterwerfung imponiert mir durchaus und ich kann spüren, wie sich bei mir unten was regt. Diese junge schöne Frau und ihr devotes Verhalten spricht mich an. Ich wähle eines der Gläser und warte, bis sie sich in den anderen Sessel setzt und an ihrem Glas nippt. Erst dann trinke ich ebenfalls aus meinem.
"Ich muss gestehen, ich war noch nie bei einer freischaffenden Kurtisane eingeladen und bin nun etwas verunsichert, nach wessen Regeln unser gemeinsamer Abend abläuft", kläre ich den weiteren Verlauf ab. Eine meiner ersten Lektionen von meinem Lebenswart Caine war, selbst der jüngste Spross von Taurion Conari bekommt etwas umsonst.
"Wie Ihr sicher schon erraten habt, mein werter Meister Flavion, suche ich einen neuen Gönner. Wir verbringen diesen Abend zusammen, lernen uns kennen und entscheiden dann, ob wir ein gemeinsames Arrangement treffen oder nicht. Sollten wir feststellen, dass wir nicht zueinander passen, würde ein Gentleman sich veranlasst fühlen, wenigstens die Unkosten dieser Nacht zu begleichen", erklärt sie mir. Ich schätze mal, ich bezahle das Zimmer und die Getränke, dazu noch ein angemessenes Entgelt für sie selbst. Damit kann ich leben. Was ich bis jetzt von ihr zu Gesicht bekommen habe, gefällt mir außerordentlich. Man sieht ihr die adlige Abstammung an und so wie sie spricht, denke ich, dass sie entweder aus einer verarmten Familie aus Malfi stammt oder beschlossen hat, ihre Apanage auf eine besondere Art aufzustocken. Oder es ist für sie ein großes erotisches Abenteuer, bevor sie aus dynastischen Gründen mit einem langweiligen, viel älteren Mann verheiratet wird, was das Schicksal vieler Damen meines Standes ist. Genau so gut möglich ist, dass sie das Kind einer Konkubine ist und deswegen nicht Erbberechtigt, aber die gute Erziehung einer Adligen genossen hat. Da darüber zu spekulieren müßig ist, fokussiere ich mich lieber auf mein Gegenüber.
"Flavion reicht vollkommen aus", biete ich ihr großzügig an.
"Augusta", erwidert sie lächelnd. Und ich mag ihr lächeln, da es ihre Augen erreicht. Da ich denke, dass es sich wirklich um eine Kurtisane auf der Suche nach einem Sponsor handelt und um keine auf mich angesetzte Attentäterin, kann ich mich entspannen.
"Aus reiner Neugierde, woher weißt du, dass ich nicht schon eine Mätresse habe?", hake ich nach.
"Wärst du hier an diesem Ort, wenn du eine hättest?", weicht sie geschickt mit einer Gegenfrage aus.
"Da ist was wahres dran", gebe ich ihr recht. Durchaus möglich, dass Caine sich schon auf die Suche nach einer für mich passenden Kurtisane begeben hat und sie seine erste Wahl für mich ist. Natürlich kann sie auch hier einfach auf einen adligen Kunden mit den notwendigen Mitteln warten und ihm ein Angebot machen. Ich beschließe, diesen Aspekt nicht weiter zu verfolgen.
"Wollen wir beginnen?", fragt sie mich nun, als ich sie noch sinnierend ansehe.
Gedanke des Tages
Das beschriebene Setting entstammt dem von Games Workshop lizenziertem Rollenspiel Schattenjäger. Die agierenden Charaktere sind frei von mir erfunden. Den einen oder anderen werden Stammleser schon von "Die Fahrten der Audacia" kennen. Wie üblich schreibe ich immer zuerst eine Geschichte zu Ende, bevor ich sie veröffentliche. Diese umfasst 20 Kapitel und werde diese wohl nun jeweils Sonntags Abend veröffentlichen. Wer mag, darf ein Review, Kritik, Lob und/oder ein Like bzw. Empfehlung hinterlassen.
Die Hauptstadt des Calixissektor ist bekannt für ihre gigantischen Statuen von teilweise über einer Kilometer Höhe, die vor fast 2500 Jahren nach Ende des Angevin Kreuzzuges hier als ewiges Zeichen des glorreichen Sieges über die verdammungswürdigen Xenosreiche der Enoulianer, Bale Childer und vieler anderer vernichteter Xenos errichtet wurden. Ausgelöscht zu werden ist nun mal das Schicksal des Xenos, so hat es unser lebendiger Gott auf Terra vor über zehntausend Jahren bestimmt. Schieße als erster, halte drauf, schieße als letzter und stelle sicher, dass keiner überlebt hat. Und stelle danach niemals dämliche Fragen.
Die Straße verläuft nun über eine leicht gewundene Stahlrampe hoch in die Mündung des gigantischen Bolters des Astartes, durch den nun ein Tunnel verläuft. Die Scheinwerfer der Limousine schneiden eine Schneise des Lichts in das Dunkel, trotzdem bildet sich eine Gänsehaut und meine Nackenhärchen stellen sich auf. Für einen Moment höre ich das infernalische Hämmern von Kleists Maschinengewehr und sehe diesen unglaublich schnellen Kreaturen in dem von Leuchtspurmunition erhellten Tunnel auf mich zustürmen. Sechs Beine, wie schwarzes mattes Metall schimmernd mit einem zusätzlichen Gelenk. Auf mich zu peitschende fleischige Tentakelarme die in Elmsfeuer getauchte Klingen enden. In der Mitte des kopflosen Torsos ein kreisrundes Maul mit viel zu vielen spitzen Zähnen wie ein Mahlwerk. Ich stehe neben Kleist, mein Monoschwert zur Abwehr erhoben. Ganz knapp hat mich einer der Tentakel der monströsen Kreatur gestreift und diese Berührung hatte ausgereicht, meinen Gardistenkürass aus Adamantium bis zur darunter liegenden Schicht aus Aramid aufzureißen. Nur etwas tiefer und das Ding hätte mein Herz heraus gerissen.
Ich schüttle kurz den Kopf und bin wieder hier im Jetzt. In Sicherheit der schwer gepanzerte Limousine mit drei Achsen und von einem zugstarken Zwölfzylinder angetrieben, dessen gut gelaunter Maschinengeist zufrieden vor sich hin blubbert und eifrig Promethium aus den über 200 Liter fassenden Tank säuft. Die Große Jagd ist vorbei, die Kreatur ist tot, da ein gut platziertes 20 mm massereaktives Geschoss aus dem Unterlauf meiner Puritanter Exekuter Maschinenpistole in sein großen Maul für ein sehr schnelles Ende seiner verdorbenen Existenz geführt hat. Die große Jagd, jedes Jahr war das die letzte Prüfung, die eine Abschlussklasse der St. Drusus Akademie absolvieren musste. Nur wer Blut vergossen hatte, war würdig, den einen Ring zu erhalten, den man sich nicht mit Thronen kaufen konnte. Eine Fassung aus gehärtetem und poliertem Adamantium, der rote Diamant wie ein Blutstropfen geformt. Manche sahen darin auch eine blutige Träne. In zwei Tagen würde ich ihn wie alle anderen Überlebenden in einer großen feierlichen Zeremonie in Anwesenheit meiner Familie auch verliehen bekommen.
"Ich verstehe es immer noch nicht", wende ich mich an Kleist, der neben mir im geräumigen Fond der Gnadenvoll Limousine sitzt. Es riecht hier nach dem Qualm von Lho-Stäbchen und dem Lederbezug der bequemen Sitze. Der dunkelhaarige junge Mann richtet nun seinen Blick auf mich, da er wie ich wohl noch einmal die letzten Ereignisse rekapituliert hat.
"Was?", fragt er mich und ich kann deutlich sehen, dass er letzte Nacht genau so schlecht geschlafen hat wie ich. Schließlich sind wir erst gestern Abend zurück gekommen. In einem geschlossenen grünen Vierachser, wie profane Verbrecher im ungefederten Laderaum zusammen gepfercht.
"Das die Inquisition uns so einfach zurück zur Akademie gebracht hat", erkläre ich ruhig.
"Die Kleinen kommen auf den Autoscheiterhaufen, die Adligen bekommen einen Orden", zitiert Kleist ein gängiges Sprichwort.
"Lass das mal nicht meinen Vater hören", meine ich belustigt drohend und werde dann wieder ernst. "Beim Thron, wir sind tatsächlich von der Inquisition verhört worden!"
"Und wir haben das überlebt. Damit können wir übermorgen beim Abschlussball richtig bei unseren Verwandten und den schönen Damen angeben." Der durchaus pragmatische Kleist bringt es auf dem Punkt. Das ist die Art von Geschichten, welche selbst eine weltgewandte adlige Dame durchaus zu beeindrucken weiß. Vielleicht so stark, dass sie mit feuchten Höschen in Kleists Bett landet, um seiner Lanze zu huldigen.
"Unschuld beweist gar nichts!", zitiere ich die Interrogatorin ihren letzten Satz, als ich nach einem langen Verhör aus dem Raum geführt wurde.
"Ich dachte wirklich, sie leiten die Abgase des Lastwagens in den Innenraum, um uns am Ende doch noch zu beseitigen", meint Kleist nun abgeklärt.
"Ja, dachte ich auch und behaupten dann, ein missgelaunter Maschinengeist wäre Schuld an unserem Ableben."
"Aber der Imperator hat uns beschützt!", verkündet Kleist und verschränkt die Hände vor die Brust, wo sie den Doppelköpfigen Adler des Imperiums bilden, dass Zeichen unseres lebendigen Gottes auf Terra.
"Der Imperator beschützt!", erwidere die tröstliche Schutzformel und forme ebenfalls den Aquila. Wobei ich überzeugt bin, dass es eher unser Nachname und der damit verbundene Statuts war, der uns alle beschützt hat. Nicht einmal die Inquisition tötet einfach so mal kurz Sprösslinge der ältesten und angesehensten Häuser des Calixissektors. Unsere Vorfahren haben diesen Sektor erobert, ihn geformt und letztendlich zu dem gemacht, was er heute ist. Ein Hort der menschlichen Zivilisation am Rande zum buchstäblichen Nichts der Halosterne. Es gab wahrlich wenige von Menschen besiedelte Orte, die noch weiter vom leuchtenden Mitteepunkt des Imperiums, unserer heiligen Heimat Terra, entfernt liegen.
Der Tunnel öffnet sich nun und wir befinden uns einem Mischgebiet mit sakralen Bauten, weitläufigen Commercias, steil aufragenden Wohntürmen und einschlägigen Vergnügungsetablissements von erstklassigen Ruf für den gehobenen Geschmack und ebenso großem Geldbeutel.
Die "Goldene Dose" befindet sich in einer gigantischen steinernen Bolterhülse, die einst wohl zum inzwischen umgestürzten Monument des Astartes gehört hat. Die aufwendigen Gravuren der Hülse mit einer eingravierten Litanei auf Hochgotisch sind gerade so noch zu erkennen, da der von den industriellen Abgasen saure Regen doch die Struktur der Skulptur im laufe der letzten Jahrtausende angegriffen hat. Auf dem Auszugsring der Patronenhülse führt nun eine Treppe hoch zu einem Eingang ins Innere. Ein spitzes, vergoldetes Dach mit vielen Erkern und verspielten Türmchen deckt die Hülse ab. Von Außen gibt es keinen Hinweis, was sich für ein erstklassiges Bordell sich im Innern befindet.
"Thronverdammt!", zischt Kleist hörbar erbost und fährt erklärend fort: "Crestus Cascandor ist auch hier. Hast du das gewusst?"
"Der goldene Thron blende mich, davon hatte ich keine Ahnung! Offensichtlich haben sie diesen Groxdung leider schon aus dem Hospital entlassen", meine ich, da ich nun auch seinen protzigen Gleiter mit Gold und Silber verkleideter Karosserie auf dem Parkplatz vor dem Bordell sehe. Selbst bei vermögenden Adligen sind Gleiter dieser Güte selten zu sehen und streicht den märchenhaften Reichtum der Familie Cascandor deutlich heraus. Sein Chauffeur grüßt uns lässig, in dem er an seine silberfarbenen Mütze mit goldenem Emblem aus sechs Münzen tippt, die zu einer Pyramide arrangiert sind. Genau so lässig grüße ich den ehemaligen Soldaten der Imperialen Armee zurück, was man leicht an seinem über dem Gesicht tätowierten Aquila erkennt. Auch daran, dass seine linke Gesichtshälfte aus einer bionischen Prothese besteht. Sein linkes Auge ist durch eine hochwertige Optik ersetzt.
"Lass uns vielleicht lieber wo anders hinfahren", meint Kleist unbehaglich, als die Limousine vor dem Eingang ausrollt. Der Parkplatz ist gut besucht, dreiachsige Limousinen dominieren, aber es gibt auch zweiachsige sportliche Fahrzeuge für den Selbstfahrer. Manche tun sich das wirklich an, sich selbst ans Steuer zu setzen.
"Ich lass mir von diesem Haufen stinkenden Groxdungs nicht den Abend vermiesen. Das nächste wirklich gute Bordell ist fünfzig Kilometer von hier entfernt. Keine Lust, gutes Petrochem zu verfahren zu lassen, ganz abgesehen, dass ich mal wieder Lust auf Theodora habe. Keine bläst so gut wie sie."
"Er könnte Thronverdammt sauer auf dich sein...", spielt Kleist auf ein Ereignis der Großen Jagd an.
"Wenn dieser Haufen stinkenden Groxdunges wirklich wüsste, was ich ihm angetan habe, würde er mir schon längst seine vier Vasallen samt seiner Leibwächter auf den Hals hetzen", stelle ich richtig.
"Wenn du meinst", erwidert Kleist wenig überzeugt. Inzwischen ist mein Leibwächter und Chauffeur Cussak ausgestiegen und hält mir die Tür auf. Er trägt die rot schwarze Hausuniform des Hauses Conari und ist mit einer großkalibrigen Schnellfeuerpistole aus Stahlstadt bewaffnet, dass er in einem Tiefziehholster aus schwarzem Groxleder trägt.
"Danke, Cussak", bedanke ich mich bei meinem Untergebenen, da Höflichkeit zu seinen Untergebenen kein Makel ist.
"Gerne, Meister Flavion!", erwidert er zackig.
"Könnte sein, dass es irgendwann im laufe des Abends da drin etwas eskalieren könnte. Wenn du siehst, dass sich Leute von Haus Cascandor in die Goldene Dose hinein stürmen, folgen Braddok und du. Falls die auf Kleist und mich losgehen, weißt da, was zu tun ist", instruiere ich meinen Vasallen. Leibwächter des Hauses Conari sind immer Vasallen, nie Schuldknechte oder freie Talente. Blut bindet stärker als jede Börse mit güldenen Thronen.
"Jawohl, Meister Flavion", bestätigt Cussak meine Anweisung.
"Gut, Kleist, gehen wir rein", meine ich zu meinen Kameraden.
Draußen sehe ich mich kurz um. Einen halben Klick südlich von uns schnauft selbst hier noch hörbar ein von vier riesigen Lokomotiven gezogener Güterzug in Richtung der Hauptmakropole vorbei. Auf der Oberseite der riesigen Frachtcontainer sind angeseilte Wächter zu sehen, die gerade ein paar weniger betuchte und äußerst verzweifelte Randbewohner von dem langsam fahrenden Zug mit gezielten Laserschüssen vertreiben. Anhand der auffälligen Lackierung der Container ist zu sehen, dass sie Rationsriegel transportieren, die von Feldern und Manufakturen meiner Familie stammen, denn in großen schwarzen Lettern auf rotem Grund ist zu lesen: Ein Imperium, ein Imperator, ein Riegel, der Conari muss es sein. Dieser Werbespruch hat ein Vorfahr von mir mal vor über tausend Jahren für pfiffig gehalten. Leider ist es sehr schwer, so etwas zu ändern. Vor hundertfünfzig Jahren wurde von meinem Urgroßvater versucht, diesen Spruch weg zu lassen, da wir inzwischen der unangefochtene Marktführer für Rationsriegel im gesamten Calixissektor sind. Die ungebildeten Massen konnten sich aber mit dem neuen Aussehen nicht anfreunden und verlangten vehement die alten Riegel, obwohl der Inhalt exakt gleich geblieben war. Nach dem es zu unerquicklichen Unruhen mit über hunderttausend Toten gekommen war, sah sich der Familienrat gezwungen, zur alten Verpackung mit der bekannten Aufschrift zurück zu kehren. Ein Conari muss es eben sein.
Etwa einen Klick über uns ist ein riesiger, bunt beleuchteter Vergüngungszeppelin zu sehen, der langsam seine Kreise um die Makropole zieht. Ein noch größerer Frachtzeppelin kommt gerade aus Richtung Tarsus, meiner Heimatstadt, um auf dem Raumhafen zu landen. Vier schwere Thunderbold Jäger fliegen in versetzter Doppelformation wohl auf Patrouille gerade nach Süden. Mehrere Schlepper brechen gerade Meteoren gleich durch die obere Atmosphäre, einen glühenden Schweif verbrennender Gase hinter sich herziehend. Ein kalter Wind weht von der im Westen liegenden Küste her, was für eine angenehme Kühle im Frühsommer führt. Aber der Wind trägt auch den Gestank der Kloake mit, zu dem das verdreckte Meer vor den schwarzen Klippen der Makropole schon lange geworden ist.
Unwillkürlich fährt meine Hand zum Kragen, um zu prüfen, ob der oberste wie ein Totenkopf geformte Knopf auch geschlossen ist. In den letzten zwei Jahren auf der St. Drusus Militärakademie habe ich gelernt, dass es essentiell wichtig ist, Soldaten mit vollständig zugeknöpfter Jacke in den Tod zu schicken. Man muss perfekt rasiert und frisiert sein, die Stiefel auf Hochglanz poliert, wenn ein blutrünstiger Mob von aufständischen Mutanten die Stellung stürmt. Natürlich habe ich auf dem Grundkurs für Offiziere auch noch einiges anderes gelernt. Die St. Drusus gilt nicht umsonst als die beste Militärakademie des gesamten Sektors. Throne allein reichen im Normalfall nicht aus, um auf diese Akademie zu kommen, sondern man braucht auch einen passenden Nachnamen, körperliche Voraussetzungen und sogar etwas Verständnis von militärischen Dingen.
Wir durchschreiten zusammen das reich verzierte gotische Tor, welches vom stämmigen Türsteher im dunklen Livree aufgehalten wird und landen im relativ nüchtern wirkenden Empfangsraum des Bordells. Hier steht auf einem ehernen Podest ein wuchtiger Kassenautomat mit einem guten Dutzend Reinheitssiegel auf dem barocken Gehäusen und ich führe meinen Siegelring mit dem Wappen der Conaris in den dazu vorgesehenen Slot. Damit verbürge ich mich mit meinem Namen dafür, für alle Kosten aufzukommen. Die Rechnung des heutigen Abends wird dann an meinem Lebenswart Caine geschickt werden, der die nötigen Throne von meiner Apanage nehmen wird.
"Zwei!" Der im Automat fest eingebaute Servitor beschriftet mit seinen aus Füllerfedern bestehenden Fingern zwei Papierstreifen, auf denen später die geleisteten Dienstleistungen eingetragen werden.
"Übertreibe es nicht, Kleist!", meine ich halb scherzhaft, halb im Ernst zu ihm, als ich ihm seinen Streifen gebe. Im Gegensatz zu mir hat der junge Mann an meiner Seite keine eigene Apanage, sondern wird von der meinen mitfinanziert, da er mein persönlicher Vasall ist.
"Zu Befehl, Meister Flavion!", meint Kleist ernst salutierend zackig die Hacken zusammenschlagend, bevor er herzlich auflacht. Ich falle in sein ehrliches Lachen mit ein und gebe ihm einen freundschaftlichen Knuff auf den Oberarm. Hinter dem Empfangsraum mit Garderobe, an der wir nichts abzugeben hatten, betreten wir das Erdgeschoss der "Goldenen Dose". In einem Halbrund zieht sich eine steinerne Bar mit gotischen Verzierungen an der Wand entlang. Mit schwarzem Leder überzogene Hocker laden zum geselligen trinken ein. In der Mitte stehen ein paar Tische mit Sofas, die zum verweilen animieren. Einige durch ihre aufwendige Kleidung als Adlige zu identifizierende wie auch einige andere Kadetten haben sich schon mit Damen des horizontalen Gewerbes zu Gesprächen nieder gelassen. Weder Crestus Cascandor noch seine vier Vasallen sind hier auszumachen. Auf der anderen Seite sind aufreizend bekleidete Fräuleins zu betrachten, die sich auf einer gestaffelten Tribüne in aufreizenden Posen auf Canapes räkeln. Auf Tafeln stehen Abkürzungen, an denen ein Eingeweihter erkennen kann, für was für Praktiken die Dame zu haben ist oder eben auch nicht. Die Dienstleistungen sind hier eher unspektakulär, da dieses Haus nicht auf abartigen Praktiken, sondern auf die Kultiviertheit der Kunden und die Schönheit sowie der Kunstfertigkeit der Dienstleiterinnen setzt. Wer es extrem haben will, muss schon in die etwas zwielichtigen Gegenden in den Mittel oder gar Unterebenen der Makropole fahren. Da, wo der Magistrat dezent nicht vorhanden und alles erlaubt ist, was man bezahlen kann, einschließlich des Totalverlustes des Lustobjektes jedwelchen Alters und Geschlechts.
Für gehobene Musikuntermalung sorgt hier ein Damenquartett in halb durchsichtigen und äußerst knapp bemessenen Gewändern auf einer Empore. Für Beleuchtung sorgen mehrere Kronleuchter, um die ein bionischer Cherubin herumflattert, der emsig abgebrannte Kerzen mit neuen ersetzt. Es riecht nach abgebrannten Zigarren und Lho-Stäbchen, dazu der Duft vieler Duftwässerchen, die in der Summe nach einem Blumenstrauß riecht, der schon gestern auf den Komposthaufen gehört hätte.
Wir nehmen in zwei bequemen Sesseln mit einem roten Lederbezug platz und lassen uns von einer hellblonden Bedienung, die nur eine knappe Schürze und ein Lächeln auf den rot glänzenden Lippen trägt, zwei Amasec mit Eis der Marke Red Prime Star bringen. Nach wenigen Augenblicken schwebt sie auf ihren Pumps mit ungesund aussehenden Absätzen wieder heran und serviert unsere Getränke. Individuelles Trinkgeld ist hier nicht üblich und wird über eine Servicepauschale am Ende abgerechnet, so setzt sie auf meinen Zettel nur den entsprechenden Vermerk. Also bedanke ich mich nur artig bei der Bedienung, ein wirklich gut aussehendes Habmädchen mit den nötigen Kurven an den richtigen Stellen in Ausbildung und nippe am geschliffenen Kristallglas, welches wie die gigantische Bolterhülse graviert ist, in dem sich dieses Etablissement befindet.
Normalerweise ist eine schwarzhaarige junge Hure mit dem wohlklingenden Künstlernamen Theodora meine Favoritin. Ich nenne sie scherzhaft immer "Kleiner Welpe", weil die Geräusche, die sie ausstößt, wenn sie kommt, wie das kläffen eines jungen Hundes klingt. Ich mag das Habmädchen, weil es nicht nur kurvenreich, schön und geschickt mit dem Mund ist, sondern weil ich merke, dass sie mit mir wirklich Spaß hat, wenn wir es miteinander treiben. Und sie ist gerade so frech, dass es amüsant und nicht unverschämt ist. Dieses Spiel beherrschen nur wenige so bravourös wie Theodora. Leider ist ihr Canape verweist und ihr Schild ist weiß verschleiert, sie ist also schon für den ganzen Abend gebucht. Dummerweise habe ich nicht reserviert, da ich heute so viel um die Ohren hatte, dass ich nicht daran gedacht habe. Nun gut, dann muss ich mich wohl mit einem anderen Mädchen vergnügen. Oder auch zwei oder drei.
Noch während Kleist und ich über die Vorzüge einzelner Damen fachsimpeln, kommt die Bedienung ein zweites mal heran geschwebt und "serviert" mir einem verschlossenen blauen Umschlag auf einem silbernen Tablett. Als Adressat steht da nur "An den feschen Offizier". Damit bin wohl ich gemeint, obwohl ich immer noch nur ein Kadett bin. Der Umschlag riecht wie eine frische Blumenwiese und mir fällt ein handgeschriebene, aber sonst schmucklose Karte entgegen.
"Gutschein für eine Nacht, Vier Null Acht", unterzeichnet mit "Lady Augusta". Die Buchstaben sind elegant geschwungen und zeigen, dass die Verfasserin wirklich schön schreiben kann. Wenn sie so schön ist, wie sie schreiben kann, dann ist diese wirklich außergewöhnlich hübsch.
"Sieht so aus, als hätte jemand mich heute ausgewählt", verkünde ich breit grinsend, als ich Kleist die Karte zeigen.
"Du Glückspilz! Sieht so aus, als sucht eine notleidende Kurtisane einen neuen Gönner", gratuliert mir Kleist und ich vermeine einen Hauch von Neid aus seiner Stimme heraus lesen zu können. Er wird sich nie eine eigene Kurtisane leisten können, so lange er nur mein Vasall ist. Und wahrscheinlich wird er das bis zu seinem Lebensende bleiben. Aber ich denke, es gibt viel schlimmeres, als mein Gefolgsmann zu sein.
"Sieht ganz so aus", meine ich immer noch erfreut, mir davon meine gute Laune nicht verderben lassend. "Caine hat ja gemeint, es wäre an der Zeit mir eine feste Konkubine zuzulegen und so wie es aussieht, habe ich hier schon die erste Kandidatin. Ich nehme an, du kommst alleine klar?"
"Viel Spaß, Flavion. Und auch ich werde Spaß haben", seine Stimme klingt jetzt so, als würde es ihn wirklich freuen, dass ich von einer Kurtisane zu einer Gratisprobe eingeladen wurde. Aber mir ist klar, dass dies wohl leider nur gespielt ist. Wir haben gemeinsam gelernt, eine Maske zu tragen. Das ist in unserem Stand nun mal so üblich.
"Tu nichts, was ich nicht auch tun würde." Mit diesen Worten verabschiede ich mich und gehe nun die Treppe hoch, die sich Kreisförmig nach oben windet und die einzelnen Stockwerke miteinander verbindet. Das Zimmer 408 befindet sich wenig überraschend im vierten Stockwerk. Die Holztür verfügt über einen Klopfer, der an eine Vulva erinnert und den betätige ich. Einen Moment später öffnet auch schon eine junge Frau mit hochgesteckten blonden Haaren. Sie trägt nur einen bunt bedruckten Morgenmantel mit einem zu ihrem Geruch passenden Blumenmuster, welcher großzügigen Einblicke auf ihre wohlgeformte Hügellandschaft gewährt, da sie einen ganzen Kopf kleiner ist als ich.
"Meister Flavion Conari nehme ich an?", fragt sie mich mit einer lieblichen Stimme und ihr lächeln zeigt makellose Zähne. Das ist wohl eine der wenigen Dinge, die sie mit Theodora gemeinsam hat, die etwas größer, schwarzhaarig und Kurvenreicher ist. Ihr Hochgotisch hat das typische leicht langgezogene e, für das Malfi so berühmt ist. Ich bin mit dem Dialekt durchaus vertraut, da meine Mutter von dieser Welt stammt, welche Scintilla deren Statuts als Sektorhauptstadt neidet, da sich dort lange das Hauptquartier und Nachschubdrehkreuz für den Kreuzzug befunden hat. Aber Scintilla liegt zentraler und deutlich Verkehrsgünstiger.
"Da nehmt ihr richtig an, Lady Augusta", erwidere ich und hauche ihr galant einen Kuss auf den dargebotenen Handrücken. Ihre Hände sind gepflegt, ihre für eine Frau recht kurzen Nägel schwarz lackiert. Sie trägt nur zwei schmale Ringe. Einer ist aus Gold mit einem verschnörkelten Muster aus eingelegten Elektrum, der andere aus einem mir nicht bekannten Material mit kleinen blauen Diamanten. Kein Wappenring oder dergleichen, was bei ihrer Profession nicht weiter verwunderlich ist. Weiterer Schmuck sind zwei Ohrstecker aus Elektrum, die eine zwölfzackige Korona zeigen, in der Mitte ein blauer Diamant mit dem passenden Schliff dazu. Um den Hals trägt sie ein Halsband aus schwarzer Seide mit einem Ring aus poliertem Stahl, was andeutet, dass sie durchaus zu besonderen Diensten bereit ist. Auch zeigt ihr Schmuck, dass sie ganz und gar nicht notleidend ist. Oder der ist geliehen, um genau das einem vorzugaukeln.
"Dann kommt doch bitte herein und leistet mir etwas Gesellschaft, werter Meister Flavion", bittet sie mich hinein. Das Zimmer ist luxuriös eingerichtet. Das äußerst großzügig dimensionierte Bett steht auf einer Empore an der Außenwand. Es gibt ein Tisch mit einem Spielbrett für Königsmord, um das sich zwei Sessel gruppieren. Eine kleine Bar steht gegenüber mit einer Auswahl exklusiver Alkoholika. Links geht es zu einer Nasszelle und Toilette.
"Aber gerne doch", erwidere ich der Einladung folgend. Lüsterweibchen mit Leuchtgloben an den Wänden sorgen für ein gedämpftes Licht. Sie schließt hinter mir die Tür und wir sind allein.
"Wenn ich bitten dürfte?" Da ihr Blick in Richtung meines Wehrgehänges aus einem Breitschwert, auf dessen Korb eine Statuette des heiligen St. Drusus moduliert ist und ein Kampfmesser mit einer Doppelköpfigen Vogel als Knauf, besteht, denke ich, dass ich diesen an einen Halter hängen soll. Wie entwaffnet man einfach und problemlos einen Adligen? Man bittet ihn ganz höflich um seine Waffen.
Schon früh habe ich gelernt, dass Paranoia nicht bedeutet, dass man nicht verfolgt wird. Zwar habe ich persönlich wenig Feinde, aber mein Haus ist älter als dieser Sektor und sehr groß. Momentan laufen über den ganzen Calixissektor drei aktive Vendetta und sicherlich weitere hundert, die gerade nur vor sich hinköcheln. Zwar bin ich nur der fünfte Sohn und das achte Kind meines Vaters mit seiner angetrauten Gemahlin, aber mein Vater ist das aktuelle Familienoberhaupt und mein Tod würde ihn durchaus persönlich treffen und schwächen. Also werfe ich unverfänglich einen kurzen Blick in Richtung Bad und sondiere den Raum. Keine weiteren potentiellen Attentäter zu sehen und die Möglichkeiten sich hier zu verstecken sind äußerst begrenzt. Lady Augusta trägt nur diesen dünnen Morgenmantel, der ihre durchaus kurvenreiche und doch schlanke Figur körperbetont umschmeichelt. Waffen scheint sie keine zu tragen. Ihre hochgesteckten Haare sind mit zwei Stäbchen fixiert. Es gibt durchaus einige Assassinen, die in solche Stäbchen vergiftete Klingen einbauen. Nach einigen Sekunden des analysieren komme ich zu dem Schluss, dass es wohl eher unwahrscheinlich ist, dass es sich bei Lady Augusta um eine Attentäterin handelt. Und falls es sich um eine versierte Assassine eines der berüchtigten Todeskulte handelt sollte, würde es keine Rolle spielen, ob ich meine Waffen freiwillig ablege oder nicht. Also hänge ich mein Wehrgehänge an die Wand und nehme in einem der Sessel platz.
"Etwas Schaumwein gefällig?", fragt sie mich und ich nicke. Sie öffnet eine frische Flasche und befüllt zwei kleine Kristallgläschen auf einem Silbertablett. Dann kommt sie zu mir, sinkt geschmeidig in die Knie und präsentiert mir das Tablett. Diese Geste der Unterwerfung imponiert mir durchaus und ich kann spüren, wie sich bei mir unten was regt. Diese junge schöne Frau und ihr devotes Verhalten spricht mich an. Ich wähle eines der Gläser und warte, bis sie sich in den anderen Sessel setzt und an ihrem Glas nippt. Erst dann trinke ich ebenfalls aus meinem.
"Ich muss gestehen, ich war noch nie bei einer freischaffenden Kurtisane eingeladen und bin nun etwas verunsichert, nach wessen Regeln unser gemeinsamer Abend abläuft", kläre ich den weiteren Verlauf ab. Eine meiner ersten Lektionen von meinem Lebenswart Caine war, selbst der jüngste Spross von Taurion Conari bekommt etwas umsonst.
"Wie Ihr sicher schon erraten habt, mein werter Meister Flavion, suche ich einen neuen Gönner. Wir verbringen diesen Abend zusammen, lernen uns kennen und entscheiden dann, ob wir ein gemeinsames Arrangement treffen oder nicht. Sollten wir feststellen, dass wir nicht zueinander passen, würde ein Gentleman sich veranlasst fühlen, wenigstens die Unkosten dieser Nacht zu begleichen", erklärt sie mir. Ich schätze mal, ich bezahle das Zimmer und die Getränke, dazu noch ein angemessenes Entgelt für sie selbst. Damit kann ich leben. Was ich bis jetzt von ihr zu Gesicht bekommen habe, gefällt mir außerordentlich. Man sieht ihr die adlige Abstammung an und so wie sie spricht, denke ich, dass sie entweder aus einer verarmten Familie aus Malfi stammt oder beschlossen hat, ihre Apanage auf eine besondere Art aufzustocken. Oder es ist für sie ein großes erotisches Abenteuer, bevor sie aus dynastischen Gründen mit einem langweiligen, viel älteren Mann verheiratet wird, was das Schicksal vieler Damen meines Standes ist. Genau so gut möglich ist, dass sie das Kind einer Konkubine ist und deswegen nicht Erbberechtigt, aber die gute Erziehung einer Adligen genossen hat. Da darüber zu spekulieren müßig ist, fokussiere ich mich lieber auf mein Gegenüber.
"Flavion reicht vollkommen aus", biete ich ihr großzügig an.
"Augusta", erwidert sie lächelnd. Und ich mag ihr lächeln, da es ihre Augen erreicht. Da ich denke, dass es sich wirklich um eine Kurtisane auf der Suche nach einem Sponsor handelt und um keine auf mich angesetzte Attentäterin, kann ich mich entspannen.
"Aus reiner Neugierde, woher weißt du, dass ich nicht schon eine Mätresse habe?", hake ich nach.
"Wärst du hier an diesem Ort, wenn du eine hättest?", weicht sie geschickt mit einer Gegenfrage aus.
"Da ist was wahres dran", gebe ich ihr recht. Durchaus möglich, dass Caine sich schon auf die Suche nach einer für mich passenden Kurtisane begeben hat und sie seine erste Wahl für mich ist. Natürlich kann sie auch hier einfach auf einen adligen Kunden mit den notwendigen Mitteln warten und ihm ein Angebot machen. Ich beschließe, diesen Aspekt nicht weiter zu verfolgen.
"Wollen wir beginnen?", fragt sie mich nun, als ich sie noch sinnierend ansehe.
Gedanke des Tages
Das beschriebene Setting entstammt dem von Games Workshop lizenziertem Rollenspiel Schattenjäger. Die agierenden Charaktere sind frei von mir erfunden. Den einen oder anderen werden Stammleser schon von "Die Fahrten der Audacia" kennen. Wie üblich schreibe ich immer zuerst eine Geschichte zu Ende, bevor ich sie veröffentliche. Diese umfasst 20 Kapitel und werde diese wohl nun jeweils Sonntags Abend veröffentlichen. Wer mag, darf ein Review, Kritik, Lob und/oder ein Like bzw. Empfehlung hinterlassen.