Dark Artisan
„Hereinspaziert und willkommen, werte Archons, hochwohlgeborene Elite von Commoragh“ schallte es durch die kleine kreisrunde Arena. Die Tribünen am Rande der beleuchteten Sandfläche lagen in tiefer Dunkelheit. Nimoriel Malanthis wusste, dass sich hier nur das erlesenste Publikum, welches die Ewige Stadt zu bieten hat, zusammengefunden hatte. Auch sie war dem Ruf des Haemonculi-Herolds in das Labyrinth gefolgt. Sie witterte bereits damals eine Falle, als der jämmerliche, kleinwüchsige Wrack in ihren Thronsaal gewatschelt kam und sie zu einer Vorführung der Kreationen seines Meisters einlud. Gleichzeitig war das Angebot zu verlockend, die Dienste des Fleischformers erwerben zu können. Es war der eher unkonventionelle Weg mit einem Haemonculus ins Geschäft zu kommen. Ein Austausch von Diensten und Gefallen ohne augenscheinliche Intrigen schien abwechslungsreich einfach zu sein.
Das Individuum in der Mitte der Manege musste offensichtlich der besagte Meisterhaemonculus sein. Seine Erscheinung war vergleichsweise angenehm und physische Modifikationen waren auf den ersten Blick nicht zu erkennen. Malanthis war der Haemonculus jetzt schon sympathischer als die üblichen Fleischformer, er vermied ein abstoßendes Äußeres. Nur sein scheinbar eingemeißeltes Grinsen und die weit aufgerissenen Augen vermittelten einen gewissen Wahnsinn.
„Meine Diener wurden ausgesandt euch in mein bescheidenes Heim einzuladen um meine neuesten Kunstwerke zu begutachten. Ihr sollt euch natürlich nicht nur am Anblick erfreuen. Sämtliche Werke sind selbstverständlich, gegen einen gewissen Preis, erwerbbar. Um die ganze Sache etwas amüsanter zu machen, gibt ihr lediglich ein Gebot ab. Der Höchstbietende gewinnt. Ich bin mir sicher, dass es für euer Vermögen nur ein kleiner Verlust sein wird aber ich muss zugeben, dass ich mich als Künstler am besten entfalten kann, wenn ich abseits von Intrigen und Lügen arbeiten kann. Beide Parteien profitieren also von diesem Handel, das kann ich versprechen.“ Der Haemonculus verstummte kurz und ließ sein penetrantes Grinsen über die Tribünen schweifen.
„Ich will euch nun nicht weiter eurer kostbaren Zeit berauben. Erfreut euch am Anblick dieser beiden Exemplare. Wahre Wunderwerke meiner Zunft. Diese beiden Geschwister harmonieren perfekt miteinander. Wracks! Die Sklaven bitte.“ Er trat beiseite und hinter ihm schwebten zwei riesige Gestalten in die Manege und gesellten sich zu beiden Seiten ihres Erschaffers. Ein zweite öffnete sich und etwa zwanzig Sklaven wurde grob hindurch gestoßen.
Wieder drehte sich der Haemonculus mit seinem wahnsinnigen Grinsen dem Publikum zu. „Die Manege ist eröffnet.“
Der Haemonculus trat an den hinteren Rand der Arena. Die massigere und muskulösere der beiden Maschinen glitt ihrem Meister hinterher während die andere, schmächtigere, getragen vom leisen Surren der Antigravmotoren, auf der Stelle verharrte. „Hoch verehrte Archons, lasst mich nun eure Geduld belohnen. Die Zeit, die ich euch mit meinen Reden nahm, sollt ihr zurück erhalten. Bei diesem Exemplar handelt es sich um eine jener Kreaturen, welche besser unter dem Namen Cronos bekannt sind. Über ihren Nutzen wisst ihr ganz gewiss Bescheid. Genießt eure Zeit.“
Der Cronos setzte sich in Bewegung. Geschmeidig schwebte die lebende Maschine auf die Sklaven zu, welche sich zu einem zitternden Knäuel zusammen gedrängt hatten. Die arkanen Kräfte der Maschine machten sich an den vordersten Sklaven bemerkbar. Zwei fielen auf die Knie, ihre Haut schien auszutrocknen und in wenigen Augenblicken in Staub zu zerfallen. Die Beiden verkrampften sich am Boden und alterten in erschreckender Geschwindigkeit. Malanthis spürte ein Prickeln im ganzen Körper, erfrischend und belebend als die Antennen auf dem Rücken der Kreatur in blassem Grün zu glimmen begannen. Währenddessen wichen die anderen Sklaven weiter zurück bis sie aufgrund der Arenawände nicht weiter konnten. Der Cronos schwebte über sie und versuchte einen von ihnen mit seinen verkümmerten Ärmchen zu packen. Eine Hand ergriff einen Arm und zog den Verdammten in die Höhe. Einige der verängstigten Sklaven schienen ihren Mut wieder gefunden zu haben und versuchten das neue Opfer zu befreien. Kurzerhand durchbohrte der Cronos zwei mit seinem Schwanz. Ein verächtliches Schnauben war von der Tribüne zu hören. Malanthis konnte sich ein gehässiges Lächeln nicht verkneifen. Die übrigen Sklaven wichen entsetzt zurück und der wild zappelnde Sklave wurde von den anderen Armen der Maschine gepackt. Einige der Finger waren offensichtlich so modifiziert, dass sie die Lebenskräfte über Kontakt mit dem Opfer aussaugen konnten. Sie bohrten sich in das Fleisch des Sklaven und der beschleunigte Alterungsprozess setzte wieder ein. Diesmal leuchteten die Antennen in sattem Grün und die schändlichen Energien ließen das Publikum vor Erregung erschaudern.
Sichtlich erfreut trat der Haemonculus hervor und wandte sich grotesk grinsend dem Publikum zu. „Wie ich sehe, hat euch diese Kostprobe gefallen. Last mich nun mein zweites Werk vorführen. Ihr werdet nicht minder begeistert sein“. Der Cronos ließ den verdorrten Kadaver achtlos fallen und glitt stumm über den Sand zum hinteren Rand der Manege. Die beiden Aufgespießten zogen dabei eine blutige Spur über den Boden. Gleichzeitig bewegte sich die andere Maschine in die beleuchtete Mitte. Malanthis erkannte sofort, dass diese Kreatur weit subtileres Gemüt hatte. Es war eine Talos-Schmerzmaschine. Kleine Ärmchen ragten aus den Flanken des Kolosses die in kleinen Messern, Spritzen und Klauen endeten. Dazu gesellte sich ein weitaus kräftigeres Armpaar, die mindestens so dick wie der Oberkörper eines Eldar waren. Der rechte Arm ging in eine Sichelförmige Klinge über während auf den Stumpf des linken Arms zwei elegante Hitzelanzen montiert waren. Pumpen auf dem Rücken des Monstrums begannen bunte Flüssigkeiten in den Metabolismus zu pressen als es den verbleibenden Sklaven zuwandte. Mit überraschender Schnelligkeit und Gewandtheit, die man von solch einer Kreatur nicht erwartet hätte, metzelte sie sich durch die wimmernden Testobjekte.
Die Stimme erhalte aus dem schattigen Rand der Manege: „Zugegeben, das war zu erwarten. Eine kleine Überraschung habe ich aber noch als Zeichen der Dankbarkeit für eure Geduld, ihr Hochwohlgeborenen. Bringt es herein!“ Auf dieses Zeichen hin öffnete sich eine Luke in der Dunkelheit über dem Schauplatz. Ein klobiges Objekt wurde an schweren Ketten herabgelassen. „Ihr seid euch gewiss der aufsteigenden, anmaßenden Rasse der Menschen und ihren Versuchen, die eigene Existenz mit gezüchteten Elitekriegern zu sichern, bewusst. Das hiesige Exemplar der Elite der Menschheit weigerte sich bereits in der Vergangenheit zu sterben. Nun seht euch diese jämmerlichen Versuche an, ewiges Leben zu schaffen!“ Verhaltenes Gelächter war von den Tribünen zu hören. Das kantige Etwas wurde im Sand abgesetzt. Malanthis erkannte es als einen Cybot der Space Marines, jenen Maschinen, in welche ein sterbender Übermensch eingebettet und am Leben erhalten wurde um dem Tod zu entgehen und so auf ein Neues dienen zu können. Das Objekt im Sand wurde jedoch seiner Macht beraubt. Arme und Beine wurden ihm wohl in Gefangenschafft entfernt. Der Mensch im Inneren war aber wohl noch am Leben, vermutete Malanthis. Tatsächlich begann sich etwas in der Maschine zu regen. Die wutverzehrte Stimme des Menschen wurde durch die Voxcaster des Cybots verzerrt und penetrant laut wiedergegeben. Er tobte offensichtlich vor Hass und Zorn, gefangen in seinem metallenen Sarkophag. „Ich brauche euch die Vorzüge einer Hitzelanze nicht erläutern. Das folgende Schauspiel dient eher der Demonstration von zwei Hitzelanzen…“. Mit irrem Lachen trat er in die Schatten zurück.
„Eindeutig Wahnsinnig“, dachte Malanthis, „aber ein Genie in seinem Handwerk“. Der Talos verharrte umringt von Leichen auf der Stelle und richtete seinen linken Arm auf den Cybot. „Hilf unserem erregten Freund aus seinem Grab! Diese Menschenlogik soll einer verstehen! Nur Tote gehören in einen Sarg…“ schallte es aus den Schatten. Zwei orange-rote Strahlen schossen auf den Metallklumpen. Die Präzision des Talos war beeindruckend, der geschickt den Sarkophag aufschmolz. Währenddessen nahmen die Flüche und Verwünschen aus dem inneren zu. „Noch immer klammert sich diese verirrte Seele an ihren so hochgeliebten Imperator“ dachte Malanthis. Inzwischen war der Talos an den Cybot herangeglitten und hebelte die nun gelöste Fronplatte heraus. In den Innereien des Metallklotzes war der nackte Oberkörper eines vernarbten Space Marines mit der Mechanik der Maschine verkabelt. Er konnte lediglich seinen Kopf bewegen. „Ihr seid der Abschaum der Galaxis“ brüllte der Überrest Mensch. „Sieht so etwa eure Dankbarkeit aus? Wir haben euch aus eurem Grab befreit, mein hitzköpfiger Freund. Wenn ich euch meine Diagnose mitteilen darf: Ihr seid nicht tot. Euer Sarg hat also bisher seinen Zweck verfehlt, lasst uns das ändern“, antwortete der Haemonculus. Die kleinen Arme fuhren auf den Körper des Space Marines nieder und injizierten allerlei Flüssigkeiten, die einen grausamen Tod bescheren würden. Anschließend bog der Talos die Frontplatte wieder in ihre ursprüngliche Position zurück. Das Geschrei verstummte kurz darauf und ein blubberndes Geräusch verkündete das Ende der Vorstellung.