Der Bann
Der Zirkel war in Position, das Ritual konnte beginnen. Jeder der Psioniker trug seine rituelle, schwarzgoldene Tracht und hielt den Stab schon in Händen. In der Mitte lag die Träne des Phönixes in einem Gerät, welches der Adeptus Mechanicus ihnen zur Verfügung gestellt hatte. Eigentlich ein Schildgenerator für einen kleinen Schild, den man beispielsweise zum Schutz eines Kontrollpunktes auf dem Schlachtfeld verwenden konnte, was keiner tat, denn solche Geräte waren selten und äußerst alt, war nun so modifiziert worden, dass sie den Energiestein mit dem Gerät verbinden konnten. Nutzte nun ein Psioniker die Kraft des Steines, so war er in der Lage eine Barriere zu erschaffen und der Maschinengeist des Generators konnte, dank den schier unermüdlichen Reserven des Steins, diese Aufrechterhalten, solange der Stein mit ihm verbunden war.
Und genau dieses Ritual musste nun vollzogen werden. Wie ein Wesen nahmen die Mitglieder des Zirkels ihre Stäbe in beide Hände und hoben die in die Höhe. Die Träne des Phönixes pulsierte freudig in Erwartung des Kontakts mit psionisch begabten Wesen. Plötzlich verschwamm alles, als ob die Welt sich falten würde, doch der Zirkel wusste, dass es nur in ihren Gedanken geschah. Wärme schwoll an, waberte in ihren Körpern und ebbte wieder ab. Die Gesamte Stadt, jeder Mensch, jedes Gebäude, jeder Stein, kam in ihr Bewusstsein. Weiter, immer weiter dehnten sie ihre Wahrnehmung aus, bis sie die Grenzen der Stadt längst passiert hatten. Auch in den Himmel und tief hinab in den Erdboden drangen sie vor. Und als die gedachte Blase die gewünschte Größe erreicht, setzten sie eine der einfachsten Techniken ein, die ein Psioniker lernen konnte, den Bann.
Eine unglaublich Starke Kraft trieb sie aus dem Inneren ihres Bewusstseins zurück in die Realität. Und dann, waren sie wach.
Als Tiberius erwachte, beugte sich Tzeez über ihn und schüttelte ihn.
„Aufwachen! Ich weiß dass du mich hören kannst. Raus aus dem Delirium.“
Tiberius richtete sich auf. Auch Bruder Pollux kniete neben ihm. Und Apothecarius Veneta.
„Wie lange?“
„Etwa eine halbe Minute.“, antwortete der Heiler.
„Zu lange.“, stöhnte Tiberius und stellte sich nun auf seine Beine. Die anderen Männer taten es ihm nach und folgten ihn in einen Nebenraum. Octavius wartete bereits. Ebenso wie alle würdenträger des Militärs, darunter ihm viele unbekannte Gesichter. Der Uniform nach Yucataner.
Tiberius setzte sich neben seinen ehemaligen Mentor.
„Wie geht es den Anderen?“
„Alles in Ordnung. Sie sind alle noch Bewusstlos, weil der Austritt etwas zu schnell erfolgte, aber ihre Lebenszeichen sind stabil. Sie werden schon bald erwachen.“
Ein Klopfen riss sie aus der Unterhaltung.
„Meine Herren, bitte Ruhe.“, sprach der Großinquisitor mit seiner autoritären Stimme.
„Bitte lasst uns den Ausführungen von Scriptor Magister Octavius Augustus vom Astartes Orden der Masters of War zuhören. Er wird uns nun genau erklären, was die Barriere bewirken wird.“
Octavius erhob sich und ging nach vorne. Ohne seine weißgoldene Scriptorenrüstung oder seine schwarze Terminatorrüstung wirkte er nicht mehr so massig. Auch kam hinzu, dass die Masters of War, Gensaat bedingt, sowieso kleiner waren als andere Space Marines. Doch die weite, wehende Tracht gab ihm eine Aura der Weisheit, die sein sowieso schon erfahrenes und altes Gesicht noch erhabener machte.
„Meine Herren, die Funktion des von uns errichteten Schildes ist sowohl simpel wie mächtig. Dieser Schild ist weder sichtbar, noch fühlbar. Er hält keine festen Gegenstände auf und behindert keine Sensoren oder Radiowellen. Denn es handelt sich einfach um eine größere und, durch die Energie des Steines, stärkere Ausführung einer geläufigen Technik. Wie ihnen der Herr Großinquisitor sicher bestätigen kann, ist der Bann eine der einfachsten, aber korrekt angewandt, wirksamsten Techniken, die uns zur Verfügung stehen.“
Tzeez nickte, als sich die allgemeine Aufmerksamkeit ihm zuwandte.
„Über die Funktion reicht es für sie zu wissen, dass der Schild unsere Feinde davon abhalten wird, uns mit der gleichen Technik anzugreifen.“
„Und warum sollen wir nicht mehr wissen? Weil ihr denkt wir würden es nicht verstehen?“, meldete sich ein Adeliger aus der dritten Sesselreihe zu Wort.
„Genau!“, rief ein hoher Militär in der nähe. „Wenn ihr schon eure Mutantentechniken anwendet, dann sagt auch, was ihr tut, Herr Space Marine.“
Der Inquisitor griff ein:
„Wie könnt ihr es wagen, mit hohen Vertretern der erwählten Krieger des Imperators zu sprechen?“
Plötzlich durchfuhr ein weißer Lichtblitz den Raum und kehrte dann zu seinem Initiator zurück.
„Meister Tzeez, wenn diese Männer mehr erfahren wollen, so sollen sie das. Aber warnt sie vor den Konsequenzen, denn bestimmtes Wissen ist exklusiv und darf nur Mitgliedern gewisser, imperialer Institutionen anvertraut werden. Und das Departemento Minutorum, die Imperiale Flotte und der Imperiale Adel gehören nicht dazu. Außerdem steht auf manche dieser Informationen der Tod, sofern man nicht die Berechtigung zu diesem Wissen hat.“
Wieder nickte der Inquisitor nur.
„Gut, damit wissen sie alle, was Sache ist und dass dieser Ort, sofern unsere Feinde nicht durch die Verteidigungslinien kommen, sicher. Die Versammlung ist beendet. Ich bitte alle, die nicht dem Adeptus Astartes oder der heiligen Inquisition angehören, zu gehen.“
Wenige Augenblicke später waren sie allein. Die beiden Space Marines und der Großinquisitor. An der Tür stand Bruder Pollux. Auf der anderen Seite zwei Terminatoren. Diese Informationen durften nicht in die Hände schwacher oder manipulierbarer Geister geraten.
„Es wäre sehr nett, wenn ihr mir sagen würdet, wie ihr nun vorzugehen gedenkt und erstmal, wie weit die Blase reicht.“, sagte der Inquisitor.
„Nun, die Blase geht mehrere Kilometer weit.“, antwortete der Ordensmeister.
„Das heißt also, ihr beiden und auch ich, wir können unsere Kräfte hier nicht verwenden.“
„Also spürst du auch diese Leere?“
Tzeez machte eine Geste des Verständnisses, aber auch des Bedauerns.
„Und zu unserem, weiterem Vorgehen: Wir suchen Harashi.“